562
irgendwelcher Personen aus der Umgebung des Staatsoberhaupts herbeizuführen, weder eingereicht noch in Aussicht gestellt; sie haben jene Entfernung auch nicht ohne ein gleichzeitiges Entlassungsgesuch verlangt. Sie haben nach einer unter dem Vorsitz Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm, der mit der Stellvertretung Seiner Königlichen Majestät betraut ist, stattgehabten Beratung in einem Anbringen vom 24./25. Oktober d. I. zur Kenntnis des Königs gebracht, daß zur Beschlagnahme des bekannten Artikels der Münchener Neuesten Nachrichten sofortige Einleitung getroffen worden sei und um Eröffnung der höchsten Willensmeinung Seiner Königlichen Majestät darüber gebeten, ob das gegen zwei Personen, welche der Verbreitung des Blatts beschuldigt waren, eingeleitete Verfahren wegen Majestätsbeleidigung im Sinne des § 95 des Strafgesetzbuchs seinen Fortgang nehmen soll oder ob Höchstdieselben die Niederschlagung dieses Verfahrens befehlen wollen. Hinsichtlich des etwaigen strafrechtlichen Vorgehens gegen das Blatt in München wegen Beleidigung eines Bundesfürsten im Sinne des § 99 des Strafgesetzbuches, wozu die Ermächtigung des betreffenden Bundessürsten erforderlich ist, war besonderer Antrag Vorbehalten. Das gleichzeitig Seiner Königlichen Majestät vorgelegte Protokoll über die Sitzung des Staatsministeriums enthält am Schluß folgende Stelle: „Weiterhin ergab sich bei der Erörterung der Sachlage auch das Einverständnis aller Anwesenden darüber, daß diese Vorgänge vielfach ein erhebliches Aufsehen erregt haben und daß die Besorgnis nahe liege, es könnte hieraus im Falle fortdauernder aufregender Preß- kundgebungen eine Beunruhigung selbst in weiteren Kreisen des Landes entstehen. Man erachte es für eine Gewiffenspflicht, Seine Majestät den König hievon ehrfurchtSvollst in Kenntnis zu setzen." In dem hierauf ergangenen Königlichen Dekret vom 29. Oktober ist dem Staatsministerium „für die bei diesem Anlaß kunvgegebenen guten Absichten und treuen Gesinnungen" der gnädigste Dank des Königs ausgesprochen.
Am 31. Oktober erhielt der am 26. Oktober von Stuttgart nach Berlin und Hamburg abgereiste Ministerpräsident, der zugleich Minister des Königlichen Hauses ist, ein Telegramm Seiner Königlichen Majestät, wonach Höchstdieselben seine Anwesenheit in Nizza wünschten. Vor seiner Abreise nach Nizza wurde im Staatsministerium festgestellt, daß ein Anlaß, die bisherige Haltung des Ministeriums zu ändern nicht vorliege. Der Minister traf die mehrgenannten Herrn nicht mehr in Nizza; während seines Dortseins traf die Nachricht ein, daß sie aus der Umgebung des Königs sich zurückzuziehen entschlossen seien. Neuestens haben Seine Majestät der König zu befehlen geruht, daß von einem ferneren strafrechtlichen Vorgehen wegen des Vorgekommenen Umgang genommen werde in der Erwartung, daß nach vorstehender Darlegung der Sachlage eine ruhige und unbefangene Beurteilung derselben Seitens der Gutgesinnten Platz greifen werde.
Stuttgart, 13. Nov. Gestern abend zwischen 5 und 6 Uhr wurden an einem Hause der Marktstraße ein Schaukasten samt dem Inhalt, bestehend in mehreren neuen Taschenuhren, gestohlen. Derselbe wurde im Zwinger erbrochen und seines Inhalts beraubt, später wieder vorgefunden. Der Thäter wurde in der Person eines 17 Jahre alten zugereisten Bäckers aus Heidelberg ermittelt uud festgenommen. Charakteristisch ist die Raffiniertheit des Diebes, welcher bei seiner Verfolgung durch einen Fahnder und dem Rufen des hinter ihm herspringenden Publikums „hebt ihn! hebt ihn!" voraussprang und ebenfalls mit lauter Stimme rief „hebt ihn! hebt ihn," sodann umkehrte und dem Fahnder ruhig entgegenlief, als ob die ganze Sache ihn nichts anginge, um den Fahnder zu täuschen. Derselbe wurde aber von dem betreffenden Fahnder erkannt und festgenommen. — In einer Wirtschaft der Guttenbergstraße hat gestern abend zwischen jungen Leuten eine Schlägerei stattgefunden, wobei drei der Beteiligten durch Messerstiche und Schläge mittelst eines Hausschlüssels verletzt wurden, wovon einer derselben bedeutend.
