Erscheint täglich mit Ausnahme der Tonn- «nd Festtage.
Brett vierteljährlich hier 1 *6, mit Träger« loh« l.3ü^e, imBeztrkS« und 10 km-Brrkehr 1.88 »«, tm übrige» Württemberg 1 .SS NouatSabonnementS uach HerhältniS.
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Mutiger,-Gebühr f. d. ifpalt. Zeile auS gewöhn!« Gchrjft oder deren Nauru bei I«a1, Einrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Stabatt.
UM dem
Plauderstübcheu
und
Gchwäb. Landwirt.
U 296
Mgokd, Dienstag dm 19. Dezember
Nagold.
Die OrtSarmenbebörde hat brschloffeu auch Heuer wieder die
Weuzahrswunsch-
Hntljetiuiigskarlen
eiuzuführen.
Wer eine Karte iw Preis vs« miudesteuS 1 Sei der Armeupflege, SLadLpflrger Lenz, entnimmt, von dem wird sagen omme», daß er auf diese Weise seine Gratulation darbringt nud ebenso seinerseits auf Besuch« uud Kartsuzusendnugen verzichtet.
Wir lade» zu zahlreicher Beteiligung mit dem Anfügea ein, daß die Liste der Teilnehmer noch zeitlich vor dem Jahresschlvß im Gesellschafter bekannt gegeben und daß der Ertrag der Karten unter die verschämten Hausarmen verteilt wird.
Den 11. Dezember 1905.
Die Vorstände der Ortsarmenbehörde: gez. Dekan Römer. SLadtsch. Brodbeck.
WoMMe Meverstcht.
Der bayrische Landtag hält jetzt täglich zwei Sitz««ge« ab, doch habe« die v-elcu und langen Reden tr-UM allgemeines Interesse. Der Justizmivister hat mttse- rellt, daß nach den jüngsten Berliner Verhandlungen die Erhaltung der Schwurgerichte und die Einführung der Berufung gegen landgerichtliche Strafurteile gesichert seien. Der Minister sprach sich ferner entschieden gegen Wiedereinführung der Prügelstrafe aus. Er sei der UederzengUNg, daß ei» moderner und Kulturstaat über diese Frage ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen könne. Gegenüber der Klage, daß die Girafaustalleu der fränkischen Korbflechterei schädigende Konkurrenz machten, sagte der Minister, dir Verwendung der Sträflinge im Dienst der Landwirtschaft sei auch ihm die sympathischste; aber man könne doch nicht alle 7000 Sträflings mit solche« Arbeite« beschäftigen. In der Korbflechterei in Plassenburg würden 47 Sträflinge beschäftigt, und er könne nicht glauben, daß dir ft paar Leute den vielen Tausenden von oberfräsktschm Korbflechtern bedenkliche Konkurrenz machen könnten.
Aus de« fravzöfischen Gelbbuch über Ma- rekko rst noch heroorzvheöen, daß Fürst Bülow zwar aufs dringendste auf der Regelung der Mmokkofrage durch eine internationale Konferenz bestanden, zugleich aber durchaus beruhigende Erklärungen abgegeben hat. Ende Juni d. I.
berichtete der frauzöstche Botschafter in Berlin au setue Regieruug: Fürst Bülsw versicherte, wenn wir die Koufereuz auuähmen, würde die deutsche Diplomatie iu dm späteren Berharrdlmlgeuzetrre Haltung eimrehmm, mit der wir Grund haben würden, izufriedm zu sei«. Der Botschafter schrieb unterm 25. Juni au Rouvker, daß der Reichskanzler nochmals erklärt habe, die Koufereuz beabsichtige nicht, der deutsche« Diplomatie eine Genugtuung der Eigenliebe zu verschaffen, »och die Würde einer großen Natiou zu schmälern, sondern einfach aus einer Lage herauSzukomme«. Bülow habe hiuzugefügt, «a« müsse eine Orgautsatiou iu Marokko durch Mithilfe der Mächte austrebm. Wenn der Versuch nicht glücke, werde Frankreich die Rolle, welche es wünsche, übernehme» köuuerr. Bülow habe feierlich erklärt, daß weder der Kaiser, noch er selbst dazu ihre Zustimmung geben würden, daß Frankreich auch nur die geringste Erniedrigung auf der Konferenz zugedacht werde.
