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weniger, als wenn eine Trace über den tief durchfurchten Schönbuch gezo- gen würde.
Cannstatt, 14. Dez. Unsere Schlittschuhbahn am Weg zum Volksfestplatz, welche seither mit Brunnenwasser aus der städtischen Wasserleitung gespeist wurde, wird demnächst das nötige Wasser aus dem Neckar erhalten und zwar mittelst einiger Pumpen, die am Neckarufer in Betrieb gesetzt werden. Da das Neckarwasser im Winter bedeutend kälter ist, als das Brunnenwasser, so hofft man in viel kürzerer Zeit, als dies bisher der Fall war, Eis zu bekommen. Die gegenwärtige kalte Witterung machte es möglich, die Schlittschuhbahn schon heute (Samstag) eröffnen zu können.
Waiblingen, 13. Dez. Die von den Gebrüdern Sixt unmittelbar neben dem neuen Bahnhof neu erbaute Dampfziegelei ist nunmehr soweit fertig gestellt, daß sie seit einigen Tagen teilweise im Betrieb ist. Mit den Maschinen und Ringöfen nach neuester Erfindung können nach vollendetem Bau täglich 1500 Backsteine und 4000 Falzziegel angefertigt werden. Der Vorhände Lehmboden ist tiefgründig und von sehr guter Beschaffenheit, so daß diese neue Thonwaarenfabrik wie die bereits hier bestehenden vier anderen Fabriken vorzügliche Waare liefern wird. Der Zugang vom Bahnhof aus wird durch einen eisernen Steg über die Schienengeleise erleichtert werden.
Reutlingen. Nach der „Heilbr. Ztg." soll dem bisherigen Abgeordneten Wendler von Gomaringen (D. P.) Kunstgärtner Wilh. Rall sen. (Dem.) gegenübergestellt werden.
Aus Kißlegg berichtet der „Ob. Anz.": Wie man hört, soll im Bezirk Wangen bei der bevorstehenden Landtagswahl dem sehr verdienten Abgeordneten Schultheiß Dentler gegenüber ein Gegenkandidat in der Person des Fabrikanten Gasser zur Neumühle aufgestellt werden.
München, 11. Dez. Das durch die Elefanten seinerzeit herbeigeführte Unglück scheint jetzt dort ein Nachspiel vor Gericht zu bekommen. Von verschiedenen Seiten werden, wie es heißt, Ansprüche auf Entschädigungen für die Beschävigunaen geltend gemacht. Das „Zentralkomite für die Hundertjahrsfeier" hat wegen der Entschädigungs-Forderungen bereits zwei geheime Sitzungen im Rathause abgehalten und seinerseits einstimmig allen und jeden Entschädigungsanspruch zuiückgewiesen. Sämtliche Herren waren der Ansicht, daß die Abteilung (Kausleute), welche die Elefanten dem Festzuge eingestellt hat, auch haftbar sei.
Zur A-geor-ueterrwahl.
Von Wählern m Stadt und Land aufgefordert, mich für die bevorstehende Abgeordnetenwahl zur Verfügung zu stellen, habe ich mich auf diese Frage eingelaffen, in erster Linie, weil mir von achtungswerten Männern, die mit den Verhältnissen vertraut sind, nahe gelegt wurde, daß durch meine Kandidatur ein Wahlkampf mit seinen, so verschiedene Verhältnisse und Beziehungen auf Jahre hinaus verbitternden Folgen am ehesten vermieden werden könne. Mit rückhaltsloser Offenheit habe ich die ohne all mein Zuthun an mich herangetretene Frage den Vertretern der Stadt zur Entscheidung vorgelegt, obwohl ich hiezu durch keinerlei Vorschrift oder Versprechen verpflichtet war, ich habe es gethan, weil mir an Erhaltung des Friedens in der Gemeinde alles gelegen ist. Ein irgend erheblicherer Widerspruch, wie er sich bei wichtigen Fragen sonst so leicht und in verschiedenen Formen geltend macht, hätte genügt, mir eine andere Entschließung nahe zu legen.
Nun, nachvem meine Kandidatur festgestellt ist, werde ich dieselbe nach Kräften vertreten, in dem Bewußtsein, daß ich dies den Männern schuldig bin, mit welchen ich in politischen und anderen das Wohl des Volkes berührenden Fragen einig gehe.
