81. Jahrgang.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger­lohn 1.20 im Bezirks­und 10 Km-Verkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 Monatsabonnements nach Verhältnis.

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Isernfprechev Wr. 29.

Auflage 2600.

Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile aus gewöhn!. Schrift oder deren Raum bei Imal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

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Jernsprecher Wr. 29.

Mit dem Plauderstübchen und

Schwäb. Landwirt.

79

Magold, Areltag dm 5. Zprit

1907

Bestellungen für das II. Quarta!

können noch immer gemacht werdm.

Amtliches

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Land­wirtschaft, betreffend die Abhaltung von Wieder- holnngskursen für die Besucher früherer Unter- richtMurse über Obstbaumzucht.

Im kommenden Sommer, kurz vor bezw. nach der Heuernte, werden unter der Voraussetzung genügender Be­teiligung für die Besucher früherer Unterrichtskurse über Obstbaumzucht an der K. landwirtschaftlichen Anstalt in Hohenheim und an der K. Weinbauschule in Weinsberg Wiederholungskurse abgehalten werden, in welchen die Teil­nehmer Gelegenheit zur Befestigung und Erweiterung der erworbenen Kenntnisse, sowie zum Austausch ihrer Er­fahrungen erhalten sollen.

Die Dauer dieser Wiederholungsknrse ist auf eine Woche festgesetzte

Der Unterricht ist unentgeltlich; dagegen sind die Teil­nehmer an den Wiederholungskursen verpflichtet, den Wei­sungen der Kursleiter nachznkommen, auch haben sie für Wohnung und Kost selbst zu sorgen.

Bedingungen der Zulassung zu den Wiederholungs­kursen sind:

der Nachweis des Besuchs eines früheren Unterrichts- klirses über Obstbauinzucht mit Angabe des betreffenden Jahres und Orts, Auskunft über die seitherige Tätig­keit als Bezirks-, Gemeindebaumwart oder dergleichen und guter Leumund.

Gesuche um Zulassung zu den Wiederholungskursen sind mit einem schultheißenamtlichen Zeugnis über die Erfüllung vorstehender Bedingungen spätestens bis 24. Mai d. I. an dasSekretariat der K. Zentralstelle für die Land­wirtschaft in Stuttgart" einzuseuden.

Stuttgart, den 26. März 1907.

___ v. O w.

Bekann tmach ung

betr. die Man!- und Klauenseuche.

Die Abhaltung von Rindvieh- und Schweine­märkten, ebenso der Hausierhandel mit Wiederkäuern und Schweinen ist nach Mitteilung der betreffenden Oberämter verboten im Oberamtsbezirk Calw mit Ausnahme der Gemeinden Ostelsheim, Simmozheim, Mona- kam, Dennjächt und Unterreichenbach, sowie in den Ober­ämtern Freudenftadt, Horb und Herrenberg mit Ausnahme von Unterjesingen. Im Bezirk Rottenburg trifft das Verbot, für die Gemeinden Ergenzingen, Tail- ! fingen, Remmingsheim, Seebronn, Wolfenhausen, ! Eckenweiler und Nellingsheim zu, im Bezirk Böb- ^ lingeu für Aidlingen und Deufringen.

Nagold, 4. April 1907.

K. Oberamt.

I. V.: Mayer, Neg.-Ass.

Kennel-

Roman von Heinrich Sienkiewicz.

Autorisierte Uebersetzung auZ dem Polnischen von E Krickmey:r.

(Schluß statt Fortsetzung)

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5. April 1906.

p. In trüber Erinnerung steht der heutige erste Jahrestag des großen Unglücks, das unser friedliches Städtchen ge­troffen hat. Tiefe Trauer lag und liegt noch heute auf der gesamten Einwohnerschaft, herber Schmerz um verlorene liebe Angehörige und treubesorgt gewesene Familienhäupter wohnt in den Herzen der trauernden Hinterbliebenen. Hie- nieden werden die tiefen Wunden nimmer vernarben, es gibt kein ganzes Vergessen solchen Elends und Jammers. Aber wie nach langer Winterszeit das aufsteigende Licht der Ostern uns neues Leben bringt, so kommt in die bangen Herzen allemal wieder ausrichtender Trost im Gedenken an Gottes Barmherzigkeit.

