liste und Gegenliste mit sämtlichen zugehörigen Schriftstücken ungesäumt und so zeitig wohlversiegelt an das Oberamt einzusenden, daß dieselben spätestens Donnerstag, den 10. Januar 1889, Vormittags in dessen Besitz kommt.
Calw, den 2. Januar 1889. K. Oberamt.
Supper.
Die Hrtsvorsteher
werden an den alsbaldigen Abschluß der Sportelverzeichnisse, sowie — an die Einsendung des Vierteljahresberichts 1. Okt. bis ult. Dez. 1888 — unter Beischluß der Sportelgelder — bezw. an die Vorlage von Fehlurkunden erinnert. — Auch die Beurkundung der Fehlanzeigen hat nach dem neuen allg. Cportelgesktz vom 14. Juni 1887 (Reg.-Bl. S. 163) zu erfolgen. Calw, den 2. Januar 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Die Hrtsrwrsteher
werden angewiesen, bis 7. d. Mts. spätestens die Nachweisungen bezw. Fehlanzeigen über die im letzten Quartal in Regie zur Ausführung gelangten Hochbau- und Tiefbau-Arbeiten, und zwar für Hoch- und Tiefbau — getrennt — an das Oberamt einzusenven. —
Nachmessungen bezw. Fehlanzeigen über die von den Gemeinden selbst ausgeführten Tiefbauarbeiten sind nur von denjenigen Gemeinden einzureichen, welche seinerzeit nicht als Mitglied der Tlefbauberufsgenossenschaft beigetreten sind.
Calw, den 2. Januar 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Scrges-Weirigkeiten.
— Gestern, am Neujahrsabend , ist in der Scheuer von Schultheiß Hanselmann in Liebelsberg Feuer ausgebrochen, welches dieselbe vollständig zerstörte. Ziemlich viel Futtervorräte und auch Getreide sind mitverbrannt. Die Löscharbeiten waren durch die Kälte sehr erschwert. Der Abgebrannte ist versichert. Brandstiftung wird vermutet.
Hetlbronn, 30. Dez. Am Freitag und Samstag kam die Berufungssache in der bekannten Strasklage des Oberbürgermeisters Hegelmaier gegen den früheren Wirt Wächter wegen Beleidigung vor der Strafkammer des hiesigen Landgerichts zur Verhandlung. Vorsitzender war Landger.-Rat Uhland. Das Urteil wurde abends 6Vz Uhr verkündet; dasselbe hebt das schöffengerichtliche Urteil, durch welches der Beschuldigte zu einer Gefängnisstrafe von 1 Monat verurteilt war, auf und ermäßigt die Strafe auf 3 Wochen Gefängnis. Wächter hat sämtliche Kosten erster Instanz und an denjenigen zweiter Instanz 2 Drittel zu bezahlen, während die weiteren Kosten auf die Staatskasse übernommen wurden.
Hechingen, 28. Dez. Heute morgen starb hier Oberamtmann Graf. v. Schwerin an den Folgen einer Verwundung, die er als Fähnrich im Gardereqiment „Kaiseim Elisabeth" bei dem Sturm auf Saint- Privat am 18. Aug. 1870 erhalten hat. Der damals 20jährige Graf erhielt einen Schuß m den Oberschenkel und blieb bis Mitternacht auf freiem Felde, stark blutend liegen, bis einige seiner Leute ihn in einer Scheuer unterbrachten. Die Wunde wurde bösartig und fünf Monate gingen vorüber bis sie sich schloß. Der Graf wurde später im Zivildienst verwendet und kam als Oberamtmann hierher. Am 16. ds. Mts. kehrte er von der Hofjagd, die Se. König!. Hoh. Prinz Wilhelm von Württemberg veranstaltet hatte, zurück und klagte über rheumatische Schmerzen in seinem vernarbten
Bein. Die Aerzte erklärten das Leiden für eine von der vernarbten, aber noch Fäulniserreger enthüllenden Schußwunde ausgegangene Blutvergiftung, die denn auch dem Leben des erst 38 Jahre zählenden Grafen ein jähes Ende bereitete. Derselbe hinterläßt eine Gattin mit zwei noch im zarten Alter stehenden Kindern. Die Leiche wird nach der Familiengruft zu Schojow zu Pommern übergeführt.
