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63. Jahrgang.
Mo. 140.
Amts- um! InlelligenMatt für äen Bezirk.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äs« 2?. November 1888.
Abonnementspreis halbjährlich 1 ^ 80 burch die Post bezogen im Bezirk 2 -L 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 ^ 70 A.
ZUM AöonnemenL
auf das „Calwer Wochenblatt" für den Monat Dezember ladet freund' lichst ein
die Redaktion.
Amtliche ZLekanntmachung,
Marktverbot.
Infolge des Auftretens der Maul» und Klauenseuche im Bezirk Pforzheim ist nach einer Mitteilung des großh. Bezirksamts daselbst die Abhaltung von Vieh- und Schweinemärkten bis auf weiteres verboten. —
Der am 3. Dez. ü. I. fällige Rindviehmarkt in Pforzheim und die! wöchentlichen Schweinemärkte daselbst fallen daher aus. — Der am gleichen ' Tag stattfindende Pferdemarkt wird von dem Verbot nicht berührt. — Calw, dm 26. Nov. 1888. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Komische Wachrrichten.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 21. Nov. Die Kammer der Abgeordneten begann heute mit der Beratung des Krankenversicherungsgefetzes und wird nach kurzer Depatte. in die Cinzelberatung eingetreten. In der Fortsetzung der' Beratung am Donnerstag, brachte bei Art. 4 Frhr. v. Wöllwarth einen Antrag ein, wonach dem Interessenten eine Mitwirkung bei der Verwaltung der Krankenpfiegeversicherung eingeräumt werden soll. Dieser Antrag fand die allgemeine Zustimmung des Hauses; auch der Minister v. Schmid erklärte sich mit demselben einverstanden. In seinen Ausführungen brauchte Frhr. v. Wöllwarth den Ausdruck, daß die Orts vor steh er der sozialen Gesetzgebung feindselig gegenüberstehen, was den Widerspruch Haugs her- vorrtef, während Frhr. v. Varnbüler meinte, daß die Ortsvorsteher nicht alle Engel seien. Er sei sogar der Ansicht, daß manche Gemeinde mit ihrem lebenslänglichen Octsvorsteher gestraft sei. (Heiterkeit.) Minister v. Schmid nahm zur Frage der Ortsvorsteher das Wort, um zu konstatieren, daß dieselben eine Säule der württembergischen Kommunalverfafsung seien. Wir haben alle Ursache, mit ihren Leistungen zufrieden zu sein; das wolle
er nur vor dem ganzen Lande konstatieren. (Beifall.) Art. 4 wurde mit dem Anträge v. Wöllwarth angenommen.
Berlin, 23. Nov. Reichstag. Präsident v. Lsvetzow hielt bei der Uebernahme des Präsidentenpostens folgende Ansprache: „Meine Herren! Sie wollen es also mit mir als Präsident noch einmal versuchen, was mich mit aufrichtiger Dankbarkeit erfüllt, weil ich glaube, darin ein Zeichen erblicken zu können für erhaltenes altes und für neu bewiesenes Vertrauen. Ich bin nach wie vor bereit, dem Reichstag mit meinen schwachen Kräften zu dienen und nehme die Wahl an. (Beifall.) Ich besorge, Sie werden alsbald bemerken, daß ich in den abgelaufenen 4 Jahren nichts gelernt und viel vergessen habe , denn nichts vergißt sich so leicht wie die Geschäftsführung. Aber das habe ich nicht vergessen, daß der Präsident des Reichstags weder rechts noch links sehen und gehen darf, sondern immer geradeaus. Der Präsident ist berufen, des Hauses Satzungen und Gerechtsame zu wahren, die Arbeiten zu fördern, jedem Mitglied gleiche freudige und dienstbereite Gesinnung entgegenzutragen. Ich verspreche, daß ich dessen beständig eingedenk sein will. Indem ich meinen Dank wiederhole, bitte ich Sie herzlich, Ihre Nachsicht uns Geduld, sowie die Unterstützung, welche ich ganz besonders mir von Ihnen erbitten muß, mir iw-Weinem Amte zu bewahren."
England.
London, 23. Nov. Die meisten Morgenblätter besprechen die deutsche Thronrede, drücken ihre lebhafte Befriedigung über den freundlichen Hinweis auf England aus, und heben den friedlichen Ton der Kaiserworte hervor. Der „Standard" sagt: Niemals vorher sei Europa so klar und kategorisch versichert worden, daß der einzige Zweck des Dreibundes die Abwendung des Krieges sei. Nach dieser Versicherung von so erhabener Stelle müsse das Publikum sich jeden Zweifels oder Argwohns, den es etwa bisher hierüber gehegt, entschlagen. Die Bemerkung des Kaisers, daß die Beziehungen Deutschlands zu allen fremden Mächten gegenwärtig als friedliche erscheinen, sei, gepaart mit den übrigen Kaiserworten, von nicht geringer Bedeutung.
Inr König-Karl-Ittbilättinsstiftung.
