81 - Jahrgang.

Auflage 2600 .

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Jevnspvscher Mr. Ld.

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Mit dem Plauderstübchen und

Schwab. Landwirt.

Nagold, Samstag dw 22. Juni

1907

lagen sowie der Vorlagen zur Förderung des Gewerbes und der Landwirtschaft fanden lebhafteste Zustimmung. Auch Stellen betr. die Fortsetzung der Eisenbahnverstaatlichungs- aktion,betr. das Schulwesen u. besonders auch eine Stelle bezügl. der Wahrung des religiös-sittlichen Charakters der Volksschule fanden lebhaften Beifall, ebenso wurde eine Stelle bezüglich der Aufrechterhaltung der pragmatischen Gemeinsamkeit so­wie der Schlußappell der Thronrede mit lebhaftestem Beifall ausgenommen. Der Kaiser wurde beim Erscheinen und beim Verlassen des Zeremoniensaales mit begeisterten Hochrufen begrüßt, und es ist bemerkenswert, daß auch die Sozial­demokraten zur Eröffnung erschienen waren. Schon in der ersten Sitzung des Reichsrats hatten sie sich beim Kaiser­hoch mit von den Plätzen erhoben. Im ungarischen Ab­geordnetenhaus kam es am Mittwoch zu neuen wüsten Lärm­szenen, als der Präsident mehreren kroatischen Abgeordneten das Wort entzog, weil sie die Obstruktion in unerhörter Weise übertrieben.

Die Haager Friedenskonferenz schritt in ihrer Mittwoch-Sitzung zur Bildung der vier Kommissionen, von denen die erste sich mit der Revision des Schiedsgerichts­wesens, die zweite mit den Fragen betreffend den Landkrieg, die dritte und vierte mit den Fragen betr. den Seekrieg befassen sollen. In den Präsidien ist Deutschland nur mit einem Vizepräsidenten vertreten. Bei der Einsetzung der Schiedsgerichtskommission beantragte der deutsche Delegierte Freiherr Marschall von Bieberstein die Einsetzung einer höheren internationalen Instanz, welche über Beschwerden betreffend Urteile lokaler Prisengerichte endgültig entscheiden soll. Der Antrag wurde von England und den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt. Die Frage des Sitzes und der Zusammensetzung dieses Oberprisengerichts wird erst später erörtert werden.

Der persische Hauptunruhstister, Prinz Salar ed Dauleh, hat im britischen Konsulat in Kermanschah Zu­flucht genommen und bittet um Sicherheit für sich und seine Familie.

Der Mörder des bulgarischen Ministerpräsi­denten Petkow steht jetzt in Sofia vor einem Feldkriegs­gericht. Mit dem Mörder Alexander Petrow, dem die An­klage Meuchelmord zur Last legt, haben sich zu verantworten die Redakteure Jkonomow und Gerow von derBalkanska Tribuna" sowie der frühere Bankbeamte Chranow wegen Anstiftung.

ParlaMMarijche Nachrichten.

Württembergischer Landtag.

r. Stuttgart, 21. Juni. Die Zweite Kammer

ist auch heute bei Beratung des Kultusetats über die Frage der Verstaatlichung der höheren Schulen nicht hinausgekom­men. Die Debatte eröffnete der Minister v. Fleischhauer mit 1°/«stündiger Rede, in der er sich zunächst gegen die Verstaatlichung wandte. Er betonte, daß der Staat die Fürsorge für diese Schulen nicht allein den Gemeinden über­lasse; er beteilige sich mit jährlich 1825 000 die Ge­

