81. Jahrgang.
Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
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Mernspreche* N*. LS.
Ilernsprecher N*. LS.
Auflage 2600.
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Mit dem Plauderstübchen und
Schwab. Landwirt.
^ 141
Nagold, Mttwoch dm 19. Juni
19M
Amtliches.
Bekanntmachung des Ministeriums des Innern betr. Maßregeln gegen die Maul- undKlauensenche.
Die Maul- und Klauenseuche im Oberamt Nagold ist erloschen.
Die aus Anlaß der Verseuchung dieses Oberamts angeordneten Schutzmaßregeln (Z. vgl. die Bekanntmachung des Ministeriums des Innern vom 28. Mai 1907, betr. Maßregeln gegen die Maul- und Klauenseuche, Staatsanz. Nr. 122) werden hiemit aufgehoben.
Stuttgart, den 17. Juni 1907.
K. Ministerium des Innern: Pischek.
Vorstehendes wird mit dem Anfügen bekannt gegeben, daß hienach der Handel im Umherziehen mit Wiederkäuer« und Schweinen im Oberamtsbezirk Nagold wieder gestattet ist (vgl. oberamtl. Bekanntmachung vom 29. Mai 1907, Ges. Nr. 126).
Nagold, 19. Juni 1907.
K. Oberamt. Mayer, Reg.-Ass.
Bekanntmachung,
betr. den Viehmarkt in Ebhausen am 24. Juni 1S07.
Wegen der immer noch herrschenden Seuchengefahr werden für den am 24. Juni 1SV7 in EbHansen
stattfindenden Biehmarkt folgende Anordnungen getroffen:
1. Auf den Markt werden nur solche Wiederkäuer und Schweine zugelassen, welche auf Grund der am Eingang des Platzes stattfindenden tierärztlichen Untersuchung für gesund und seuchensrei befunden werden;
2. Mit der Bahn kommende Viehtransporte müssen auf dem Bahnhof tierärztlich untersucht werden und dürfen nur bei Seuchenfreiheit zum Markt getrieben werden.
3. Aus dem Oberamt Leutkirch, aus Baden, Elsaß- Lothringen und dem bayrischen Kreise Schwaben werden Viehtransporte nicht zugelassen.
Für ortsübliche Bekanntmachung wolle gesorgt werden.
Nagold, den 18. Juni 1907.
K. Oberamt.
Mayer, Reg.-Ass.
Die Ortspolizeibehörden
werden hiemit auf den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 10. Mai 1907 Amtsblatt. S. 233 betr. die Durchführung des Kinderschutzgesetzes hingewiesen.
Zugleich wird den Gemeinden, in welchen das Gesetz zur Anwendung kommt, die bei W. Kohlhammer in Stuttgart erschienene Schrift des Staatsanwalts Dr. Schmidt- Ernsthausen betr. das Kinderschutzgesetz (mit Erläuterungen), Preis brosch. 2 40 ^ zur Anschaffung empfohlen.
Nagold, den 15. Juni 1907.
K. Oberamt. Ritter.
Obige Schrift ist vorrätig in der G. W. Zaiser'schen Buchhdlg.
WoMifche Hleberficht.
Der Kaiser hat an den Admiral von Tirpitz, der am Freitag auf eine zehnjährige Tätigkeit als Staatssekretär des Reichsmarineamts mit dem Rang eines Ministers zurückblickte, aus Anlaß dieses Jubiläums ein Telegramm gesandt, in dem es u. a. heißt: „Die Hoffnungen, die ich auf sie gesetzt hatte, sind in reichem Maß erfüllt worden. Das erkenne ich wiederum dankbarst an nnd knüpfe daran den Wunsch, daß Sie noch viele Jahre in gleicher Arbeitsfrische und mit gleichem Erfolg wie bisher ihres verantwortungsvollen Amtes walten mögen." — Zehn Jahre Minister zu bleiben, ist an sich schon keine Kleinigkeit. Wenn diese Amtszeit aber auch noch so erfolgreich war, wie es bei der von Tirpitz der Fall gewesen ist, so verdient das doppelte Anerkennung.
