81 . Jahrgang.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

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Aern sprechen Wv. 29.

Isernsprechert Wr. 29.

Auflage 2 600 .

..MlMgen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile aus gewöhn!. Schrift oder deren Raum bei Imal. . Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Mit dem Plauderstübchen und

Schwäb. Landwirt.

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Die Herren Verwaltungsaktuare

werden veranlaßt, für die auf 1. April 1907 zur Stellung verfallenen öffentlichen Rechnungen Rechnungsstellpläne in doppelter Ausfertigung bis 1 . k. M. hieher vorzulegen. Nagold, den 6. April 1907.

K. Oberamt. Ritter.

Am 5. April ist von der Evangelischen Oberschnlbehvrde die 1. Schulstelle in Althütte, Bez. Backnang, dem Unterlrhrer Gott­fried Quinzler in Nagold, übertragen worden.

Entschädigung an Schöffen und Geschworene.

Bei der vorjährigen Beratung des Etats der Justiz­verwaltung nahm der Reichstag zwei Resolutionen an, welche lauteten:

a) die Verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen den Geschworenen und Schöffen unter Abänderung der M 31 und 84 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 außer der Reisekostenentschädigung auch eine Vergütung für Zeitversäumnis aus den Landesmitteln der Bundesstaaten gewährt wird; o) den Reichskanzler zu ersuchen, noch vor der voraussichtlich geraume Zeit in Anspruch nehmenden allgemeinen Reform der.Reichs-Stras- prozeßordnung einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen den Geschworenen und Schöffen eine angemessene Vergüt­ung für Zeitversäumnis in der Form von Tagegeldern aus Landesmitteln gewährt und die Beiziehung minderbemit­telter Staatsbürger zum Schöffen- und Geschworenen­dienst ermöglicht wird.

Der Zweck dieser Anträge ist klar. Nur wenn Ge­schworene und Schöffen eine angemessene Entschädigung gewährt wird, ist es möglich, den Kreis, aus dem diese Volksrichter ausgewählt werden, erheblich weiter auszudeh­nen als bisher. Nur so ist eine richtige Zusammensetzung der Geschworenenbänke und des Schöffenmaterials zu er­zielen. Nur dann werden die Intelligenz und die moralische Qualifikation der Auszuwählenden ohne Nebenrücksichten zu Grunde gelegt werden können, wird der bisherige pluto- kratische Zug bei der Auswahl der Schöffen und Geschwo­renen verschwinden. Diese Erwägungen haben auch bei vielen Bundesregierungen, namentlich den süddeutschen, .An­klang gefunden. Indessen ist es trotzdem ini Bundesrat zu einer Beschlußfassung über die mitgeteilten Resolutionen noch nicht gekommen, da insbesondere die preußische Regierung bis vor kurzem noch auf dem Standpunkt verharrte, daß diese Frage ebenfalls nur im Zusammenhang mit der bereits in die Wege geleiteten Reform der Strafprozeßordnung ge­löst werden müsse und nicht aus dem Rahmen dieser allge­meinen Umgestaltung herausgenommen werden dürfe. In­zwischen haben nun aber die Regierungen Bayerns, Würt­tembergs und Badens auch ihrerseits einen gemeinsamen Antrag auf Gewährung einer Entschädigung an Schöffen und Geschworene beim Bundesrat eingebracht, nachdem bei der jüngsten Besprechung der Reichstags-Interpellationen, betr. die Reform der Strafprozeßordnung, von verschiedenen Seiten insbesondere vom freisinnigen Abg. Dr. Müller- Meiningen, wieder sehr dringend die Gewährung von Tage­geldern an Schöffen und Geschworene befürwortet worden ist. Damit dürste diese Angelegenheit in schnelleren Fluß kommen. Vorläufig befindet sich dieser Antrag in den zu­ständigen Bundesrats-Ausschüssen. Aus diesen wird er wohl bald nach Ostern an das Plenum zurückgelangen, da sein Inhalt bereits infolge der mitgeteilten Reichstagsreso­lutionen im Bundesrat hinlänglich erwogen und erörtert worden ist. Sollte Preußen, wie wahrscheinlich ist, jetzt, nachdem das Verlangen des vorigen und gegenwärtigen Reichstags durch den Antrag der drei süddeutschen Bundes­regierungen eine so kräftige Unterstützung gefunden hat, seinen bisherigen Widerspruch aufgeben und sich nun eben­falls damit einverstanden erklären, so könnte vielleicht noch in dieser Tagung dem Reichstag ein entsprechender Gesetz­entwurf zugehen, für den von vornherein eine große Mehrheit gesichert wäre.

politische Hlebersicht.