meinden mit 1390 800 die Verstaatlichung würde, da sich der Staat nur nach dem vorhandenen Bedürfnis richten könnte, eine Benachteiligung des flachen Landes bilden. Eine ungerechte Verteilung von Rechten und Lasten finde nicht statt, die Gemeinden entscheiden über die Errichtung überhaupt, über die Art der Schulen und über deren Aus­bau. Die Schulen find nicht gebaut dem Staat zuliebe, sondern im Interesse der Gemeinden. Der Staat verdiene Dank für die Verwaltung der Schulen. Lehrplan und An­stellung der Lehrkräfte lägen bei ihm in den besten Händen. Die Verstaatlichung sei aus finanziellen Gründen nicht möglich, zumal wenn auch noch verlangt werde, daß der Staat die Gemeinden für die gebauten Schulen entschädige. Die jährliche Unterhaltung würde bei einer Verstaatlichung von höheren Schulen und Volksschulen 10 Millionen erfordern, was eine Erhöhung der direkten Steuern um 50° ° notwendig machen würde. Reformschulen seien wünschenswert. Ihre Vorzüge liegen auf finanziellem Gebietefür dieGemetnden u. in derMöglichkeit der Hinausschieb­ung der Entschließung für die Berufswahl. Voraussetzung dieser Schulen sei der Bau einer Vollanstalt dieser Art und zwar durch Stuttgart, wobei der Staat Unterstützung gewähren würde. Der Minister sprach sich dann gegen die Aushebung der Elementarschule aus. Aesthetische Bildung, wie sie von Elsas verlangt worden ist, würde für unsere Gymnasisten nicht genügen; die brauchen schärfere Waffen im Kampf ums Dasein, eine formale Bildung des Geistes. Die Ver­setzungsprüfung lasse sich nicht entbehren. Oberstudienrat Dr. Hauber machte Mitteilung über eine Besichtigung von Reformschulen, die sehr befriedigend ausgefallen sei. Er besprach dann weiter die Verhältnisse unserer Gymnasien und betonte, die Unterrichtsverwaltung sei bestrebt, das Gute zu erhalten, mit der Zeit kräftig fortzuschreiten und unseren Unterricht an Trefflichkeit nicht hinter dem anderer Staaten zurückzulassen. Der Berichterstatter v. Gauß versprach in seiner vierten Rede, sich kurz zu fassen, erging sich dann aber in einer ^ständigen Polemik gegen den Minister, wobei er sich lediglich in Wiederholungen verlor. Dr. Wolfs (B. K.) sprach sich gegen die Verstaatlichung aus mit Rücksicht auf das flache Land. Er, aber auch nament­lich der Abg. Rembold (Ztr.) kritisierte scharf und mit Schadenfreude die Verzögerung der Etatsberatung durch die langen volksparteilichen Reden über diese Frage, indem er betonte, die wütende Infektionskrankheit der Redemanie, von der ein Mitglied der Volkspartei unlängst sprach, das sonst auch nicht an Schweigekrankheit leide, habe die Volks­partei selbst erfaßt. Der Redner hielt dann Elsas entgegen, daß die ästhetische Ausbildung für die Jugend unserer Gym­nasien nicht genüge, da sie einseitig, engherzig und nicht ungefährlich sei. Was nütze eine süße, reichliche, ästhetische Bildung, wenn geistige Defekte vorhanden seien und es an Charakter fehle, den das Gymnasium neben der Liebe zum Vaterland vor allem anerziehrm müsse. Rembold befür­wortete weiterhin die Reformschulen, sowie die Beseitigung der Versetzungsprüfung und erklärte sich entschieden gegen die Verstaatlichung. Nach weiterer Debatte wurde endlich der Kommissionsantrag betr. statistische Erhebungen über

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UoMifche HleVerficht.