Ueber die deutsch-spanischen Handelsbeziehungen veröffentlicht das amtliche Organ der spanischen Regierung eine Mitteilung, nach der ein Uebereinkommen erzielt wurde, das Handelsabkommen vom 12. Februar 1899 unter denselben Bedingungen in Kraft zu lassen, wie zu der Zeit, da es aufgelöst wurde.
Der Große Rat des Kantons Genf hat die
Abschaffung des Kultusbudgets beschlossen; die Volksabstimmung darüber wird am 29. und 30. Juni stattfinden.
Die Haager Konferenz. Die nächste Plenarsitzung der Friedenskonferenz wird nach einer Meldung aus dem Haag am Mittwoch nachmittag beginnen. Am Montag haben sich mehrere Vertreter der Großmächte und der Niederlande über die Wahl der Präsidenten der vier Kommissionen verständigt. Internationale Frauenverbände bereiten eine Schrift vor zu Gunsten des allgemeinen Friedens und zwar auf dem Wege einer Petition an die Konferenz. Mehrere Damen aller Nationen kamen zu diesem Zweck gestern im Haag zusammen und verlangten vom Generalsekretariat, daß es die Petition in der Plenarsitzung der Konferenz vorlege. Da es aber schwierig erscheint, die Petition auf solche Weise in Empfang zu nehmen, wird wahrscheinlich der Präsident den Damen eine Audienz bewilligen, damit sie sich ihrer Aufgabe entledigen können.
Zwischen Frankreich und Spanien einerseits und Spanien und England andererseits sind Bündnisverträge abgeschlossen worden, durch die sich die beteiligten Mächte den gegenwärtigen Stand im Mittelmeer und im Atlantischen Ozean gewährleisten. Den ausländischen Regierungen auch der deutschen, ist bereits Kenntnis von diesem Ereignis, das wohl die erste reife Frucht der Reise Onkel Eduards darstellen dürfte, gegeben worden. Es ist bezeichnend, daß die offiziöse französische „Agence Havas" die erste Mitteilung vom Abschluß der Verträge, die ein italienisches Blatt am Freitag verbreitete, sofort dementierte, aber schon am andern Tag die Tatsache nicht länger verschweigen konnte. Sie knüpft an ihr Zugeständnis zwar heilige Friedensversicherungen und sagt, von einer Aliance, einer Triplealliance könne keine Rede sein, da keinerlei militärische Konvention
beigefügt sei. Das kann aber nicht hindern, daß man sich
über diese neuen Bündnisse seine eigenen Gedanken macht.
Vom neuen russische« Wahlgesetz. Das neue Duma-Wahlgesetz bestimmt: Die Wahlen zur Reichsduma finden in den Gouvernements statt, die nach dem alten Gesetz von den Gouvernementsverwaltungen verwaltet werden und in den Städten Petersburg, Moskau, Warschau, Kiew, Lodz, Odessa und Riga. In Polen, sowie in den Gouvernements Irkutsk und Jenißlisk finden die Wahlen nach dem alten Wahlgesetz statt, mit der Maßgabe, daß Polen 14 Abgeordnete, darunter 2 russischer Nationalltat in die Duma schickt. Die Wahlen im Kaukasus und im fernen Osten werden durch besondere Gesetze geregelt. In 5 von den oben genannten 7 Städten, nämlich Petersburg, Moskau, Kiew, Odessa und Riga finden die Wahlen auf Grund direkter Stimmabgabe statt. Jeder Stimmberechtigte hat bei den Wahlen nur 1 Stimme und kann nur in einer Wahlkurie wählen. Die Wahl der Abgeordneten zur Duma findet in Gouvernementsversammlungen statt aus Wahlmännern von 5 Kategorien, besseren Gutsbesitzern 1. und 2. Stufe, Städtern, Bauern und dann, wo das Gesetz es bestimmt, auch aus Arbeitern. Die Städte wählen