Wenn« wir an all das Unglück denken, welches das vergangene Jahr weit und breit über die Mensch­heit gebracht hat, so hätte diese unter der Last erliegen müssen. Die Last ist aber nicht ans einmal aufge­bürdet worden, sondern zu verschiedenen Zeitabschnitten und so konnte sie eher getragen werden. Und so muß sie auch weitergetragen werden; Schritt für Schritt und Tag für Tag wird der Weg durchmessen und mit Geduld wird die Aufgabe vollbracht werden. Das Unglück veredelt die Menschen und wir haben es hier erfahren dürfen, was die Mildtätigkeit der Mitbürger, der Landsleute im engeren und weiteren Vaterlande zuwege bringen kann, wo es gilt den Brüdern zu helfen. Aber auch im Blick auf die ganze Welt durfte man sich getrosten der Tatsache, daß das Unglück, wo es in seiner ganzen schaurigen Größe auftritt, die Völker und Menschen einander näher zu bringen vermag. Und daraus sollte den Menschen auch die Gewißheit werden, daß barmherzige Hilfe und werktätige Liebe Kulturwerkzeuge bilden, mit welchen hohe Mauern gegen feindliche Ueberfälle von innen und außen erstehen. Möge dies auch den Ver­tretern der Völker bei der bevorstehenden Friedenskonferenz zur Richtschnur bei ihren Beratungen dienen, dann ist eine Gewähr geboten für ein hoffnungsvolles Zusammengehen zur Ab­wendung des allergrößten; und verderblichsten Unglücks des Kriegs! '_

O reiß uns doch nimmer die Wunden auf!

O laß sie doch heilen, vernarben!

Du weckst sie mit Deinem Liede nicht ans,

Die unter dem Trümmerschutt' starben!"

Genug, wenn uns immer von Zeit zu Zeit Noch jäh aus dem Schlafiraume wecken Der Donnerton jenes furchtbaren Sturz'»

Und die ihn begleitenden Schrecken."

Genug, wenn uns heimlich am Lebensgrund Die tränenden Schmerzen noch nagen,

(Nachdr vcrb.)

Mein Vater sagte weiter zu mir: . Das, was die alte Wenzrowska der Hanna von dir erzählt hatte, scheint ihr am meisten geschadet zu haben. Am selben Abend war sie schon besinnungslos. Der Arzt wußte längere Zeit nicht, was es war, bis schließlich . . . Nun, du weißt ja, daß im ganzen Dorfe die Blattern herrschen . . . Hanna er­krankte an den Blattern."

Ich schloß die Augen und glaubte die Besinnung zu verlieren; dann sagte ich:Sprich weiter, Vater, ich bin ja ruhig!"

Es gab Augenblicke," fuhr mein Vater fort,in. denen fie in großer Gefahr schwebte. Am nämlichen Tage noch, an dem wir dich verloren gaben, war auch sie dem Ver­scheiden nahe. Bei euch beiden trat gleichzeitig eine glück­liche Wendung ein. Jetzt ist sie in der Rekonvalescenz be­griffen, wie du selbst. In einer Woche wird sie ganz ge­sund sein. Ach, was ist in unserm Hause nicht alles vor­gegangen!"

Hier brach er ab und betrachtete mich aufmerksam, als ob er befürchte, seine Worte hätten mein noch sehr schwaches Gehirn allzusehr erschüttert; ich lag bewegungslos da und

j längere Zeit herrschte Schweigen. Ich sammelte meine Ge- ! danken und stellte Betrachtungen über das neue Unglück an. Mein Vater erhob sich und begann das Zimmer mit lang­samen Schritten zu dnrchmesseu; von Zeit zu Zeit sah er nach mir hin.

!Vater," begann ich nach längerem Schweigen.

!Was, mein Junge?"

Ist sie . . . ist sie . . . sehr entstellt?"

Meine Stimme klang leise und ruhig, aber mein Herz pochte laut in Erwartung der Antwort.

Natürlich," antwortete mein Vater,wie immer nach den Blattern. Vielleicht bleiben aber auch keine Narben zurück. Jetzt sind sie natürlich noch zu sehen, aber sie wer­den sicher verschwinden ganz gewiß!"

Ich wandte mich der Wand zu, denn ich fühlte mich weniger wohl als sonst.

Eine Woche später stand ich auf und zwei Wochen danach sah ich Hanna zum erstenmal wieder. Ach, es ist schwer zu sagen, was aus dein lieblichen idealen Gesichtchen ge­worden war! Als das arme Wesen ans seinem Zimmer trat und ich meine geliebte Hanna zum erstenmal erblickte, fühlte ich, der ich geschworen hatte, keine Schwäche oder Ueberraschung zu zeigen, daß ich schwach und ohnmächtig wurde, und ich stand wie leblos da. Ach, wie war sie so entsetzlich entstellt!"