Bei Bespreche»«- der Interpellation Aber die Pariser Arbeiterbörse iu der französischen DepuLirrten- kammer setz:« JaureS am Donnerstag seine Rede vom ver- gaugeum Freitag fort, iu der er zuletzt über die Botschaft des Präsidenten Rossevelt, betreffend die Konferenz im Haag, gesprochen hatte. Er sprach sein Erstaunen darüber aus, daß die für internationale Schiedsgerichte elntreteude» Politiker verspottet würden, uud daß man de» Präsidenten Roosevelt tu seinen Bemühungen Zu entmutigen versuche. Gr würde eS freudig begrüßen, wenn man eine Einschränkung der Rüstungen erlangen könne, aber der Patriotismus des französischen Proletariats habe immer das Doppelprogram« gehalten: Die Republik uud das Vaterland vor Gefahren zn bewahre». Die Sozialisten hätte» die Idem des Professors Hervs über das Vaterland gemißbilligt, aber er, JauräS meine, daß «au nicht das Recht habe, ihn aus der sozialistischen Partei auSzuschließm und ihn zu hindern, seine Slustchtm über das Vaterland vorznbringm. Je revolutionärer die Arbeiter seien, um so mehr würden sie die Notwendigkeit begreifen, die nationale Unabhängigkeit, die für die Freiheit unentbehrlich sei, z« wahren. Mau dürfe die Worte von Arbeitern, die da? Vaterland ablengnen, nicht buchstäblich nehmen; aus thneu spreche uur eine" allgemeine Erbitterung über ihre Lage.
Der Aufstau- iu Dentsch-Südwestafrika.
Hamburg, 16. Dez. General v. Trotha hat sich uach feiner Ankunft über die Kriegslage tu der Kolouie uach einer Meldung der Leipz. N. N. folgender««ße« ausgesprochen: Im Hererelaud herrsche Friede, auch dsS Be- idauierlaud der WitboiS sei tu der Hauptsache paztfiziert. Raudzüge kleinerer Bandes würde« «och audaueru; aber der Krieg als solcher sei dort beendet. Nudel S sei die Lage i« Süden iu der Warmbader Gegend. Dort sei «sch yiel Arbeit zu leisten, uud infolge der starken Abgänge an
1905
Mannschaften sll eine Ergänzung des TruppmmaterlalS unumgänglich notwmdtg. Hendrik WitboiS Tod sei nicht von dem allgemein angenommene« Einfluß auf dm Zusammenbruch des Widerstandes der WitboiS gewesm. Hendrik hat wiederholt iu Briefen au Trotha erklärt, daß er die AusfichtSlofigkeit des Aufstandes eiusche, aber das Bewußtsein, sein Lebm durch seine Treulosigkeit verwirkt zu habm, verhinderte ihn au der Unterwerfung. Sehnlich sei «S mit de« noch t« Felde befindlichen Cornelius. Der Tod ManaffeS fei belanglos für die Gesamtlage. I« Reichstag über seine südwestafttkauischm Erfahrungen zu spreche», hat General v. Trotha wenig Neigung.
Gages-Meuigkeiterr.
Alls Stadt md Land.
Nagold, 1«. Dezember.
Eiseubahufahrkarte«. Mit Wirkung vom 1. Jan.
