Uro. 133.
63. Jahrgang
Amts- um! IntekkigenMatt sür äen Rezir^.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zelle im Bezirk, sonst 12 H.
Samstag, äea 10. November 1888.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70
ArntttcHe Bekanntmachungen.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung von Unterrichtskurfen im Hufbeschlag.
Um Schmieden die Vorbereitung zu der durch das Gesetz vom 28. April 1885, betreffend das Hufbeschlaggewerbe, vorgeschriebenen Prüfung behufs des Nachweises ihrer Befähigung zum Betrieb dieses Gewerbes zu ermöglichen, finden an den Lehrwerkstätten sür Hufschmiede in ») Heil- bronn, b) Reutlingen, o) Hall, ä) Ulm und e) Ravensburg dreimonatliche Unterrichtskurse im Hufbeschlag statt, welche am Dienstag, den 8. Januar 1889 ihren Anfang nehmen.
Die Anmeldungen zur Aufnahme in einen dieser Kurse sind bis 10. Dezember d. I. bei dem Oberamt, in dessen Bezirk sich die betreffende Lehrwerkstätte befindet, vorschriftsmäßig einzureichen.
Dem Zulaffungsgesuch sind in Form urkundlicher Belege anzuschließen:
1) ein Geburtszeugnis;
2) der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmied - Handwerk und einer zweijährigen Thätigkeit als Schmiedgeselle, wobei der Bewerber schon im Hufbeschlag beschäftigt gewesen sein muß; die Zeuginsss hierüber müssen von den betreffenden Meistern selbst ausgestellt und von der Octsbehörde beglaubigt sein;
3) wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Einwilligungserklärung des Vaters oder Vormunds;
4) ein von der Gemeindebehörde des Wohnsitzes des Bewerbers ausgestelltes Prädikatszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß dem Bewerber die erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung seines Unterhalts während des Unterrichtskurses zu Gebot stehen werden;
5) eine von dem Bewerber, und wenn derselbe minderjährig ist, auch vom Vater oder Vormund Unterzeichnete Erklärung, durch welche die Verbindlichkeit übernommen wird, die der Staatskasse erwachsenen Kosten zu ersetzen, wenn von dem Schüler der Unterrichtskurs vor seiner Beendigung ohne Genehmigung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft verlassen oder durch eigenes Verschulden die Entfernung aus demselben veranlaßt oder die Prüfung binnen einer gesetzten Frist nicht erstanden wird (§ 4 Abs. 2 der Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 11. Juni 1885).
Stuttgart, den 1. Noo. 1888. Werner.
Feuilleton. m-chdru-v-ri».«,.,
Lieben und Leiden.
Roman aus der Pariser Gesellschaft von A. du AolsgsSey.
(Autorisierte deutsche (Übersetzung.)
(Schluß.)
„Man sagt mir, sie hätten sich im Auslande geheiratet", fuhr Chantal fort.
„Mouliäres wird jedenfalls früher oder später das Bedürfnis empfinden, sich jener Frau zu entledigen; wenn er ihr Alles genommen haben wird, was sie besitzt, wird er sie töten und dann endlich selbst am Galgen enden."
„Hier sind wir bei der ersten Haltestelle!" rief die junge Frau, bestrebt, ein Gespräch abzubrechen, welches sie an die Ermordung ihres Vaters und an den Tod ihrer Wohlthäterin nur allzulebhaft errinnerte.
Man begab sich in das Hotel, in welchem das junge Ehepaar mit dem Freunde einen Tag lang rasten wollte, und während Andrea und d'Artige sich ein Zimmer aussuchten, von dem aus man die schönste Fernsicht genießen konnte, trug Chantal seinen und der Freunde Namen in das große Fremdenbuch ein, welches in. der Portierloge auflag. Während er das that, schritten hinter ihm ein Herr und eine Dame vorüber. Erster« trat vor das Haus, letztere blieb einen Moment zögernd stehen und schrieb dann ihrerseits eilig einige Worte in das Fremdenbuch. Als sie sich umwandte, konnte Chantal ihr voll ins Antlitz blicken und unterdrückte mit Mühe nur einen Ruf höchster Ueberraschung, denn er erkannte in ihr die Baronin Benserrade.
„Wer ist diese Dame?" fragte Chantal den Wirt, nachdem die Baronin sich entfernt hatte.
„Eine sehr reiche österreichische Gräfin, welche gestem abend mit ihrem Gemahl und zwei Dienern hier angekommen sind."
„So ist jener Herr, welcher die Dame begleitet, ihr Gatte?"
„Ja! Die Herrschaften wollen ohne Führer den Gletscher besteigen. Der Graf ist ein Sonderling und sprach heute früh schon davon, mit seiner Frau allein
'ZkoLitrsche WcrcHvicHten.
Deutsches Reich.
