Gegen die Parlamentslosigkeit in Portugal
wenden sich jetzt auch die Stadtverwaltungen. Den Anfang machte der Gemeinderat von Lissabon, der in einer Erklärung gegen die Auflösung der Deputiertenkammer Einspruch erhob. Andere Gemeinderäte des Königreichs bereiten gleiche Kundgebungen vor. Die Opposition bleibt bei der Behauptung, daß das Auflösungsdekret vom 10. Mai ein richtiger Staatsstreich gewesen sei. Die Ministeriellen machen geltend, daß ein solches Vorkommnis in der Politik Portugals durchaus keine Seltenheit sei; alle Parteien hätten von diesem Mittel Gebrauch gemacht, um diktatorische Dekrete, nicht nur verwaltungsrechtlichen, sondern auch öffentlichen Charakters, zu publizieren.
Bom Balkan wird neues Blutvergießen gemeldet: In Kanaferia ist ein kutzowallachischer Edelmann von Griechen schwer verwundet und sein Diener getötet worden. Am 18. Mai wurden bei Plewna drei bulgarische Bandenführer von Truppen erschossen; ein vierter ist entkommen. In Uesküb besetzten meuternde Soldaten das Tclegraphenamt. In Saloniki wurde der bulgarische Schulleiter Wasfiljew aus Emboria von einem Griechen aus Rache durch Schüsse tödlich verwundet.
Wegen der neue» Unruhen in China sind von Kanton aus Truppen nach Swatow entsandt worden, denen Verstärkung von Schinhino aus folgen soll. Die ganze Familie des Brigadegenerals in Swatow ist von den Aufrührern gefangen genommen und zum Selbsstmord durch Ertränken in einem Brunnen gezwungen worden. Die dortige „Revolutionäre Gesellschaft" erklärt öffentlich, daß der Aufstand nicht gegen die Fremden und auch nicht gegen die gewöhnlichen Chinesen gerichtet sei; die Absicht sei vielmehr, alle Regierungsgebäude niederzubrennen und die Beamten zu töten, um die Regierung zu stürzen. Die Missionen sind nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, doch verlassen die Missionare die Stationen und flüchten nach Swatow. Die Behörden haben das dringende Ersuchen an die Regierung in Kanton gerichtet, auch Kanonenboote zu senden. Die auf der Eisenbahn nach und von Tschautschofu reisenden Fahrgäste werden durchsucht. — Aus Peking wird die Ernennung von Tsen Chun-Hsuan zum Generalgouverneur von Liangkiang gemeldet. Sie erscheint deshalb beachtenswert, weil Hsuan in dem Bezirk beheimatet ist, nach chinesischer Sitte es aber einem Beamten nicht gestattet ist, in seiner Heimatprovinz ein Amt zu versehen. Also eine „Reform"!
Den Aufständischen in Kwantung ist von den
chinesischen Provinztruppen ein siegreiches Gefecht geliefert worden. Der Führer der Rebellen wurde gefangen, ihre Fahnen und Munition sind erobert worden. Weitere 2000 Mann Regierungstruppen sind nach Tschau-tschou abgegangen. Ein Kanonenboot mit dem 15. Regiment an Bord hat Cauton verlassen, um nach Swatov zu gehen. Lin englisches Blatt bringt Nachrichten aus Pakhoi, nach denen die Gebäude der deutschen und britischen Mission in Lien- Tschau zerstört seien. Der Deutsche Imsen, Fräulein Wendt, der Engländer Stephen Wieks und Frau befänden sich in Sicherheit im Damen des Präsekten.
Die englische« Journalisten beim Kaiser.
Potsdam, 31. Mai. In seinen Gesprächen mit den englischen Journalisten sprach der Kaiser seine Befriedigung darüber aus, daß die Reise der Engländer durch Deutschland so genußreich für sie sei.
Er freue sich sehr, daß er die leitenden Männer der englischen Presse hier begrüßen könne, er glaube, daß solche Besuche gute Folgen haben werden. Er möchte aber wünschen, daß nicht nur die englischen Journalisten, sondern auch andere einflußreiche und politische Persönlichkeiten Englands nach Deutschland kämen, um die deutschen Verhältnisse kennen zu lernen. Von der gegenwärtigen Regierung kenne er nur den Kriegsminister Haldane. Ferner sagte der Kaiser mit Bezug auf einen Besuch bei Lord Lonsdale, er billige sehr das System der kleinen Eigentümer in Jork- shire und Westmoreland und sei bestrebt, dieses System in
bequeme Rohrsessel standen an einem kleinen Tisch, der eine Kiste vortrefflicher Havannas trug, die Hugh Mainwaring sogleich präsentierte.
