Zlro. 130.
63. Jahrgang.
Amts- um! IntekkigenMatt für äen
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
§am8tag, äen 3. November 1888.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
ZUM Abonnement
auf das „Calwer Wochenblatt" für die Monate November und Dezember ladet freundlichst ein
die Redaktion.
Amtliche Bekanntmachung,
betreffend Herstellung der Grundlagen für die Umlegung der Beiträge zu den landwirthschastlichen Berufsgenossenschaften.
Die' Gemeindebehörden haben dem Oberamt binnen 1 Woche den Bedarf an Formularien
1) Register für das Umlagskataster,
2) Liquidationen über dasselbe,
anzuzeigen. — Die Lieferung wird aus Kosten der landwirthschastlichen Berufsgenossenschaft erfolgen. —
Es wird nichts dagegen erinnert, wenn die Anzeige durch die mit Aufstellung der Umlagekatastsr beauftragten Beamten direkt an das Oberamt erstattet wird.
Calw, den 1. November 1888. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
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Deutsches Reich.
Leipzig, 31. Okt. Bei herrlichem Wetter wurde die Fekr der Grundsteinlegung des Reichsgerichtsgebäudes beendet. Staatssekretär v. Schelling verlas die Urkunde, der bayerische Gesandte in Berlin, Graf Lerchenfeld, überreichte dem Kaiser die Kelle. Der Kaiser sprach bei den Hammer- schägen die Worte: „Zu Ehren des allmächtigen Gottes, dem Recht zum Schutz." Der König von Sachsen sprach: „Gott zur Ehre, dem Reiche zum Ruhm, dem Recht zum Schirm " Superintendent Pank, assistiert von einem Reformierten und einem katholischen Geistlichen, hielt hierauf eine Ansprache. Nach derselben brachte der Präsident des Reichsgerichts, Simson, nach einer kurzen Ansprache ein Hoch auf den Kaiser au«.
Potsdam, 31. Okt. Der Kaiser ist heute abend 7 Uhr 36 Min. mit Sonderzug hier eingetroffen und hat sich alsbald zu Wagen nach dem Marmorpalais begeben.
Berlin, 30. Okt. Der Reichskanzler dürfte vor Neujahr nicht mehr nach Berlin kommen. Die baulichen Umarbeiten und neuen Anordnungen in seinem hiesigen Palais sind zwar durchgeführt; sie wurden im Anfang des Monats Oktober mit solcher Beschleunigung betrieben, daß der Kanzler nötigenfalls zur Zeit der Rückkehr des Kaisers aus Italien ebenfalls zu längerem Aufenthalt hätte eintreffen können. Der Kaiser hat ihm jedoch einen neuen Beweis seiner besonderen Huld und Aufmerksamkeit gegeben und durch seinen Besuch in Friedrichsruh den Kanzler in den Stand gesetzt, über die wichtigeren Reichs- und Staatsangelegenheiten, um deren Willen der Kanzler seinen Landaufenthalt bereits abzubrechen in Begriff war, — in Friedrichsruh selbst seinem kaiserlichen Herrn Vortrag zu halten.
Berlin, 1. Nov. Die Kaiser von Deutschland und von Oesterreich haben an den Kaiser von Rußland anläßlich der Errettung des Letzteren aus Lebensgefahr Glückwunschtelegramme gerichtet. Nachträglich wird noch gemeldet, daß der dem kaiserlichen Zuge folgende Gepäcktrain nach der Katastrophe ausgeplündert wurde. — Dke Hochzeit des Kronprinzen von Griechenland wird nächsten Herbst, und zwar in Athen stattfinden. Kaiser Wilhelm wird der Feierlichkeit beiwohnen. — Ueber den Gesundheitszustand des Reichskanzlers teilt der „Hamb. Korresp." mit, daß der Fürst zeitweise wieder an seinen Gesichtsschmerzen leidet.
Hannover, 31. Okt. Ueber die Ernennung des Grafen Wilhelm Bismarck zum Regierungspräsidenten in Hannover wird den „Hamb. Nachr." von hier geschrieben: „Es besteht, wie wir aus bester Quelle erfahren, auch heute noch die Absicht, Graf Bis- miarck zum Regierungspräsidenten von Hannover ernennen, obgleich derselbe bekannt gegeben hat, daß ihm eine Versetzung nach Hannover nicht angenehm sein würde, daß er aber eine Berufung zum Regierungspräsidenten in Wiesbaden gerne annehmen würde. Wie man aber hört, wird Graf Bismarck nun doch nach Hannover gehen, und wir glauben sicher, daß wir vom 1. April kommenden Jahres den jüngsten Sohn des Reichskanzlers in unserer Mitte haben werden. Durch seine Frau eine geborne v. Arnim und seine Cousine, hat der Graf hier in Hannover zahlreiche Verwandte, wie den bekannten Verwalter des sequestrierten Vermögens des Herzogs von Cumber« land, Generallieutenant von Kotze, die beiden Generäle v. Korsigk u. A. m."
