8l. Jahrgang.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1 mit Lräger. lohn 1.L0 BezirkS- und 10 km Berlehr 1.W im übrigen Württemberg 1LS «6. Monatsabonnements nach Verhältnis.

Irr Gesellschafter.

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Auflage 2800.

Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile a«S gewöhnl. Schrift od« deren Raum bet Imal. Einrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Mit dem Plauderstübch« und

«chwäb. Land««.

^ 198

Amtliche«.

Bekanntmachung

betr. Verursachung von Bränden dnrch das Spielen der Kinder mit Zündhölzer».

Im Hinblick auf die außerordentlich große Zahl von Brandfällen, die besonders auf dem Lande durch mit Zünd­hölzern und mit besonders feuergefährlichen Stoffen, wie Spiritus re. spielende Kinder in den letzten Jahren entstanden find, sowie auf einigem jüngster Zeit im Oberamtsbezirk vorge­kommene Fälle, wird darauf hingewiesen, daß den durch einen Brand an ihren Gebäuden Beschädigten eine Ent­schädigung von der Gebäudebrandversicherung nicht zuteil wird, wenn sie die Entstehung des Brandes selbst durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet haben (Art. 32 Abs. 2 des Gebäudebrandversicherungsgesetzes vom 14. März 1853), daß ebenso den Mobiliarfeuerversicherungs­anstalten gesetzlich verboten ist, irgend eine Entschädigung sn solche durch Verbrennen ihrer Fahrnis Beschädigte ans- zubezahleu, denen bezüglich des ihnen zugestoßenen Brand­unglücks eine Fenerverwahrlosung zur Last fällt (Art. 18 Abs. 1 des Mobiliarfeuerversicherungsgesetzes vom 19. Mai 1852) und daß ei»e grobe Fahrläsfi-kett oder eine Frurrverwahrlosusg im Sinne der genannten Bestimmungen nnch in dem Unterlassen genügender Beansstchtignug der Kinder oder gehöriger Verwahrung der Zündhölzer oder der besonder- feuergefährlichen Stoffe gesnnden werde» kan».

Alle mit dem Gebrauch oder der Aufbewahrung von Zünd­hölzern, Spiritus u. dgl. zusammenhängenden Verfehlungen gegen fcuervolizeiliche Vorschriften werden auch dann mit strenger Strafe abgerügt werden, wenn die Verfehlungen unglückliche Folgen nicht gehabt haben.

Die Herren Ortsvorsteher wollen für ortsübliche Bekanntgabe des Vorstehenden Sorge tragen. -

Den Herren Oberfenerschauern, Mitgliedern der Ortsfeuerschankommissionen, den Landjägern und den Ortspolizeidieneru wird wiederholt die größte Wach­samkeit in Bezug auf Übertretungen der ZZ 1-3 der K.

V.-O. betr. die Feuerpolizei vom und der

4. <5ÜN. 1888

§§ 2 und 3 der Min.-Verf. in Betreff der Reibfeuerzeuge v. 15. Juni 1877 und die unnachsichtliche Erstattung von Strafanzeigen auch in solchen Fällen, wo aus diesen Ueber- trerungen kein Brandnnglück entstanden ist, znr besonderen Pflicht gemacht.

Sie haben hiebei ein besonderes Augenmerk auf die­jenigen Fälle zu richten, in welchen Kinder ohne Auf­sicht in den Wohnungen zurückgelasse« werden, ohne daß zuvor für die Wegschaffnng der Reib­feuerzeuge aus ihrem Bereich Sorge getragen worden ist und in ihren Anzeigen diesen im HmbÜck auf die vergrößerte Gefahr eines Branduuglücks erschwerenden Umstand besonders hervorzuheben.

Die Herren Ortsvorsteker wollen den Mitgliedern der Ortsfenerfchaukommiffionen und den Ortspolizei­dienern urkundlich hievon Eröffnung und über den Voll­zug im Schultheißenamtsprotokoll Vormerkung machen.

Nagold, den 22. Aug. 1907. K. Oberamt: _Mayer, Reg.-Afs.