Der Kaiser nahm am Dienstag abend an Bord der vor Brunsbüttelkoog ankernden LustjachtOceana" an einem Festessen teil, das sich an die vom Kaiser vorgenommene Preisverteilung an die Sieger des Norddeutschen Regatta­vereins anschloß. Auf einen Trinkspruch des Bürgermeisters Dr. Mönckeberg-Hamburg erwiderte der Kaiser hierbei mit einer Rede auf die Stadt Hamburg und auf den Verein. Sie enthält die folgenden bemerkenswerten Sätze: Ich möchte den (vom Vorredner gegebenen) Rückblick auf die zehn Jahre (Vereinsleben) vergleichen mit dem Barometer. Das Ba­rometer hat seine Kurven, es geht hinab es geht hinauf, und es geht auf wagerechtem Weg weiter. So ist es auch im Völkerleben, und so ist es im Vereinsleben. Man soll sich aber durch ein einzelnes Fallen in den Kurven nicht stören und den Mut nicht sinken lassen, wenn nur die Ge­samtkurve immer nach oben geht, und danach wollen wir streben. Der Kaiser erinnerte dann daran, daß sein Segel­sieg zum erstenmal mit einer deutschen Mannschaft und einem deutschen Kapitän erfochten wurde und sagte: Ich möchte zugleich meinen Dank dafür aussprechen, daß Sie zu meinem heutigen Sieg mir den bewährten Führer von der ^Ham­burg" überlassen haben. Er ist auf Hamburgern Gewäffern, auf einem Hamburger Schiff, unter hanseatischer Flagge ausgebildet worden, und so hatte die Stadt Hamburg und der Norddeutsche Regattaverein die Genugtuung, den ersten deutschen Kapitän für den ersten deutschen Kaiser, der zu Wasser fährt, zu stellen.

Reichskanzler Fürst v. Bülow begab sich zum Vortrag beim Kaiser nach Kiel. Man vermutet hinter dieser Reise bedeutendere politische Beweggründe.

Der Unterstaatssekretär des Reichskolonial­amts v. Lindequist hat gestern die Ausreise nach Süd­westafrika angetreien. Er übernimmt bis zum Eintreffen des Gouverneurs v. Schuckmann nochmals in vollem Umfang die Geschäfte des Gouverneurs. Seine Rückkehr wird an­fangs Oktober erwartet. Vor seiner Ausreise wurde von Lindequist vom Reichskanzler empfangen.

Die für die Aufbesserung der Beamtengehälter im nächsten Jahr zu erwartenden Mehrausgaben üben schon jetzt auf die Vorarbeiten für den preußischen Etat für 1908 ihren Einfluß aus. Der Finanzminister hat sämtliche Res­sorts zur äußersten Einschränkung ihres Geldbedarfs, be­sonders der Extraordinarien aufgefordert. Die Gehaltsauf­besserung wird sich auf die unteren, mittleren und oberen Beamten beziehen, soweit sie überhaupt zu berücksichtigen find, und soll so bemessen sein, daß für eine ganze Reihe von Jahren ein Abschluß erreicht wird.

Der österreichische Reichsrat wurde am Mittwoch in feierlicher Weise vom Kaiser persönlich mit einer Thron­rede eröffnet. Sie wurde wiederholt mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Insbesondere die Ankündigung einer Reform des politischen Verwaltungsdienstes, der Schaffung einer Alters- und Jnvaliditätsversicherung, der Arbeiterschutzvor-

Das Testament des Bankiers.

Kriminalroman von A. M. Barbonr.

Nntorifievt. Nachdruck verboten.

(Fortsetzung.)

Ach, lassen Sie mich mit solch abgeschmacktem Zeug zufrieden," polterte Ralph Mainwaring.Ich weiß, was ich weiß, und kümmere mich nicht um Ihre Kenntnis und die Quelle, aus der Sie sie haben. Der Besitz ging recht­mäßig auf meinen Vetter Hugh über und vererbt sich nun ebenso aus uns, seine nächsten Verwandten. Sie sollten doch selber einsehen, daß es eine Lächerlichkeit ist, von näheren Rechten anderer zu reden!"

Während er dies sagte, trat Skott aus dem Turm­zimmer an die Herren heran und sagte:

Die Abschrift ist fertig und liegt auf dem Pult."

Dann verließ er das Zimmer.

