8L. Jahrg«»q.
Grschetnt täglich «it »«-nahm« d« Go«»« ««d Festtage.
Preis vierteljährlich hin 1 «tt LrSger. loh» 1.20 t« Bezirk»« u»d 10 tcm-Berkehr 1.25 im übrige« Württemberg 1.SS Mo»atSabo»a «ach Verhältnis.
Der
A«Is- mi> Mche-SlÄ flr dm AkMls-SeD ÜWld.
Auflage LLS0.
A»»eigen-Gibühr f. d. IspaU. Zell» a«S gewöhn!. Echrist oder deren Raum bet Imal.
Einrückung 10 bei mehrmaliger «ltsprechend Rabatt.
Mit de« Plauderstübche« und
Gchwäb. Landwirt.
Mevnfpvechev Mu. >v.
Asevnfpvechev Hkr. LS.
20
'Wortrag Dernburg.
r. Stuttgart, 23. Januar. 3« große» Saale der „Liederhalle* hielt heilte abend tu Gegenwart des Königs« Paares, des Herzogs von Urach, sämtlicher Minister mrd der Spitzen der Zivil« vud Rilitärbrhörde« dir Kolonial« direHor Dervbnrg einen etustüudigm Lortrag. Nachdem OZrrlaudeSgerichtSrat Rapp den Soloniaidirektor als dea Rann des klaren Blickes, der Kraft und der Tat begrüßt hatte, erinnerte dieser zunächst an die Ledentrwg Württemberg- in der Geschichte der Kolsnisatiou »ud sprach dann über das Thema „Koloniale Lehrjahre*. EL handle sich nicht «« Politik oder eine konsesstomlle Frage. Uns habe dteU;berzeaguug von dev Sütesdu Sache gefehlt. Kolonk« strreu sei eine Wissenschaft», eine Technik, die nnrdnrch daSStu« dinm der Brdärsniffr au Ort v. Stelle, dnrch dir Aneignung der Mittel der Wisseuschaftu «ameutlich der Erfahr ««gen der Nach« bar» sich erlernen laste. Unsere Koloatalgesellschasteu seien noch ,u jnag, als daß der kolonisatorische Aufwand befriedigendere Früchte hätte tragen können. Der Redner wies dann au Beispielen englischer und französischer Kolonien dcu großen Wert der Eisenbahnen für de« Handel nach und bezeichnet« als den Hauptgegrvstand unserer Mühe, die Eingeborenen. Die Mißgriffe ans diese« Gebiet hätten vermiedev werden können, wenn wir uns die Erfahrungen der Nachbarn zu Nahe gemacht hätten. Dis Eingeborenen müßten zuerst zur Arbeit zur und Kultur erzogen werden. Alles andere werde mit der Erwägung der kulturellen Bedürfnisse komme«. Auch tu Bezug auf die Einführung der für die Kolonien geeigneten Kattun» hätten wir von den Nachbar» lernen sollen. Hoffent« ltch schließen sich die Konsumenten der kolonialen Produkte zu« sammen. IuprrialiSmuS sei deswegen noch nicht unsere Absicht. Wir wollen uns nur unabhängig machen von de» Trust zsr künstlichen Erhöhung der Rohprodukte vusercr nationalen Arbeit. Der Redner bespricht weiterhin die für Württem« berg besonders interessavte Frage der Baumwollkultur und betont fermr, «su «äffe von Nachbarn übertragen, was übertragb r sei. Der Kolouialbeamtr braucht kein Jurist zu sein, sondern brauche nur einen gesunden Menschenverstand und Kenntnisse von der Sprache und der Gewohnheit der Eingeborenen z» haben.
