81. Jahrgang.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger­lohn 1.20 «4, im Bezirks­und 10 Km-Berkehr IL5 im übrigen Württemberg 1.8S Monatsabonnements nach Verhältnis.

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Ms- md 77" für dm Ndrmls-SeM NWÜ.

Jevnspvecher Zlv. LS.

Mevnspvechev Dir. LS.

Auflage 2600.

Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile auS gewöhnl. Schrift oder! deren Raum bei Imal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Mit dem Plauderstübchen und

Schwäb. Landwirt.

14!»

Bezngseinladung.

Mit dem 1. Juli 1907 tritt

Der HeseLschafLer"

in das 3. Quartal seines 81. Jahrgangs ein.

Der Gesellschafter mit dem Unterhaltungsblatt Das Plauderstübchen" und der BeilageSchwäbi­scher Landwirt" kostet bei jedem Postamt im Bezirks­und 10 Kin-Verkehr

^ 1 Mark »5 Pfennig

im übrigen Württemberg

1 Mark 35 Pfennig vierteljährlich

für Nagold mit Trägerlohn 1.2« Mk., ohne Träger­lohn 1 Mk.

Der Leserkreis des Gesellschafters umfaßt in Stadt, Bezirk und Umgegend zahlreiche Mitglieder aus allen Ständen. Es finden daher auch Anzeigen in unserem Blatte eine wirksame Verbreitung.

Wir bitten unsere bisherigen Leser um alsbaldige Erneuerung des Abonnements, damit die Zusendung des Blattes beim Quartalwechsel keine Unterbrechung zu erleiden braucht. Auch die neuen Abonnements werden schon jetzt von der Post angenommen. Bestellungen nimmt außerdem jeder Briefträger und Landpostbote entgegen.

Amtliches.

An die Schultheistenämter.

Aufkauf von Zuchtfarreu i« der Schweiz.

Der X. landwirtschaftliche Gauverbaud, bestehend aus den landwirtschaftlichen Bezirksvereinen Calw, Freudenstadt, Nagold und Neuenbürg, beabsichtigt zur Förderung der Viehzucht in diesem Jahr wieder einen Anskauf von Originalfimmentaler Farren in der Schweiz zu veranstalten.

Um nun zu wissen, wie viele Tiere aufgekauft werden sollen, wollen die Herren Ortsvorsteher nach Be­fragen der Farrenhalter und der Gemeindekolle­gien bis 1. Juli anher anzeigen, ob und wieviel Farren in ihren Gemeinden zum Bezug aus der Schweiz gewünscht werden.

Die bestellten Farren werden unter den Bestellern öffentlich versteigert und sind die Besteller in erster Linie zur Versteigerung zugelassen.

Sofern sich nicht andere Liebhaber beim Verkauf finden, ist jeder Besteller verpflichtet, bei der Versteigerung soviel Tiere anzukaufen, als er bestellt hat.

Der Ankauf wird Ende August d. Js. stattfinden.

Hlagocd, Irettag dm 28 . Juni

Bemerkt wird, daß die Amtsversammlung 1000 ^

zur Erwerbung von Original- bezw. Vollblut-Simmentaler Farren I. Klasse alljährlich bewilligt und daß nun auch die Privatfarrenhalter von dieser Summe je nach der Höhe des Kaufpreises Beiträge erhalten.

Nagold, den 15. Juni 1907.

K. Oberamt. Ritter.

Komische Hlsöerficht

Herr von Stndt, der nunmehr verflossene preußische Kultusminister, hat noch kurz vor seinem Scheiden einen letzten Willen niedergelegt, der geeignet ist, die Spur von seinen Ministertageu nicht sobald untergehen zu lassen. In seinem Auftrag hat die königliche Regierung in Oppeln 23 Volksschullehrer des Regierungsbezirks durch Geldstrafen und Entziehung ihrer Deputate gemaßregelt, weil sie oppo­sitionelle Artikel gegen den Bremserlaß in die linksstehende Presse gebracht hatten. Gleichzeitig verbot ihnen die Re­gierung jede weitere Bedienung der Presse.