Der Rechtsanwalt, dem seine Blässe und sein ver­störtes Aussehen nicht entgangen waren, sah ihm kopf­schüttelnd nach, dann folgte er Herrn Mainwaring nach dem Turmzimmer, um mit diesem die Abschrift des Testaments zu prüfen. Hierbei fiel ihm wie er sich später erinnerte - auf, daß das oberste Löschblatt der ihm bekannten Schreibunterlage, das mit Schriftabdrücken bedeckt gewesen war, als er zum letztenmal an dem Pult gestanden hatte jetzt ein vollständig reines Aussehen zeigte, die frühere oberste Lage also weggenommen sein mußte.

Am Nachmittag hatte sich Skott mit Herrn Mainwaring

und Whitney in das Stadtbureau begeben, um die Durch­sicht wichtiger Schriftstücke fortzusetzen. Da erhielt er ein an ihn persönlich gerichtetes Kabeltelegramm aus London von der Rechtsanwaltfirma Barton u. Barton, mit der er seit länger als einem Jahre in eigener geschäftlicher Ver­bindung stand. Das Kabeltelegramm an sich überraschte ihn deshalb nicht, wohl aber versetzte ihn fein Inhalt in Bestürzung. Er lautete:

Sind Sie mit einem I. Henry Carruthers aus London zusammengetroffen? Segelte vermutlich vor zehn Tagen ab. Können Sie seinen Aufenthalt angeben?"

Glücklicherweise befand Skott sich allein im Bureau, da Herr Mainwaring und Whitney in die Privatgeschäfts­räume gegangen waren. Es sah also niemand seine Ueber- raschung und wie er nachgrübelte, ob diese Anfrage eine Beziehung zu dem Rätsel haben könnte, das ^er seit dem Verlosten des Turmzimmers vergeblich zu lösen trachtete. Endlich, nach etwa einer halben Stunde, erwachte er aus seinem Sinnen und schickte folgende Erwiderung ab:

Fragliche Person am 7. d. M. gesehen. Seitdem verschwunden. Am 8. d. M. Schreiben abgesondt. An­weisungen per Kabel."

Um vier Uhr fuhr der Schöneicher Wagen vor, um die Herren zurückzubringen. Whitney kam, um Skott abzu­holen. Dieser aber, noch in voller Arbeit, sagte:

Ich habe hier noch etwas zu vollenden und will die Nacht hier bleiben. Bitte, wollen Sie mein Ausbleiben bei den Herrschaften entschuldigen."

Als der Rechtsanwalt am nächsten Tage wieder inS Bureau kam, fand er folgenden Brief vor:

Werter Herr! Ich bedauere, Ihnen Mitteilen zu müssen, daß ich zur Ordnung wichtiger Privatange­legenheiten auf unbestimmte Zeit verreisen und deshalb meine Stellung als Sekretär aufgeben muß. Auf das mir angebotene Gehalt verzichte ich. Ihnen bisher nach meinen Kräften eine Hilfe gewesen zu sein, gereicht mir zu um so größerer Genugtuung, als ich nur allzugut weiß, welch schwere Aufgabe vor Ihnen liegt.

In der Hoffnung, Sie künftig wiederzusehen, bin ich . mit größter Hochachtung

Ihr ergebenster

Harry Skott."

Nachdem Whitney diese Zeilen gelesen hatte, murmelte er:

Merrick scheint mit der harten Nuß recht zu haben. Ich fange schon jetzt an, daran zu beißen. Was mag den Menschen so eilig fortgeführt haben?"

Als er wieder nach Schöneiche zurückkam, fand er sämtliche Hausgäste, einschließlich Merrick, der sich einige Zeit nicht hatte blicken lasten, auf der Veranda versammelt. Seine Mitteilung von der plötzlich unternommenen Reise des Sekretärs erregte allgemeines Erstaunen.

_ (Fortsetzung folg:.)

A«s dr« Mrggeudorfer - Blätter«. Neckerei. Bettrr: WaS sind denn das eigentlich für Federn an Deinem Hut?' Cou­sine:Das find ganz gewöhnliche Gansfedern!' Better:Na, da- freut «ich, daß Du Dich wenigstens nicht mit fremden Federn schmückst!'