Ja bezug aus die Besiedelung der Kolonien bedarf es der Geduld. Die Vorbedingungen seicn in Südwestafrlka durch den Bau von Bahnen, geordnete Verwaltung und Niederwerfung des Aufstandes geschcff u. Hoffentlich wer« den viele tüchtige nicht zu kapitalarme Deutsche dorthin gehen. Kolouialdirektor Dernkurg bespricht schließlich die Stellung der R giernug. Diese kann nicht alle» tun. ES bedarf der privaten Initiative. Jeder Deutsche muß von den Kolonien wissen und jeder praktisch sich damit Beschäftigende seine Lehrjahre durchgrmacht haben. Die Negierung kann die Tatsachen, die «orgänge, die Mög« lichkeiten mit eine« Scheinwerfer beleucht u und, wenn Gefahren drohen, Signale geben, die Nation aufweckm zu großen I«pulsen. Aber bei den Nationen und Stämmen ist es, diese Signale aufzanehmev. die L'chtblick« zn verfolgen
Nagold, Donnerstag den 24. Januar
und sich klar za setu, daß große nationale Güter auf dem Spiele stehen. Redner schloß mit der Mahnung: Halte, was du hast, auf daß dir niemand deine Krone raube! Stürmischer laugauhalteuder Beifall folgte de» wiederholt durch Bravorufe unterbrochenen Lortrag. Nach demselben wurde der Redner von den Majestäten beglückwünscht. — Abends S.18 Uhr ist Kolouialdirektor Drruburg nach Karls« ruhe zurückgelrhrt.
Die ReichStagSwahleu.
Bo«cht»«>!
Bei der vumittelbare« Safetuauderfolge de» Reichs- tagSvshlev und LaodtagSwahleu wird es nicht überflüssig sein, dis wichtigsten Bestimmungen, durch welche sich das Wahlverfahreu beider unterscheidet, wieder in Erinnerung zu bringen. Nach 8 »bf. 1 des ReichStagSwahlregle« mevts muß bei de« NrtchStagSwahlen »it de» Schlage 7 Uhr abends die Abstimmung geschlossen werden. Nach 7 Uhr dürfen bet Gefahr der Nichtigkeit drS ganzen Wahlakts keine Stimmzettel auch nicht von solchen Wählern, welche längst vor 7 Uhr das Wahllokal betreten haben, «ehr angenommen werde«. ES empfiehlt sich daher für die Wähler dringend, möglichst früh« zeitig zur Abstimmung zu gehen. Nicht minder wichtig ist es für dm Wähler zu wissen, daß nach 8 1b Abs. 1 de- Wahlreglemeat« der Wähler nicht selbst veu Umschlag «it de» Sttmmzertel in die Urne legen darf, sondern daß er den Umschlag dem Wihlvorfteher oder dessen Vertreter ,« übergeben hat. welcher tha ta die Wahlurne legt. Zu« Schluffe sei noch «it Rücksicht auf die bei der letzten NetchStagSwahl oorgekommeaeu Unregelmäßigkeiten darauf aufmerksam gemacht, daß Wahlberechtigte, welche mehrere Wohnsitze haben und deshalb tu mehrere Wählerlisten eingetragen find, bet Bermeidnng strasgerichtlicher Verfolgung wegen Wahlfälschung nur an einem Ort wählen dürfen.
BerN«, 28. Jan. Zar KampseSweise der Sozialdemokratie schreibt die „Post*, daß sich zahlreiche Personen behusS Berteilnvg von Flugblättern bet kouservatlveu WahlbnrrauS gemeldet halten. Wie festgestellt werden konnte, find von diesen unter konservativer Marke ausgetretenen Gerosst» 8000 Flugblätter, die zur Berteilnug auSgehändigt wurden, vernichtet worden.
Bertt», 23. Jan. De« Bert. Tagebl. wird von einigen größeren Firmen «ltgeLeilt, daß sie am Wahltage und auch schon tagS zuvor Offerten der reisenden Kanfleut« nicht eutgegevuehmen. um so den Reisenden Gelegenheit zu gebe«, ihre Wahlpflicht zu erfüllen.
