V» Jahrg«»8.

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Rit dem Plauderstübche« und

Schwäb. Landwirt.

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Amtliches.

Bekanntmachung,

betreffend Maßregel« für die Schule» bei an­steckende» Krankheiten.

UA iu den Schule» der Verbreitung ansteckender Krank­heiten vorzubengev, wird nachstehendes wieder zur allgemeinen Kenntnis und genauen Beachtung bckanntgegeSek.

1) Ansteckende Krankheiten sind: Pocken, Cholera, Ruhr (Dysenterie), Unterleibstyphus, Scharlach, Dyphterie, Masern (rote Flecken), Keuchhusten, ansteckende Augeuentzünduug uod Krätze.

2) Schüler, welche an einer ansteckenden Krankheit

leiden, dürfe» die Schule nicht besuche«.

3) Gesunde Schüler dürfe« die Schule nicht besuche«:

a) wenn in dem Hausstande, welchem sie angehören, eine Person an Scharlach, Dyphterie oder Masern erkrankt ist, es können jedoch in einem solchen Fall gesunde Schüler dann zum Schulbesuch zngelaflen werden, wenn sie eine ärztliche Bescheinigung vor­legen, daß sie durch ausnrchende Absonderung oder aus sonstigen Gründen vor der Gefahr der Ansteckung geschützt sind, bei sehr leichten Masereptdemien auch dann, wenn nach dem Gutachten des Oberamtsarztes die Ausschließung gesunder Schüler unterlasse» werden kann;

b) wenn in dem Hause, in welchem sie wohnen, oder in dem Hausstande, welchem sie augehöreu, ein Pockeu- oder Cholerakrauker sich befindet;

e) wenn die Schüler außerhalb des Schulart» wohnen und in ihrem Wohnort die Cholera herrscht, der Schulort aber von dieser Krankheit frei ist, oder wenn am Schulort die Cholera ausgetreten ist, der Wohnort der Schüler aber von der Krankheit frei ist.

4) Schüler, welche hienach vom Schulbesuch ausge­schlossen find, werden zu diesem erst dann wieder zugelosseu und augehalten, wenn die Gefahr der Ansteckung nach ärzt­licher Bescheinigung beseitigt oder die für die Dauer der Krankheit erfahrungsgemäß als Regel geltende Zeit abge- lanfen ist.

Als regelmäßige Kmnkheitsdauer gelten bei Masern 4, bei Scharlach 6 und bei echter Diphterie 4 Wochen.

5) Bei den vom Schulbesuch ausgeschlossenen Schülern muß vor dem Wiedereintritt in die Schute eine gründliche Reinigung ihres Körpers und ihrer Kleidungsstücke statt- fiudeu.

Nagold, den 6 . November 1905.

K. Oberamt. Ritter.

- ^ Sagen aus Aagold.")

Gräfin Immer und Hevolts Schuh.

Vor vielen, vielen Jahren bewolwte das Schloß Hohen- nagold der reiche und mächtige Graf Gerolt, dessen Schwester au Karl d. Gr. verheiratet war. Eben dieser Kaiser schickte den Grafen nun wegen seiner erprobten Tapferkeit ins Bayernland, um es gegen die Avareu zu verteidigen. Ehr aber Graf Gerolt dorthin zog, ließ er tief in den Schloß­berg hinein ein Gewölbe bauen und alle feine Schätze dort­hin schaffen. Den goldenen Schlüssel zu der Türe »bergab er seiner Tochter Jmma. Nach vielen Jahre«, als alle die um das Geheimnis von dem Gewölbe wußten, bis ans Jmma gestorben waren, fiel der Graf in einer Schlacht gegen die Avaren und wurde auf der Insel Reichenau, dir im Schwäbischen Meer liegt, begraben. Jmma soll ans die Kunde von ihres Vaters Tod plötzlich gestorben sein. Ihr letztes Sinnen ging auf den verborgeuen Schatz; darum sollte sie auch schweben, bis er gehoben würde.

II.

Die Wunderblume.

Zur Winterszeit suchte einmal ein Mann dürres Holz auf dem Schloßberg. Da fand er eine wunderschöne Blume. Diese steckte er sich an den Hut, und als er diesen wieder hrrunternahm, weil er ihm auf einmal viel schwerer vor­kam, hing ein goldener Schlüffe! daran. Gleichzeitig sah er vor sich ein wunderschönes Edelfräulein. DaS winkte ihm und deutete ihm, er solle das Tor zu dem Gewölbe mit dem Schlüssel öffnen. Der törichte Mann aber lief voll Schrecken

*) Entnommen den Württ- Volksbüchern. Herausgegeben vom Württ. Evang. Lehrer-UnterstützungS-Berein. Verlag von Hol­land u. JosenhanS in Stuttgart.

