8^. Jahrgang.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger­lohn 1.20 ^,irn Bezirks­und 10 irm-Berkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.3S Monatsabonnements nach Berhältnis.

Jevnfprechev Wv. 28.

Jevnsprecher Wv. 29.

Auflage 2600.

Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile aus gewöhnl. Schrift oder deren Raum bei Imal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Mit dem Plauderstübchen und

Schwäb. Landwirt.

^ 118

Bei der ersten mittleren Post- und Telegraphendienstprüfung find u. a nachstehende Kandidaten für befähigt erkannt rvordenj: Döt kling, Paul von Altensteig; Maurer, Julius von,Nagold.

Die neue Bail-Ordrnmg.

Der Entwurf der neuen Bau-Ordnung ist nunmehr im Druck erschienen. DieFranks. Ztg." schreibt zu demselben:

Das Gesetz, dem eine umfangreiche Begründung beigegeben ist, umfaßt 87 Artikel. Mit der Vorlage wird einem bereits vor zwölf Jahren von der Abgeordnetenkammer ausgespro­chenen Verlangen Rechnung getragen. Diese Forderung hatte ihren Grund vornehmlich in der zu wenig einfachen, den länd­lichen Verhältnissen nicht genügend angepaßten Gestalt der alten, vor 35 Jahren entstandenen Bauordnung. Die Vor­bereitung des Entwurfs, der zum ersten Male im Jahre 1903 veröffentlicht und auf den Grund der eingelaufenen Besserungsvorschläge erweitert worden ist, hat, wie die an­geführten Daten zeigen, ziemlich viel Zeit in Anspruch ge­nommen.

Das Gesetz sucht dem an die Regierung gerichteten Ver­langen nach Vereinfachung dadurch entgegenzukommen, daß es den Gemeinden in dem Erlaß von ortsbaulichen Vor­schriften weiteren Spielraum als bisher lassen will, während allerdings mit Recht im Hinblick auf die fortschreitende Ausgleichung, wie sie durch die Ausbreitung der Industrie bedingt wird, ein einheitliches Gesetz für Stadt- und Land­gemeinden beibehalten worden ist. Auf die Größe der Gemeinden ist an einzelnen Stellen Rücksicht genommen worden. Das Recht der Dispensation von den Vorschriften des Gesetzes und der Ortsbaustatuten wird beibehalten, doch hofft die Begründung, daß durch die zugelassene Differenzierung der Vorschriften für städtische und ländliche Gemeinden die Zahl der Dispensation sich überhaupt vermindern wird. Außer­dem werden die Dispensationsgesuche in Fällen, die lediglich ortspolizeiliche Vorschriften betreffen, den Obcrämtern und den diesen gleichgestellten Gemeindebehörden zugewiesen, so daß der umständliche Weg an das Ministerium des Innern in Zukunft wegsallen wird. Die Zuständigkeit der Gemeinde­behörden für die baupolizeiliche Genehmigung von Neubauten soll erweitert werden, sofern eine Garantie dafür gegeben ist, daß die Ortsbaubehörden von Privalintercssen unberührt sind. Wie notwendig eine Erneuerung der Bauordnung ist, ergibt schon der Umstand, daß die alte Bauordnung über die hygie­nische und soziale Seite des Wohnungswesens keine Vor­schriften enthält. Auch der neue Gesetzentwurf ist sehr vorsichtig und stellt unserer Meinung nach das wirtschaftliche Interesse der Grundbesitzer in den Vordergrund und läßt die Rücksicht aus den Bodenwert gegenüber den gesundheitlichen und sozial­politischen Erwägungen, mehr als notwendig ist, zur Geltung kommen. Immerhin ist anzuerkennen, daß er wenigstens im allgemeinen den nach heutiger Anschauung freilich selbstver­ständlichen Grundsatz aufstellt, daß für den Zutritt von Licht und Luft genügend gesorgt werden muß. Es kann dement­sprechend vorgeschrieben werden, daß ein Teil des Grundstückes unüberbaut bleiben muß und daß ein bestimmter Abstand von Nachbargebäuden oder der Grundstücksgrenze sestgehalten