Aus dem Oberamt Hall, 11. Nov. Auf dem Bahnhof Großaltdorf kam vor Monatsfrist Christian Drechsler von Jlshofen, als er in einen im Gang befindlichen Personenzug einsteigen wollte, unter die Räder, es wurde ihm ein Fuß abgefahren, der andere gequetscht. In das Diakonifsen- haus nach Hall verbracht, ist er heute früh daselbst gestorben.
Hünfeld, 11. Nov. Der Brandstifter, welcher so namenloses Elend über unseren Ort gebracht hat, dürste in der Person des hiesigen berittenen Gendarmen St einm an n entdeckt sein. Der Brandstiftung dringend verdächtig sollte er heute nachmittag auf seinem Zimmer verhaftet werden, fand aber noch Zeit, sich der irdischen Gerechtigkeit dadurch zu entziehen, daß er sich eine Kugel durch den Kopf schoß und den Geist sofort aufgab.
Breslau, 11. Nov. Der Kaiser trifft am Donnerstag abend um 6 Uhr hier ein. Er hat Mitteilen lassen, daß er nur die zur Stunde seiner Ankunft geplante festliche Erleuchtung Breslaus als Huldigung annehmen, alle sonstigen von Breslau und anderen schlesischen Städten, Körperschaften und Vereinen angebotenen Festlichkeiten aber ablehne, da er sich lediglich auf einem Jagdausfluge befinde.
Berlin, 6. Nov. Auf polizeilichen Befehl, ohne Richterspruch, ist am Samstag in der Mittagsstunde auf offener Straße in Berlin ein Raubmörder erschossen worden! Das klingt ordentlich graulich, zumal, wenn man noch hinzufügen muß, daß ein zahlreiches Publikum der Exekution voller Spannung beiwohnte und in lauten Jubel ausbrach, als der gefürchtete Mörder, vom tödlichen Blei getroffen, sein Leben aushauchte. Und doch ist es buchstäblich war, nur muß bemerkt werden, daß der Raubmörder kein Mensch, sondern ein Vogel war, der den ganzen Südwest von Berlin seit längerer Zeit unsicher machte. Ein großer Turmfalke hatte seinen Standplatz auf der Jerusalemer Kirche erwählt und von dort aus alltäglich seine Raubzüge ausgesührt. Die Taubenzüchter der ganzen Gegend waren schier in Verzweiflung, kein Ausflug ihrer Lieblinge war mehr sicher, oft kamen von 30—40 Stück nur einige wenige in die heimatliche Stätte zurück, die anderen waren zersprengt und hatten in der Angst vor dem schlimmen Feinde sich verflogen. Täglich standen in der Mittagsstunde Hunderte von Leuten in der Nähe der Kirche und schauten eifrig nach der steilen Turmspitze, wo der gierige Vogelmörder, unbekümmert um das Pfeifen und Johlen der Straßenjugend, seine Beute zerriß und verspeiste. Da hat auf Anordnung des Revier-Polizeilieutenants ein guter Schütze seinem Treiben ein Ende gemacht. Am Samstag traf eine wohlgezielte Techinkugel vom nächstgelegenen Dache den Nnhold. Durch die Brust getroffen kam er von seinem erhabenen Raubsitze noch mit den Flügeln flatternd zur Erde nieder, ein flinker Berliner Junge bemächtigte sich des noch immer um sich fauchenden Raubtieres und war mit ihm in einem der nächsten Häuser verschwunden, bevor der glückliche Schütze zur Stelle war. Die Polizei ist also noch dazu um ihre Beute betrogen worden.
Eia Kezept zur Meirwerbesterung.
(Eingesandt.)
Der Schwäb. Merkur Nr. 257 enthält einen Artikel einer Autorität in diesem Fache, des Herrn Professor Dr. O. Fraas, in welchem unter Anderem gesagt ist: Ein Feuerbacher Weinmost aus guter Lage, bei welchem das absolut Unreife entfernt war, 60 Grad wog und seine Säure 15»/og betrug. Eine Norm lasse sich weder für das Gewicht, noch für die Säure ausstellen. Lege man den Feuerbacher Weinmost zu Grund, so empfehle es sich, „demselben >/g kräftiges Zuckerwasser, also 17—25 Kilo Zucker auf 100 Liter zuzusetzen." — Diese Ansicht praktisch angewendet, sollen auf 100 Liter Weinmost 33 Liter Wasser mit 30—40 Pfd. Zucker zugegeben werden. Das Zuckerwasser soll 35—40 Grad warm sein, wodurch der Wein in lebhafte Gährung kommt. Es ergibt sich dann etwa folgende Rechnung:
100 Liter Wein . . . ^ 20. —,
35 Pfd. Zucker ä 32 H „ 11.20,
Es kosten also 133 Liter Weinmischung o-L 31. 20. — 23'/z H pr. Ltr.