Die Gesetzmäßigkeit- der Beschlüsse der Amtsversammlungen über Zuwendung von Spenden für die König-Karl-Jubiläumsstiftung hat in einzelnen öffentlichen Blättern bekanntlich Beanstandung erfahren. Ein Artikel in der Nr. 276 des N. Tagblatts zerstreut diese Bedenken. Bis Ende des vorigen Jahrhunderts, schreibt der Verfasser desselben, hat bei Vermählungen von Prinzen rc. des Hauses Württemberg die Landschaft im Namen des Landes
IcLUlllklllll. Nachdruck v«rb°t-n.
Aerschtungene Jaden.
Roman aus dem Englischen von Hermine Franken st ein.
Kings Dene war eine der ältesten Besitzungen in der Grafsch aft —shire, und die Familie Egerton, welcher dieselbe zu eigen war, konnte ihren Stammbaum bis in ferne, längst entschwundene Jahrhunderte zurückführen. .
In dem Augenblick, da unsere Geschichte beginnt, war die Familie Egerton nur durch drei Personen vertreten: Anthony Egerton, den gegenwärtigen Herrn in Kings Dene, und seine beiden Kinder, Natalie und Lionel.
Der Letztere weilte fem vom Vaterhause bei seinem Regiment, und es war gerade heute ein Brief von ihm angelangt, den seine um fünf Jahre jüngere Schwester jetzt ihrem Vater vorlas, während sie in Mr. Egerton's Studierzimmer mit ihm beisammen saß.
„Wird es nicht herrlich sein, ihn wieder zu Hause zu haben!" rief sie voll Entzücken aus, neben dem Stuhle ihres Vaters auf einen Schemel niederkniend und in sein schönes, aristokratisches Gesicht emporschauend, das jedoch einen Ausdruck großer Charakterschwäche hatte. „Ich möchte wissen, ob er sich in den vier Jahren seiner Abwesenheit sehr verändert hat."
„Dich wird er jedenfalls sehr verändert finden," versetzte Mr. Egerton. „Als er fortging, warst Du ein zartes, halbwüchsiges Kind, und jetzt bist Du ein vollkommen herangewachsenes junges Mädchen."
»Ja," sagte sie seufzend, „und all die Verantwortlichkeiten einer solchen lasten auf mir. Es erscheint mir, als wären Jahrzehnt« vergangen und nicht nur vier Jahre, seitdem er uns verlassen hat!"
„Und während dieser Zeit sind wir immer mehr und mehr herabgekommen! Ach, wie ich dieses ewigen Kampfes, mich nach außen behaupten zu können und nicht noch tiefer ins Elend zu geraten, müde bin!" rief Mr. Egerton aus.
Mit einer Geberde unvergleichlicher Zärtlichkeit, in welcher sich hingebende,
kindliche Liebe mit mütterlicher Sorgfalt vereinigte, zog das Mädchen seinen weißhaarigen Kopf zu sich herab und küßte ihn auf die Stirn.
„Es ist hart, Vater, aber wir müssen auf bessere Zeiten in der Zukunft warten."
Er schüttelte traurig den Kopf.
„Nein, Natalie, ich glaube, für mich ist es mit aller Hoffnung vorbei; ich hegte sie, so lange ich nur konnte, aber sie hat mich immer getäuscht. Der Himmel weiß, was aus uns werden soll!"
Natalie schaute in dem Zimmer umher, als wollte sie Trost aus dem Anblick der vertrauten Gegenstände schöpfen; aber sie erblickte leider nichts Anderes, als die Spuren des materiellen Verfalls, des Verarmens, das für Jene, die im Ueberfluß geboren wurden, am schwersten zu ertragen ist.
Natalie war von ungewöhnlich hohem, schlankem und doch kraftvollem Wuchs und besaß eine vornehme Würde in ihrer Haltung, die sie älter erscheinen ließ, als sie es thatsächlich war. Ihr Teint war brünett, aber von ungewöhnlicher Durchsichtigkeit und Frische, während die großen, blitzenden, von langen Wimpern beschatteten Augen von derselben schönen, braunen Farbe waren, wie die Haare, die in reichen Flechten den Kopf umgaben.
„Was wird Lionel sagen, wenn er die Wahrheit erfährt, die ich bisher nur Dir allein anvertraute, — die schreckliche Wahrheit, daß die Besitzung im vollen Umfang ihres Wertes verschuldet und verpfändet ist?" fuhr Mr. Egerton in klagendem Tone fort.
Natalie antwortete Nichts. Dieselbe Frage hatte sich ihr in der letzten Zeit oft genug ausgedrängt, ohne daß sie eine Lösung dafür hatte finden können.
Auch sie hätte ihm um jeden Preis die Demütigung des Geständnisses gern erspart, daß durch seine unklugen Spekulationen, in die er sich freilich nur in der Absicht einließ, um seine zerütteten Vermögensverhältnifse ordnen zu können, er sich in eine Lage gebracht hatte, aus der er nur durch das Opfer des Erb- und Geburtsrechtes seines Sohnes befreit werden konnte.
„Was hat Dir diese Sache heute wieder so sehr in den Sinn gebracht?" fragte Natalie plötzlich.
Der alt« Mann sah sie tiefen Blickes an.