Wagokd, Arenstag den 7. Uovemöer

Die Schnltheißenämter,

welche mit der Vorlage der ans 1. d. Mts. verlangten Bifitati»«-Pr»t»kolle über die Straßen- «nd Ge- «einde-Banmpflanznnge« noch im Rückstand find, wollen dieselben in Bälde erstatten.

Nagold, den 6 . Nov. 1905.

K. Oberamt. Ritter.

An die Ort-Polizeibehörde«.

Nachdem durch aus der Pfalz eingesührte Triebschweiue die Schweinepest iu die Oberämter Böblingen und Herrenberg eiugeschleppt worden ist, find die Polizeiorgane anzuweiseu, die Führer von Schweiueherden streng darauf hin zu kontrollieren, ob sie mit vorschriftsmäßigen Gesund­heitszeugnissen versehen sind.

Nagold, den 6 . November 1905.

K. Oberamt. Ritter.

Bekanntmachung.

Sauilät-nnteroffiziere welche zum Uebertritt in die Schntztruppe« für Ostafrika und Kamerun bereit find, haben sich bis zum II. November ISVS vormit­tag- -1V Uhr beim Bezirkskommaudo zu melden.

Bezirkskommando Calw.

Beihilfe an Kriegsteilnehmer.

Das Gesetz vom 22. Mai 1895 wonach Kriegsteil­nehmer von 1870/71 und von früheren Feldzügen eine Beihilfe van jährlich 120 ^ erhalten, wen» sie infolge gänzlicher Erwerbsunfähigkeit unterstützungsbedürftig werden, ist neulich durch dm Bundesrat revidiert worden; iA folgenden sei die Hauptsache davon mitgeteilt.

Bts Kriegsteilnehmer gelten nur solche, welche die Kriegsdeukmünze besitzen und zwar aus den Feldzügen Dsntschlavds «egen Frankreich 1870/71, Preußens gegen Oesterreich 1866, gegen Dänemark 1864 und aus dem ersten Schleswig-Holstein'schen Krieg 1848/49 und der Expedition nach Baden anläßlich der Revolution im gleichen Jahre. Ohne KciegSdenkmürrze erlangt niemand obige Beihilfe. Unterstützungsbedürftig erscheint ein Kriegsteil­nehmer, wenn er infolge von Krankheit oder Kränklichkeit nicht mehr V» von dem erwirbt, was andere mit ähnlicher Ausbildung tu ähnlicher Stellung verdienen; dies maß durchs Zeugnis eines beamteten Arztes nachgewtese» sein, ebenio daß die Erwerbsfähigkeit des Veteranen um mehr als 2/3 abgmommm habe.

Die Entscheidung über die Unterstützangsbedürftigkeit eines Veteranen hängt von keiner bestimmten Eiukommeus- grevze ob, auch der Bezug von Invaliden-, Alters- und Un-

davou und ließ den Hot samt Schlüssel fallen. Wohl reute ihn später seine Torheit und immer wieder suchte er nach Blume und Schlüssel, doch vergebens.

III.

Aas verwunschene Iräulein.

Viele Jahre nach diesem Ereignis hatte ein Mägdlein einen Traum: sie solle zur Ruine hinauf gehen; dort werde fie ein verwunschenes Fräulein erlösen und viel Geld zu« Lohn erhalten. Am andern Morgen zeigte eS sich, daß ihre Schwester den gleichen Traum gehabt hatte. So machten fie denn miteinander aus, gemeinsam zur Burg hinaufzu- gehm und die Erscheinung des Fräuleins abzuwarteu. Wie aber dieses erschien, mit schneeweißem Kleid und klirrendem Schlüsselbund, dev Kopf unterm Arm, da verließ die Mägd­lein ihr bißchen Mnt und laut kreischend flohen fie den Berg hinab. So ist der Schatz ungehobeu geblieben bis auf den heutigen Tag.

IV.

Die Magd und dev Gvcrf.

