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daß sich die Linke unter demNa men „Vereinigte deutsche Linke" vereinige, welche sich die Wahrung der Staatseinheit, den Schutz des Deutschtums und der berechtigten Stellung der Deutschen in Oesterreich, sowie die Erhaltung und Entwickelung freiheitlicherGrund- sätzein unserer Verfassung zur Aufgabe stellt. Der neue Klubzählt 111 Mitglieder. Plener sagte in seiner Rede u. A. auch: „Beide Klubs wollen, daß der Staat einheitlich und mächtig verbleibe, daß die Deutschen eine maßgebende Stellung erhielten, als große Partei werden sie sich Ansehen verschaffen und jedes feindselige Regime ab- wehren. Eine große Partei darf niemals an der Zukunft verzweifeln. Wenn es wahr wäre, daß das Deutsche für immer von der Zukunft ausgeschloffen sei. dann wäre diese Zukunft slavisch-föderalistisch und würde den Zerfall herbeisühren. Nur unsere Principien verbürgen die Zukunft Oesterreichs, deshalb wollen wir unserem Klub einen dauernden festen Bestand geben. Langanhaltender Beifall folgte der Rede. Die Anträge des Vorstandes wurden einstimmig angenommen.
Hages-Weriigkeiten.
Calw. (Eingesendet.) Nachdem an manchen Orten der Gedanke Beifall gefunden hat, den 10. November als den Geburtstag Martin Luthers in geselligem Zusammensein zwanglos zu feiern, sind auch hier einige Freunde des unvergeßlichen Mannes einig geworden, eine ähnliche Feier des denkwürdigen Tages anzuregen. Der Kirchengesangverein hat bereitwilligst zugesagt, bei seiner am 10. November im badischen Hof stattfindenden Aufführung auf die Bedeutung des Tages gebührende Rücksicht zu nehmen; auch ist in Aussicht genommen, daß die Wirksamkeit des „größten aller Deutschen" nach einigen Seiten hin mit kurzen Worten beleuchtet werde. Sicherlich fehlt es in unserer Stadt nicht an evangelischen Männern und ganzen Familien, welche die Gelegenheit einer geselligen Zusammenkunft in gedachtem Sinn mit Freuden begrüßen.
Stuttgart. In schwere Angst wurde jüngst die Familie eines hiesigen Weinhändlers versetzt. Derselbe hatte behufs Weineinkäufen eine Reise unternommen und seine Frau mitgenommen. Zwei Tage nach der Abreise traf bei den hier zurückgebliebenen Kindern eine Depesche ein: „Vater tot, sofort kommen. Mutter." Die Kinder bestellten den Leichenwagen und reisten ab. Wie erstaunt aber waren sie, als ihnen in dem Gasthof, wo der Vater stets abstieg, die Mitteilung wurde, der Vater sei mit der Mutter munter und gesund früh weiter gereist und wolle abends in Stutgart wieder eintreffen. Schnell kehrten die Kinder wieder in die Heimat. Dort wurde durch einen inzwischen eingetroffenen Brief das Rätsel gelöst. Die Depesche war für den Knecht des Wsinhändlers bestimmt gewesen und hatte die Mutter des Knechts, sei es in Aufregung, sei es aus Sparsamkeitsgründen, nur den Namen des Prinzipals auf das Telegramm gesetzt.
— Aus Sindlingen haben sich, wie die „Tüb. Chr." berichtet, zwei junge Oekonomcn, aufgemuntert durch die Reiseberichte des Hrn. Essig, nach Posen begeben, um die dortigen Verhältnisse kennen zu lernen und event. sich anzukaufen. Sie wurden vom Oberpräsidenten Grafen Zedlitz-Trütschler aufs zuvorkommendste empfangen und ihnen ein sehr schönes Gut von 600 Morgen zum Kauf angeboten. Es liegt bei Bierzglin, Station Wreschen, in fruchtbarer Gegend.
Hall, 5. Nov. Im Auftrag des „evangelischen Bundes" hat Pfarrer Faulhaber ein zweites Diakonissenhaus in Schw. Hall zu bauen, das in engster Verbindung mit dem ersten, unter die Verwaltung des Komites gestellt, Diakonissen auch für Diaspora in deutschen Landen, besonders auch in Norddeutschland, ausbilden soll. Der Bau soll so bald als irgend möglich hergestellt werden und in Betrieb kommen. Ein sehr erheblicher Teil der nötigen Gelder ist schon gesammelt, der evangelische Bund leistet aus seiner
Zentralkafle die Zinsgarantie. Gewiß eine schöne hoffnungsvolle und lebenbezeugende Unternehmung des evang. Bundes.