Berlin, 31. Dez. Die Thatsache von der Ankunft Stanley'« am Aruwimi wird jetzt amtlich von Brüssel ausbe st ä- tigt. Stanley hat unterm 17. August an Tippo-T'pp als Commissar des Falls-Distrikts einen Brief gerichtet und dieser denselben an den stellvertretenden General-Gouverneur Ledeganck in Boma übersandt. Der Brief Stanley'« wird in Brüssel innerhalb der nächsten vierzehn Tage erwartet.
— Der Kaiser und die Kaiserin hatten sich heute Nachmittag nach Potsdam und von da nach Charlottenburg begeben, um in der Friedenskirche und im Mausoleum an den Särgen Kaiser Wilhelms I. und Kaiser Friedrichs im stillen Gedenken zu verweilen.
Berlin, 31. Dez. Nach Meldungen aus Sansibar wäre der Vertreter der englischen ostafrikanifchen Gesellschaft, Oberst Mackenzie, welcher alle Häfen und die Chefs der Eingeborenen des englischen Ufergebiets besuchte, überall freundlich ausgenommen worden. Es herrschte dort Ruhe und Sicherheit. Im Gegensatz hierzu hört man, daß die britisch-ostafrikanssche Gesellschaft trotz zahlreicher Geschenke an die Eingeborenen-Hävptlinge in ihrer Thätigkeit auf Mombas beschränkt und auch dort nur unter den von der arabischen Bevölkerung diktierten Bedingungen geduldet würde.
Wevrnifchtes.
— Der „junge Bismarck" wird von dem Berliner Berichterstatter der „N. Z. Z.", der schon manche sprechend ähnliche Parlamentsphotographie geliefert hat, in folgender Weise porträtiert: Nein, diese Aehnlichkeit! Das ist doch nun der alte BlSmarck, wie er leibt und lebt, nur um 40 Jahre jünger. Genau wie sein Vater steht Graf Herbert, der Staatssekretär des Aeußeren, vor dem Reichstag, mit denselben Bewegungen des Kopfes und der Hand, demselben zuckenden Mienenspiel, der gleichen Nervosität und derselben mühsam sich losringenden Stimme, so daß jeder Satz ruckweise herausgeschleudert wird. Heute (14. Dezember) war nämlich die große „Kolonialsitzung" des Reichstages, der sich mit dem Aufstand über Ostafrika zu beschäftigen hatte, und da hielt der Graf Bismarck, oder wie man ihn scherzweise nennt „Bismarck Nr. 2", eme Art Jungfernrede. Wenigstens ist er bisher noch nicht in der Lage gewesen, bei einem Gegenstand größeren Stieles sein rednerisches Licht auf den parlamentarischen Scheffel zu stellen. Was man bisher von ihm als Redner vernommen, bewegte sich in geringfügigen Grenzen und vor einem kleinen Kreise. Heute wurde er dagegen erwartet, wie der neue Tenor in einer Gallavorstellung. Zum erstenmale sollte er in einer bedeutenden Sitzung und bei einem wichtigen internationalen Gegenstände, der die Augen der Welt nach Berlin lenkt, den Vater öffentlich im Reichstag vertreten. So vor aller Welt den Mund aufzuthun, von dreihundert Abgeordneten und fünfhundert Tribünenbesuchern, aus allen Ecken angegafft zu werden, muß doch eine lästige Lage sein. Da sitzen z. B. rechts auf der Tribüne achzig Journalisten mit offenen Notizbüchern und gespitztem Bleistift und warten mit größtem Interesse darauf, daß der Redner nur irgend etwas sage, worüber 6 Stunden später die großen Blätter aller europäischen Hauptstädte erregt Kopf stehen können. Und dicht vor dem Redner links im Parterre de» Hauses, da lächeln ihm mit kaltem Hohn die Gesichter der deutsch-freisinnigen Führer entgegen, denen das Reden eine so glatte und mühelose Arbeit ist, wie einem geschickten Fleischermeister das Wurstmachen. Wehe, wenn sie den Sohn Staatssekretär entgelten lassen, was der Vater Reichskanzler hundertfach als ein in allen Listen erfahrener Debatter an ihnen verschuldete! Ja,
heiter und offen zu erscheinen, lag ein gewisser Zwang und eine Zurückhaltung in ihrem Tone, während sie von-chrem Verlobten sprach, was ihrem Bmder keineswegs entging.