Dir erste theologische Dienstprüfung haben «. a. Kandidaten «it Erfolg erstanden und find zur Bersehung'vo» Pfarrgehilsendiensten für befähigt erklärt worden: Brügel, Rudolf, und Frohn> m»yrr, Hermann, »o» Nagold.

Infolge der ersten Dienstprüfung find u. a. nachstehende Te- minaristinnen für befähigt zur Bersehung von unständigen Lehrstellen an Volksschulen erklärt morde«: Holder, Maria, von Berneck; Rein, Emilie, von Pfäffingen; Schmid, Anna, von Grchingen.

Gagss-Hleuigkeiten.

Au- L1adt Md Land.

Nagold, 81. August.

. Zeichenkurs. Der dreiwöchige Kurs ging gestern zu Ende; die Herren Teilnehmer haben unsere Stadt, hoch- befriedigt vom Lehrgang und vom Aufenthalt, wieder Ver­isten. Ein weiterer Kurs wird in diesem Jahre nicht abgehalten.

Ziel SV Tage mit S pCt. Skonto oder Drei- chonatsakzept netto! Diese auf den meisten Fakturen übliche Zahlungsbedingungen gibt noch viel Veranlassung zu Mißverständnissen. Das Oberlandesgericht hat entschieden, daß die Bedingungen wie folgt auszulegen sind: Der Käufer kann innerhalb 30 Tagen mit 2 pCt. Skonto zahlen oder Dreimonatsakzept geben. Es steht dem Käufer also zu den Zahlungstermin hinauszuschieben, indem er wechsel­mäßige Sicherheit gibt. Will er keine Wechselficherheit geben, so muß er zahlen. Das Dreimonatsakzept darf der

Hlagold, Samstag den 24. August

Schuldner aber nur als fällig drei Monate nach dem Fak­turdatum und nicht drei Monate nach dem Ausstellungs­termin ausftellen. Tut er das nicht, so muß er nach 30 Tagen zahlen.

Der Komit Daniel gestaltet sich immer mehr zu einer recht auffallenden und glänzenden Himmelserscheinung, besonders infolge seines Hellen Schweifes, der schon mit bloßem Auge, bester aber noch mit einem Feldstecher zu sehen ist. Der Kops des Kometen erscheint als nebliger Stern von etwa zweiter bis dritter Größe. Einige Zeit vor Sonnenaufgang, etwa 3 Uhr. steht er am Osthorizont, südöstlich der Sterne Castor und Pollux. Er bewegt sich auf das Sternbild des Krebses zu, bei dessen Sternhaufen er in den nächsten Tagen zu finden sein wird. Der Komet nähert fich rasch der Sonne, in deren Strahlen er Ende August verschwindet. Er wird dann Mitte September am Abendhimmel wieder erscheinen.

Calw, 24. Arg. Am Donnerstag abend wurde der bedauernswerte Ludwig Zöllner beerdigt. Ueber das Verhängnis des auf so entsetzliche Weise gestorbenen Knaben herrscht noch tiefes Dunkel. Die Staatsanwaltschaft setzt die Untersuchung des Falles eifrig fort. Die Kleider des Knaben wurden beschlagnahmt; sie werden chemisch unter­sucht. Es wäre zu wünschen, daß baldige Aufklärung ein- iräte, damit alle an den Fall geknüpfte Mutmaßungen aufhören. Wie wir noch erfahren, soll der verhaftete 18jähr. Hausbursche ein halbes Jahr im Hause beschäftigt sein; er habe sich übrigens bei den Nachforschungen nach dem ver­mißten Knaben rege und unauffällig beteiligt.

i-. Eckeuweiler OA. Rottenburg, 23. Aug. Gestern hat sich der Bauer Christian Gsell, welchem vor einigen Tagen Wohnhaus und Scheuer abbrannte, die Pulsadern geöffnet, was seinen Tod durch Verbluten zur Folge hatte. Die Tat dürste aller Wahrscheinlichkeit nach in Verzweiflung über den bei ihm ausgebrochencn Brand begangen worden sein. Der Unglückliche ist ein allgemein geachteter Mann und lebte in günstigen Verhältnissen. Heute findet die ge­richtliche Sektion statt.

Der Brand in Darmsheim.