Das österreichische Abgeordnetenhaus nahm am Dienstag die Wahl des Präsidiums vor. Zum Präsi­denten wurde der christlich-soziale Weiskirchner gewählt. Erster Vizepräsident wurde der Jungtscheche Zaceck, zweiter Vizepräsident der Pole Starczynski. Bei der Wahl des letzteren kam es zu lärmenden Protesten auf der Seite der Ruthenen und Sozialdemokraten, die versucht hatten, seine Wahl zu Hintertreiben. Zur Annahme gelangte ein Dring­lichkeitsantrag, betreffend die Wahl eines 52gliedrigen Budgetausschusses und eines je 26gliedrigen Legitimations-, Jmmunitäts-, Notstands-, und Geschäftsordnungs-Aus­schusses. Auf die Anfrage eines tschechischen Sozialdemokraten, welche Vorkehrungen getroffen würden, um im Sinn der Geschäftsordnung die Protokollierung sämtlicher im Haus gehaltener auch nicht deutscher Reden zu veranlassen, er­widerte der Präsident Weiskirchner, die Lösung dieser schwierigen und heiklen Frage stehe einzig und allein dem Haus zu er werde seinerseits alles tun, um eine befriedigende und harmonischeLösuugdieserschwierigen Frage herbeizusühren.

Die Haager Friedenskonferenz beschloß, in ihre Geschäftsordnung auszunehmen, daß interessierte Personen mit Genehmigung des Präsidenten zu den Sitzungen zuge­lassen werden können. Zu den Plenarsitzungen wird auch die Presse zugelassen. Das Reglement wurde angenommen mit Ausnahme des Artikels Vu , in dem festgesetzt war, daß eine Delegation sich durch die einer andern Macht ver­treten lassen könnte. Gegen den Paragraphen hatten der deutsche und der englische Delegierte Einspruch erhoben. In den Kommissionen erhielt Deutschland einen Ehrenpräsidenten­sitz. In Delegiertenkreisen hat der deutsche Antrag betreffend das Oberprisengericht den besten Eindruck gemacht, insbe­sondere als beredter Beweis, daß Deutschland entschlossen ist, durch praktische, realisierbare Vorschläge das Konferenz­werk zu fördern und zu einem wirklich nützlichen zu gestalten. Ebenso hat die Unterstützung des deutschen Antrags seitens Englands und Nordamerikas sichtliche Befriedigung hervor­

1S07

gerufen. Die armenischen und albanesischen Komitees haben an den Präsidenten Nelidow telegraphisch das Ersuchen ge­richtet, die traurige Lage der Albanesen und Armenier zur Kenntnis der Konferenz zu bringen. Dem Ansuchen wirv in Hinblick auf das Konferenzprogramm nicht willfahrt werden können. Der erste Delegierte der Vereinigten Staaten von Amerika hat sich das Recht Vorbehalten, der ersten oder einer anderen Kommission die Frage der gewaltsamen Ein­treibung öffentlicher Schulden oder irgend eine andere un Programm nicht erwähnte Frage vorzulegen. Auch der englische Delegierte behielt sich das Recht vor, späterhin neue Anträge zu formulieren. Von autoritativer amerikani­scher Seite wird erklärt, daß die Vereinigten Staaten keines­wegs beabsichtigen, die Frage der Abgrenzung der Rustungen aufzuwerfen. Durch die Vorbehalte wollten sie sich ledig­lich das Recht sichern, eventuell auch diese Frage vorzubringen, falls sie dies späterhin als tunlich erachten sollten.

lieber das französisch sPanisch-euglische Ab-

kommen ist von der französischen Regierung em Gelbbuch herausgegeben worden, aus dem hervorgeht, daß es sich lediglich um einen Notenaustausch und nicht um direkte Ver­träge handelt. Der Inhalt der Noten enthält nichts, was irgendwie Beunruhigung Hervorrufen könnte.