Die Wahlen zu »t preußischen Abgeordnetenhause haben nach den Wahrscheinlichkeitsberechnungen, die auf Grund der Wahlmännerwahlen aufgestellt wurden, nur wenig Ueberraschungen gebracht. Die Mittelparteien sind unwesentlich gestärkt, die radikalen Parteien unerheblich geschwächt worden. Und wenn auch leider im neuen Abgeordnetenhause die Möglichkeit nicht ausgeschlossen erscheint, daß gelegentlich die Konservativen mit dem Zentrum zu einer Mehrheitsgruppierung sich vereinigen, so ist doch bei dem erhöhten Einfluß der Nationalliberalen, bei der Zurückorängung der extreimkonservativen Elemente und bei der wiederholt zu Tage getretenen Absicht der Regierung, auf die gemäßigten Parteien sich zu stützen, kaum anzunehmen, daß eine klerikal-konservative Koalition sich großer Erfolge werde rühmen können. — Das Gewinn- und Verlustkonto der Parteien stellt sich, soweit man es bis jetzt zu übersehen vermag, folgendermaßen: die konservative Fraktion verliert 12 Mandate (4 an die Nationalliberalen, 3 an die Freikonservativen, 3 an das Zentrum, je 1 an die Freisinnigen und Antisemiten) ; die Freikonservativen verlieren 3 Mandate (2 an die Nationalliberalen und
1 an die „Freisinnigen") und gewinnen 4; die Nationalliberalen verlieren
2 Sitze (Liegnitz und Könitz) an den „Freisinn" und gewinnen 16; die Ultramontanen verlieren nicht ein Mandat, gewinnen 3; die „Deutsch- Freisinnigen" geben 10 Mandate an die Nationalliberalen ab und gewinnen 4 (2 von Natior.alliberalen, 1 von den Freikonservativen); die Welfen verlieren 2 Mandate an die Nationalliberalen und behalten somit nur das eine Mandat des Abg. Bruel. Aus den Reihen der konservativen Wilden scheidet einer aus und wird durch einen gemäßigten Liberalen ersetzt; von den linksliberalen Wilden ist einer (Spielberg) durch die Freikonservativen ersetzt. Der Besitzstand der Parteien gestaltet sich demnach etwa folgendermaßen: Koservative 120 (bisher 132), Freikonservative 63 (bisher 62), Nationalliberale 86 (bisher 72), Zentrum 98 (95), Freisinnige 34 (40), Polen 15 (15), Welfen 1 (3), Dänen 2 (2), konservative Wilde 6 (8), liberale Wilde 3 (4).
Oesterreich.
Wien, 6. Nov. Die Vereinigung der deutschen Opposition im Abgeordnetenhaus vollzog sich heute abend. Plener beantragte im deutsch-östereichischen Klub, nachdem mit dem deutschen und deutsch-nationalen Club eine Verständigung hierüber erzielt worden war,
eine ganz weite Tour nach dem höchsten Gletscher unternehmen zu wollen. Ich stellte ihm vor, daß der Weg zu gefährlich sei, und hoffe, daß sich die Herrschaften nun mit einem kürzeren Ausflug begnügen lassen. Wünschen der gnädige Herr einen Morgenimbiß zu bestellen, ein geschmackvoll zusammengestelltes Gabelfrühstück?"
„Servieren Sie uns, was Sie wollen," entgegnete Chantal, dem das Essen sehr nebensächlich geworden war. ^
In diesem Augenblick gesellte sich d'Artige zu dem Freunde; dieser erzählte ihm, wen er erblickt hatte, und zog ihn dann mit sich ans Fenster, von wo aus man das Paar sehr gut sehen konnte, welches Arm in Arm rasch vorwärts schritt.
„Ich glaube," sagte er, „sie machen ihre Hochzeitsreise; nur dürfte ihr Honigmond nicht ganz so süß sein wie der Deine. Die ehemalige Baronin Benserrade macht eine wahre Begräbnismiene; man möchte darauf schwören, daß sie ihren Gatten fürchtet!"
„Wohin er sie nur schleppen mag?"
„Nach irgend einem Gletscher, wie mir der Wirt sagte."
„Er hat vielleicht gute Gründe, diese gefährliche Exkursion zu unternehmen; ich bin neugierig, wie er sich jetzt nennt."
„Sein Name steht im Fremdenbuch, wir können den Namen des Schwindlers immer noch nachschlagen," erwiederte d'Artige, indem er sich vom Fenster abwandte, „ich denke wir machen ebenfalls einen kleinen Abstecher, aber zu Wagen, nachdem wir alles Sehenswerte der Stadt hinter uns haben, zudem steht es noch frei, sofern es nach Andrea's Wunsch ist, eine Kahnfahrt auf dem See zu machen."
Chantal hatte richtig vermutet, der angeblich österreichische Graf und seine Gemahlin, waren niemand anders als Moulisres und die Baronin Benserrade. Mit unverkennbarer Aversion folgte sie Moulieres, der seinerseits immer rascher vorwärts strebte.
Es war bereits Abend und dunkel geworden, als unsere Freunde in's Hotel zurückkehrten. Chantals erstes war, sich nach dem Grafen zu erkundigen, ob derselbe, ohne Schaden genommen zu haben, wieder glücklich vom Gebirge zurückgekehrt sei, er bekam jedoch vom Witt die Antwort, daß dieselben bis jetzt noch nicht eingetroffen seien.