zu Abgeordneten, wie oben gesagt, je 2 Stufen nach dem Vermögenszensus. Der 1. Stufe gehören die höheren Steuerzahler, der 2. die niedrigen Steuerzahler, darunter die Wohnungsvermieter und die Beamten, an. Die Wahlmänner werden gewählt aus den Versammlungen von Gutsbesitzern, von Bevollmächtigten von Bauern, von städtischen Wählern in zwei Klassen und von Arbeiteröevollmächtigten. Die Versammlungen der Gutsbesitzer, der Bauernbevollmächtigten nnd der städtischen Wähler können auf Anordnung des Ministers des Innern geteilt werden nach Ortschaften, nach höherem oder niederen Vermögenszensus und in Bezirken mit gemischter Bevölkerung nach Nationalitäten. Die Bevollmächtigten und Wahlmänner können nur aus Personen gewählt werden, die das Recht der Teilnahme an den Versammlungen an dem Ort besitzen, wo die Wahlen stattfinden. Personen, denen das Recht der Beteiligung an diesen Wahlen nicht zukommt, dürfen den Wahlen nicht beiwohnen. Irgend welche Resolutionen und Beschlüsse, welche auf die Wahlhandlung keinen Bezug haben, dürfen von den Versammlungen nicht gefaßt werden. Die Gouvernementswahlversammlung wählt in oorxors zuerst einen Abgeordneten aus der Zahl der von der Versammlung der bäuerlichen Bevollmächtigten aufgestellten Wahlmänner, alsdann ebenfalls in eorxors einen Abgeordneten aus der Zahl der Wahlmänner aus der Gutsbesitzerverfammlung, hierauf einen Abgeordneten aus der Zahl der Wahlmänner der städtischen Versammlung 1. und 2. Klasse. Bezüglich der Reihenfolge, in der diese Wahlen vorzunehmen sind, enthält das Gesetz für die verschiedenen Gouvernements verschiedene Bestimmungen. Hierauf erfolgt durch die Gouvernementsversammlung aus der Gesamtzahl der Wahlmänner die Wahl der übrigen vom Gesetz für das betreffende Gouvernement festgesetzten Abgeordneten. In den Städten mit eigener Vertretung, Warschau und Lodz ausgenommen, wählt die erste sowie die zweite Klasse ihre Abgeordneten besondersaus ihrer
Das Testament des Bankiers.
Kriminalroman von A. M. Barbonr.
Autorisiert. — Nachdruck verboten.
(Fortsetzung.)
„Kinder hatte er nicht, und von der Frau hat niemand mehr etwas erfahren. Ich hätte gar nicht geglaubt, daß sich in dieser prosaischen Mainwaringschen Familie ein so hübscher Roman abspielen könnte. Er endete ja freilich sehr traurig, trotzdem hat er mir aber sehr gefallen, und den Helden den Harold — habe ich immer bewundert. Wissen Sie, wenn mir einmal solch ein Mann begegnete, der könnte mir gefährlich werden."
Sehr amüsiert entgegnete Herr Whitney: „Ich dächte, es spielte sich eben wieder ein Roman in der Familie ab."
„Sie meinen zwischen Hugh und Edith Thornton? Na, das ist mir der rechte Roman. Nein, die Sorte liebe ich nicht. Wo steckt denn da Romantik, wenn zwei schon in der Wiege Brautleute werden? Natürlich auch ein Machwerk Ralphs, denn die Braut ist eine unermeßlich reiche Erbin. Das ist die ganze Romantik bei der Sache. Nein, wenn ich jemals einen Roman erleben sollte, so müßte der von Anfang an spannend sein. Wissen Sie, so mit plötzlichem Finden, stiller Liebe, Trübsal, getäuschten Hoffnungen und schrecklichen Verwicklungen, wo keiner weiß, was wird. Endlich hat der Liebesgott ein Einsehen — die Herzen dürfen sich finden — alles endet in Jubel und Glückseligkeit. Was? Das wäre ein richtiger Roman!"