Eine Weile blickten beide schweigend, den Duft des selten feinen Krautes einziehend, in die strahlende Nacht. Dann begann Mainwaring:
„Hören Sie, Skott, ich muß Ihnen sagen, daß ich mich wirklich ganz niederträchtig der Art und Weise schäme, wie Sie in den letzten Tagen von uns behandelt wurden. Es war grundgemeiu und niedrig, und ich für meinen Teil bitte Sie ehrlich und aufrichtig um Verzeihung."
„Ach was, machen Sie sich deshalb keine Gedanken," amwortete Skott gutmütig. „Ich habe mich darüber nicht gewundert; Sie können ganz beruhigt sein."
„Na, ich bedaure es aber mehr, als ich sagen kann. Die Dinge sahen eben eine Zeitlang verteufelt sonderbar aus, wissen Sie!"
„Gewiß, da haben Sie ganz recht," stimmte Skott freundlich zu. „Und da die Sache erst ihren Anfang genommen hat. ist es gar nicht ausgeschlossen, daß noch einmal Dinge zum Vorschein kommen, die Ihnen von neuem höchst sonderbar erscheinen und neue Zweifel erregen könnten."
„Nein, nun sicher nicht mehr," rief Hugh lebhaft. „Ich muß rein hirnverbrannt gewesen sein, daß ich überhaupt auch nur einen Augenblick an Ihnen zweifeln konnte, aber zum zweitenmal passiert mir eine solche Dummheit nicht wieder, darauf können Sie sich verlassen. Mit meinem Vater ist es freilich etwas anderes. Ter grämt ftch um
Deutschland zu fördern, «solche Leute gäben gute Soldaten. Der Kaiser kam auch auf den Aufenthalt der englischen Journalisten in Hamburg zu sprechen, der sehr interessant gewesen sein müsse. Es wurde ihm erwidert, die Engländer seien sehr erfreut über diesen prachtvollen Hafen. Sie hätten den großen Strom und die glänzenden Kaianlagen auss höchste bewundert. Von diesem Hafen könnten die Engländer sehr viel lernen.
Berlin, 31. Mai. Aus London meldet die B. Z. am Mittag: Der Daily-Exprcß veröffentlicht eine Aeußerung, die Fürst Bülow dem Vertreter dieses Blattes gegenüber getan hat. Als Fürst Bülow erfuhr, daß der betreffende Vertreter dem Redaktionsstab des Daily-Expreß angehöre, und ihm die Verbreitungsziffer dieses deutschfeindlichen Blattes genannt wurde, bemerkte er: „Ihr Blatt muß also eine große Macht besitzen. Ich wünsche, daß Sie einsehen sollen, daß jedermann in Deutschland, vom Kaiser bis zum „mLu tu tsis von freundschaftlicheren Gefühlen für
England erfüllt ist." Fürst Bülow spricht, wie der Berichterstatter des Daily-Expreß hervorhebt, ein tadelloses Englisch, fast ohne Akzent.
Parlamentarische Nachrichten.
Württeurbergischer Landtag.
r. Stuttgart, 31. Mai. Die Zweite Kammer
hat heute nachmittag die Beratung über den Etat der Zentralstelle für Gewerbe und Handel fortgesetzt und zwar bei Tit. 1 dem dank der Flut von Anträgen bereits 3 Sitzungen gewidmet worden sind. Der Abg. Andre (ZtrO vertrat folgenden Antrag:
Die Regierung zu ersuchen, die Beamten der Gewerbe- cufstcht zur Erledigung der wichtigeren und schwierigeren Geschäfte zu einem unmittelbar unter dem Ministerium stehenden Kollegium zu vereinigen, an dessen Beratungen und Beschlußfassungen Arbeitgeber einerseits, Arbeiter und Arbeiterinnen andererseits in gleicher Zahl teilnehmen, zu deren Bestellung diesen Berusskreisen eine Mitwirkung zustehen soll.