Nagold, Donnerstag dm 23. ML

werden muß. Das Uebrige wird den Ortsbaustatuten über­lassen. Dabei soll aber auf die verschiedemn örtlichen Verhältnisse, auf den Unterschied zwischen Stadt und Land, zwischen alten, eng bebauten und neuen Ortsteilen, auf die Bedürfnisse von Landwirtschaft und Gewerbe, auf das Wohnungsbedürfnis besonders der Minderbemittelten und auf die Wertverhältnisse der Baugrundstücke entsprechende Rücksicht genommen werden.

Die Begründung gibt in gesundheitlicher Hinsicht der offenen Bauweise vor der geschlossenen den Vorzug. Dieser Vorzug aber besteht nur dann, wenn die Seitenabstände der Häuser groß genug sind, um eine genügende Belichtung der an den Seiten gelegenen Wohnräume Zu ermöglichen. Bei dem von den Motiven vorgeschlagenen Mindestabstand von 6 Meter ist das freilich in hohen Häusern nicht möglich. In dieser Hinsicht wird man, wenn wirklich einmal ein Fortschritt gemacht werden soll, ein Stück weitergehen müssen. Führen doch auch die Motive an, daß das sächsische Äau- gesetz bei offener Bauweise einen Grenzabstand von mindestens der Hälfte der eigenen Gesimshöhe, in der Regel nicht weniger als 4 Meter (d. i. also ein Gebäudeabstand von 8 Meter) vorschreibt. Auch mit der zugelassenen Tiefe der Höfe liegt es ähnlich. Die Motive konstatieren mit Recht, daß die bisherigen Verhältnisse völlig unzulänglich sind. Besonders in den großen Städten hat teilweise eine Ueberbauung des Bodens stattgefunden nnd findet auch jetzt noch statt, die lediglich dem wirtschaftlichen Vorteil des Grundbesitzers entspricht, allen Ansprüchen der Hygiene und Aesthetik aber ins Gesicht schlägt. Es wird, da nun einmal auf bestehende Verhältnisse Rücksicht genommen werden muß, eine geeignete Abstufung in der Bebauung vorgeschlagen, die zugleich von wesentlicher Bedeutung für die Befriedigung des Wohnungs­bedürfnisses der Minderbemittelten sei. Dabei wird ange­regt, durch ortsbaustatutarische Vorschriften eine zu dichte Bebauung neuaufgeschlossenen Baugeländes zu verhindern. Anzuerkennen ist, daß der Bau von kleinen Häusern gegen­über Massenmiethäusern erleichtert werden soll und direkt der Grundsatz ausgesprochen wird, daß dasMassenmiethaus keine Förderung von Baupolizeiwegen verdient". Mit der stärkeren Individualisierung steht es in einem gewissen Zu­sammenhang, wenn als Regel festgesetzt wird, daß die Häuser nicht höher sein dürfen, als die Straße breit ist. Nur in den alten, mehr für gewerbliche Zwecke benutzten, engstraßigen Stadtquartieren können unter gewissen Voraussetzungen bis zu 4V- m höhere Häuser zugelassen werden. Wohnhäuser dürfen nirgends höher als 20 m sein, Wolkenkratzer find also in Württemberg ausgeschlossen. Auch für die Be­schaffenheit, Lage und Größe der zum Wohnen bestimmten Räume wird verlangt, daß sie den Anforderungen der Ge­sundheitspflege genügen.

