81- Jahrgang.

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Aernsprecher Wv. SS.

Jevnfpvechev Hkv. SS.

Auflage 2600 .

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Mit dem Plauderstübchen * und

Schwäb. Landwirt.

^ 103

Nagold, Ireitag dw 3. Mai

1907

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WoMische HleSersicht.

Die Aendernng der Gewerbeordnnng, über die den: Reichstage eine Vorlage gemacht wurde, bezieht sich zunächst auf die Lehrlingshaltung. Das Halten und die Anleitung von Lehrlingen soll künftig außer den über 24 Jahre alten Meistern auch denjenigen Gewerbetreibenden gestattet sein, die in ihrem Gewerbe die von der Handwerks­kammer vorgeschriebene mangels solcher eine dreijährige Lehrzeit zurückgelegt, die Gesellenprüfung bestanden und fünf Jahre hindurch ihr Handwerk öffentlich selbständig ausgeübt haben oder als Werkmeister tätig waren. Die Führung des Titels Baumeister oder Baugewerksmeister wird vom Bundesrat geregelt. Inzwischen ist die Führung gestattet, soweit sie landesrechtlich ausdrücklich erlaubt ist. Während der Uebergangszeit dürfen auch Personen, die den obigen Vorschriften nicht entsprechen, ihre angenommenen Lehrlinge auslernen lassen. Die Befugnis zur Anleitung kann ihnen gewährt werden, wenn sie bereits fünf Jahre Lehrlinge anleiteten. Zur Meisterprüfung soll in der Regel nur zugelassen werden, wer die Gesellenprüfung bestand und drei Jahre Geselle war, doch darf während der ersten fünf Jahre die Zulassung nicht von dem Bestehen der Gesellen­prüfung abhängig geinacht werden.

De« verschiedenen Aeußerunge» der Nervosi­tät, mit der in den letzten Wochen die allgemeine politische Lage betrachtet wurde, folgen jetzt Kundgebungen, die den Zweck verfolgen, eine ruhigere Stimmung zu erzeugen und namentlich die zwischen den öffentlichen Meinungen Deutsch­lands und Englands entstandenen Spannungen zu lösen. So erhielt die LondonerDaily Mail" folgende Mitteilung vom Berliner Auswärtigen Amt:Die deutsche Regierung steht der nervösen Unruhe über die Weltlage, die gewisse Teile der deutschen Presse und des Publikums beherrscht, gänzlich fern. Vom Standpunkt der Regierung besteht für diese Unruhe nicht der geringste Grund. Folglich können die ungerechtfertigten Hinweise auf einen unvermeidlichen Krieg wie ähnliche übertriebene Preßäußerungen von der

Regierung nur als höchst unglücklich betrachtet werden. Die diplomatische Lage hat, von Berlin aus betrachtet, keine Aenderungen erfahren, die einen solchen Ausbruch des l^in-or toutouierm vor dem Forum des Reichstags nötig machten. Deutschlands Politik bleibt eine auf äußerste Ruhe gegrün­dete, einerseits auf das traditionelle, seit langem bekundete Verlangen nach Frieden, andererseits auch auf das Vor­bereitetsein, welches, wie Präsident Roosevelt am Freitag in Jamestown sagte, der sicherste Weg ist, den Krieg zu vermeiden." Auch von englischer Seite liegt eine Kund­gebung vor, die zur Beruhigung dienen soll. In einem offiziös inspirierten Leitartikel über die deutschen Erörter­ungen zur internationalen Lage äußert sich derDaily Chronicle" folgendermaßen:Es ist sinnlos, anzunehmen, daß König Eduard immer Verträge abschließt, wenn er Besuche macht, das überläßt er den Ministern. Des Königs Politik ist die seiner Regierung, und das gegenwärtige Ministerium ist friedfertig und gänzlich frei von feindlichen Gefühlen gegen Deutschland."

Norwegen zeigt neuerdings lebhaftes Interesse für Spitzbergen. Es hat sich vor einiger Zeit an die interessierten Mächte mit der Anfrage gewandt, ob es nicht angebracht sei, durch ein internationales Uebereinkommen auf Spitzbergen geordnete Zustände zu schaffen. Offiziös wird zwar hinzugefügt: Die Frage, Spitzbergen unter nor­wegische Jurisdiktion zu bringen, sei von der norwegischen Regierung nicht aufgeworfen worden. Es scheint aber, als ob Norwegen eine solche Jurisdiktion doch im Auge hätte. König Haakon scheint sich den BeinamenMehrer des Reichs" verdienen zu wollen. In Christian« ist das dä­nische Königspaar zum Besuch Haakons eingetroffen.