Als ich aus meiner Betäubung wieder erwachte, weinte Hanna laut, gewiß ebenso über sich selbst, als über mich, denn auch ich war nur noch der Schatten meiner selbst.

Genug wenn wir stille die drückende Last Durch dieses Jahr nun getragen."

Ja, wenn Du uns Balsam mild legen könnt'st

Auf unsre noch blutenden Wunden

Und hättest Stärkung der strauchelnden Seel'

Und allen ein Wiedergesunden!

So sprechet Ihr wohl in erneuten: Schmerz An des Unglücks erstem Jahrtage,

Wo doch hervorbricht mit innerer Gewalt Die im Herzen verhaltene Klage.

Und können mit Worten und Taten selbst Wir schnell Euch die Wunden nicht heilen,

So wollen, weil unser Herz es uns heißt,

Wir Eure Schmerzen doch teilen."

Wir wollen hinaus an die Gräber geh'n Und ehrend gedenken der Toten,

Die Freunde uns waren und noch es uns sind Auch unter dem modernden Boden."

Wir wollen, gedenkend der Zeitenflucht,

Des Unbestands irdischer Dinge,

Mit Euch auch beten und flehen für uns,

Daß die Welt nicht gar uns verschlinge."

Wir wollen der Liebe heilige Pflicht Auffrischen in unseren Herzen,

Der Liebe,, die Mittel und Wege wohl kennt Zn lindern die Not und die Schmerzen."

So legt sich doch mählich Balsam aufs Herz, Auf die tiefen und brennenden Wunden,

Denn in der Liebe beglückendem Schein Da gibt es allein ein Gesunden."

G. H. Kläger.

H'ot'itilche MeSersicht.

Das neue Reglement für dre Feldartillerie,

das nunmehr durch den Kaiser genehmig worden ist, bringt u. a. eine große Vereinfachung des reglementarischen Mar­schieret. Das Abteilugsexerzieren fällt ganz fort; für das Exerzieren der Batterie gibt es nur folgende Formationen: geschlossene Batterie, geöffnete Batterie, Kolonnen zu Einem, dazu die Uebergangsformation. Die Zugkolonne ist also fortgefallen, sie ist nur für die reitenden Batterien beibe­halten, die unter Umständen eine schnellere Entwicklung er­fordern. Die Munitionswagen sind eng mit der Batterie verbunden, sie befinden sich in den Marschkolonnen am Ende der Batterie. Zu der Berkürzung der Marschkolonnen ist eine neue Kolonne, die Doppelkolonne hinzugetreten. Dabei fahren die Munitiouswagen neben den Geschützen. Zur Einnahme der Feuerstellung kann der Batteriechef beliebig viele Leute zur Zielerkundung in das Vorgelände mit­nehmen. Die Leute führen Winkerflaggen mit. Das Ein-

Nnd ich bin an allem schuld!" wiederholte sie schluch­zend,ich bin schuld daran!"

Hanna, geliebte Schwester, weine nicht! Ich werde dich immer lieben!" rief ich, erfaßte ihre Hand und wollte sie wie ehedem an meine Lippen führen. Plötzlich erbebte ich und fuhr zurück jene früher so weißen, weichen, zarten Hände sahen jetzt entsetzlich aus. Sie waren rauh, fast ekel­erregend und von schwarzen Flecken bedeckt.

,Zch werde dich immer lieben," wiederholte ich mit Selbstüberwindung.

Ich sprach die Unwahrheit. Wenn ich auch Mitleid, tiefes Mitleid und brüderliche Zuneigung in meinem Herzen fühlte, so war doch die frühere, große, leidenschaftliche Liebe wie ein flüchtiger Vogel enteilt, ohne auch nur eine Spur ihres Daseins zurückzulassen.

Ich ging in den Garten, nach jener Hopsenlaube, wo Seist» und Hanna ihre ersten Liebesgeständnisse ausgetauscht hatten, und dort weinte ich bitterlich, wie über den Tod eines geliebten Wesens.

Die Hanna von ehemals war ja auch wirklich tot für mich, oder besser gesagt, meine Liebe zu ihr war gestorben und hatte in meinem Herzen nur eine große Leere, tiefen Schmerz und die Erinnerung zurückgelaffen und diese trieben mir heiße Tränen in die Augen.

Lange, lange saß ich so. Die schon herbstlich gefärbten Bäume röteten sich im Licht der sinkenden Sonne. Man suchte mich im Hause und schließlich trat mein Vater zu mir in die Laube. Er sah mich an und ehrte meinen Schmerz.