Straßburg, 6. Nov. Auf den Bahnhöfen von Altkirch und Illfurt im Kreise Altkirch haben am Sonntag abend bei Gelegenheit der Ansammlung der ihren Regimentern zuzuführenden Rekruten arge Ausschreitungen stattgefunden. Die von ihren Angehörigen und Freunden begleiteten Rekruten waren durch dieselben zu übermäßigem Weingenuffe verleitet worden. Es entstand ein Gedränge und wüstes Geschrei, so daß die Begleitmannschaften sich genötigt sahen, dem Treiben ein Ende zu machen und die Menge von den Rekruten zu trennen. Sie wurden hiebei von der Menge unter dem Schutze der Dunkelheit mit Steinen beworfen und zum Teil auch thätlich angegriffen. Es mußte, um die Ordnung herzustellen, hin und wieder von den Kolben Gebrauch gemacht werden. Die Schuldigen, von denen einige bereits verhaftet sind, erwartet eine strenge Bestrafung. — Die amtliche „Landeszsitung für Els.-Lothringen", die diese Mitteilung macht, fügt hinzu: „Diese Vorgänge sind im höchsten Maße bedauerlich. Sind die Ausschreitungen der Hauptsache nach auf Trunkenheit zurückzuführen und wohnt ihnen auch eine erhebliche politische Bedeutung nicht bei, so beweisen doch Einzelheiten, daß die systematische deutschfeindliche Hetzarbeit, welche durch die Nähe der französischen Grenze erleichtert wird, ihre Früchte getragen hat. Wir können auch bei dieser Gelegenheit der den unteren Schichten der Bevölkerung zugänglichen einheimischen Presse den Vorwurf nicht ersparen, daß sie nichts thut, um die noch immer gegen den Dienst im deutschen Heere herrschenden Vorurteile zu beseitigen.
Im Gegenteil machen sich verschiedene Blätter ein Vergnügen daraus, einzelne Vorgänge im deutschen Heere, wie Selbstmorde u. s. w. regelmäßig in einer Form wiederzugeben, welche die Leute zu den ungünstigsten Schlußfolgerungen verleiten muß. Wir haben nicht eine einzige derartige Zeitung entdecken können, welche ihren Lesern die im vorigen Jahre veröffentlichten unparteiischen Schilderungen eines der wenigen gemäßigten Pariser Blätter über das deutsche Heer und namentlich die Betrachtung mitgeteilt hätte, daß der deutsche Soldat besser behandelt, verpflegt, bekleidet und untergebracht ist, als der französische. Für diejenigen, welche die politische Beeinflussung der Landesteile, in denen jene Ausschreitungen stattgefunden haben, als ihre Domäne betrachten, liegt in den Vorgängen die ernste Mahnung, dem Volke andere Begriffe über den Dienst im deutschen Heere beizubringen."
Paris, 7. Nov. In zwei Stellen-Vermittelungsbureaux in der Rue Boucher und der Rue franvaise fanden in der vergangenen Nacht Dynamit- Explosionen statt, wodurch beträchtlicher Schaden angerichtet wurde. Personen sind nicht verunglückt. Die Urheber sollen Anarchisten sein. !
London, 7. Nov. General Harrison wurde mit einer Mehr« . heit von 39 Stimmen zum Präsidenten der Vereinigten Staaten erwählt.
StandesawL Katrv.
Geboren:
30. Okt. Emma Dorothea, Tochter des Jakob Hennefarth, Bahnwärters.
90. . Luise Pauline, Tochter des Jak. Friedr. Ehrhardt, Eisenbahnstations
taglöhners.
4. Nov. Karl, Sohn des Baptist Bezler, Werkmeisters.
G e st o r b e n:
3. Nov. Friedrike Regine geb. Hirner, Ehefrau des Wilhelm Frohnmaier, 51 Jahre alb_ '_
Gottesdienst am Sonntag, den 11. November 1888.
Vom Turme: Nr. 31. Vormittagspredigt: Hr. Dekan Braun; 11 Uhr Beichte und Abendmahl für Gebrechliche im Vereinshaus. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Hr. Helfer Eytel.
Gotte,äienfte in äer Metkoäiftenkapekke am Sonntag, den 11. November 1888, morgens VelO Uhr, abends 8 Uhr.
Als er d'Artige hievon in Kenntnis gesetzt, gewann die Ansicht Chantal's bei ihm auch Boden und gemeinsam wandten sie sich zum Fremdenbuch im Portierzimmer.