Der Abg. Schick (Ztr.) wandte sich gegen den an sich gutgemeinten sozialdemokratischen Antrag betr. die Ausdehnung der Sonntagsruhe weil er ein Eingriff in berechtigte Interessen sein würde. Die Leute vom Lande seien genötigt, an Sonntagen ihre Bedürfnisse in der Stadt zu decken. Der Abg. Hieb er (D. P.) begründete zur Frage des Submissionswesens einen Antrag, daß wenn von mehreren Handwerkern gleichwertige Angebote vorliegen, bei der Zuschlagserteilung diejenigen Bewerber vorzugsweise zu berücksichtigen sind, die berechtigt sind, den Meistertitel zu führen. Außerdem beantragte er die Verweisung sämtlicher diesbezüglicher Anträge an die volkswirtschaftliche Kommission. Minister v. Pischek erklärte sich gegen jede Aenderung der Organisation der Zentralstelle, die doch geändert werden müsse, wenn, wie er hoffe, die Arbeitskammern bald kommen und sprach sich auch ganz entschieden gegen eine von Häffner (D. P.) vorgeschlagene, progressive Umsatzsteuer für alle Großbetriebe aus, da diese durch die progressive Einkommensteuer genug belastet seien und bei weiterer Besteuerung aus dem Lande getrieben würde. Schließlich betonte der Minister auch noch seine ablehnende Haltung gegenüber dem Antrag des Zentrums auf Schaffung eines selbständigen Kollegiums für die Gewerbeinspektion. Der Abg. Mayer- Ulm (Vp.) legte die Haltung seiner Partei zu den verschiedenen Anträgen dar und beantragte für den Fall der Annahme des Antrags Gröber, wonach das organisierte Handwerk zur Feststellung der Voranschläge und Bedingungen bei Vergebung der öffentlichen Arbeiten und Lieferungm zuzuziehen ist, die beigezogenen Personen von der Beteiligung an der Submission ausgeschlossen werden. Der Redner begründete ferner einen mit der Deutschen Partei gestellten Antrag auf Zuziehung einer angemessenen Zahl von Privatbeamten zu Mitgliedern des Beirats der Zentralstelle und auf Verstärkung der Lohnarbeiter. Der Abg. Körner (B.K.) erklärte sich für den Antrag des Zentrums betr. das Snbmissionswesen sowie den diesbezüglichen Antrag Hieber, desgleichen für die
das Testament. Es ist gar nicht mehr mit ihm zu sprechen."
„Das verstehe ich nicht ganz, da, soweit ich Ihren Herr Vater zu beurteilen vermag, er doch nicht den mindesten Zweifel zu hegen scheint, daß die Erbschaft Ihnen oder ihm zugesprochen werden muß."
„Gewiß! Aber mein Vater und ich sind grundverschiedene Naturen. Ich lasse mir daran genügen, zu wissen, daß wir Geld haben, und sehe deshalb der ganzen Geschichte sehr kaltblütig zu, ihn aber plagt neben vielen andern Dingen auch noch der Ehrgeiz. Es hat ihn von jeher geärgert, nicht zu der direkten Nachkommenschaft des Hauptstammes zu gehören; seit dem Tode des alten Ralph Mainwaring, Hughs Vater, hat er es sich zum Lebensziel gesetzt, die alten Stammgüter der Mainwarings in seine Familie zu bringen. Dieser Plan stützte sich einzig und allein auf die Annahme, daß Hugh Mainwaring nicht heiraten und das Erbe an unsere Linie fallen würde. Mit meiner Geburt nahm dann der Plan eine noch festere Gestalt an. Von nun an arbeitete mein Vater darauf hin, daß ich der einstige Universalerbe Hughs werden solle, um eine Teilung der Erbschaft zu verhindern. Hugh wurde mein Pate, und ich erhielt bei der Taufe seinen Namen. Die Spekulation war ganz schlau eingefädelt und glückte. Nach meiner Einsetzung als Erbe sah sich mein Vater schon halb am Ziel aller seiner Wünsche, und der plötzliche Tod Vetter Hughs ließ ihn schon ganz die Ehre genießen, mit dem Wiederankauf des gesamten alten Besitzes in die alte Geschlechtslinie einzurücken und für diese in mir einen Stammhalter zu haben. Durch die Vernichtung Ses Testaments ist er nun
Anträge betr. das Wandergewerbe. Den Bestrebungen auf Aufhebung des Verbots des terminmäßigen Börsenhandels in Getreide bat er entgegenzutreten. Weiter wandte er sich gegen die Einwendungen, die gegen den Antrag Hiller betr. die Konsumvereine erhoben worden sind, indem er ihre Schädlichkeit und die der Warenhäuser für den Mittelstand hervorhob. Der Abg. Mattu tat (Soz.) trat in längeren Ausführungen für die Anträge seiner Partei ein, fand im Hause, das sich allmählich immer mehr lehrte, aber nur etwa 30 Zuhörer. Auch als er schließlich die ablehnende Haltung seiner Partei zu verschiedenen Anträgen begründete und besonders gegen Körner polemisierte, predigte er leeren Bänken. Der Abg. Wolfs (B.K.) warf ihm unter Anführung von Zitaten Unkenntnis der sozialdemokratischen Parteipreffe vor. Das Haus quittierte diese Zitate mit wiederholtem Hört! Hört! Dr. Wolfs erwiderte dann noch auf einige Angriffe gegen den Antrag Hiller. Nach einigen weiteren kurzen Bemerkungen des Abg. Löchner wurde um 7'/i Uhr die Weiterberatung auf morgen vertagt.
