63. Jahrgang.
Nro. 144.
Amts- unä IrüekkigenMatt für äen Oezirkr.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 Ls.
Donnerstag, äen 6. Dezember 1888.
Abonnementspreis halbjährlich 1 „4L 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 ^ 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 „ 4 L 70
AnrMcHe Wekanntmachungen.
Die Krtsvorjteher
werden unter Hinweisung auf § 118—120 der Ministeralverfügung vom 9. November 1883 (Rsg.-Bl. S. 234) aufgefordert, die vorgeschriebenen Verzeichnisse über die in Fabriken und denselben gleichstehenden Anlagen beschäftigten jugendlichen Arbeiter bis 20. d. M. hiehör vorzulegen, bezw. Fehlanzeige zu erstatten.
Calw, den 4. Dezbr. 1888. K. Oberamt.
Supper.
Die Hrtsvorjteher
werden unter Bezugnahme auf Z. 2 und 3 des Ministerialerlasses vom 29. Dezember 1886, betreffend die Führung von Fleischschauregistern (Minister.« A.Bl. von 1886, S. 45), daran erinnert, daß auf den 31. Dezember jeden Jahres die Fleischschauregister den Schultheißenämtern zur Prüfung und von diesen dem Oberamt spätestens bis 20. Januar vorzulegen sind.
Calw, den 4. D?zbr. 1888. K. Oberamt.
Supper.
An die Gemeinde- und Stistungsöehörden.
Die allgemeine Rentenanstalr in Stuttgart, bei welcher auf grund des mit ihr am 14. Februar 1860 abgeschlossenen Vertrags ein großer Theil der Baulastenabfindungskapitalien der Gemeinden und Stiftungen angelegt ist, hat unter Berufung auf das Sinken des Zinsfußes die Erklärung abgegeben, daß sie nur dann in der Lage sei, das durch den Vertrag vom 14. Februar 1860 begründete Verhältniß fortzusetzen, wenn vom 31. März 1889 ab eine Herabsetzung des vertragsmäßigen Zinsfußes für die Einlagen der Gemeinden und Stiftungen auf 3r/z o/g eintrete. Die betheiligten Gemeinde- uno Stiftungsbehörden werden aufgefordert, längstens bis 1. Januar 1889 sich darüber zu äußern, ob sie bereit sind, das bisherige Verhältniß mit der Rentenanstalt ihrerseits bei Herabsetzung des Zinsfußes auf 3'/§ o/g vom 31. März 1889 ab fortzusetzsn, oder ob sie die Lösung des Verhältnisses mit der Rentenanstalt für ihre Anlage vorziehen.
Calw, den 4. Dezbr. 1888. K. Oberamt.
Supper.
Amtliche Bekanntmachung,
betreffend Grtösctzen der Schcrfräuöe.
Unter der 373 Stück zählenden Heerde des Schäfers Carl Graf in Ostelsheim ist die Schafräude als erloschen zu betrachten.
Calw, 3. Dezember 1888. K. Oberamt.
Amtmann Bertfch.
AoLitrfche Wachrichtsn.
Berlin, 3. Dez. Der Kaiser erledigte am Samstag nachm. Regierungangelegenheiten und empfing darauf die Kommanoeure der Leibregimenter, Leibschwadronen, Leibkompagnien und Leibbatterien zur Entgegennahme der Monatsrapporte. Am Samstag vorm, arbeitete der Kaiser längere Zeit allein und empfing mittags den Grafen Waldersee, der auch zur Tafel gezogen wurde. Heute vorm, nahm der Kaiser den Vortrag des Vorstands des Zivilkabinets entgegen und erteilte dem aus Oberelsaß an- gekommenen Bezirkspräsidenten v. Jordan eine längere Audienz. Nächstdem hatte der Kriegsminister die Ehre des Empfanges. Das Befinden des Kaisers ist durchaus zufriedenstellend. Der leichte ErkältungSzustand ist nunmehr vollständig gehoben und nach kurzer Schonung wird der Kaiser die Ausfahrten wieder beginnen, wahrscheinlich auch noch an einigen Jagden teilnehmen können.
Berlin, 4. Dez. (Reichstag.) Heeresetat. Aus Antrag Richter's erklärt der Kriegs minister, die bedeutende Ueberlegenheit des Auslandes in Bezug auf die Artillerie habe in der Verwaltung allerdings die Frage angeregt, inwieweit diese Ueberlegenheit bei uns auszugleichen sei. Ob aber, wenn eine solche stattfinde, 40 oder 50 Millionen hierzu erforderlich seien, dazu fehle es an jeder thatsächlichen Unterlage. Zwischen dem Kriegsminister und den Abgeordneten Nickert, Richter und Mndthorst entspmnt sich eine längere Debatte über die Thätigkeit der Kriegervereine, welche vielfach politische Angelegenheiten nicht ausschließe. Der Kriegsminister erklärt, es sei nicht seine Sache, die Thätigkeit der Kriege, vereine zu überwachen; er lehne es ab, festzustellen, ob die vvrgebrachten Beschwerden wahr seien.