Die Not ist sehr groß. Fast alle Abgebrannten sind ungenügend versichert; hauptsächlich haben es die meisten unterlassen, genügende Beträge für die Feldfrüchte in die Versicherungsanträge aufzunehmen. Drei Abge­brannte sind gar nicht versichert. Viele beklagen auch den Verlust des baren Geldes. So ist denn die Not hier groß und Hilfe dringend notwendig. Möchte doch die herzbewegendeBitte um Gaben für die Abgebrannten", die Pfarrer Richter und Schultheiß Lutz in der Presse ver­öffentlichen, recht großen Erfolg haben. Kleidungsstücke sind schon so viel eingegangen, daß vorerst keine Not mehr vorhanden ist.

Der König hat 1000 gegeben,FabrikantFranck- Ludwigsburg außer Naturalien 250 Fabrik. Sußmann- Böblingcn-Stuttgart 100 Landtagsabgeordneter Leib- fried-Sindelfingen 50 Kaminfcgermeister Heininger- Sindelfingen 50 Ferner gingen viele Gaben im Betrage von 20 und 10 ein, auch die Sammelbüchsen ergaben schon eine schöne Summe. Heute wird das Hilfskomitee wieder zusammentreten.

Sendnnge« von Liebesgabe« jeder Art für die

Abgebrannten in Darmsheim, OA. Böblingen, die unter der Adresse des Hilfskomitees in Darmsheim oder einer sonstigen Sammelstelle mit dem Vermerk auf dem Fracht­brief:Freiwillige Gaben für die Abgebrannten in Darms­heim" zur Eisenbahnbeförderung aufgegeben werden, des­gleichen leere Emballagen, die zu solchen Sendungen verwendet waren und mit dem Vermerk auf dem Frachtbrief:Von einer Sendung freiwilliger Gaben für die Abgebrannten in Darmsheim" zur Rückbeförderung gelangen, werden bis 30. Nov. 1907 auf den württembergischen Staatseisenbahnen frachtfrei befördert, wenn die Auflieferung als gewöhn­liches Frachtgut ohne Angabe des Interesses an der Lieferung und ohne Nachnahmebelastung erfolgt.

1907

Internationaler Sozialisteu-Kongreß.

r. Stuttgart, 22. August.

Präsident Singer eröffnet die Sitzung und gibt zu­nächst das Wort dem Gen. Quelch (England) zu einer Erklärung: Der Vertreter der württemb. Regierung habe an seinen Worten der gestrigen Rede Anstoß genommen. Es sei so übersetzt worden, als hätte er die Vertreter auf der Haager Konferenz als Diebe und Mörder bezeichnet. Er habe diese Worte nicht gebraucht und sei für die Ueber- setzung nicht verantwortlich zu machen. Er habe von der Haager Konferenz als von einemtdisk's «nxxvr" gespro­

chen, was in wörtlicher Uebersetzung allerdings gleichbedeutend sei mit einer Gesellschaft von Dieben. In England sei dieser Ausdruck aber eine allgemeine Bezeichnung für eine Versammlung die kapitalistische Interessen vertrete. Eine persönliche Kennzeichnung oder Beleidigung der Vertreter habe er nicht beabsichtigt. Präsident Singer erklärte hierauf die Angelegenheit damit für erledigt und schlägt vor, zur Abkürzung der Debatten die Zeit für die Bericht­erstatter aus V» Stunde, für die Diskussionsredner auf 10 Minuten festzusetzen. Die Fragen über Kolonialpolitik und Frauenwahlrecht sollen heute behandelt werden. Für morgen sind Ein- und Auswanderung der Ar­beiter sowie Beziehungen zwischen Partei und Ge­werkschaften, für Samstag die Militärsrage auf die Tagesordnung gesetzt.