Tages-Weuigkeiten.
Aus TIM Md Land.
Nagold, t. Juni
Biehstatistik. Im Oberamtbezirk Nagold betragen auf 1. April 1907 die Beiträge der Viehbesitzer zur Zentralkasse für Entschädigung für an Milzbrand oder an Maul- und Klauenseuche gefallene Tiere von 1110 Pferden ä 10 — 111 von 2 Eseln L10 — 20 von
12 686 St. Rindvieh ä 10 — 1268.60 zusammen
1379.80 °^. Auf 1. April 1906 waren vorhanden 1136 Pferde, 2 Esel und 11532 St. Rindvieh und ist somit gegenüber dem Vorjahr eine erfreuliche Zunahme desRind- viehstandes zu verzeichnen.
r. Horb, 3. Juni. Die gerichtliche Sektion der Leiche des vor wenigen Tagen mit seinem Fahrrad tot aufgefundenen Josef Walz von Obertalheim ergab, daß diesem beim Herabfahren der Steige bei Jhlingen, durch sein eigenes Fahrrad die bedeutende Schnittwunde auf der Brust beigebracht wurde und daß Walz infolge Verblutung gestorben ist.
r. Wildbad, 1. Juni. In einem hiesigen Hotel sind einem jungen Franzosen ein Brillantring und einige hundert Franken, sowie ein Hundertmarkschein gestohlen worden. Der Täter soll den Ring in Pforzheim zu veräußern suchen.
Stuttgart, 1. Juni. I. M. der König und die Königin haben sich gestern nachmittag 3 Uhr nm Sonderzug zu mehrwöchigem Aufenthalt nach Bebenhausen begeben. In Begleitung der Majestäten befanden sich Oberhofmarschall Frhr. von Wöllwarth, Kammerherr Frhr. von Raßler, Flügeladjutant Oberstleutnant von Hofacker und die Hofdame von Süßkind-Schwendi.
r. Stuttgart, 1. Juni. Die 47. Wanderversammlung württembergischer Landwirte fand heute im reichgeschmückten Reutlingen statt. Unter den Erschienenen wurden besonders bemerkt, die Präsidenten Graf von Rechberg-Rothenlöwen und v. Payer, Staatsrat Freiherr von Ow, Ministerialdirektor v. Haag und verschiedene Mitglieder der Ersten und Zweiten Kammer der Landstände. Der Vorsitzende Freiherr Schenk von Stauffenberg begrüßte in kurzen Worten die Versammlung und gab seiner besonderen Befriedigung über das Erscheinen von Vertretern der Kgl. Staatsregierung Ausdruck. Ministerialdirektor v. Haag überbrachte zuerst der Versammlung den Gruß des Königs, welcher der Versammlung reichen Erfolg wünsche und entschuldigte sodann das Fernbleiben des Ministers v. Pischek, der durch die Kammer- Verhandlungen in Anspruch genommen sei. Die Leitung der Wanderversammlung habe es bisher vorzüglich verstanden, nicht nur aufklärend zu wirken, sondern auch der K. Staatsregierung wertvolle Grundlagen zur Betätigung ihres großen Interesses an der Landwirtschaft zu schaffen. Auch die heutige Tagesordnung enthalte bedeutsame Fragen, deren
wieder aus all seinen Himmeln gefallen, denn wenn ich als alleiniger Erbe nicht anerkannt werde, kommt der Besitz zur Teilung zwischen ihm und seinem jüngeren Bruder.
(Fortsetzung folgt.)
Tarifreform und deutsche Sprache.
Am Schalter einer Station der Schwarzwaldbahn.
— „Zwei Fahrkarten nach Villingen, 'rei un' 'raus".
— „Eilzug oder Personenzug?"
— „Personenzug."
— „Eine Mark zwanzig."
— „Ja! ich's denn teuerer worre?"
— „Nein, sechszig Pfennig."
— „Sie sage doch ebe' eine Mark zwanzig."
— „Na, ja, Sie wollten doch zwei!"
— „Jo doch! rei' un' 'raus."
— „Für Sie allein?"
„Natürlich, für wen noch?"
- „So schwätzen Sie doch deutsch und verlangen einfach, wie bisher auch, ein Retourbillet nach Villingen dritter Klasse."
— „'s hat g'hciße, 's gilt keine meh."
— „Wenn man' ein Retourbillett nach Villingen will, dann verlangt man keine zwei Fahrkarten, sondern ein Retourbillett, denn die hat's nach Villingen immer'gebe, also bitte sechzig Pfennig."
— „M'r muß halt immer noch derzu lerne."
Sprach's, und steckte sein „Retourbillett" ein und zog
nachdenklich von oanncu.