81- Jahrgang.
Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
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Aernsprecher Wr. SS.
I-ernsprechen Wv. 29.
Auflage 2600.
Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile aus gewöhn!. Schrift oder deren Raum bei Imal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Mit dem Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
Aag«l!>, Menstag dm LS. April
1887
UoMische Weöerficht.
Ein interessanter Antrag ist dem elsaß-lothringische« Landesansschnß zugegange«: Man solle die Regierung ersuchen, sich dafür zu verwenden, daß denjenigen Elsaß-Lothringern, welche bis zum Jahre 1890 wegen Fahnenflucht oder Verletzung der Wehrpflicht bestraft worden sind, die Strafen, insoweit sie nicht verbüßt, verjährt oder erlassen sind, im Hinblick auf die inzwischen verflossene Zeit und die eingetretene Aenderung der Verhältnisse in Gnaden erlassen werden. Der Antrag ist von sämtlichen Abgeordneten unterzeichnet.
In der Angelegenheit der Montagnini-Papiere
hat die Untersuchung der Aktenstücke begonnen. Nach den Mitteilungen eines Kommisstonsmitgliedes dürste durch einzelne Dokumente klargestellt werden, daß die Nuntiatur ein regelrechtes System von Angebezetteln durchgeführt hatte, besonders mit Bezug auf gewisse Offiziere. — In bezug auf die Jeanne d'Arc-Feier in Orleans hat sich Clemenceau einverstanden erklärt, daß die von ihm in Aussicht gestellte weltliche Feier mit der kirchlichen verbunden werde, wenn der weltliche Charakter in den Vordergrund trete.
Die russische Duma, die am 30. d. M. ihre Beratungen wegen des Osterfestes bis zum 12. Mai unterbrechen wird, verhandelte am Samstag u. a. eine Interpellation über Mißhandlungen im Gefängnis von Akuti. Die Beratung zeitigte die seltene Erscheinung, daß in einer solchen Angelegenheit die Rechte mit der Linken übereiu- stimmte. Das Haus stimmte wegen der Ungesetzlichkeit der von der Gefängnisverwaltung begangenen Akte einhellig für' die Interpellation. — Eine aus Mitgliedern der gemäßigten Parteien und der Rechten zusammengesetzte Gruppe hat sich als Hauptziel die Erhaltung der Duma, die Förderung der Produktivität ihrer Arbeit und den Kampf gegen diejenigen, die die Duma zu Revolutionszwecken mißbrauchen wollen, gestellt. Die Gruppe umfaßt 31 Oktobristen, 48 Gemäßigte und 7 Mitglieder der Extremrechten. Die Fraktionen bleiben selbständig, ohne jedoch ihr einheitliches Austreten als ganze Gruppe in der Duma aufzugeben.
Die Denkschrift über die Einführung von Wanderarbeitsstätten in Württemberg,
die dem Präsidenten des StändischenAusschusses zugegangenist, hebt in Uebereinstimmung mit den Ausführungen unseres L.-Mitarbeiters über „Bettlervolk auf dem Lande" (vgl. Nr. 38 d. Blts. vom 14. Febr. d. Js.) das Bedürfnis hervor, das zur Schaffung von Fürsorgeeinrichtungen für mittellose Wanderer vorhanden ist. Erfreulich ist nun, daß'wie unten zu lesen, Nagold zu den Bezirken gehört, welche im Sinne der schon genannten Ausführungen die Bereitwilligkeit der Mitwirkung bei der Durchführung