Ueber die Enthüllung von Regimentsfahnen und Standarte« hat sich der Kaiser neuerdings dahin ausgesprochen, daß diese mit Rücksicht auf die Erhaltung der Kriegsbrauchbarkeit der so wertvollen Feldzeichen im Frieden noch mehr zu beschränken sei. Im besonderen sollten sie bei Truppenübungen und den ihn«» vorangehenden oder folgenden Paradeaufstellungen usw. unterbleiben. Bei An­wesenheit des Kaisers bei Truppenübungen wird der Kaiser

Magold, Montag dw 8. April

selbst befehlen, ob die Fahnen enthüllt werden sollen. Da­gegen sollen ste bei eigentlichen Paraden oder anderen der­artigen Gelegenheiten, wenn der Kaiser anwesend ist, wie bisher stets entrollt werden.

Das Abschiedsgesuch des bayrischen Ministers des Innern, Grafe» Feilitzsch, ist vom Prinzregenten unter warmer Anerkennung der Verdienste Feilitzschs ge­nehmigt worden. Als äußeres Zeichen seiner Anerkennung übergab der Regent dem scheidenden Minister sein Reliefbild in Gold. Zum Nachfolger Feilitzschs ist der Regierungs­präsident der Oberpfalz und von Regensburg, Friedrich von Brettreich, ernannt worden. Die Wahl des Regenten wird allgemein als eine sehr glückliche bezeichnet; man bringt dem neuen Minister der als hervorragender Arbeiter und tüch­tiger Beamter geschildert wird und dem man klaren Blick, prattischen Sinn und ungewöhnliches Verständnis für die Bedürfnisse seines Ressorts nachrühmt, großes Vertrauen entgegen. Das um so mehr, als er politisch bisher nicht hervortrat und erwartet wird, daß er auch in Zukunst sich für Parteipolitik nicht interessieren wird, von Brettreich ist 49 Jahre alt, katholisch, aber mit einer Protestantin ver­heiratet. Daß ihm das beim Zentrum schaden könnte, wird nicht angenommen, da die Ehe kinderlos ist. Seinen Nach­folger als Regierungspräsident wird Brettteich selbst in Vorschlag bringen.

Ueber die deutsch-amerikanischen Beziehungen

sprach sich der zu Besuch in seiner Heimat weilende ameri­kanische Botschafter in Berlin, Tower, einem Interviewer gegenüber aus. Er sagte, er habe nie ein allgemeineres, fteundlicheres Wohlwollen Deutschlands Amerika gegenüber gekannt als jetzt. Er sei gerührt von dem ausgesprochenen Vertrauen Deutschlands zu der ökonomischen Zukunft und Entwicklung Amerikas und zu der Entschlossenheit Amerikas, aufrichtig zu handeln, wo immer die amerikanischen Interessen die auswärtigen Länder berührten. Der Kaiser, die Re­gierung und das deutsche Volk vertrauten der Regierung und dem Volk Amerikas. Die diplomatischen Beziehungen beider Länder seien deshalb frei von Verdächtigungen und einem Suchen nach verborgenen Motiven. Die Ueberzeugung, daß Amerika immer einen hochsinnigen Standpunkt einnehme, sichere jedem ernsten amerikanischen Vorschlag freundliche Erwägung des deutschen Kaisers und -er deutschen Regierung.