Die Duma beriet am Montag und Dienstag in ge­heimen Sitzungen die Rekrutierungsvorlage, die 6000 Mann weniger forderte als im Vorjahr. Nach den vorliegenden Be­richten verlief die Sitzung am Montag außerordentlich stürmisch. Ungeheuren Lärm riefen schon die Ausführungen des Kriegs­ministers hervor, der kategorisch erklärte, die Duma müsse das geforderte Rekmtenkontingent bewilligen, da es sonst auf Grund der Staatsgrundgesetze ausgehoben werde. Es er­folgten Zumfe wie:Wir befinden uns nicht in einer Kaserne" usw. Ein Kadettenredner mahnte zur Ruhe und tadelte unter großem Beifall den Minister wegen seiner Unhöflichkeit. Es gelang ihm eine sachliche Debatte herbei­zuführen, die gegen Abend jedoch neue lärmende Störungen erfuhr, als der armenische Abgeordnete Surabow (Soz.) heftige Angriffe gegen das Heer nnd den Thron schleuderte. Die Minister verließen den Saal, und der Präsident hielt es für geraten, die Sitzung aufzuheben. In der Nacht fand dann ein außerordentlicher Ministerrat statt, indem es zwi­schen Stolypin und dem Kriegsminister zu Differenzen ge­kommen sein soll, weil letzterer die Auflösung der Duma forderte. In der Dumasttzung am Dienstag wurde schließ­lich die Regierungsvorlage mit 193 gegen 123 Stimmen angenommen.

In ganz Montenegro herrscht infolge der jüngsten Vorgänge ungeheure Aufregung. Drei große Stämme, die Wassojewici, die Bjelopawltce und die Kutschi empörten sich.

Die Wassojewici und die Kutschi hielten in Andriewitza eine

bewaffnete Versammlung ab und beschlossen den Marsch nach Cetinje. Die Lage ist sehr bedenklich.

Aus Simla wird gemeldet: An der Nordwest-Grenze ist in der Nähe von Malakand ein verwegener Einfall ver­übt worden. Gegen 200 Eingeborene vom Stamm Utmann Khel überschritten die britische Grenze und erschossen zwei Leute von dem Gefolge einer englischen Landvermeffungs- expedition, wurden aber von den Bewohnern der nächsten Ortschaft unter Verlust von drei Leuten wieder zuruck­getrieben. ^ ^

Der Sultan von Marokko soll demMatm zu­folge an die Grenzstämme ein Schreiben gerichtet haben, m dem er mitteilt, daß der französisch-marokkanische Streit auf diplomatischem Weg geregelt werde und Udscha bald geräumt werden würde. Die Stämme müßten sodann die Waffen gegen den Prätendenten Bu Hamara ergreifen.

Gegen den Präsidenten von Guatemala, Est» rada Cabrera, wurde in der Hauptstadt ein Bomben- attentat verübt, als er eine Ausfahrt unternahm. Nach einer Meldung soll Cabrera schwere Verletzungen erlitten haben, nach einer anderen soll er unverletzt geblieben sein. Der Chef des Militärkabinetts, General Orellana, und der Kutscher des Wagens sind verwundet. Nähere Angaben fehlen noch. '

Württemberg und die Schissahrtsabgabe«.

In der letzten Sitzung der Zentralstelle für Handel und Gewerbe, in welcher sich das Gesamtkollegium der Zentralstelle bekanntlich einstimmig für den Anschluß an die von Preußen vorgeschlagene Wasser straßen-Finanz- gemeinschaft ausgesprochen hat, äußerte sich nach dem ein­leitenden Referat von Oberamtmann Schüle auch der Mi­nister des Innern Dr. v. Pischek, zu der Frage. Er wies darauf hin, daß heute nicht die Rechtsfrage, sondern ledig­lich die wirtschaftliche Seite der Frage im Vordergrund stehe. Wenn jetzt wieder Schifsahrtsabgaben eingeführt werden sollen, so scheue sich mancher, dafür einzutreten, weil er den Vorwurf reaktionären Verhaltens fürchte. Die heutigen Verhältnisse seien aber ganz andere, denn es handle sich nicht mehr wie in früheren Zeiten um fiskalische In­teressen, und es sei auch zu berücksichtigen, daß für die In­standhaltung der Wasserstraßen ganz andere Aufwendungen als früher zu machen seien, wozu ein Beitrag der Nächst­beteiligten wohl erhoben werden dürfe. Komme die Ge­meinschaft, so könne mit weit weniger Bedenken als bisher an die Neckarkanalisierung herangetreten werden. Bei dieser bliebe für Württemberg ein Staatsabmangel von 7- bis 800000 es sei zweifelhaft, ob der Staat diesen tragen könne und werde. Die Gemeinschaft entlaste aber außer dem Staat auch die Industrie. Der Minister be­tonte sodann noch, daß Württemberg Baden wegen seiner an sich verständlichen Stellungnahme nicht grollen dürfe, und daß Preußen in der Abgabenfrage keine fiskalischen Interessen vertrete, sondern sehr entgegengekommen sei.

Das Testament des Bankiers.

Kriminalroman von A. M. Barbour.

Autorisiert. Nachdruck verboten.

(Fortsetzung.)

Die Untersuchung.

