81- Jahrgang.
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JernsprecHev Wv. 29.
Kern sprechen Wr. 29.
Auflage 2600.
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Mit dem Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
106
Nagold, Dienstag den 7. Wai
1907
Noch immer
kann auf die Monate Mai «. Juni abonniert werde«.
Amtliches.
Bekanntmachung betr. die Manl- «nd Klauenseuche.
Die Maul- und Klauenseuche in der Gemeinde Böfingen ist erloschen.
Die polizeiliche Beobachtung der Gemeinde wird daher aufgehoben.
Nagold, 7. Mai 1907.
K. Oberamt. Mayer, Reg.-Ass.
Die Landesversammlung des Wundes der Landwirte
fand am Sonntag nachmittag im vollbesetzten Festsaal der Liederhalle in Stuttgart und in Anwesenheit fast sämtlicher Mitglieder der Landtagsfraktion des Bauernbunds statt. Domänepächter Schmid begrüßte die Versammlung und wies auf das vergangene Jahr und die Landtagswahlen hin. Die heutige Zeit lehre, daß wenn der Bund nicht schon bestände, man ihn heute gründen müßte. Redner schloß seine Begrüßungsansprache mit einem Hoch auf König Wilhelm. Darauf sprach Dr. Dietrich Hahn über „Weltpolitik für das Volk,nicht für das Großkapital." Es sei in erster Linie notwendig, nüchterne, reale und praktische Politik zu führen. Früher habe man das Wort Weltpolitik nicht gekannt. Die Verhältnisse hätten sich seit dem Rücktritt des Fürsten Bismarck sehr geändert. Selbst dieser geniale Staatsmann habe zuerst von Kolonien nichts wissen wollen, später aber ein gewaltiges Kolonialreich geschaffen, während seine Nachfolger dem Besitz nichts hinzugefügt haben, aber wertvolle Gebiete, wie Witu und Sansibar, wieder Preisgaben. Bismarck habe aber auch nicht soviel mit dem Säbel gerasselt und jede Provokation unterlassen. Die vorhandenen Gegensätze zwischen den anderen Nationen habe er klug im Interesse der deutschen Wirtschaftspolitik ausgenützt. Heute aber wechselten wir viel mit unseren Sympathien. Wir haben mit der Zeit unsere Position wirtschaftlich wohl verbessert, politisch aber keine gleichbedeutende Machtstellung erlangt. Deutschland bedarf der wirtschaftlichen Expansion, sowie des Güteraustausches in steigendem Maße. Die Heimat behaupten, das ist die Aufgabe der nationalsten Politik. Die Erhaltung der heimatlichen Scholle, auf der das Volk ausgewachsen, ist ein nationales Bedürfnis und notwendig ist, daß der Schwerpunkt unserer Wirtschaftspolitik in der Heimat liegt. Durch
die Handelsverträge habe sich die Landwirtschaft, dank ihrer politischen Selbsthilfe, wieder den Markt erobert. Weiter führte Redner aus, wie die Industrie und das Großkapital einseitig begünstigt würden. Würde man die Landwirtschaft hindern, so müßte sie zurückgehen. Eine solche Politik sei aber nicht zum Heile des Volkes zu führen. Die einseitige industrielle Entwicklung berge große Gefahren in sich. Das Großkapital lege die Axt an die Wurzeln der deutschen Volkskraft. Redner wies dann auf die großen Syndikate und Schiffahrtsgesellschaften hin, die einseitig begünstigt würden. Wir könnten nur eine Politik treiben mit dem Volk, durch das Volk, für das Volk, eine Weltpolitik als Ergänzung der Heimatpolitik. Mt einem jubelnd aufgenommenen Hoch auf den Kaiser schloß Redner seine Ausführungen unter stürmischem Beifall.