Der Appetit kommt auch den Franzosen beim Essen. Täglich mehren sich die Stimmen, die in der Be­setzung von Udschda noch keine genügende Sicherheit für die Durchsetzung der an Marokko gestellten Forderungen erblicken können. So erklärt der schon mehrfach erwähnte Marokko­reisende Gentil ganz offen, die Besetzung Udschdas sei unzu­reichend, um die Bevölkerung von Marakesch einzuschüchtern. Weitere energischere Maßnahmen würden sich in kurzer Zeit gewiß als notwendig erweisen. Auch in Frankreich selbst macht man lebhafte Propaganda für die Besetzung weiterer marokkanischer Gebiete, die Regierung wagt es aber doch nicht, wie es heißt, einen derartigen Schritt zu tun, ohne sich vorher mit Deutschland verständigt zu haben. Von ver­schiedenen Seiten wird daher die Abschließung eines neuen deutsch-französischen Marokkovertrages angeregt. Ein Artikel der Londoner Times, der eine solche deutsch-französische Ver­ständigung befürwortet, gilt als ein von der französischen Regierung veranlaßter Fühler. Ob man in Deutschland für eine derartige Verständigung zu haben sein wird, er­scheint freilich mehr als fraglich; denn es ist unschwer zu erkennen, worauf es Frankreich ankommt. Ein sehr richtiges Gefühl beweist auch hier wieder die spanische Regierungs- Presse, die bereits recht kräftig gegen eine etwa beabsichtigte Besetzung weiterer marokkanischer Gebiete durch Frankreich Sturm läutet. Aus Tanger und Melilla werden einige weitere Zwischenfälle gemeldet; einer davon betrifft ein spanisches Kriegsschiff, das von Eingeborenen anscheinend irrtümlich beschossen wurde. Besondere Bedeutung darf den neuen Ereignissen offenbar nicht beigemessen werden.

Die Dnmakommission zur Prüfung der Frage der Ernährung der notleidenden Bevölkerung hörte die Darleg­ungen des Vertreters der früher von Gurkon geleiteten Ab­teilung für Lebensmittelzufuhr im Ministerium des Aeußern an und kam zu dem Schluß, daß der Mangel an Brotkorn in den von der Hungersnot betroffenen Provinzen als völlig beseitigt zu bettachten sei. - Die Duma selbst setzte in den letzten Tagen die Budgetberatung fort. Die sehr ausge­dehnten Debatten förderten besonders hervortretende Mo­mente nicht zutag, bis gestern der Sozialdemokrat Alexinsky in zweistündiger Rede heftige Angriffe gegen die Regierung schleuderte. Der Redner zitierte u. a. ein englisches Blatt, das die Auflösung der ersten Duma als einen Treubruch bezeichnest. Unter lebhaften Protesten verließ hierauf die Rechte den Saal, da sie in dem Zitat eine Majestätsbe­leidigung erblickte. Der Vorgang rief große Erregung hervor.

1907

In Bezug auf die zweite Haager Friedens­

konferenz haben die diplomatischen Vertreter Rußlands rm Auftrag ihrer Regierung den Mächten eine Zirkularmitteil­ung zugestellt. Diese Mitteilung konstatiert, daß das im vorigen Jahr ausgearbeitete russische Programm für ine Arbeiten der Konferenz von allen Mächten angenommen worden ist, und gibt die Vorbehalte an, die bezüglich des Programms von verschiedenen Mächten gemacht worden sind. Drei Regierungen, nämlich die der Vereinigten Staaten, Spaniens und Großbritanniens, schlagen vor, das nrsfische Programm durch die Frage der Abgrenzung der Rüstungen zu vervollständigen; die amerikanische Regierung fügt dem noch die Frage der Art und Weise der Deckung der Staats­schulden hinzu. Einige Staaten behalten sich ferner das Recht vor, der Konferenz Vorschläge über solche Fragen zu unterbreiten, die auf das russische Programm Bezug haben, in demselben aber nicht besonders aufgeführt sind. Die englische und die japanische Regierung erklären, daß sie sich freie Hand darüber Vorbehalten, an einer Beratung über Punkte, die ihrer Ansicht nach zu einem befriedigenden Er­gebnis nicht führen können, sich nicht zu beteiligen. Deutsch­land und Oesterreich-Ungarn machen in der allgemeinsten Form denselben Vorbehalt. Die russische Regierung erklärt, indem sie ihrerseits einen diesem letzteren Vorbehalt ähnlichen macht, daß sie ihr ursprüngliches Arbeitsprogramm der Konferenz aufrecht erhält. Die ZirjMrmitstilung teilt schließlich mit, daß der russische Vertreter im Haag beauf­tragt worden sei, an die niederländische Regierung das Er­suchen zu richten, die Konferenz für den 15. Juni d. I. einberufen zu wollen. Englische und französische Hetzorgane verbreiten in letzter Zeit die Behauptung, Deutschland wolle sich von 1>er Konferenz zurückziehen, falls England die Ab­rüstungsfrage zur Erörterung bringe. Auf eine Anfrage der Londoner Tribüne ermächtigte nun der deutsche Staats­sekretär des Auswärtigen Tschirschky das Blatt zu der Er­klärung, daß jene Behauptung ohne Begründung ist.Ich hoffe" so schließt das Telegramm Tschirschkys,daß trotz aller falschen Darstellungen der Haltung Deutschlands die engeren Beziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien sortschreiten werden."