des Systems der Wanderarbeitsstätten ausgesprochen hat. Die Denkschrift sagt weiter: Ueber die Belästigung des Publikums durch Stromer werde immer noch viel geklagt und insbesondere sei es das Platte Land, das unter der Belästigung durch arbeitslos umherziehende, auf die Mildtätigkeit der Landbewohner rechnende mittellose Reisende zu leiden hat. Unter diesen Wanderern sei zu unterscheiden zwischen solchen, die ohne Verschulden infolge Arbeitslosigkeit auf die Landstraße gekommen und auf der Wanderschaft eine neue Arbeitsstelle sich suchen wollen und solchen Leuten, die aus Arbeitsscheu und aus Freude an der Ungebundenheit ihr Leben auf der Landstraße zubringen. Sollen die rein polizeilichen Maßnahmen gegen den überaus lästigen und gefährlichen Wanderbettel mit aller Schärfe zur Anwendung gebracht werden, so sollte die Polizeibehörde andererseits in der Lage sein, darauf hinzuweisen, daß kein Wanderer auf den Bettel angewiesen ist. Diese Erwägung weist auf das Bedürfnis nach einem gleichmäßig über das ganze Land verbreiteten Netz von Verpflegungsstationen für mittellose Wanderer oder von Wanderarbeitsstätten hin, die eine höhere Entwicklungsstufe der Verpflegungsstationen darstellen. Die Wanderarbeitsstätten hätten sich vornehmlich auch mit der Vermittlung von Arbeitsgelegenheit für ihre Gäste zu befassen. Dadurch könne dem Landwirt und dem Gewerbetreibenden auf dem Lande die Gewinnung von Arbeitskräften aus der Schar der Wanderer erleichtert werden. Für unsere württembergischen Verhältnisse erscheine ein engmaschiges Netz von Wanderarbeitsstätten zweckmäßig und zwar würden etwa 60 Stationen errichtet werden müssen, die sich den Hauptverkehrsstraßen entlang verteilen würden. Äls Arbeiten kommen hauptsächlich in Betracht: Holzzerkleinern, Steinklopfen, Wegbau- und Unterhaltungsarbeiten, Haus-, Garten- und Feldarbeiten und Flechtarbeiten. Nach den anderwärts gemachten Erfahrungen dürste bei 60 Stationen mit einem durchschnittlichen Aufwand von etwa 2000 jährlich zu rechnen sein. Hinsichtlich der Stellungnahme der Landarmenverbände und der Bezirksbehörden zu diesen Reformbestrebungen ist zu sagen, daß von 63 Amtskörper- schasten 59 hi^u Stellung genommen haben. Von diesen haben sich 19 vollständig ablehnend verhalten. Sie begründen ihre ablehnende Stellung u. a. wie folgt: Es sei ein Hohn, Fürsorgeeinrichtungen für arbeitslose Wanderer zu treffen, während Gewerbe und Landwirtschaft unter der drückendsten Leutenot zu leiden haben und italienische, kroatische, polnische Arbeiter in Scharen in das Land gezogen werden müssen. (Die 19 ablehnenden Bezirke sind: Leonberg, Ludwigsburg, Marbach, Neckarsulm, Calw, Freudenstadt, Nürtingen, Tuttlingen, Ellwangen, Gaildorf, Hall, Welzheim, Biberach, Ehingen, Kirchheim, Leutkirch, Ravensburg, Ulm, Wangen.) Von 15 anderen Bezirken wird zwar die Errichtung einer Wanderarbeitsstätte in ihrem Bezirk abgelehnt, sie erklären sich aber unter Umständen bereit, an den Kosten einer Wanderarbeitsstätte in einem Nachbarbezirk sich zu beteiligen. (Zu diesen Bezirken gehört auch Stutt
gart-Amt, ferner Oberndorf, Cannstatt, Weinsberg, Gmund,
Rottweil u. a.) Sechs Bezirke sind unter gewissen Bedingungen zu der Mitwirkung bei der Errichtung einer Wanderarbeitsstätte bereit. Von 18 Bezirken wurde die Bereitwilligkeit der Mitwirkung bei der Durchführung des Systems der Wanderarbeitsstätten durch das ganze Land ausgesprochen. Es sind dies Heilbroun, Besigheim, Reutlingen, Balmgen, Herrenberg, Horb, Nagold, Neuenbürg, Sulz, Aalen, Heidenheim, Künzelsau, Oehringen, Schorndorf, Geislingen, Göppingen, Münstngen und Tettnang. Im Hauptetat für 1907 und 1908 sind je 20000 ^ für diesen Zweck vorgesehen. Am Schluffe der Denkschrift werden noch die hinsichtlich der Wanderarbeitsstätten bestehenden Verhältnisse in Bayern, Baden, Hessen und Preußen dargelegt.