Er dachte, daß irgend ein Geheimnis obwalten müsse, aber was immer es war, 'sie schien zu wünschen, es ihm vorzuenthalten, und er machte daher keine weitere Bemerkung, sondern beglückwünschte sie von ganzem Herzen.
„Du kannst Dir nicht vorstellen, welche Wonne es für mich ist, wieder zu Hause zu sein," sagte er, ans Fenster tretend, wohin sie ihm folgte und die Hand auf seine Schulter legte. „Als ich in der Ferne weilte, sah ich in meinen Träumen gar oft das alte Haus und die vom Sonnenschein beglänzte Allee, welche nach demselben führt. Ach, Natalie! Es geht Nichts über die Heimat!"
„Aber es ist auch selten ein Heim so schön, wie das unsrige, Lionel."
„Ja, es ist in der That eine Besitzung, auf die man stolz sein kann!" antwortete er, auf den sammtweichen Rasen und den daran grenzenden Park hinausschauend. „Ich möchte nicht um eines Kaisers Erbe mich von Kings-Dene trennen!"
Natalie schaute ihn mit eigentümlichem Blick an.
„Und Du würdest kein Opfer als zu groß erachten, um es Dir zu erhalten?"
„Keineswegs. Es war so lange in unserer Familie, daß es mir wie eine Entweihung erschiene, mich davon zu trennen. Ich möchte lieber zwanzig Jahre meines Lebens, sals mein Erbe verlieren. Warum setzest Du übrigens so etwas voraus?" fragte er scheuend. „Es ist doch keine Gefahr vorhanden, daß es uns entrissen werden könnte!"
„Das ist — jetzt nicht zu befürchten," sagte sie in etwas gepreßtem Tone, und er wunderte sich über ihren Gesichtsausdruck bei diesen Worten; derselbe erinnerte ihn lebhaft an das Bild einer Märtyrerin, das er einmal gesehen hatte und deren Blick voll unsäglicher Hingebung er nicht vergessen konnte-
Natalie aber sagte sich, während sie sich von dem Fenster abwandte, so daß er keine weitere Gelegenheit hatte, ihre Züge zu studieren:
„Mein Opfer war nicht umsonst!"
Es fehlte nicht an Gesprächsstoff zwischen Bruder und Schwester; es schien, als ob ihre vertraulichen Mitteilungen kein Ende nehmen wollten.
„Und bist Du mit Hellem Herzen heimgekehrt?" fragte Natalie endlich leicht scherzend.
„Vollkommen," antwortete er; aber sie nahm wahr, daß eine schwache Röte über sein gebräuntes Gesicht glitt, als er dies sagte.
„Willst Du damit etwa sagen, daß Du alle diese Jahre fort warst, ohne Dich zu verlieben?"
„O, das keineswegs," versetzte er lachend; „verliebt war ich oft genug, aber das war immer nur ein rasch verloderndes Strohfeuer. Ich glaube, mein Ideal von einem weiblichen Wesen muß ein gar zu hoch gespanntes sein, denn ich habe es noch nicht gefunden."
„Wie soll es denn aussehen. Dein Ideal?"
Er zögerte einen Augenblick, als wollte er vor seinem geistigen Auge ein BUd heraufbeschwören, ehe er ihr antwortete:
„Sie muß groß und schlank sein, muß goldblonde Haare und dunkelblaue Augen haben; sie muß sanft, anmutig und mädchenhaft sein, unschuldsvoll und doch geistvoll, nachgiebig, zärtlich, aber nicht schwach dabei, und vor allem müßte sie eine weiche wohlklingende Stimme, die' angenehmste aller schönen Eigenschaften einer Frau, haben."
Natalie lachte.
„Du bist wirklich ungemein bescheiden in Deinen Ansprüchen, und nachdem dies Dein Standpunkt ist, wundert es mich nicht, daß Du Dein Ideal nie gefunden hast, — es ist ganz unmöglich!"
„O doch," versetzte er träumerisch, mehr zu sich selbst als zu ihr sprechend, es giebt ein solches weibliches Wesen in der Welt, — ich habe sie gesehen!"
„Wo?"
„Die Antwort, die ihm auf den Lippen zitterte, erstarb ungesprochen. Er schien sich plötzlich zu besinnen.
(Fortsetzung folgt.)