In dem Teil Persiens, wo ruffenfeindliche Unruhm ausgebrochen waren, ist die Ruhe wieder hergestellt. Die russischen Staatsangehörigen, welche geflüchtet waren, sind unter dem Schutz der aus Meicke d ent sandten Kosaken nach ihren Domizilen zurückgekehrt, wo ihnen von den Behörden und der Bevölkemng ein festlicher Empfang bereitet wurde. Die persische Regierung trifft energische Maßnahmen zur Bestrafung der Urheber der antirussischen Bewegung.

Eine bulgarische Bande ist nach Meldungen aus Konstantinopel am Mittwoch in der Stadt Jstip im Sand- schak Uesküb entdeckt und umzingelt worden. Es entwickelte sich ein schwerer Kampf, der gestern noch fortdauerte.

Der Sultan von Marokko hat den Kriegsminister El Gebbas mit der sofortigen Ausarbeitung des in der Algecirasaste vorgesehenen Polizeireglements mit den berufenen Instrukteuren beauftragt. Dies gilt als ein neuer Beweis für die loyale Einhaltung der übernommenen Verpflichtungen durch den Sultan, eine Haltung, an der ihn die deutsche Gesandtschaft fortgesetzt zu bestärken bemüht ist. Nach weiteren Meldungen aus Tanger verwaltet ein gewisser Destailleurs, der nach Zeitungsmeldungen zum französischen Konsul in Udscha ernannt sein sollte, tatsächlich das Amt eines Kommissars der französischen Regierung für die Rege­lung der algerischen Grenzfrage. In Marrakesch herrscht dauernde Unruhe. In den Straßen wurden infolgedessm bewaffnete Wachtposten aufgestellt. Es wird berichtet, daß ein Eingeborener, welcher dem Franzosen Gentil bei seinen Vermessungsarbeiten geholfen hatte, ermordet wurde. Der Pascha von Marzagan habe das Observatorium niederreißen lassen, welches Gentil auf dem Dach seines Hauses habe errichten lassen und welches ihm für seine Arbeiten diente.

Der sudwestafrikanische Draht meldet eine recht unangenehme Enttäuschung. Unterm 20. März war berichtet worden, Simon Köpper, der Kapitän der Franzmann-Hotten­totten, habe versprochen, gegen Zusage von Leben und Frei­heit seinen ganzen Stamm zu sammeln und die Waffen bet Gochas abzugeben. Er selbst hätte am 7. März den Marsch dorhin angetreten. Jetzt kommt aus Windhuk die über­raschende Nachricht, daß Simon Köpper sein Versprechen nicht gehalten, sondern mit seiner gesamten Werft wieder südostwärts in die Kalahari-Wüste zurückgekehrt ist. Dorthin ist ihm Major Pierer sofort gefolgt, um bedingungslose Waffenstreckung zu eltzwingen. Man wird wohl mit Recht die Frage stellen dürfen, ob es^ angebracht war, dem ver­schlagenen Häuptling mit so viel Vertrauen zu begegnen, od es nicht besser gewesen wär^sich seiner Person sofort zu bemächtigen.