(Vom Reichstag.) In der nationalliberalen Fraktion des Reichstags ist einmütig der Wunsch vorhanden, zum baldmöglichen gesetzlichen Aufbau in der Frage der Altersversorgung zu gelangen, und schon hat der eigentlichen Fraktionsberatung voraus in 3 mehrstündigen Sitzungen eine
Feuilleton. Nachdruck «°rb°.-n.
Werschkungene Iädett.
Roman aus dem Englischen von Herminc Franken st ein.
(Fortsetzung.)
4. Kapitel.
Als Natalie Egerton, nachdem sie sich von Hugh Cleveland verabschiedet hatte, nach Hause ging, erschien ihr die ganze Welt wie verwandelt. Nie zuvor hatte ihr die Sonne so hell geleuchtet, war ihr der Himmel so blau und die Luft von solchen Wohlgerüchen erfüllt gewesen. Ein Zauber lag für sie plötzlich über Allem.
Sie gab sich keine Rechenschaft darüber, daß die Verwandlung eigentlich in ihr selbst vorgegangen sei, daß ein neues Element in ihr Leben getreten war und ihr ganzes Denken beeinflußte. Sie war traurig gewesen, als sie an diesem Morgen ausgegangen war, über die Drangsale und Schwierigkeiten, in welche sich ihr Vater verwickelt hatte, nachsinnend; und jetzt schien sogar die Erinnerung an alles Das entschwunden zu sein, und Sie war sich nur Eins bewußt, daß sie jung war und daß ihre Jugend von der Krone alles Erdenseins, der Liebe, verklärt ward.
Cleveland hatte eigentlich gewünscht, sie zu begleiten und ihren Vater unver- weilt von seiner Werbung zu verständigen, aber das junge Mädchen hatte sich diesem Vorhaben wiedersetzt, wohl wissend, daß Mr. Egerton nicht in der Stimmung sein konnte, den Bitten eines Verliebten Gehör zu schenken, so lang Mr. Farquhar, — der Mann, welchem die Egerton-Güter verpfändet waren, — nicht wieder abgereist war.
Cleveland hatte nur mit Widerstreben die Klugheit ihrer Entscheidung anerkannt und hatte versprochen, Mr. Egerton erst dann die Wahrheit zu sagen, wenn Natalie es an der Zeit hielt.
Als das junge Mädchen das Herrenhaus wieder betrat, wurde ihr gesagt, daß ein fremder Herr gekommen sei, mit welchem ihr Vater sich eingeschlossen habe
und daß er nicht gestört zu werden wünschte. Sie ging daher sogleich auf ihr Zimmer, wo sie sich glückseligen Träumereien überließ, bis die Zeit da war, sich zur Tafel anzukleiden. Des Gastes halber verwendete sie etwas mehr Sorgfalt als gewöhnlich auf ihre Toilette, und wurde für ihre Mühe insofern belohnt, als sie schöner denn je aussah. Das schwarze Seidenkleid, das sie trug, sah freilich beim Tageslicht schon ziemlich abgenützt aus, aber die Spitzen, mit denen es besetzt war, waren echt und hoben die unvergleichliche Weiße und Schönheit ihres Halses erst recht hervor, während die dunkelroten Geranien an ihrer Brust und in ihren prächtigen Haaren die sonstige Einförmigkeit der Toilette angenehm unterbrachen. Sie selbst aber war so schön in dem verklärenden Schimmer ihres jungen Glückes, daß ein unsagbarer Reiz von ihr auszuströmen schien, als sie den Salon betrat.
Sie fand ihren Vater bereits daselbst im Gespräch mit einem hochgewachsenen Mann von etwa dreißig Jahren in tadelloser Toilette, der sich bei ihrem Eintritt umwandte und sie verwundert betrachtete.
„Mein liebes Kind," sagte Mr. Egerton etwas verlegen, „erlaube mir, Dir Mr. Farquhar vorzustellen. Meine Tochter, Miß Egerton!"
Der Fremde verneigte sich, äußerte einige verbindliche Worte und bot ihr dann seinen Arm, um sie zur Tafel zu führen, da in diesem Augenblick die Tischqlocke läutete.
Man hätte Mr. Farquhar als einen schönen Mann bezeichnen können, wenn nicht seine hellgrauen Äugen und seine schmalen, nach innen eingszogenen Lippen einen kalten, harten und rücksichtslosen Charakter verraten hätten. Es war leicht zu sehen, daß er von Geburt kein Gentleman war, obwohl er in den letzten Jahren viele Reisen gemacht und einen großen Teil von der Welt gesehen hatte, wodurch er sich auch, da. er ungemein intelligent war, die feineren Umgangsformen angeeignet hatte.
Er verstand es, recht angenehm zu plaudern, und es war klar, daß er sich an diesem Abend sehr viele Mühe gab, Natalie zu gefallen, die ihrerseits auch gegen den Gläubiger ihres Vaters höchst artig und zuvorkommend war.