1906 treten tu deu Betzimmuugm des württ. Persoseu- «nd SepäcktarifS, Teil II, über die Abgabe vou Arbeiter- fahrkartm verschiedene Amdernngm in Kraft. Die Verabfolgung vou Arbeiterrückfahrkarten ist künftig vou der Beibringung etueS Ausweises über die Beschäftigung els Arbeiter und über deu Wohnsitz d«S Nachsuchmdm abhängig. Als Ausweis gilt eine vom Arbeitgeber ausgestellte und vou der Polizeibehörde am Wohaort des Arbeiters beglaubigte Bescheinigung. Der Ausweis ist stets bei der Lösung der Rückfahrkarten vorzuzetgm nud vou de» Schalterbeamtm abzuftemprls. Insoweit bei der Lösung vou Arbeiterwochenkarten uach deu bestehende« Vorschriften ein Ausweis gefordert wird, find künftig ebenfalls einheitliche Formulare zu benützen. Die Formulare zu dm Ausweisen werden au deu Fahrkartenschaltern unentgeltlich abgegeben. — Die Bestimmung, daß Arbeiter, welche uur vorübergehend vom Arbeitgeber zur Arbeitsleistung außerhalb des gewöhnliches Arbeitsortes entsendet werde», keine Fahrpreisermäßigung genieße», wird aufgehoben, ebmso die Beschränkung der Gültigkeit der Arbeitersahrkartm auf bestimmte LageS- strmdeu. _
- Gchieti«ge», 18. Dez. Gestern abend nach 10 Uhr wurde der 30 Jahre alte ledige Schreiuer Jakob Speer von hier bewußrloZ, mit Blut überzogen, hinter de« »Adler" tu Haiterbach auf^fnudm. Speer ist jedenfalls bei« Verlasse» der Wirtschaft gefallen und hat steine« Schädrldruch zvgrzogm. Er wurde iu das dortig« Spital verbracht. Harte ist das Bewußtsein zurückgekehrt, doch wird au feinem Auskommen gezweiselt.
Gü»dri»ge», 16. Dez. Bei der heute stattgehabteu GememderalSwahl war die Wahlbeteiligung eine sehr lebhafte, indem von 99 Wahlberechtigten 84 abstimmtm. Ge-
ein Abenteuer im kxpresssug.
Roman vou P. L. Ford.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Nun, ich habe mir nachher meia Drachmen überlegt uad eS alS unrecht befuuden und bedauert. Aber man versetze sich an meine Stelle Md bedenke, daß Lord RslleS mich angeredet hatte, als ob ich sein Bedienter wäre, daß er «eine Entschuldigung und Danksaguug zarückgewiesen und sich überhaupt so unhöflich wie nur möglich gegen «ich benommen hatte — und mau wird mich vielleicht nicht darum tadeln, daß ich uach Durchsuchung seiner Hose diese« numtbehrlichm Teil der «ärmlichen Bekleidung einen Fußtritt gab, der sie nicht in die Hätte zurück, sondern iu dm Abgrund hinein beförderte. Die Hose flog 600 Fuß weit iu die Tiefe uud ließ fich auf de» Wipfel einer Pappel nieder. Seine Herrlichkeit Lord RallrS konnte, wenn er oeu Weg zmückßing, in die Nähe gelangen, aber dann blieb Immer noch eine 500 Faß hohe, kahle Felsrnwand zwischen dem Wege und der Pappel.
,Jch hoffe', dachte ich mit innerlichem Vergnügen bei mir selber, ,das wird ihn veranlassen, kn Zukunft »deu guten Ton in allen Lebenslage»- ein bißcheu oeffer zu studieren, deua wenn Höflichkeit nichts kostet, so kau« Uagezogerchrit recht teuer zu stehen kommen!'
«ech-tes gk«ptt-l.
Fräulein Lullen saß in einiger Entfernung von ihrem Bruder uud Hau« auf einem großen Stein, vir ich fie gebeten hatte, als ich ihr »an ivr-m Maultier kernnterbalf Ich ging ,« ihr und sagte frank uud frei: „Fräulein Süllen, ich wüusche die Briefe!*
„WaS für Briefe?* fragte fie nud sah mich dabei mit den alleruuschuldigsteu Auges au. Das hätte fie nicht tun sollen, denn ich wußte, daß ihre Unbefangenheit nur Vorstellung sein konnte, und traot^ deshalb auch ihre« GcfichtS- ausdluck nicht mehr.