Die Entrevne von Cartagena und Gavta.
Berlin, 21. April. Zu den Entrevues in Cartagena und Gatzta schreibt die „Nordd. Allg. Ztg." in ihrer Wochen-Rundschau: ^
„Wir brauchen uns über die Fülle freundlicher Gefühle, deren wir uns im Auslande erstellen, keinerlei optimistischen Täuschungen hinzugeben, aber noch weniger haben wir Anlaß, ob der mehr oder minder offenen Feindseligkeiten, deren wir hie und da im Auslande und namentlich in einem Teil der ausländischen Presse gewürdigt werden, in nervöse Unruhe zu geraten. Mit dem guten Gewissen, seit einem Menschenalter unsere nationale Entwicklung Niemand zu Leide geführt und gefördert zu haben mit dem Bewußtsein, unsere Wehrkraft nach Maßgabe unserer Bedürfnisse und der den verbündeten Regierungen zu Gebote gestellten Mittel ausgebaut zu haben, vermag Deutschland auch fernerhin seines Weges zu gehen, ohne ängstlich nach rechts und nach links auszuschauen, ob die Schritte unseres Volkes von irgend jemand scheelen Blickes verfolgt werden. Daß es unseren maßgebenden Persönlichkeiten nicht an der Wachsamkeit gebricht, die sie als Vertreter der nationalen Interessen dem Volke fchuldig sind, bedarf keiner näheren Darlegung.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher NeichStag.
Berlin, 20. April.
Der Gesetzentwurf betr. Gebührentarkf für den Kaiser« Wilhelm-(Nord-Ostsee-)Kanal wird angenommen. Etat.
Spahn (Ztr.) tritt für die Resolution betr, Haftung des Reiches für durch Reichsbeamte in Ausübung des Amtes verursachte Schäden sowie betr. Diäten für Geschworene und Schöffen ein und erinnert an die Vorgänge, welche eine präzifere Regelung des Jmmunitätsrechtes der Abgeordneten geboten erscheinen lasten.
Jungk (natl.) Der Wunsch feiner Freunde betr. Sicherung der Forderungen der Bauhandwerker sei ja ein
Das Testament des Bankiers.
Kriminalroman von A. M. Barbour.
Autorisiert. — Nachdruck verbot»»
<8orts«tz«»s.i
Eine Brille mit dunklen Gläsern schützte die Augen des Fremden, der zu dem Sekretär Skott hereintrat; seine Kleidung bestand in einem schon etwas abgetragenen, leichten Reiseanzug, doch verriet sein Wesen den vornehmen Mann.
„Herr Skott, wenn ich nicht irre?"
„Ganz recht; bitte, nehmen Sie Platz. Womit kann ich dienen?"
„Es liegt mir daran, zu erfahren, wann Herr Main- waring zu sprechen ist. Ich war schon im Bankhause, dort wies man mich aber hierher, und hier sagte mir der Diener, daß Herr Mainwaring ausgefahren und die Zeit seiner Rückkehr unbestimmt sei."
„Mein Herr Prinzipal wird wahrscheinlich gegen fünf Uhr zurückkommen; ob er Sie aber dann empfangen wird, bezweifle ich, da er Gäste hat und deshalb kaum geneigt fein dürste, geschäftliche Angelegenheiten zu besprechen, es sei denn, daß diese von ganz besonderer Wichtigkeit wären."
„Der Fall liegt bei mir vor. Es würde mir daher sehr erwünscht sein, wenigstens morgen für kurze Zeit angenommen zu werden."
„Dazu würden Sie möglicherweise nur dann Aussicht haben, wenn Sie Herrn Mainwaring in die Lage setzen wollten, die Dringlichkeit Ihres Ansuchens beurteilen zu können, also geneigt wären, mir eine Andeutung zu machen, um was es sich handelt. Sonst erscheint mir auch für morgen die Hoffnung, Ihren Wunsch erfüllt zu sehen, sehr
fraglich, da morgen der Geburtstag des Herrn Mainwaring ist, den er im Kreise seiner Verwandten besonders feierlich zu begehen gedenkt."
