hatte er jedoch nicht zustande gebracht. Er war daher bei seiner Abreise nicht nur so gut wie besitzlos, sondern auch den Ansprüchen derer ausgesetzt, deren Geld er vergeudet hatte. Aus dieser Lage erklärt sich auch der Wiener Be­trugsversuch mit dem ihm angeblich gestohlenen Kreditbrief. Vielfach ist Haus Ritterlichkeit hervorgehoben und seine Verweigerung der Aussage über die Tat als opfermütige Diskretion ausgelegt worden. Was von der Ritterlichkeit und dem Opfermut des Verurteilten im allgemeinen zu halten ist, ergab sich aus einem, in der Verhandlung eben­falls verlesenen Briefe, den die in den Tod gegangene Frau Hau kurz vor ihrer Eheschließung an eine ihrer Schwestern geschrieben hat. Sie teilt darin mit, daß ihr Verlobter ihr unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit als schwerwiegendes Geheimnis mitgeteilt habe, seine verstorbene Mutter habe ihm ein kolossales Vermögen wenn ich mich recht erinnere 2'/- Millionen hinterlassen. Sein Vater habe aber dieses Geld, obwohl es ihm also als Mündelgeld anvertraut gewesen sei, verspekuliert. Um seinen Vater nicht ins Zuchthaus zu bringen, müsse er schweigen und sich in einer bescheidenen Lebenssührnng zurechtsinden. An dieser ganzen von Hau ebenfalls zu seiner Drapierung mit ritterlicher Gesinnung erfundenen greulichen Verleumdung seines Vaters war kein wahres Wort. Ich lege auf die Hervorhebung dieses Briefs besonderen Wert, da er trotz seiner für die Beurteilung Haus einschneidenden Bedeutung in den mir zu Gesicht gekommenen Zeitungsberichten über den Prozeß nicht einmal erwähnt worden ist. Nun ver­gleiche man hiermit sein Vorgehen in der Mordsache. Zuerst gibt er durch sein Verhalten den Anstoß zur Vermutung geheimnisvoller Vorgänge und Beziehungen. Er sucht diesen Eindruck späterhin durch ein scheinbar Wider seinen Willen erzwungenes Geständnis (gelegentlich des Zwischenfalls Lenk) zu verstärken Und stellt sich schließlich, nachdem der Boden genugsam vorbereitet ist, als das Opfer seiner Liebrsleiden- schaft und eines von ihm so lang als möglich aus Ritter­pflicht verheimlichten mißglückten Rendezvous hin. Dabei läßt er durchblicken, daß er von der Tat zwar wisse, aber aus chevaleresker Rücksicht selbst unter Gefahr seines Lebens schweigen müsse. Was das Ergebnis seiner Ritterlichkeit sein werde, nämlich die Bloßstellung seiner Schwägerin in bezug auf ihre Mädchenehre und dann die Ablenkung des Mordverdachts auf sie, das sah er doch wohl mit Bestimmt­heit voraus. Der Erfolg hat ihm in diesem Kalkül auch Recht gegeben.

Ausland.

Eine aufregende Adlerjagd fand dieser Tage am Sachselerberg in Unterwalden statt. Auf einem Felsvor­sprung in der Höhe von 1400 m entdeckten zwei Bergsteiger namens Omlin und Griesinger ein Adlernest, und alsbald beschlossen sie, den Kampf mit demKönig der Lüfte" aufzunehmen. Mit aller Vorsicht näherten sie sich dem Neste und blieben auf der Lauer, bis mit gewaltigem Flügel­rauschen Papa Adler mit seinen Söhnen zurückkehrte. Die beiden Jäger eröffneten das Feuer und verwundeten auch die Vögel. Die Jungen verließen sofort wieder das Nest, während der alte, schwerer getroffen, sich in Verteidigungs­zustand setzte. Griesinger ließ sich nun an einem 60 m langen Seil bis in die Nähe des Nestes Hinuntergleiten. In dieser Stellung, über einem furchtbaren Abgrund schwebend, verharrte der Kühne über drei Stunden lang und suchte mit dem Messer seinem Gegner zu Leibe zu gehen. Schließlich gelang es, diesen zu Tode zu treffen. Das schwierigste war die Rückkehr des Jägers mit der schweren Beute auf den! Rücken, doch gelang das Unternehmen, wenn auch unter großen Schwierigkeiten. Das Adlernest bildete, wie Griesinger nachher erzählte, eine wahre Speisekammmer. Es fanden sich darin zwei halbgefressene Gemsen, Reste einer Ziege,

die Hälfte eines Murmeltieres und die Knochen mehrerer Hasen.

