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68. Jahrgang

Amts- um! Intekkigenzbkatt für äen Kezirk

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

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Dienstag, äen 18. Dezember 1888.

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KoMiscHe Worchvichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 15. Dez. Der Kaiser, der gestern abend von der Jagd in der Göhrde hierher zurückkehrte, wird morgen mittag der ihm von mehre­ren hundert Trompetern dargebrachten Huldigung im Opernhause beiwohnen. Der Kaiser befindet sich nach glaubwürdigen Mitteilungen im erwünschtesten Wohlsein, die letzte Erkältungskrankheit ist vollständig gehoben. Wie es heißt, wird der Kaiser in der nächsten Zeit ohne Unterbrechung bis zum Frühjahr in Berlin wohnen. Fürstenbesuchen sieht man in den nächsten Monaten nicht entgegen.

Berlin, 14. Dez. Der Reichstag nahm den Antrag Windthorst gegen den Negerhandel und die Sklaverei in Ostafrika mit allen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Freisinnigen (ausgenommen Gold­schmidt) an. Staatssekretär v. Bismarck hält die Niederwerfung des Skla­venhandels im Interesse der Kultur und des Handels für eine Notwendigkeit, er betont, daß das freundliche Entgegenkommen Englands anerkannt werde und erklärt, es werde nötig sein, an Kolonialtruppen zu denken, um dis Ma­rine zu entlasten, worüber indessen weiteres vorzubehalten sei. Der Redner erhofft weitere freundliche Unterstützung des Reichstags und beziffert die Höhe der Kolonialtruppen auf je 100 für 3 -4 Punkte und 500 Reserve.

Vom Reichstag wurde der Entwurf der Alters- und Invalidenversicherung nach langer, mehrtägiger Debatte einer be­sonderen Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen. An Angriffen auf den Entwurf hat es bekanntlich nicht gefehlt und von keiner Partei ist auch ge­leugnet worden, daß nicht alles richtig an der Sache sei. Zu hoffen ist, daß das was Gutes vorgeschlagen wurde, seine Anwendung finde. Zu dem Pen­sum, das der Reichstag in der abgelaufenen Woche noch erledigte, gehören die Lesungen über die Vorlagen betreffend em Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm, die Nationalität der Kauffahrteischiffe, den Zusatzantrag zum deutsch- schweizerischen Handelsvertrag; auch der bekannte Antrag auf Einführung öes Befähigungsnachweises für die Handwerker hat die Reichstagsmitglieder wiederum beschäftigt. Von hervorragender Wichtigkeit ist die erste Lesung des Genossenschaftsgesetzes, in die am Donnerstag eingetreten wurde und die ebenfalls mit Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission von 28 Mit­gliedern endigte. An Bedeutung steht diesem Beratungsstoff die am Freitag zur Verhandlung gebrachte Sklavereifrage nicht nach, bei der jedenfalls die Wendung, welche das Reich den ostafrikanischen Angelegenheiten zu geben beabsichtigt, im Vordergrunds steht.

Zur Lage in Ostafrika wird derVoss. Ztg." aus London telegraphiert: Nach einem Berichte derTimes" aus Zanzibar sind in Kilwa und Lindi große Streitkräfte Eingeborener gegen die Deutschen geschaart. In den Straßen von Zanzibar finden beständig Ruhestörungen infolge des

Benehmens der unbeschäftigten deutschen Angestellten statt. Der General­direktor der deutschen Plantagengesellschaft ist infolge eines Telegramms von Berlin plötzlich dahin abgereist.

Belgien.

Haag, 10. Dez, Gestern nacht fanden hier ernste sozialistische Tu­multe statt. 600 Sozialisten überfielen das katholische Vereinshaus, in dem Pfarrer Brouwen einen Vortrag hielt, mißhandelten die versammelten Zuhö­rer, trieben Spott mit der Büste des Papstes, zertrümmerten alle Tische und Bänke und schlugen die Fensterscheiben ein. Die herbeigeeilte Polizei mußte mit Säbeln auf die wütenden Sozialisten einhauen. Zahlreiche Personen wurden verhaftet. Die Polizei nahm viele Verhaftungen vor.

Brüssel, 11. Dez. Im Borinage hat die Streikbewegung seit gestern neue Ausdehnung erfahren; es haben dort jetzt gegen 7000 Ar­beiter die Arbeit eingestellt. Große Aufregung herrscht in Frameries wegen der Verhaftung des hochangesehenen Maroille, der in seinen Reden stets von Gewaltmitteln abgeraten hatte. Geheim-Meetings sind auf der Tagesord­nung; auf einem gestern in Frameries abgehaltenen wurde von einem Marsch gegen die Hauptstadt gesprochen. Die Arbeiter verlangen nicht bloß Lohn­erhöhung, sondern setzen die Forderung politischer Rechte obenan.

Hcrges-Weuigkeiten.