„Graf und Gräfin von Weißbach" las Chantal „doch da stehen noch einige klein gekrizzelte Worte daneben: Wenn ich nicht von dem Spaziergang zurückkehre, zu welchem mein Gatte mich zwingt, so hat er mich über einen Abhang gestürzt- Man wird in seiner Tasche mein Testament finden, in welchem ich ihn zu meinem Universalerben ernenne."
.Sie hat diese Zeilen mü dem Namen „Juliette' unterzeichnet; sie weiß, daß Mouliöres sich ihrer entledigen möchte und da sie nicht den Mut hat, ihm Widerstand zu leisten, hat sie diesen Ort gewählt, sich an ihm zu rächen," sagte, d'Artige tief ergriffen, „aber wir müssen Leute avisieren, die dem Elenden nachsetzen."
Entsetzt starrte der Hotelier, den Chantal herbeigeholt hatte, auf die sichtbar in Hast hingeworfenen Zeilen. Es war inzwischen tiefe Nacht geworden, und eine Nachforschung nicht mehr möglich. Eine Anzahl junger Leute, welche heute ebenfalls zu Fuß eine größere Tour in die Gletscher gemacht hatten, waren schon mehrere Stunden hier. Man war übrigens noch gezwungen, zuzuwarten, ohne Lärm zu schlagen, indem das Paar schon längst zurückgekehrt sein und sich gegenwärtig im Theater oder in einem abendlichen Konzert befinden konnten.
D'Artige und Chantal verabredeten, Andrea von ihrer Vermutung nichts mitzuteilen und möglichst bald nach Chamounix zurückzukehren.
Am andern Morgen war Chantal, nach dem Hotelier, der erste auf den Beinen. Der elftere hatte um 12 Uhr nachts noch der Polizei Mitteilung gemacht und wartete nun ebenfalls ungeduldig, welche Resultate die sofort angestellten Nachforschungen ergeben werden.
Es mochten ungefähr 11, Stunden vergangen sein, als eine Schaar Arbeiter, welche am Hotel vorübergingen, die Auffindung von 2 Leichen meldeten, welche von einem Felsen abgestürzt seien. Chantal begab sich sofort zum Polizeiamt und traf dort eben ein, als beide Zeichen in der Wachstube niedergelegt wurden. Juliette de Benserrade hatte ihren Gatten fest an den Armen zu fassen, die Finger warm tief eingekrallt und das mit Blut überströmte Gesicht zeigte wutverzerrt nur allzudeutlich
den Kampf an, der dem Absturz vorhergegangen sein mochte. Mouliöres hatte seine i Rechnung ohne Juliette de Benserrade gemacht, er hatte sich verkalkuliert.
„Bianka Monti ist gerächt" sprach Chantal, als er tief erschüttert von dem grauenhaften Anblick, zum Hotel zurückkehrte.
D'Artige hatte eben die Kunde vom Wirt mitgeteilt erhalten, als Andrea reisefertig von ihrem Zimmer kam.
„Ich bin bereit, — wollen wir unsere Partie weiter fortsetzen?" sprach sie, auf die beiden Herren zutretend.
„Mir ist alle Lust dazu vergangen," erwiederte d'Artige, „ein deutsches Ehepaar ist heute bei den Gletschern verunglückt!"
„O, dann laß uns sofort nach Chamounix zurückkehren!" rief Andrea aus und die beiden Herren waren es nur zu gern zufrieden.
Am Abend erzählten in Chamounix es sich schon alle Leute, daß die Gräfin Weißbach von ihrem Gatten über einen Abhang hinabgestoßen worden sei und man im Fremdenbuch des Hotels einige Zeilen von ihrer Hand gefunden habe, welche darthaten, daß sie das Schicksaal vorhergesehen, welches ihrer harrte. j
An der Stelle, an welcher Beide in die Tiefe gestürzt waren, wurde zu Nutz und Frommen der Touristen eine Warnungstafel errichtet, die das Unglück ver- ! zeichnete, welches sich hier zugetragen hatte. '
D'Artige und seine junge Gattin kehrten nach Paris zurück und Nichts trübte mehr den Himmel ihres Glückes.
Mouliöres und Juliette de Benserrade werden nie in geweihter Erde ruhen; ! ihr unrechtmäßig zusammengescharrtes Vermögen siel dem Staate anheim. Menschen, wie jene Beiden, wird es indes gebm, so lange die Welt besteht und nicht alle werden ein gleich böses Ende nehmen, denn nicht immer ereilt die Gerechtigkeit die Schuldigen auf Erden.
Bianka Montis irdische Ueberreste aber ruhen in Florenz, wo ihre Landsleute ihr ein prächtiges Grabmal errichtet haben, — ein Grabmal, welches zugleich das beredteste Derckmal ist von eines armen, kleinen Menschenherzens Liebm und Leiden, j