Wien, 14. Aug. Die Gardaseepost in Riva meldet, daß demnächst eine größere Gesellschaft Deutscher aus Ham­burg, Berlin, Frankfurt und Dresden eine Reise ins Tren- tino unternehmen werde, um zu zeigcn, daß sie sich nicht vor den Jrredentisten Welschtirols fürchtet. Dazu schreibt Alto Adige:Wenn die Herren Trentino als Gäste be­suchen wollen, werden sie kaum ein gastlicheres Land finden. Sollten sie jedoch Demonstrationen gegen die Italiener ins­zenieren, werden sie anstatt Heroen zu billigem Preis Mär- threr sein."

Budapest, 15. Aug. In der Nähe von Csik Szereda ist heute nachmittag ein Personenzug entgleist. Die Loko­motive stürzte über den hohen Damm. Mehrere Waggons wurden zertrümmert. Mehrere Personen, darunter Elsa Kirchner aus München, sind schwer und zahlreiche Passagiere leichter verletzt. Die Gattin des Keszthelyer Akademie- Professors Karl Berger wurde getötet. Die Zahl der Ver­letzten beträgt etwa 40. Aus den Goldbergweiken bei Marmoroßzit wurde gestern Gold im Wert von über 100000 Kronen von unbekannten Tätern gestohlen.

Zu dem Mord in Monte Carlo wird noch ge­meldet:

Paris, 15. Aug. Ein erst gestern in der Gooldschen Villa in Monte Carlo gefundenes Trinkservice, an dem noch getrocknetes Blut haftete, läßt darauf schließen, daß man Emma Lewin durch ein starkes Getränk zu betäuben ver­suchte. bevor sie ermordet wurde.

London, 15. Aug. Das Reuteische Bureau verbreitet folgende Meldung aus Kapstadt: Morenga ist mit 400 seiner Anhänger auf deutsches Gebiet übergetreten. Nach einem Telegramm aus Upington ist der Häuptling Simo Köpper in die Kapkolonie eiugedrungen und hat sich dort, mit den Streitkräftcn Morengas vereinigt, worauf beide auf deutsches Gebiet zurückkehrten. Es heißt, daß sie mit dem Häuptling Christian beraten wollten. Die Kappolizci eilte schleunigst herbei, um Morenga abzufangen. Die Schwierigkeiten des Geländes verhinderten aber seine Ge­fangennahme. Die Kapbchörden arbeiten mit dem deutschen Generalkonsul Hand in Hand und haben alle Maßregeln getroffen, um Morenga au dem Wiedereintritt in die Kap­kolonie zu verhindern. Wenn er es tut, wird er fcstge- nommen. Wie es heißt, ist eine Bestätigung der Meldung, daß Morenga in deutsches Gebiet eiugedrungen sei, im hiesigen Kolonialamt eingegangcn. Das Wölfische Bureau bemerkt hiezu, daß an amtlicher Stelle über diese Vorgänge noch keine Nachrichten eingegangen sind.

Salonik, 15. Aug. In Deremoslin bei Melenik wurde eine 30 Mann starke bulgarische Bande von Truppen ver­nichtet. Fünf Häuser sind infolge explodierender Bomben verbrannt. Drei türkische Soldaten sind tot und drei ver­wundet.

Pearys Polarexpedition verschoben. Aus New

Jork wird gemeldet, daß die Lieferung der Dampfkessel für den DampferRooscvelt" sich durch unvorhergesehene Zwischenfälle verzögert hat, so daß der Peary Ai ctic Club beschlossen hat, die Expedition um ein Jahr zu verschieben.

Vermischtes.

Ob wir in diesem Sommer noch viele sonnige Tage haben werden, ist eine Frage von nicht geringem Interesse. Da es erst in neuerer Zeit H. König gelungen ist, mit Hilfe besonderer Apparate die Dauer des Sonnen­scheins festzustellen, so ist es immerhin für die bevorstehen­den Tage im August tröstlich, daß nach diesen Feststellungen der meiste Sonnenschein keineswegs in die Monate Juni und Juli, sondern in den Mai und August fällt. Ferner fand sich, daß im Gebiete der Ostseeküste von West