Die Meistbegünstigung deutscher Ware« in Spanien wird nach einem spanischen Erlaß auch vom 30. Juni ab bei der Zollabfertigung weiter zur Anwendung kommen.

Die von der Türkei beschlossene dreiprozentige Zollerhöhung, die bekanntlich gestern in Kraft treten sollte, mußte noch im letzten Augenblick verschoben werden, da Frank­reich und Belgien noch immer mit ihrer Zustimmung im Rückstand find. Die Pforte ist mit ihren Anweisungen al­so wieder einmal etwas voreilig gewesen.

Der Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und der Republick San Domingo, nach welchem die Vereiniglen Staaten Finanzverwalter der Republick San Domingo werden, ist am Montag vom Präsidenten Roosevelt unterzeichnet worden.

Das Kabinett von.Carraeas hat nach einer eng­lischen Meldung demissioniert, weil der Kongreß von Vene­zuela die Politik des Finanzministers verworfen hatte._

Gages-Keuigkeiten.

Aus Stadt Md Land.

Nagold, 23. Janl

* Die Wetteranssichten des Sommers. Der

bisherige Witterungsverlauf des Sommers war nicht ge­rade ermutigend; außer einer kurzen Hitzperiode im Mai war es immer unfreundlich und unangenehm kühl, besonders abends und nachts. Soll das so fortgehen? Es ist diese Frage nicht leicht so oder so zu beantworten. Wir glauben, daß darüber auch der Meteorologe nichts Gewisses aus­zusagen vermag. Immerhin ist es als Regel anzusehcn, daß auf einen kalten Winter, wie wir ihn hatten, ein warmer und schöner Sommer folgt. Es ist also zu hoffen, daß die

Mode und Kynismus.

Während wir im nächsten Plauderstübchen ein ergreifendes Gedicht Fr. Th. Bischers*)An das Mitleid" (Aus Lyrische Gänge) veröffentlichen, geben wir in nachfolgendem eine Probe von des AesthetikerS großem Eifer, mit welchem er wider die Modetorheiten Ende der siebzigerAahre zu Felde zog. Wir veröffentlichen diesen Auszug aus dem Schrift- chen WischersMode und Cynismus" (Verlag von Konrad Witwer in Sluttgart), um zu zeigen, wie Bischer die Kunst besaß, geistreich, witzig und unterhaltend zu sein; überdies wird sich mancher Leser mit überlegcnem-Lächeln jener Zeit

*) Friedrich Theodor v. Bisch rr,pseud. Philipp Ulrich Schartrn- mayrr u. Deutobald Symbolizetti Allegorowttsch Mystisizinsky, wurde am 80 Juni 1807 zu Ludwigiburg geboren, wo sein Vater »rchidiakonuS war. der schon 1814 starb Di-Mutter zog nach Stuttgart, und hier besuchte der Sohn daS Gymnasium. Mehr durch Verhältnisse als aus Neigung zum Studium der Theologie geführt, bezog er 1821 das theologische Seminar zu Blaubeuren, daö er 1820 mit dem theologischen Stift zu Tübingen vertauschte. Die philosophischen Studien, die er hier begonnen, setzt» er fort, als »r 1830 zum Vikar in Horrheim bei Baihingen und 1831 zum Repe­tenten am Seminar in Maulbronn ernannt worden war. Im September 1882 erwarb er sich den philosophischen Doktorgrad und bestand noch in demselben Jahre in Stuttgart seine Dienstprüfung. Im W.nter 198238 besuchte er Böttingen, Berlin, Dresden, Wien, Tirol, München, wo besonders seine Neigung für die Kunst Nahrung fand. Nachdem er von 1833 ab alS Repetent am Seminar in Tü­bingen gewirkt hatte, entsagte er 1886 der theologischen Laufbahn und habilitierte sich in Tübingen, w" er 1837 zum außerordentlichen Professor in der philosophischen Fakultät ernannt wurde.