Ein glockenhelles'Lachen beschloß diesen Sprudel mädchenhafter Schalkhaftigkeit.
Herr Whitney kam sich sehr dumm vor, als er plötzlich merkte, wie der Zauber des in strahlendem Uebermut lachenden, entzückenden Gesichtches ihn vollkommen bestrickt und befangen gemacht hatte. Als sie wenige Augenblicke später, zu Tisch gerufen, den langen Korridor zusammen entlang schritten und er dabei in einem Spiegel das Bild eines gut konservierten, bureaukratisch aussehenden Herrn von etwa 40 Jahren erhaschte — da war es ihm eine peinliche Empfindung, sich auf einmal so alt zu finden.
Bei Tisch hatte er Fräulein Carleton als Nachbarin. Schräg gegenüber saßen der junge Mainwaring und Harry Skott in eifriger Unterhaltung. Letzterer war sehr elegant gekleidet, und seine edle Gestalt, sein vornehmes Wesen und die pikante Schönheit seines dunklen Gesichtes stachen noch mehr hervor als sonst. Herr Whitney sah ihn öfter, augenscheinlich sinnend, an, denn in dem Mienenspiel des ihm rätselhaften jungen Mannes war ihm eine Aehnlichkeit mit irgend jemandem aufgefallen, den er kannte, aber nicht zu nennen vermochte."
„Sagen Sie, Herr Whitney, begann Fräulein Carleton nach einer kurzen Gesprächspause wieder, „finden Sie nicht, daß Herr Skott mitunter Hugh Mainwaring recht ähnelt?"
Der Anwalt sah überrascht auf. „Das kann ich nicht finden. Die beiden Gesichter sind doch grundverschieden."
Von jetzt ab beobachtete er jedoch Skott noch aufmerksamer. Auf einmal stutzte er und raunte leise seiner Nachbarin zu: „Weiß Gott, Sie haben recht! Ohne einen
Zug äußerer Aehnlichkeit und doch im Ausdruck unverkennbar Hugh Mainwaring. An diesem Sekretär werde ich wahrhaftig ganz irre. Ist es möglich, daß eine solche Aehnlichkeit nur vom Zusammenleben entstehen kann?"
Als er unmittelbar nach Beendigung des Essens, immer an Skott denkend, das Eßzimmer verließ, fühlte er sich leicht am Arme berührt: „Wenn Sie Zeit haben, kommen Sie in den Park."
Verschiedene Anschauungen.
Kurze Zeit darauf trat Whitney mit Merrick zusammen, der, seine Zigarre rauchend, nachdenklich in den gewundenen Wegen umherschlenderte.
„Ah, da sind Sie ja!" sagte der Detektiv. „Haben Sie nun ein wenig Zeit?"
„Solange Sie wünschen. Ich fühle mich ordentlich erleichtert, diese langweilige Gesellschaft einmal los zu sein."
„So, wirklich? Wie man sich doch täuschen kann," erwiderte Merrick mit verschmitztem Lächeln. „Ich habe wirklich nicht gedacht, daß Sie so sehnlichst wünschten, von der Gesellschaft Ihrer Tischnachbarin erlöst zu sein, und machte mir schon Vorwürfe, Sie hierher gebeten zu haben."
„Ach was, reden Sie keinen Unsinn," brummte der Geneckte errötend. Wenn Sie die Unterhaltung mit ange- hört hätten, die ich den ganzen Tag ertragen mußte, wurden Sie auch froh sein, endlich einmal wieder mit einem vernünftigen Menschen sprechen zu können."
„Na, wenn es so steht, glaube ich, Sie befriedigen zu können. Doch muß ich mit Ihnen ganz geheim sprechen,