Karsky (Pole) beantragt, den ersten Absatz der Re­solution abzulehnen, da er gegen die Logik verstoße. Es sei ebenso ein Nonsens vom sozialistischen Staat wie von Kolonialpolitik zu sprechen. David habe gesagt, die Völker bedürften der Bevormundung. Sie würden vom russischen Zaren wie von Deutschland bevormundet. Preußen ver­hindere sie daran, Land in ihrer Heimat zu besitzen. Die Haltung Davids sei mehr junkerlich als sozialistisch. Er komme wissenschaftlich, habe Marx aber nicht richtig ver­standen. Wir hätten keinen Grund, mit unserer Kultur derart zu protzen, daß wir den asiatischen Mächten unsere After­kultur aufdrängen könnten. Unsere Aufgabe sei, alle kultu­rellen Keime zu voller Kraftentfaltung zu bringen, dazu bedürfe eS aber keiner Kolonialpolitik. Die Resolution der Minorität drücke auch jene Gedanken aus, die dem Schutz der Eingeborenen gewidmet sind. Macdonald (England) spricht namens der Independent Labour Party und bedauert, daß beide Resolutionen nicht die Fragen berühren, die die Engländer interessieren. Den englischen Kolonien sei in weitem Maße Selbständigkeit gewährt. Beide Resolutionen verdammten den Kapitalismus. Wir sollten den Mut haben, der Situation fest inS Auge zu sehen und endlich Positives schaffen. Das ewige Negieren treibe die Maste dem After­imperialismus in die Arme. Die internationalen Verträge seien besser, als nationale Gesetze, die den Egoismus der Nationen steigerten. Es sei nicht richtig, daß der Kapita­lismus allmächtig sei, denn er stehe unter der Kontrolle der Arbeiter. Im englischen Parlament werde er in der näch­sten Woche scharf abrechnen mit dem Kolonialminister und ihn wegen der kolonialen Greuel zur Rede stellen. Die Sozialdemokratie könnte Positives auf dem Gebiete der Kolonialpolitik leisten. Bracke (Frankreich) vertritt den Standpunkt der Minorität. Man werfe den Delegierten der Minorität vor, daß sie unpräzis, utopistisch und negie­rend seien. Sie verlange eine sozialistische Kampfpolitik gegenüber der kapitalistischen Kolonialpolitik. Es könne nur eine kapitalistische Kolonialpolitik geben. Der Majoritäts­beschluß enthalte die größte Utopie, die es geben kann. Man habe Bebel vollständig falsch zitiert. Wenn wir eine sozia­listische Kolonialpolitik treiben wollen, so erkennen wir doch damit alle Kolonialreiche der Welt förmlich an. Damit würden wir dann eine neue Haager Konferenz ins Leben rufen und das bedeutete dann Anerkennung und Stärkung der Kolonialreiche. Man habe nicht das Recht, die angeb­lich minderwertigen Völker zu bevormunden. Hierauf läßt die schwedische Delegation erklären, daß sie für den Ma­joritätsbeschluß sei. Die französische Delegation bean­tragt Streichung, die deutsche Delegation Aenderung des Abs. 1 des Majoritätsbeschlusses, der nun lauten soll:

In der Erwägung, daß der Sozialismus die pro­duktiven Kräfte des ganzen Erdkreises entfalten und alle Völker zur höchsten Kultur emporführen will, ver­wirft der Kongreß nicht jede Kolonialpolitik prinzipiell, da diese unter sozialpolitischem Regime zivilisatorisch wird wirken können."

Kautsky (Deutschland) mit anhaltendem Beifall em­pfangen, Wendel sich gegen die Resolution der Majorität. In ihrem ersten Absatz entfalte sie Gedanken, die nur äußer­lich mit den sozialistischen Grundsätzen zusammenhängen. Wir treten ein für die Eingeborenen, um sie. vor der Aus­beutung des Kapitalismus zu schützen und um sie vom Druck der Bureaukratir zu befreien. Sozialpolitik und Demokratie hätten aber nichts mit Eroberung und Fremdherrschaft zu tun. Eine Kolonialpolitik hemme die Zivilifierungspolittk. Sobald die Wilden merken, daß der Fremde als Despot komme, so verwerfen sie die fremde Kultur. Wir könnten nur zivilisatorisch wirken, wenn wir das Vertrauen der Ein­geborenen dadurch gewinnen, daß wir ihnen die Freiheit geben. Redner wendet fich sodann gegen die Argumentation David's und beantragt schließlich, den Antrag der deutschen Delegation abzulehnen, und den der Franzosen anzunehmen. SimonS (Amerika) wendet fich ebenfalls gegen den deutschen