Herrenberg, 13. Dez. Die Kunde, von dem Eisenbahnsegen, den der vielgenannte Hr. v. Jaffa nach Württemberg bringen soll, hat auch hier freudige Aufnahme gefunden, weil unter seinen Projekten eine Trambahn von Tübingen hieher genannt wird. Würde die Bahn von hier über Ehningen, Aidlingen nach Schafhausen fortgesetzt, dann wäre eine Verbindung der Parallelbahnen Horb-Calw, Böblingen-Plochingen hergestellt und damit einem längst gefühlten Bedürfnis entsprochen. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß für den Verkehr der Linie Sigmaringen-Tübingen nach Nordwesten die Umwege über Horb oder Plochingen zu groß sind, weshalb auch von der Regierung diese Verbindungsbahn schon früher ins Auge gefaßt wurde. Ist doch der hiesige Bahnhof mit Rücksicht auf eine Tübinger Linie angelegt und bei der Grunderwerbung Raum für eine Abzweigung gewonnen worden. Auch bei der Entwerfung des Stadtbauplans mußte einer solchen Seitenbahn Rech­nung getragen werden. Würde diese Linie dem Personenverkehr zwischen Tübingen und Stuttgart auch nicht viel weiteres bringen, als, weil näher, eine Ermäßigung der Fahrtaxe, so wäre sie doch für den Güterverkehr von der größten Wichtigkeit. Auch den Lokalverkehr durch das fruchtbare Am­merthal mit seiner zahlreichen Bevölkerung müßte die Bahn zu einer renta- beln und volkswirtschaftlich nützlichen machen, die vielen Wasserkräfte könnten dann ganz anders ausgenützt werden. Tsrrainschwierigkeiten gebe es viel

Jeuilleton. «--»»ru-

Verschlungene Jaden.

Roman aus dem Englischen von Hermine Frankenste in.

(Fortsetzung.)

Das hat er keine Minute gedacht," rief Natalie aus.Arm mag er sein, aber nicht niedrig denkend.

Mr. Egerton lächelte matt. Er hatte die Menschen so weit kennen gelernt, daß er weniger vertrauensselig war, als seine Tochter.

Wir wollen über diesen Punkt nicht streiten," sagte er,die Sache ist been­digt und von keinerlei Belang."

Nein, die Sache ist nicht beendet, Papa," versetzte Natalie mit ruhiger Ueber- legung.Du vergißt, daß ich kein Kind mehr bin, sondern ein herangewachssnes Mädchen mit dem Herzen, den Gefühlen und der Entschlossenheit des gereiften Weibes. Ich liebe Hugh Cleveland und werde ihn nicht au fgeben!"

Ihr Vater zuckte bei der ruhigen Entschlossenheit ihres Tones rasch zusammen. Bisher hatte er sie in Allem gefügig gefunden. Die Ueberraschung, daß das Gegen­teil der Fall sein konnte, erschreckte ihn.

Meinst Du etwa, Natalie, daß Du Dich meiner Gewalt widersetzen willst?"

Ich möchte es nicht so nennen, Papa; aber ich habe in diesem Punkt starke Grundsätze und werde unbeirrt nach denselben handeln," erwiederte sie sanft.Die Ehe ist für mich etwas so Heiliges, daß Niemand, selbst mein Vater nicht, das Recht hat, sich einzumengen, denn sie betrifft zwei Menschen ganz allein, die, wie Hugh und ich einander lieben!"

Aber, mein Kind, bedenke, welche Zukunft Deiner wartet an der Seite eines armen Künstlers, der für sein Brod arbeiten muß."

Ich habe das Alles bedacht. Es wird ohne Zweifel Schwierigkeiten geben und im Anfang werden wir kämpfen müssen, um oieseiben zu besiegen. Aber es wird gelingen und schließlich wird Hugh's Kunst ihn eines Tages reich werden lassen."

Eines Tages, ja, wenn Deine Augen trübe und Deine Haare grau sein werden! Ach, Natalie, der Reichtum schwindet viel rascher, als er gesammelt wird," sagte Mr. Egerton ächzend.Ich habe Leute gekannt, die den Kampf mit der Armut voll Mut ausgenommen haben; aber binnen Kurzem waren sie niedergedrückt von der Sorge, und die Kraft war dumpfer, mutloser Verzweiflung gewichen. Der Himmel beschütze Dich vor solch einem Geschick!"

Die Zärtlichkeit in seinem Tone hatte eine mächtigere Wirkung auf sie, als seine frühere Entschiedenheit; im nächsten Augenblick war sie neben ihm auf die Knie gesunken und drückte seine Hand an ihre Lippen.

Laß Nichts zwischen uns kommen, Papa," rief sie in patetischem Tone aus, wir haben einander immer so sehr geliebt und sind uns stets so viel gewesen, daß ich auch den leisesten Schatten zwischen uns nicht ertragen könnte!"

Auch ich nicht, meine Natalie, aber Du weißt, welch glänzende Pläne ich für Deine Zukunft entworfen habe. Du bist so schön, und ich habe immer gewünscht, daß Du in der großen Welt, welche zu schmücken Du wie geschaffen bist, glänzen soll­test. Ich habe mir es so herrlich ausgemalt, daß der verblichene Glanz unseres Hauses in Dir und Deinen einstigen Kindern neu aufleben sollte."

Natalie schwieg einige Minuten. Farquhar hatte nicht Unrecht gehabt, als er sie als ehrgeizig bezeichnet hatte. Ihre Mädchenträume waren stets voller glänzen­der Zukunftsbilder gewesen, in welchen durch sie dem Verfall der Egertons Einhalt geboten werden sollte, und es zeugte von der Mächtigkeit der Liebe, von welcher sie