„Ah, richtig, richtig; morgen ist ja der Geburtstag! Das hatte ich ganz vergessen," bemerkte Herr Carruthers aufstehend, während Skott fühlte, wie die hinter der dunklen Brille verborgenen Augen ihn eigentümlich forschend betrachteten. „Und bei der Feier soll gleichzeitig der junge Londoner Namensvetter zum Universalerben erklärt werden. Freilich, zu so ungelegener Zeit darf ich mich nicht auf- drängen."
Skotts Gesicht drückte lebhafte Verwunderung aus.
„Es befremdet mich, daß Herrn Mainwarings Absicht so allgemein bekannt ist."
„O, das ist sie wohl kaum," erwiderte der Fremde in sonderbarem Tone; „ich hörte nur zufällig davon. Also, bitte, sagen Sie nur Heim Mainwaring, ich hoffe nach der Feier auf möglichst baldige Berücksichtigung. Eine Benachrichtigung wird mich vorläufig im Hotel Arlington treffen. Entschuldigen Sie, wenn ich gestört habe."
Hiermit machte er eine verabschiedende Verbeugung, und Skott trat an die Klingel, um den Diener zur Begleitung herbeizurufen; der Fremde aber wehrte ab: „Bemühen Sie sich nicht, ich finde den Weg."
Skott öffnete die Tür zur südlichen Vorhalle.
„Bitte, hier gelangen Sie am nächsten zum Ausgange."
„Danke, danke."
Inzwischen waren mehrere Stunden verstrichen, und Skott setzte sich nunmehr wieder eilig an seine Arbeit. Als er eben den letzten Federstrich getan hatte, rollten die zurückkommenden Equipagen heran, und kurze Zeit darauf trat Herr Mainwaring ein. Dieser betrachtete aufmerkfam die
ihm überreichte Karte Carruthers und war sehr unangenehm von der Mitteilung berührt, daß dieser Fremde von seiner Testierung Kenntnis hatte. Indessen schien er das bald vergessen zu haben, denn er teilte sowohl bei der Mittagstafel als auch den ganzen Abend die Heiterkeit der anderen.
Als ihm zu später Stunde seine Gäste in der matt erleuchteten Veranda Gute Nacht wünschten und als letzter auch der junge Namensvetter an ihn herantrat, ergriff er dessen Hand und sagte in auffallend weichem Ton:
„Hugh, niein Junge, die Strecke zwischen dem fünfundzwanzigsten und fünfzigsten Meilenstein der Lebensreise ist lang; gebe der Himmel, daß, wenn du den letzteren erreicht hast, du auf einen helleren Pfad zurückblickcn kannst, als ich es heute abend tue!" Endlich, ganz allein, sprach er trübsinnig vor sich hin: „Wäre mir doch ein Sohn, wie er beschicken worden!"
In Gedanken verloren, blieb er noch eine Weile sieben und bemerkte nicht, daß eine Frau mit boshaft glühenden Augen, dicht an die Veranda geschmiegt, davonschlich und eilig im Dunkel verschwand.
(Fortsetzung folgt.)
Etwas v»» Storch! Gin» hübsch» parlamentarisch« Rrdeblüt« könnt« in »in« drr letzten Sitzungen de» Ab,»« ordnetenhausr» r»gistri»rt wrrdr«, fi» löste groß» Httt«k«it au». Zwischrn 4 und k Uhr nachmittag» wurde viel von H»bamm»n geredet, sodaß zwei jung« Mädchen auf den Lribünrn rrrbtrnd da» Feld räumten. Der Abgeordnete Dr. velzer (Zentrums ließ rin traurige» Lied ertönen von Ortrn, di« gan, isoliert fern vom Berkehr lägen und kein« Hebammen hätten; im Winter sei die» btt den schwer,»gänzlichen Nestern sehr peinlich, d»»halb müsst jeder Ort ein» Höbamme haben. „Drr Storch", so fuhr der Redner fort, „kommt nicht nur im Frühling, manchmal auch d« finsterer Winternacht. Mein» Herren, da» muß ander» werden!"