der großen Modetorheiten erinnern, jetzt nachdem letztere, dank wohl auch den Ausführungen Wischers, zu gutem Teil überwunden sind. Wenn es trotzdem heutzutage Aus­wüchse der Modelaunen gibt, so wäre zu wünschen, daß auch ihnen ein Widersacher erstünde, der mit gleicher derber Urwüchsigkeit dreinfahren würde, wie unser Bischer von ehedem. Bischer schrieb:

Um eine Art Schleppe zu tragen, doch zugleich diesen Mißstand zu meiden, griff man vor einiger Zeit zu einer sonderbaren Auskunft, zu einer Form, die wir Schleppe- Rudiment nennen wollen. Es ist ein Convotut von Falten, das nicht ganz bis auf den Boden reicht und beim Gehen eine merkwürdige Rolle spielt: die linke Ferse schleudert diesen Faltenbüschel nach rechts, die rechte nach links: ein Gebaume! von widerlich lächerlichem Effekt. So ist zu sagen, denn es gibt auch ein Lachen mit Aerger, mit Widerwillen. An der Erscheinung des Weibes macht ein kurioses, spött- liches Anhängsel einen ganz anderen Eindruck, als an der des Mannes. Sieht diesem etwa die Rockschleife hinten über den Kragen heraus oder ein Lappen des Hosengurts zum Rock, ein Unterhosenbändel zu dm Hosen, oder haben ihm mutwillige Buben einen Papierzopf angeheftet: man lacht eben einfach. Beim Weib aber sind wir auf Wohl­gefälligkeit, auf Anmut gefaßt, unser Gefühl weiß Platt­komisches mit dem Ganzen seiner Gestatt nicht zu reimen, eine Empfindung lästiger, peinlicher Art, muß sich erzeugen, wenn diese Verbindung des Widersprechenden eintritt, also lachen mit saurem Gesicht muß man zu diesem Geschleifter, wenn man hinter einer Dame hergeht. Doch neuerdings ist

gleichzeitig auch die wirkliche Schleppe wieder mehr aufge­kommen, wird nun aber, um den Uebelstand des Straßen- fegens zu vermeiden, mit Hilfe eines Hakens und einer Schnur im Gehen gehalten und getragen. Also eine Zierde, von der das Weib in all den Stunden, wo es auf der Straße sich bewegt, nicht die Zierde, wohl aber die Last genießt! Es wird wohl auch noch Mode werden, ein Stück Kleid auf einem Kinderwägelchen hinter sich herzuführen! Wohl, wenn das heute von Paris diktiert wird, es findet sicher dienstwillig gehorsamste Nachahmung. Vielleicht kommt dann auch auf, daß der Mann, während er in Schuhen geht, ein paar Kanonenstiefel in der Hand mit sich herum­trägt; wäre auch nett und würde beim biederen Deutschen, wenn der lustigeFranzos es vorschriebe, nicht minder Nachfolge finden.

Es sei vergönnt, jetzt nach den Füßchen Zusehen. Das Stöckel hat sich erhalten, seit wir zum letztenmal kritisch gefrevelt haben. Verständlich: der hohe Absatz verstärkt eine Linie, die unzweifelhaft schön ist. Häufiger als beim männlichen findet man beim weiblichen Fuß den schwung­voll gehobenen, also hohl stehenden Rist (süddeutsch: Reien). Diese Wölbung weist auf elastischen Gang, auf Anlage zu rhythmischer Bewegung, zu schwebendem Tanz. Das häß­liche Gegenteil ist Plattfuß. Aber ist es denn nicht besser, wenn die organische Wohlbildung sich geltend macht ohne die lügnerische, übertreibende Nachhilfe mit all ihren Be­schwerden und Gefährden? Wir müßten durch Wiederhol­ung ermüden, wenn wir diesmal wieder darauf eingehen sollten; es sei daher zum längst Gesagten nur gefügt; längeres Tragen von Stöckelschuhen macht Affenbeine. Wir