Landtagsabg. Schrempf sprach über Landespolitik, indem er zunächst an Worte des neuen Ministerpräsidenten erinnerte, der erklärt hat, daß es ein nationales Unglück sein würde, wenn Deutschland reiner Industriestaat würde. Eine einseitige Jndustriepolitik würde unsere schönen Dörfer verschwinden lassen. Der erste Wert im Staate sei ein Volk mit starken Männern, gesunden Frauen und wohlerzogenen Kindern. Volksgesundheit und Volkskraft bemhten auf dem Landvolke. Stadt und Land brauchen sich gegenseitig. Ein Glück sei es, daß wir einen großen Mittelstand haben. Darum treten wir auch für die Erhaltung unserer kleinen Müller ein. Wenn über die hohen Preise der Landwirtschaft geklagt werde, so mögen doch einmal die Stuttgarter Rathausherren einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen und billiger liefern. Die sogen. Unterernährung in Fleisch sei auf dem Lande die Regel und doch habe der Bauer rote Backen dabei. Staat, Regierung und Volk müßten bei jeder Gelegenheit für den Mittelstaud eintreten. In erster Linie müsse auch die Volkserziehung gepflegt werden. Die großen Schreier, die sagen, unsere Schule erziehe Dummköpfe, schlagen sich selbst ins Gesicht. Wir werden das neue Schulgesetz prüfen nach dem Grundsatz: prüfet alles und das Beste behaltet. Wo die Industrie ihren Einzug gehalten hat, sei das Volk zwar besser gekleidet, aber nicht zufriedener, denn die Besitzverteilung sei keine bessere geworden. Vielfach habe man zu viel Fabriken. Wäre die industrielle Entwickelung eine ruhigere gewesen, so wäre das nicht bloß für die Industrie, sondern auch für die Landwirtschaft günstiger gewesen, die dann mehr Arbeitskräfte hätte, während in den Städten die Leute auf dem Pflaster mit den Händen in der Tasche dastehen. Die neue Bauordnung müsse sich den ländlichen Verhältnissen anpassen. Die ländlichen Eisenbahnwünsche bedürfen größerer Berücksichtigung. Gebe man für den Stuttgarter Bahnhof 60 Millionen aus, dann komme es auf 20 weitere auch nicht an, um endlich alle berechtigten Verkehrsbedürsnisse zu befriedigen. Das Telephon auf dem Lande müsse verbilligt werden. Gegen das Geschrei vom Brotwucher rechtzeitig vorzugehen, wäre eine Pflicht der Zentralstelle für Landwirtschaft gewesen. Eine solche Aufgabe werde in Zukunft die Landwirtschaftskammer rechtzeilig übernehmen. Den Beamten geben wir, was recht ist, dann müssen aber auch
sie uns gegenüber handeln nach dem Grundsatz: leben und
leben lassen. Der Redner schloß mit der Mahnung: seid einig, bauet fort und vertrauet auf Gott sowie mit einem kräftig aufgenommenen Hoch auf unseren guten deutschen Mittelstand, das Rückgrat unseres Volkes. (Lebh. Beifall.) Dr. Hahn überbrachte noch Grüße von der Bundesleitung und gratulierte zu einem so tüchtigen und trefflichen Manne wie Schrempf. (Beifall.) Landtagsabg. Frhr. v. Per glas wies auf die glückliche Durchführung der Proporzwahl durch die Landbevölkerung hin und sprach den Wunsch aus, daß das schöne Vertrauensverhältnis zu den Führern des Bundes erhalten bleiben möge. (Beifall.) Schmied ausBretten betonte, daß die Badenser mit Neid aus den württ. Bund sehen und daß der Bund nicht nur Berufsinteressen vertrete, sondern für die schönsten Ideale, die Zukunft des deutschen Vaterlandes und die Sicherstellung seines Bestandes eintrete. Kaufmann Beringer-Stuttgart überbrachte die Grüße des konservativen Vereins und hob das enge Verhältnis zwischen Bund und Konservativen hervor. Kämpfen und arbeiten Sie weiter, schloß der Redner, nach dem alten württemb. Grundsatz: Furchtlos und treu! Landtagsabg. Dr. Wolf betonte unter Bezugnahme auf seine Wahlniederlage im 3. Reichstagswahlkreis, man habe gesagt, die Ideen hätten in diesem Kampfe gesiegt. Diese Ideen Naumanns feien aber im Reichstag als über dem nüchternen Boden wie ein Luftballon schwebend bezeichnet worden. Die Freisinnigen hätten im Reichstag eine Resolution gegen die Weinpantscherei abgelehnt und auch einer Einschränkung der Haftpflicht des Tierhalters nicht zugestimmt. Gesiegt hätten tatsächlich eine glänzende Rednergabe, verhältnismäßig wenig Nachdenken bei recht vielen und 7000 Sozialdemokraten. Das Verlorene müsse wieder gewonnen werden. Reichstagsabg. Rechtsanwalt Roth ging näher auf die Arbeiten des Reichstags ein und hob besonders hervor, daß Naumann nicht gegen die Weinpantscherei gesprochen habe, was seine Pflicht gewesen wäre. Der Redner sprach dann noch den Wunsch aus, daß die konservativ-liberale Paarung gute Fortschritte machen möge. Landtagsabg. Haug freute sich über die durch die Versammlung zum Ausdruck kommende starke Vermehrung des Bundes. In der Neckarkanalisierungsfrage habe noch niemand darüber gesprochen, welche Waren dann den Neckar hinuntergeführt werden sollen; wenn etwa bloß der Bund der Landwirte, wie einst Haußmann prophezeite, so sei die Partei für den Kanal nicht zu haben. (Heiterkeit.) Möge dahin gearbeitet werden, daß die Landwirtschaft in den Parlamenten endlich die Vertretung erhalte, die sie verdiene. Kaufmann Villinger-Waiblingen trat dem unberechtigten Mißtrauen gegen den Bund entgegen. Rechtsanwalt Dr. H ähnle-Heilbronn bezeichnest als Sieger im 3. Reichstagswahlkreis das Geld der Reichen, die Verwendung des Automobils im Wahlkampf und das geduldige Papier. Die Organisation müsse von neuem beginnen und Heilbronn der Vorposten des Bundes der Landwirte für das fränkische Unterland sein. Landtagsabg. Barth überbrachte Grüße aus Weinsberg. In einem Schlußwort forderte der Landtagsabg. Vogt zu kräftiger und treuer Weiterarbett aus. Die Versammlung dauerte 4'/« Stunden. »
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Das Testament des Bankiers.