nach Ost die durchschnittliche Dauer des Sonnenscheins im Jahre zunimmt. Kiel hat z. B. durchschnittlich im Jahre nur 1510 Stunden lang Sonnenschein, Kolberg 1773, Dir- schau 1801 Stunden. Der Süden Deutschlands-beziehent­lich Europas wird von der Sonne bevorzugt. Geisenheim z. B. hat durchschnittlich 1825, Wien 1816, Rom 2431 Stunden jährlich Sonnenschein. Noch sonniger ist Madrid mit 2908 Stunden im Jahre. Mit der Gebirgshöhe nimmt die Dauer des Sonnenscheins ab, nicht zu, wie man er­warten möchte. So hat Erfurt im Jahre 1622 Stunden Sonnenschein, der Gipfel des 900 Meter hohen Jnselberges aber nur 1522 Stunden. Auch für den Brocken und an­dere Berge ist diese Statistik durchgeführt worden. Die Tageszeit, zu welcher Frau Sonne am häufigsten erscheint, ist natürlich die Zeit von 12 bis 2 Uhr nachmittags. Etwa an der Hälfte aller Tage kann man während dieser Stunden Sonnenschein erwarten wenn es nicht zufällig gerade wieder einmal regnet.

Hygiene des Eiskastens. DieMünchener medi­zinische Wochenschrift" teilt einen Fall mit, welcher wichtige Fingerzeige für die Hygiene des Eiskastens gibt. Rach einem Bericht des Nenulmer Amtsarztes Dr. Weikard er­krankten sechs Angehörige eines fiebenköpfigen Haushalts glcichzeitig an eigenartigen Vergiftungserscheinungen und zwar nach Genuß eines Puddings, der aus übrig gebliebe­nem Eiweiß bereitet worden war. Letzteres hatte während der Aufbewahrung in einem leeren Eiskasten ein zur Gruppe der Ptomäine (Leichengifte) gehöriges sehr gefährliches Ei­weißgift entwickelt. Meerschweinchen wurden nach Zuführ­ung von nur 0,04 Gramm dieses Giftes innerhalb einer Stunde getötet. Es ist daraus die Lehre zu ziehen, daß Eiskästen mehrmals im Jahr, besonders wenn sie länger ohne Eisfüllung geblieben sind, gründlich und sorgfältig ge­reinigt werde» müssen.

Die kostbarste Landkarte der Welt ist ein Ge­schenk des Zaren an Frankreich. Sie ist ganz aus Edel­steinen hergestellt, und ihr Wert beträgt wohl 5 Millionen Mark. Jeder der Edelsteine stammt aus russischen Berg­werken, der Grund ist polierter Jaspis, auf dem die 87 De­partements Frankreichs in allen leuchtenden Farben sich abheben. Die größeren Städte sind durch besonders kostbare Steine bezeichnet, ein großer Rubin kennzeichnet Poris, ein Sma­ragd Havre, ein Diamant Lille, ein Saphir Rouen usw. Die Flüsse sind in Platin eingelegt, alle Namensbezeich- nungen in Gold.

Landwirtschaft, Handel und Verkehr.

Stuttgart, 15 Aug. Schlachtviehmurkt. Zugetrteden wurden: 32 Ochsen, 77 Bullen, 106 Kalbeln und Kühe, 462 Kälber, 686 Schweine. Verkauft: 28 Ochsen, 64 Bullen, 64 Kalbeln und Kühe, 462 Kälber, 559 Schweine. Erlös auS Schlachtgewicht: Ochsen: I Qualität: a) ausgemästete 84 bis 85 Bulle« (Farren) l Qualität: a) vollfleischige von 74- 76 -j, ll. Qua- l lität b) ältere und weniger fleischige von 72-73 -j. Stiere und i Jungvieh: l Qualität: a) ausgemästete 8466^/, ll Qualität: j b) fleischige 8283 A HI. Qualität o) geringere 8083 Kühe: ! II. Qualität: b) ältere gemästete 6l73 Hl. Qualität: e) ge«

! cingere 4252 Kälber I. Qualität: ») befte Saugkälber i 86-89 II. Qualität b) gute 82-84 A III. Qualität o) ge- ringere 79 bis 82 Schweine: I. Qualität a) junge fleischige 71 bis 74 II Qualität: b) schwere fette 66-70 III. Qualität: (o geringere (Sauen) 60 A Verlauf des Marktes: Schweine lebhaft, s onst mäßig _

Verzeichnis der Märkte in der Umgegend.

Vom 19.24. August.

Nagold: 2t. Aug. Biehmarkt.

Dornstetten: 24. Krämer« und Biehmarkt.

Witterungsvorhersage. Sonntag den 18. August. Ziemlich heiter, kein wesentlicher Niederschlag, warm.

Druck und Verlag der <A. IS. Zats«»'scheu Buchdruckerei (Gmilg Zaiser) Nagold. Für die Redaktion verantwortlich: K. Paur.

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