Meine politische Gesinnung ist vielen Wählern bekannt. Ich bin rückhaltsloser Anhänger des deutschen Reichs, bereit den weiteren Ausbau desselben zu fördern, soweit dies zu Hebung der Wohlfahrt des deutschen Volkes notwendig ist. Das Verhältnis unseres engeren Vaterlandes Württemberg zum deutschen Reiche ist durch die Bnndesverfaffung geordnet, hieran und an Erhaltung bewährter württembergischer Einrichtungen festzuhalten, ist nach meiner Ansicht unsere Pflicht und in -unserem Interesse. In andern politischen Fragen stehe ich auf gemäßigtem Standpunkt, in der Ueberzeugung,
daß dem Wohl des Volkes weder durch zu weit gehende staatliche Beaufsich' tigung und Zwang noch durch zu weit gehende Entwicklung vermeintlicher freiheitlicher Einrichtungen gedient ist. Ich halte es für verantwortungsvolle Pflicht eines jeden Volksvertreters, thunlichst die Kräfte des Volkes zu schonen, auf Beseitigung von Zuständen hinzuwirken, welche dasselbe bedrücken oder gesunder Entwicklung des Volkslebens im Wege stehen.
Von diesen allgemeinen Gesichtspunkten geleitet, nehme ich zu den gesetzgeberischen Fragen, welche derzeit in den Vordergrund gestellt sind, folgen, den Standpunkt ein: Bei Einführung des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs liegt es dringend im Interesse des Volks, daß die Kausbuchs-, Pfand- und Güterbuchsführung den Gemeinden wie seither erhalten bleibt, ebenso das Notariat in seiner seitherigen Gestaltung. Eine Ueberweisung dieser Geschäfte an die Gerichte wäre für die Beteiligten mit großen Kosten und Belästigungen verbunden.
Bei Revision unserer Verfassung erscheint es, in Bezug auf die Zusammensetzung der zweiten Kammer geboten, daß die Vorrechte der Geburt und des Amtes beseitigt werden. Das Verwaltungs-Edikt enthält bezüglich der Verwaltung und Beaufsichtigung der Gemeinden manche Bestimmungen, die nicht mehr zeitgemäß sind. Es ist eine Aenderung erforderlich im Sinne der Erweiterung der Selbstverwaltungsbefugniffe der Gemeinden und Beseitigung lästiger und kleinlicher Aufsichtsvorschriften. Nach Lage der württem- bergischen Landesgesetzgebung wäre Beseitigung lebenslänglicher Amtsdauer der Ortsvorsteher für die Ordnung in den Gemeinden ein großer Nachteil, dagegen erscheinen gesetzliche Bestimmungen notwendig, welche die Amtsenthebung erwiesenermaßen unbrauchbarer Ortsvorsteher erleichtern. Auf dem Wege höherer den Sätzen unserer Nachbarstaaten gleichkommender Besteuerung, ist der Überschwemmung des Landes insbesondere durch ausländische Hausierer vorzubeugen. Wenn, wie zu erwarten steht, die Einnahmen des württem- bergischen Staates aus indirekten Steuern nach Bestreitung der unabweis- lichen Ausgaben eine günstigere Finanzlage herbeiführen, so halte ich dafür, daß zunächst die drückendsten der direkten und indirekten Steuern zu beseitigen sind. Ich verstehe hierunter in erster Linie Befreiung der Arbeiter u. s. w. von der Steuer aus einem Einkommen bis zu 600 -16 Beseitigung oder Verminderung der Erbschaftssteuern bei Erbschaften in kleinerem Betrag. Ich halte es für ein Gebot der Gerechtigkeit, daß den Gemeinden behufs der Verminderung ihrer eigenen oft drückenden Umlagen von der Einkommenssteuer aus Kapitalien und Besoldungen ein größerer Anteil zugewiesen und um diesen die Abgabe an den Staat gekürzt wird.
Ich schließe mit der aufrichtigen Versicherung, daß ich, wenn mir das Vertrauen der Wähler ein Abgeordnetenmandat überträgt, dasselbe in voller Unabhängigkeit, die ich mir stets zu wahren wußte, zum Wohls des Volks zu erfüllen mich bestreben werde.
Calw, den 17. Dezember 1888.
Hermann Haffner,
Stadtschultheiß.
AanöwirtUekaMiHer AezirAsverein.