Die Volksmenge, die sich am Morgen vor dem Hause angesammelt hatte, wuchs im Laufe des Tages immer mehr an. Jeder Vorgang im Hause fand sofort seinen Weg nach außen. Das Verschwinden der alten Familien-Juwelen, über deren ungeheuren Wert schon immer fabelhafte Gerüchte im Umlauf gewesen waren - die Aussetzung und Unter­zeichnung des Testaments am Tage vorher dessen Ab­handenkommen gleichzeitig mit dem plötzlichen geheimnisvollen Tode des Testators all dies zusammen schien das Inte­resse an dem undurchdringlichen Geheimnis, das seit Jahren das Haus des Millionärs umgab, aufs höchste gespannt zu haben.

Als die zur Vernehmung der Hausbewohnerschaft an­gesetzte Stunde näher rückte, schwoll die Menschenmenge zu einem wahren Strom an. Es wogte förmlich in dem Vor­garten und den Parkanlagen.

Kurz nach Ankunft des 2.45-Zuges fuhr eine Equipage des Hauses, der in einiger Entfernung noch zwei andere Wagen folgten, rasch die Allee herauf. Als die erster- vor dem Portal hielt, entstiegen ihr Herr Whitney mit einem ältlichen Herrn von stattlichem Aeußern und zwei Polizei­beamte, die sogleich das Volk zurückzudrängen begannen,

während der Anwall und sein Begleiter eilig in das Haus traten und von einem Diener nach der Bibliothek geleitet wurden.

Hier trafen sie den Detektiv, der dort auf seinen Wunsch allein zurückgeblieben war. Nach einem kurzen Gespräch mit ihm, bat der Anwalt seinen Begleiter, ihn einen Augenblick zu entschuldigen und schritt, Herrn Merrick winkend, nach dem Turmzimmer.

Nun, Erfolg gehabt? Eine Fährte gefunden?" fragte der Anwalt gespannt.

Der Detektiv lächelte verschmitzt.Das schlaue Wild ging nicht ins Garn, aber ich habe ein paar kleine Ent­deckungen gemacht die sich später vielleicht als wertvoll er­weisen werden. Was halten Sie hiervon?"

Er zog ein kleines Notizbuch hervor und entnahm ihm mehrere Stücke angebranntes Papier, die trotz der starken Bräunung noch einige teils zusammenhängende Worte, teils Bruchstücke davon sehen ließen.

Whitney breitete die einzelnen Fetzen auf das Pult, überflog sie mit gierigen Blicken und rief dabei plötzlich aus:

Himmel! Mann! Das sind ja Stücke von dem Te­stament! Hier das Datum, ,dem siebenten Tage des

Juli im Jahre unserer'-und da dieses

,uour llougdtou 1,0 6lkL< heißt natürlich Llvaoor Lougdtou lls, Olrauge, und hier unten: Leibrente in dem Betrage von,' und da, auf dem Stück, klar und deutlich Mas meine Ländereien und mein ganzes Vermögen be­trifft' und -. Na, hören Sie, Merrick, das ist ein bedeut­samer Fund! Wo haben Sie ihn gemacht?"

-Da!" antwortete der kleine Mann kurz, indem er auf

einen durch den Geldschrank und einen hohen Ofenschirm verdeckten niedrigen Kamin zeigte.

Merkwürdig stieß der Anwalt hervor.Den habe ich noch nie bemerkt, so oft ich anch hier gewesen bin."

Auch ich hatte ihn zuerst übersehen und nur den Ka­min in der Bibliothek durchsucht. Ich fand ihn erst später, als mir der Ofenschirm auffiel. Offenbar wurde der kleine Kamin nur selten benützt, und der Täter dachte wohl, sein Werk sei hier am besten vor Entdeckung geschützt."

Und doch, welche Pfuscherarbeit und Sorglosigkeit, diese Reste liegen zu lassen," bemerkte der Anwalt.Ich sollte meinen, bei einem derartigen Geschäft bleibt man doch stehen, bis man sich überzeugt hat, daß alles verkohlt ist."

Gewiß, wenn man nicht gestört wird," erwiderte der Detektiv trocken.Der Fall ist aber hier jedenfalls einge­treten, denn sonst müßte der Jemand, der diese Tat nur halb vollbrachte - mag es nun einher' oder eine ,fie' ge­wesen sein , ein selten einfältiger Mensch gewesen sein."

Das denke ich auch. Doch es ist drei Uhr vorbei; wir müssen uns beeilen. Entdeckten Sie sonst noch etwas!?"

Nichts, von besonderer Wichtigkeit, bis auf die Ge­wißheit, daß der Mord nicht in diesem Zimmer, sondern in der Bibliothek begangen wurde."

In der Bibliothek? Woraus schließen Sie das?"

Ich schließe es nicht; es ist vielmehr eine Tatsache, die ich schon seit heute morgen weiß. Sprechen Sie aber vorläufig nicht davon. Wenn es Ihnen recht ist, wollen wir jetzt gehen."