Wie um die Hygiene, so hatte sich die alte Bauordnung auch um die Aesthetik nicht gekümmert. Die neue Vorlage kommt den Bestrebungen in dieser Richtung dadurch ent­gegen, daß sie den schablonisierenden Baulinienzwang auf­hebt und dem Bauenden gestattet, hinter die Baulinie zurück­zugehen. Ferner aber wird auch verlangt, daß auf den Charakter historischer Bauwerke bei Errichtung von Neubauten

1907

Rücksicht genommen wird, und daß die Eigenart eines Städte- oder Landschaftsbildes nicht verunziert werden soll. Es ist in dieser Hinsicht viel gesündigt worden, aber auch das Streben nach der entgegengesetzten Richtung kann Uebel- stände mit sich bringen, und eine historische oder altertümelnde Schablone da anwenden, wo vielleicht die lebendige Eigen­art eines modernen Architekten wohl tun würde. Soweit es sich darum handelt, eine protzenhafte Stillosigkeit zu vermeiden, oder vandalische, bisweilen aus reiner Gewinn­sucht entspringende Geschmacklosigkeiten hintanzuhalten, ist der Grundsatz jedenfalls gesund, und die Motive legen die Bestimmungen auch wesentlich in dem Sinne aus, daß sie den künstlerischen und ästhetischen Bedürfnissen zu ihrem Rechte verhelfen soll. Die Vorlage, die immerhin modernen Ge­danken Berücksichtigung zu verschaffen sucht, wird den Landtag voraussichtlich sehr eingehend und, wie es bei uns in solchen Dingen üblich ist, lange beschäftigen. Hoffentlich kommt aber schließlich ein brauchbares Gesetz zur Verabschiedung.

politische Hlsbersicht.

Der Kaiser empfing am Montag aus Anlaß des Geburtstags des Zaren den russischen Botschafter und alle übrigen Mitglieder der Botschaft. Am Vormittag nahm der Kaiser mit dem Kronprinzen, allen sonst in Berlin an­wesenden Prinzen und mit großem Gefolge an dem Stif­tungsfest des Lehr-Jnfanterie-Bataillons, dem sogenannten Schrippenfest teil. Nach einem Feldgottesdienst schritt der Kaiser die Front des Bataillons ab, sodann nahm er mili­tärische Meldungen, u. a. die des aus Südwestafrika zurück­gekehrten Generals v. Deimling entgegen. Bei der üblichen Speisung der Mannschaften brachte der Kaiser ein dreifaches Hurra ans die Armee aus. Am Mittag fand beim Kaiser zu Ehren des Zaren eine Frühstückstafel statt.

DerReichsanzeiger" veröffentlicht die Er­nennung des Chefs der Reichskanzlei, Geheimrat von Löbell, zum Unterstaatssekretär in der Reichskanzlei, des Geheimrats von Schwartzkoppen zum (neugeschaffenen vierten) Direktor im Auswärtigen Amt, des Geheimen Oberregier­ungsrats Guenther zum Vortragenden Rat in der Reichs­kanzlei und die Emennung des Geheimen Legationsrats und Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt, Dr. Theodor Seitz, zum Gouverneur von Kamerun.

Am Montag feierte der Dreibnndsvertrag sein 24jähriges Bestehen. Das genaue Datum der Unter­zeichnung ist freilich ebensowenig wie der Inhalt des Ver­trags jemals bekannt gegeben worden. Aus gelegentlichen Aeußerungen beteiligter Staatsmänner konnte man indessen schließen, daß die Unterzeichnung des Vertrags am 20. Mai erfolgt ist.

Der Bundesrat erteilte seine Zustimmung zu

den vom Reichstag zu dem Reichshaushallsetat und zu den Etats für die Schutzgebiete aus das Rechnungsjahr 1907 sowie zu den dazu gehörigen Gesetzentwürfen gefaßten Be­schlüssen. Ebenso wurde dem Entwurf eines Gesetzes betr. Aenderung des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873,

Das Testament des Bankiers.

Kriminalroman von A. M. Barbonr.

Autorisiert. Nachdruck verboten.

(Fortsetzung.)

Bei diesen mit einem gewissen Pathos gesprochenen Worten horchte Skott unwillkürlich scharf auf und kritzelte, nachdem er Wilsons Gesicht einen Moment sinnend betrachtet hatte, hastig einige Worte auf einen Zettel, den er Herrn Sutherland reichte. Beide wandten dann dem Zeugen be­sondere Aufmerksamkeit zu.