Der Reich-verh«»d der Berelme der »«tt»««l lidereele« J»>e«d erläßt folgenden Aufruf: „Au die deutsche Jugend! Die Entscheidung naht! Gewissenlos haben Zwirn« und Sozialdemokraten, Welsen und Polen um schnöde» Geld gemarktet »vd gefeilscht, wo rS galt, die Grmrdlageu von Deutschlands Kultur und Deutschlands Macht zu sichern vvd zu stärken. Das war der Anlaß zur Auflösung de» Reichstags. Wieder Hot sich die unerträgliche Herrschaft des Zentrums über Deutschland klar er
1907
wiesen. DaS Zentrum brauchte t« RetchStag um mit dm Sozialdemokraten, die «it ihre« stumpfe« Starrsinn ewig „Nein* sagen, zu stimmen, um die Mehrheit z« haben und alle großen, vaterländischen, fortschrittlichen, voULsrevnd- licheu Gesetze zu Fall zu bringen. DaS Zrutrsm hat diese Macht benutzt, um Schacher ,u treibe» «tt de« Leben»'»». Wendigkeiten des deutschen BolkeS, um seine Sondrrwüusche za befriedigen, ihm mißliebige Personen au» Amt und «rot zu bringen, seine eigenen Anhänger aber der gesetzliche» Strafe zu entziehen. Wie et« Alpdruck lastet da» Zentrum aus unsere« »olk, die Größe und Freiheit deutscher Politik ist dahin. Jetzt heißt e». uv» von diese» «lpdrnck zu befreien, zu kämpfen gegen da» räukevolle, konfejstouelleu Haß erregende, ««deutsche Zentrum, zu kämpfen auch gegm eine Sozialdemokratie, die Lurch ihre »uhrtznug dev sozialen Frieden stört, dnrch Lorgaukeiu drS nebelhaften Traume» eine» ZukuuftSstaate» die notwendige Besserung du Lage der wenig« bemittelten «olkskiaffeu erschwert und dnrch ihre Abstimmung t» Reichstag da» rückschrittliche Zentrum zur ausschlaggebenden Partei »acht. Wir jungen Bürger ab» volle« wirken für freiheitliche Politik auf vatertSud- tscher Grundlage, für sozialen und kultnrelleu Fortschritt, für wirtschaftliche Hebung der Minderbemittelten, sür Stärkung deutscher Wehrkraft und veutscheu LolkStvmk.sör die Einigung d«S Liberalismus. Wer «it m» fühlt die schmachvolle Demütigung Deutschlands unter die ««deutsche ultramoutaue Partei, wer «it uuS glaubt au die Kraft deutschen Wesen», au eine herrliche Zukauft unseres Reich», an den Segen einer freiheitlichen Entwicklung nvsereS.Lo.kS- leben», der schließe sich an» au und wirke mit allen Kräften für die Wahl national und liberal gesinnter tatkräftiger Männer. Ass in den Kampf «it du Losung: „Für Latu- laud und Freiheit!* _———
UoMifche Zleberficht.
«l- Bevollmächtigter des r«sfische« «aiser-
ist P.ofeffor Martens von Petersburg noch Bulin gereist. Er soll ln Berlin, Paris und London Vorverhandlungen wegen du Haager Friedenskonferenz führen.—In PttrrS- burg haben bet du Arbeiterschaft der Fabriken die Wahle« ersten Grades für die RetchSduma stkttglsvndeu. In 27 Fabriken wurde jedoch nicht gewählt, weil die Polizei dm Termin zu spät bekavut gegeben hatte. Nach dcm Ergebnis, das aus 49 Betrieben vorltegt, wurden 53 Wahl- Männer ersten Grades gewählt, darantu ein revolutionärer Sozialist, 21 Sozialdemokraten, 19 Anhänger du Link« und zwei Kadetten. In nenn weiteren Betrieben finden die Wahlen am 27. Januar statt. — Zu Alirrudrieu find drei Nüssen unter der Beschuldtgvng verhaftet worden, Sprevgaltevtate gegen russische Schiffe g, plant uvd vorbereitet zu haben. Sie wurden auf ein russisches Schiff gebracht. Aus diese Nachricht hin entstand große Aufregung in du Stadt. Ein Volk-Hanfe zog vor das russische Konsulat und riß das Wappenschild herunter. Mehrere Personen begaben sich auf dm angeblich bedroht gewesenen Postdampfer, um die Gefangenen zu suchen, die sie jedoch
Kann«.
Roma« von Heinrich Sienktewicz.
Autorisierte Uebersetzung au» dem Polnischen von E «rickmryer.
(Fortsetzung.) (Nachdr. -rb.)
„Armes Ding, ja, ja, eine Waise ist fiel* begann die alte WeuzrowSka mir uachzusagev.