Rußland.
Petersburg, 31. Okt. Der Minister des kaiserlichen Hauses teilt Details über die Entgleisung des Kaiserzuges mit. Der
Peuilleton.
Lieben und Leiden.
Roman aus der Pariser Gesellschaft von A. du Aoisgoöey. (Autorisierte deutsche Uebersetzung.)
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
„Mein lieber Freund," sprach Herr d'Arcy, „nun bin ich halb und halb mit in die peinliche Angelegenheft hineingezogen, in welche Du Dich verwickelt hast. Ich werde mein Möglichstes thun. Dich aus derselben zu befreien. Sei gefaßt darauf, daß sowohl Du, als auch Dein Freund und die junge Italienerin, welche eine so merkwürdige Rolle zu spielen berufen ward, verhört werden. Du wirst die volle Wahrheit aussagen, und ich hoffe, daß Herr von Moulisres nicht den Mut haben wird, zu leugnen, aber ich verstehe nicht, was Du eigentlich mit chm und der Baronin willst?"
„Ich will, daß jener Elende sie heirate und daß Beide im Auslande so enden, wie es Leuten ihres Schlages zukommt. Beide an einander gefesselt fürs Leben, und Bianka Monti ist gerächt!"
VI.
Während der Graf von Listrac auf einer Lichtung des Waldes von Ville d'Avray seine Seele aushauchte, erhob sich — nahezu um mittag — Madame de Benserrade mißgelaunt von ihrem Lager. Nachdem sie ihre Frühchokolade zu sich genommen hatte, befahl sie, daß der Kutscher um drei Uhr anspanne, um sie nach dem Bois du Boulogne zu fahren.
Juliette de Benserrade las für gewöhnlich keine Zeitung, heute aber interessierte es sie doch, was die Blätter über die gestrige Vorstellung im Theater Lyrique zu zu sagen hatten, und so griff sie denn nach dem ,Figaro', um auf dessen ersten Seite die Kunde von dem Selbstmord Bianka Monti's zu finden.
Ihre Ueberraschung und Aufregung waren so groß, daß sie die Tasse fallen ließ, welche sie in der Hand hielt.
.Tot!" schrie sie auf. „Tot, — und Georges ist frei!"
Daß, nachdem Bianka Monti tot, nunmehr der Graf von Listrac frei sei, war der erste Gedanke, welcher Frau von Benserrade durchzuckte, während auch nicht ein winziges Gefühl des Mitleids sich in ihr regte für die arme Frau, welche doch eigentlich sie zu dieser That der Verzweiflung getrieben hatte.
Sie befand sich noch in der heftigsten Auflegung, als Moulisres unangemeldet und rasch bei ihr eintrat. Ihn erblickend, erhob sie sich hastig.
„Hat er sich wirklich duelliert?" stieß sie aus. „Und wie, wie ist das Duell ausgefallen?"
MouliSres sah, daß sie Alles wußte, und entgegncte ohne jede Vorbereitung:
„Er ist tot!"
Sie schrie auf.
„Durch jenen dÄrtige getötet?"
„Ja, er sank auf die Knie, hatte noch die Kraft, die Waffe loszudrücken, ehe er den letzten Seufzer aushauchte, doch seine Kugel verfehlte das Ziel. Ich aber eilte hierher, um Sie von dem Geschehenen in Kenntnis zu setzen. Ich wollte Ihnen die Möglichkeit bieten, rasch einen Entschluß fassen zu können.
„Derselbe ist bereits gefaßt. Ich habe vorausgesehen, was thatsächlich eingetroffen ist, und war entschlossen, meine Freiheft wieder zu erlangen. Selbst wenn Georges am Leben geblieben, hätte ich diesen meinen Entschluß ausgeführt, denn unsere Beziehungen waren derartig, daß sie nicht weitere Lebensfähigkeit hatten. Ich werde jetzt dieses Palais verkaufen, in dem ich mich entsetzlich langweile, stattdeffen eins in der Nähe des Bois du Boulogne erwerben und dort meine Freunde empfangen."
„Ihre Freunde! Sie glauben also, daß Ihnen noch welche bleiben?"
„Mehr als ich bedarf!"
„Sie täuschen sich, meine Beste; nach Allem, was vorgefallen ist, wird man Ihr Haus meiden!"
„Warum? Well der Graf sich thörichterweise im Duell töten ließ, oder well seine Frau es für angezeigt fand, sich auf der Bühne zu vergiften?"
„Ah, — Sie wissen es schon?"
„Ich habe die Kunde davon in der Zeitung gelesen!"