Am Freitag, den 21. Dez. (Thomasfeiertag), hält der landw. Bezirksverein im Lamm in Neubulach eins Generalversammlung, zu der die Mitglieder und insbesondere die Landwirthe der Umgegend hiemit aufs freundlichste eingeladen werden. Auf der Tagesordnung steht
1) der Rechenschaftsbericht und Feststellung des Etats,
2) ein Vortrag über Obstbau von Pomolog Fritzgärtner in Reutlingen,
3) ein Vortrag über Viehzucht von Oberamtsthierarzt Leytze.
4) derConsumverein und die künstlichen Dungmittel, empfohlen von H. Rau.
Die Verhandlungen beginnen um 1 Uhr.
Calw, den 14. Dec. 1888. Der Vereinsvorstand
Supper.
E. Horlacher, Sec.
erfüllt war, daß dieselbe alle diese Träume verbannt und ihr den Mut eingeflößt hatte, den Kampf mit der Armut auszunehmen.
„Wenn ich ein reicher Mann wäre und Dir eine Mitgift geben könnte," fuhr ihr Vater fort, „würde ich sagen: Heirate, wen Du willst, gleichviel, ob arm oder reich, wenn Du nur dem Zuge Deines Herzens folgst! Aber leider ist das nicht der Fall, und es sind vielerlei Rücksichten bezüglich Deiner Heirat zu bedenken. Halte mich nicht für selbstsüchtig, Natalie, — doch ich Habs mich bisher so sehr auf Dich verlassen — und ich verlasse mich auch weiter auf Dich allein."
„Ich Dich für selbstsüchtig halten, lieber Vater!" wiederholte sie stürmisch. „Wie könnte ich das? War ich nicht immer bemüht. Dein Vertranen zu rechtfertigen? war es nicht stets meine Freude, Dir beizustehen und Deine Lasten Dir tragen zu helfen?"
„Ja, und Du hast es auch gethan, — Du allein. Lionel war seit so vielen Jahren fort, daß er von meinen Verhältnissen und der Bedrängnis, in die ich geraten bin, Nichts weiß, und ich hatte gehofft, o, so sehr gehofft, ihm dieselben nie enthüllen zu müssen!"
Das junge Mädchen blickte etwas überrascht zu ihm auf. Sie wußte Nichts von Farquhar's Vorschlag, noch von den Träumen, die derselbe in ihrem Vater erweckt hatte.
„Wäre es denn möglich gewesen, ihm dieselben zu verschweigen, Papa?" sagte sie.
„Ja, es wäre möglich gewesen, wenn gewisse Bedingungen erfüllt worden wären. Ich kann Dir nicht sagen," fügte er leidenschaftlich hinzu, „wie namenlos ich mich davor fürchte, vor meinem Sohne gedemütigt zu werden, — lieber vor der ganzen Welt, als vor Lionel! Du kannst Dir nicht vorstellen, welche Qualen mir dieser Gedanke bereitet."
Sie drückte in stummer Teilnahme seine Hand, während ihre Augen sich mit Thränen füllten. Dann sagte sie leise:
„Aber ist es möglich, das abzuwenden, Papa?"
„Ja, es ist möglich."
„Wie?"
„Durch Deine Vermittlung!"
„Durch meine Vermittlung!" wiederholte sie im Tone höchsten Erstaunes. „Rede deutlicher! Du weißt, daß ich Alles thun würde, um Dir ein Leid zu ersparen."
„Meinst Du das wirklich, Natalie? Ist das Dein voller Ernst?"
„Gewiß; — wie kannst Du nur daran zweifeln?"
„Weil die Prüfung eine sehr harte ist."
„Je härter, desto besser!" rief sie voll Begeisterung aus. „Es wäre ja keine Prüfung, wenn sie nicht schwer wäre!"
Es enstand eine Pause, während welcher er sie fest anschaute; dann schüttelte er den Kopf.
„Ich weiß nicht, ob ich das Recht habe, ein solches Opfer von Dir zu verlangen," sagte er gepreßt.
„Du hast das Recht, jedwedes Opfer von mir zu verlangen, und sei überzeugt, daß ich nicht zögern werde, es zu bringen, wenn ich dadurch Deine und Lionel's Wohlfahrt sichern kann."
„Auch — auch, wenn Du Hugh Cleveland aufgeben müßtest?"
Sie wurde leichenblaß und der begeisterte Ausdruck schwand aus ihren Zügen. Es war dies eine Bedingung, an die sie keine Sekunde lang gedacht hatte.
„Hugh aufgeben?" stammelte sie, die Hände in einander verschlingend. „Daran habe ich nicht gedacht. Wie können meine Beziehungen zu ihm in Bettacht kommen?" (Fortsetzung folgt.)