Dieses Verbesserungsmittel dürfte bei dem heurigen, namentlich bei mittlerer und geringer Qualität, hervorragend saurem Wein, sämtlichen Wirten und Weineinlegern angelegentlich empfohlen werden, da sonst mancher „Neue", selbst mit kräftigem Mostzusatz, der ebenfalls wie der Wein wenig Zucker und viel Säure hat, schwer genießbar werden wird. x.
Die Wissenschaft zum Gemeingut der Menge zu machen, das ist das Streben unserer Tage. Unkenntnis, Vorurteil und Täuschung werden verdrängt und Jedermann soll wissen, wie er seinem Leiden entgegentreten kann. Dieser aufklärenden Tendenz der Neuzeit entsprechen auch so recht die Apotheker Rich. Brandt's Schweizerpillen, die kein Geheimmittel sein wollen, sondern bei denen auch der Laie genau weiß, was er zu sich nimmt und warum er es thut. Nicht ein Geheimmittel, sondern ein rechtes Hausmittel für's Volk sind die Schweizerpillen, sowohl ihrer einfachen und heilkräftigen Zusammensetzung, als auch ihrer Billigkeit wegen. Und das Volk weiß diese Vorzüge der Schweizerpillen im vollsten Maße zu schätzen, das beweisen die zahllosen Anerkennungsschreiben, die aus allen Teilen Deutschlands vorliegen. Man verlange aber stets unter besonderer Beachtung des Vornamens Apotheker Richard Brandt's Schweizerpillen, da viele täuschend ähnliche und mit gleichem Namen versehene Pillen verkauft werden. Halte man daran fest, daß jede echte Schachtel als Etiquette ein weißes Kreuz in rotem Feld hat und die Bezeichnung Apotheker Rich. Brandt's Schweizerpillen trägt. Alle anders aussehenden Schachteln sind zurückzuweisen.
Amtliche Kkkanntmllchungkn.
Calw.
Gerichtstag
wird am Montag, den 19. ds. Mts., von vormittags 19-12 Uhr
auf dem Rathaus zu Neuweiler abgehalten werden.
Den 14. November 1888.
Amtsgerichtsschreiber Keller.
Calw.
Das Konkursverfahren
über das Vermögen des Christian Alexander Lutz, Bäckers dahier, wurde nach erfolgter Abhaltung des Schluß, termins und Vollzug der Schlußverteilung heute aufgehoben.
Den 10. November 1888. Gerichtsschreiber Kgl. Amtsgerichts: Nagel.
AHwekken-Verkaus.
Eine große Partie ausgewechselter Eisenbahnschwellen werden am Dienstag, den 20. Nov. d. I., vormittags 9 Uhr.
auf dem Bahnhof Calw, oberhalb des Güterschuppens zum Verkauf gebracht, wozu Liebhaber eingeladen werden.
K. Betriebsbauamt. Krauß.
Revier Hirsau.
8tammk»okz-Veekauf
am Mittwoch, Iden 21. Novbr., z vormittags 9 iUhr, auf dem ( Rathaus in ^ Calw, aus Hof- ' seid, Kutschen, oald, unt. Bockstall, Schleichdorn, Narkgrafenwald, ob. Marderhalde, Zrandhalde, ob. Höllgrund, sowie an Scheidholz:
2041 St. Langholz mit 1808 Fm. I.-M. Md 460 Fm. IV.-V. Klaffe,
228 St. Sägholz mit 198 Fm.
I. -M. Kl..
7 St. Buchen mit 3 Fm. I.—II. Kl.
Revier Stammheim.
Weisttz- und Lau6- Herkauf
Montag, den 19. Nov., vormittags 10 Uhr, bei der M Markhauhütte (Wilhelmseiche) aus hint. Teich,
Hohbühl, Lindenrain: ca. 8000 St. unaufbereitete Nadelholzwellen in Flächenlosen, mit vielen Stangen.
Zusammenkunft zum Vorzeigen um 8 Uhr am Verkaufsort. Zugleich wird das auf die Wege abgefallene Laub verkauft.