Kriminalroman von A. M. Barbonr.
Autorisiert. — Nachdruck verboten.
(Fortsetzung.)
„Nein, einen Fremden habe ich in Herrn Mainwarings Wohnzimmer nicht gesehen," antwortete der Diener George Hardy dem Coroner.
„Sie betonen das Wort ,Fremden' so, wie wenn doch irgend jemand in den Zimmern gewesen wäre."
„Ja, ich fand die Haushälterin in der Bibliothek. Sie war, wie sie mir sagte, vor einiger Zeit denselben Weg wie ich heraufgegangen, wollte eben durch die große Halle zurückgehen, fand die Tür zu dieser aber verschlossen, und da sie mich kommen hörte, erwartete sie mich, damit ich ihr öffnen sollte."
„Hatten Sie die Tür zur großen Halle verschlossen?"
„Nein, sie bleibt gewöhnlich unverschlossen. Ich weiß nicht, wer sie diesmal verschlossen haben mag."
„Sie wissen also ganz bestimmt, daß sich zu jener Zeit niemand als Frau La Grange in den Zimmern Herrn Mainwarings befunden hat?"
Hardy lächelte. „Da müßte sich gerade jemand sehr gut versteckt gehabt haben, denn gleich nachdem ich der Haushälterin die Tür zur großen Halle aufgeschlossen hatte, begab ich mich zurück nach den Zimmern des Herrn und hielt dort eine sorgfältige Nachforschung, weil ich vorher, al^ich
Frau La Grange in der Bibliothek traf, so etwas wie Brandgeruch verspürt hatte."
Bei dieser Aussage erhob sich plötzlich Herr Whitney, schritt zu dem Coroner und flüsterte diesem etwas zu.
„Sie sagen," fuhr der letztere darauf in seinem Verhör fort, „daß Sie einen brandigen Geruch verspürt hätten; welcher Art war der wohl?"
„Nun, es roch etwa so wie nach verbranntem Papier."
„Ist Ihnen vielleicht während der letzten Nacht irgend ein ungewöhnliches Geräusch oder sonst etwas ausgefallen?"
„Nein."
Wer Coroner beschäftige sich einen Augenblick mit einem ihm eben zugegangenen kleinen Zettel, und wieder aufsehend, fragte er:
„Welcher Art sind denn die Türschlösser der oberen Halle und der von dieser in die Bibliothek und das Rauchzimmer führenden Türen?"
„Es find ganz gewöhnliche Schlösser, die Türen haben aber noch ein zweites kleines Kunstschloß, das sie so verschließt, daß sie weder von innen noch von außen geöffnet werden können, wenn man nicht den Schlüssel hat und eine kleine geheime Feder kennt, auf die mau während des Auf- schließens drücken muß."
„Besaßen mehrere Personen im Hause Schlüssel zu diesen Kunstschlössern?"
„Niemand als Herr Mainwaring. Wenn er im Hause war und den Durchgang durch diese Türen freigeben wollte, legte er das Schlüffelbund, damit ich mich deffen bedienen
könne, an eine mir bekannte Stelle, verließ er aber das Haus, dann steckte er das Bund stets zu sich."
„Haben Sie diesen Morgen die Türen aufgeschloffen?"
„Nein, ich fand die Schlüssel nicht an ihrem Platz und lief deshalb durch die große Halle, um Herrn Whitney zu rufen. Erst später entdeckte ich zu meiner Verwunderung, daß die Tür der oberen Halle unverschlossen war."
„Kannte jemand außer ihnen die Schlüssel und den Ort ihrer Aufbewahrung?"
„Ich glaube nicht; es ist aber möglich."
„Gut. Sie können nun gehen."
Hardy trat zu seinen Genossen zurück, und Herr Whitney wurde aufgerufen.
Dieser schilderte zunächst auf Befragen wie er, auf Hardys Ruf nach dem Turmzimmer eilend, es dort getroffen hatte. Dann inquirierte der Coroner weiter:
„Herr Rechtsanwalt, wollen Sie gefälligst angeben, wann und unter welchen Umständen Sie Herrn Mainwaring zuletzt lebend sahen."
„Gestern abend kurz vor elf Uhr auf der Veranda, als Herrn Mainwaring zum Aufbruch mahnte. Wir sagten ihm Gute Nacht, und, wie ich glaube, begab sich jeder auf sein Zimmer. Zuletzt sprach Herr Mainwaring noch mit mir über alles, was der Tag gebracht hatte, und ich erinnere mich, daß er dabei sagte, er würde wohl noch wenigstens eine Stunde aufbleiben, da seine Gedanken ihn doch nicht gleich schlafen lassen würden. Darnach reichte er mir die Hand, und ich ging. Lebend sah ich ihn nachher nicht wieder." (Fortsetzung folgt.)