Sein Zeugnis wich wenig von den Aussagen ab, die Hardy und der Portier gemacht hatten.

Als nächster Zeuge erschien das Stubenmädchen Kathi Bnen, eine junge Jrländerin. Sie trat sehr ruhig und sicher auf und beantwortete die an sie gerichteten Fragen mit einer Kürze und Bestimmtheit, als wenn sie ihre Aus­sage reiflich erwogen und vorher einstudiert hätte.

Hatten Sie die Wohnzimmer Herrn Mainwarings zu besorgen?"

Ja."

Auch vorgestern verrichteten Sie Ihren Dienst wie gewöhnlich?"

Gewiß."

Sahen Sie Herrn Mainwaring im Laufe dieses Tages?"

Ich begegnete ihm zweimal auf dem Flur."

Wann zum letztenmale?"

.Etwa um zwei Uhr nachmittags."

*Wann hörten Sie von seinem Tode?"

Morgens gegen sieben Uhr. Ich fegte zu der Zeit die obere Halle und hörte auf einmal ein Hin- und Her­rennen, als ob etwas Besonderes geschehen wäre. Da lief ich schnell hinaus und stieß auf den Portier, der mir im Vorübereilen zurief, der Herr wäre ermordet. Er lief durch die Bibliothek nach dem Turmzimmer, und ich folgte ihm. Dort sah ich den Herrn liegen, blieb aber nur einen Augenblick, weil es mich zu sehr schauderte."

In Ihrer Bestürzung sahen Sie sich wohl nicht viel um, als Sie durch die Zimmer Herrn Mainwarings kamen, oder fiel Ihnen da etwas Ungewöhnliches auf?"

Nicht daß ich wüßte."

Und später auch nicht?"

Nein, in diesen'Zimmern nichts."

Nun? Aber in anderen vielleicht?"

Ja."

Erzählen Sie doch."

Als sich meine Aufregung etwas gelegt hatte, ging ich wieder an meine Arbeit. So kam ich auch in das Zimmer von Herrn Skott. Dort fiel mir Verschiedenes auf; vor allem das, daß er nicht im Bett geschlafen hatte. Dann lagen auch seine Sachen sehr unordentlich umher und ganz gegen seine Gewohnheit hatte er die oberste Lade der Kommode verschlossen und den Schlüssel abgezogen. Dieser steckte erst wieder, als der Herr Sekretär nach der Stadt gefahren war."

Wann war das?"

Nachmittags, gleich nachdem hier das Verhör be­endet war."

Sahen Sie Herrn Skott am Tage vor Herrn Main­warings Tod?"

Nein, ich weiß aber, daher sich den ganzen Nachmit­tag in der Bibliothek eingefchlossen hatte, nachdem die Herrschaften ausgefahren waren."

Woher wissen Sie, daß die Bibliothek verschlossen war?"

Ich ging gerade an ihr vorbei, als der Portier Herrn Skott die Karte eines Herrn brachte, und da hörte ich, wie die Tür aufgeschloffen wurde."

Sahen Sie den Herrn, der heraufkam?"

Nein!"

Haben Sie den Sohn von Frau La Grange gestern vormittag im Hause gesehen?"

Die Zeugin errötete leicht, erwiderte aber ganz unbe­fangen:Ich glaube, ich bin ihmein- bis zweimal begegnet, weiß jedoch nicht mehr recht wann."

Andere haben ausgesagt, er wäre fast den ganzen Vormittag außer Hause gewesen."

Davon weiß ich nichts, ich habe mich nicht um ihn gekümmert."

Weiteres vermochte die Zeugin nicht anzugeben, und da es zwölf Uhr vorüber war, wurde eine Frühstückspause gemacht.

Skott nahm, wie die Tage vorher, seinen Platz am Familientisch ein, anscheinend ebenso gleichgültig gegenjkalte Zurückhaltung wie finstere Gesichter. Nur Fräulein Carle-