„Und noch »ehr!* fuhr ich fort, mit einer Festigkeit, die ungefähr ebenso echt war, wie ihre Unbefangenheit. „Weau Sie fie nicht sofort hergeben, werde ich Eie durchsuchen müssen!*
„Herr Gordoul* rief sie nur; aber in dev paar Silben lag so viel schmerzliche und «»gläubige Ueberraschuug, daß ich wünschte, die Erde möchte mich ans der Stelle verschlingen.
„Ja, bedenken Sie doch meine Lage, Fräulein Culleu! Sie müssen sich doch klar sein, daß ich «lS Beamter der Bahn meine Pflicht erfüllen muß, uuter allen Umständen Md gegen jedermann, ohne Ansehen der Person, »«d . . .*
„Ader deshalb können fie doch ein Gentleman bleiben!* unterbrach sie »ich.
Das brachte »ich beinahe zur Verzweiflung und ich stöhnte: „Fräulein Lullen, ich möchte mich lieber lebendig verbrenne» lasse», a!S hier meines Amtes walten; aber wenn Sie mir die Briefe nicht geben wollen, daun muß ich Sie untersuchen l*
„Aber wie kann ich Ihnen gebe», waS ich nicht habe?* rief ste entrüstet und wieder mit dem rmschuldigev GefichtS- auSdruck.
„Wollen Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß die Briefe nicht in Ihren Kleidern versteckt find?"
„DaS will ich!" antwortete fie.
Ich war über diese Antwort ganz verblüfft; denn da Fräulein Lullen mir diese Versicherung nicht schon früher gegeben hatte, wie eS doch sehr nahe lag, so war ich fest davon überzeugt gewesen, sie müßte die Briefe haben.
„Also S:e gesen mir Ihr Wort?"
„Ich gebe eS!' antwortete fie, aber fie sah «ich dabei nicht au.
Damit hätte ich «ich nun gar zn gern zufrlede» gegeben, aber ich konnte uud durste eS nicht; ein unbestimmte- Gefühl zwang «ich immer noch, auzunehmen, fie hätte die Briese trotz alledem; jetzt in der Ermuernug möchte ich glaube», daß ihre ganze Haltung eS war, die «ich auf diesen Verdacht brachte. Ich dachte eine Minute laug nach und bat fie dann:
„Bitte, bleiben Sie »och einen kurzen Augenblick hier!*
Ich selber ging zu ihre» Bruder Fred md sagte:
„Herr Lullen, Ihr« Schwester wollte sich nicht durchsuchen lassen uud hat lieber eingestcmdeu, daß ste die Briefe hat; fie sagt, wenn wir Männer in die Hütte gingen, so wolle ste ste hervorholev."
Er sprang auf uud «mmelte traurig:
„Ich hatte «eine« Bater gesagt, er solle fie nicht biveinverwickelu! Um mich selber mache ich mir keine Sorge, Herr Gordou, aber können Sie »eine Schwester nicht aus de« Spiel lassen? Ste iß in jeder Beziehung so unschuldig wie am Tage, da fie geboren wurde."
„Ich will alles tun, war iu meiner Macht steht!" versprach ich ihm. Fred nud Hauer gingen darauf in die Hütte, und ich begab «ich zu der Schuldigen zurück und sagte ernst: „Fräulein Lullen, Sie haben die »riese und müsse» fie mir geben!"
„Aber ich sagte Ihnes doch —" fing fie an.
U« ihr eiue zweite Unwahrheit z« erspare», unterbrach ich fie mit deu Worten: „Ich habe Ihre« Bruder eine Falle gestellt, uud er hat zugegeben, daß St« fie haben!"
(Fortsetzung folgt.)