Selim küßte sie dafür und wir giugeu zum Lee. Seli« war ausgelassen lustig; ich stimmte nicht tu seine Fröhlichkeit «it ein, teil» wrtl ich zu traurig war, teil» weil es mir al» gesetzte« Menschen, der das Amt eines Vormundes zu versehen hatte, nicht ziemte, mich wie ein Ktud zu gebärden.
An diese« Abend setzte Pater Ludwig Selt« den Kop noch zurecht. Dieser war uämlich, während wir and» nn» bei der Abendandacht kn der Kapelle befanden, in de Hof grlanfeu nud ans da» ui.der« Dach de» Eiskellers g, N"t. vm wo er eia so furchtbare» Geheul »tönen lief herbeistürzteu uud tu das Geheul dum elusttmmten, daß wir nicht beten konnten.
Pater Ludwig ^ ^ ^worden. Sel.'«?* fragi
-
»AK. d" Bengel! Spotte nicht über deine Religion! „Aber, Hochvürdeu, ich will ja doch katholisch werden
ich fürchte «ich ja nur vor «eine« Vater, «a» ist mir Mohammed!*
Er hatte damit dev Priester an seiner schwachen belle gefaßt, derselbe sagte nichts weiter vud wir gingen schlafen.
Seli« vud ich hatten ein gemeiuschaftllchtS Zimmer angewiesm bekommen, da Pater Ludwig wußte, daß wir gern noch miteinander plauderten, nud er ems nicht darin stürm wollte.
AIS ich mich auSzukleideu begann und bemerkte, daß Seli» dasselbe tat, ohne vorher gebetet zu haben, fragte ich: „Betest du denn wirklich nie, Seli»?*
„Warum denn nicht? Ich kann gleich damit aufangev, wenn er dir Spaß «acht.*
Damit stellte u sich au» Fenster, wandte sein Erficht de« Monde zn nud rief mit singender Stimme: „O Allah! «kbar «llahl «Sah Kulm!'
Schon halb entkleidet sah u «it seinen gm Himmel gerichteten Augen so schön an», daß ich »eine Blicke kau« von ihm abwenden konnte. Er unterbrach sich indessen schnell uud sagte:
„Doch, was soll das heißen! Ich glaube nicht au unfern Propheten, der den andern nur eine Frau gestattet uud selbst so viele Wkiber hatte, als sein Herz begehrte! Außerdem kann ich nicht leugnen, daß ich dem Le!ue gar nicht abhold bin. Ich bin aber einmal Mohammedaner vud muß e» blribku. I« übrigen glaube ich nu einen Gott und bete auch zuweilen, aber auf «eine eigene Weise vud so, wie ich e» vrrstehe. Was weiß ich denn über
haupt? Ich weiß nur, daß e» einen Gott gibt and damit basta l*
Daun fing er au von andern Dingen zu reden. „Weißt da wa», Heinrich, ich habe eine ausgezeichnete Zigarre! Wir find keine Kinder «ehr, wir können ganz gut rauchen.*
„Gib her!'
Er sprang au» de« Beit uud brachte elu Päckchen Zigarren zu« Vorschein. Wir zündeten eine an, legten nn» hin, rauchten, schwiegen uud spuckte« — jeder so, daß e» du andere nicht merken sollte - häufig hinter da» Bett.
Nach einer Weil« begann Seli«: „Weißt du, Heinrich, ich beneide dich, du bist nun schon wirklich »wachsen.* .«ersteht sich!'
„Lu bist Vormund! Ach, venu man mir doch auch jemand zu« Bevormunden auvutraueu wollte l*
„DaS ist nicht so leicht, uud wo in der Welt könnte mau eine Mite Hanna finden! Abu weißt du wa»,* fuhr ich in altklugem Tone fort, „ich glaube, daß ich nicht «ehr auf» Gymuafium zurückgeheu »erde. E.u junger Rau», der solche Pflichten zu Hause hat, kann nicht mehr in die Schule gehen!*
„Ach, dn bist nicht recht bei Trost! - Wa». du willst nicht »ehr lernen? Und die Hochschule?*
„Du kennst »ich und weißt, daß ich da» Studium liebe, aber dle Pst cht geht über alle»! ES ging« nur, wenn die Eltern Hanna »tt mir nach Warschau schickten.* „DaS sollen sie wohl hübsch bleiben lassen!"