Einst wohnte auch ein reicher und mächtiger Graf aus der Burg. Dieser aber drückte die Bürger gar sehr mit Abgaben, Fronen u. dergl. Damals hauchte mancher Bürger i« engen und dumpfen Raum des BurgverließeS, dem jetzigen Palverturm, seinen Geist aus. Dleser Graf nun hatte ein schönes blühendes Kind. Einst kam es auch an den Wasser- oder Galgbruuneu. Neugierig ging eS iu den Turm hinein, da stürzte es tu den tiefen Brunne» hinab. Glücklicherweise blieb eS aber au einem auS der Mauer her­vorgewachsenen Gesträuch hängen. Zufällig hörte jemand das Wimmern des unglücklichen Kindes.

Wer wollte es aber wagen, das Kind aus dieser Tiefe heraufzuholeu? Zuletzt erbot sich eine Magd dazu. Sie ließ sich in einem Kübel hinunter haspeln und glücklich kam

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fallreuteu oder von Zivilpeustouen bildet an sich keinen AuS- schließnugsgruud von der Beihilfe, nur Militärpenfiouen und Gratialeu aus der Kaiser-Wilhelmstistung machen die Erlangung der Beihilfe unmöglich. ES wird also von Fall zu Fall entschieden, wer unterstützungsbedürftig ist, unter gewissenhafter Prüfung der gesamten Umstände. Auf alle Fälle soll ein Veteran durch die Beihilfe vor Inanspruch­nahme der Armenpflege bewahrt bleiben. Ob ei» Antrag­steller wegen Bestrafung unwürdig erscheint, diese Beihilfe zu erhalten, hängt von der Art und Schwere der Straftat und der späteren Lebensführung ab; ebenso wird von Fall zu Fall entschieden, ob ein Veteran wegen seiner Lebens­führung als unwürdig oder würdig erscheint, diese Beihilfe zu erhalte».

Im Zweifelfalle entscheidet das KriegSmiuisterium, ob ein Antragsteller als Kriegsteilnehmer auzusehe» ist oder nicht.

Alle Gesuche um eine Beihilfe find beim K. Bezirks- kommando durch den Herr« Bezirksseldwebel in Tübingen eivzureichen.

UoMifche Hleberficht.

Die Beschwerden der Bergarbeiter. Die Stebeuer- kommtsfiou der Bergarbeiter beschloß eine Eingabe an de» Handelsminister, worin auf einige Ungesetzlichkeiten iu der vom Bergbauvereiu empfohlenen Normalarbettsordrmug für die Ruhrzecheu aufmerksam gemacht und gebeten wird, die Bergbehörden anzuweiseu, die Arbeitsordnung nur nach Aus­merzung der Gesetzesumgebunge» zu genehmigen. Gleich­zeitig wird der Minister um J»terpretatio« des § 93e und ä der Novelle gebeten. In einer weiteren Eingabe wird der Reichskanzlers gebeten, Maßnahme« gegen die Zecheusperre zu ergreifen. Sodann beschloß die Siebenerkomunsstou einen Aufruf an die Bergarbeiter, worin diese aufgefordert werden, die neue Arbeitsordnung nicht auzuerkermen, bevor die vo« den Verbänden aufgestellten Forderungen erfüllt find. Even- tuell soll eine Revierkonsereuz einberufen werden.

Der Schweizer Bnndesrat brachte bei der Bnnbe-versawwtnng einen Antrag ein, in die BnudeS- verfafsuug eine neue Bestimmung eiuzufüge», wonach der Band auf dem Gebiet des Gewerbewrseus einheitliche Be­stimmungen aufstelleu darf, die über die Schranken des Grundsatzes der Gewerbefreihett hinauSgeheu können.

Die ungarische Negierung ernennt in de» K»«itateu, die zurzeit keine Obergespaue besitze«, »ene Obergespaue, die vor der Mnvizipalversammlung den AmtS- eid abzulegen haben. Die koalierte Linke gab nun die Parole aus. daß die Muutzipalversam mluogeu die Ablegung

fie mit dem Kinde tu oen Armen wieder herauf. Hocher, freut machte ihr der Graf de« Vorschlag, etwas z« wüu scheu. Da bat fie um die Befreiung ihres im Vurgverließ schmachtenden Vaters, der seine Stenern nicht hatte bezahlen können. Entrüstet schlug der Graf diese Bitte ab «nd wieS die Magd von sich. Aber schon nach einigen Tagen wurde die Burg belagert und erobert, hauptsächlich durch die Bei­hilfe der Bürger der Städte, die seither von dem Grafen sehr geplagt worden waren. Der Gras wurde von den Bürgern getötet, der Vater dieser edlen Magd befreit.

V.

Won dev wüsten Hlvschel.

Auf Hoheuuagold hatte einst ein berühmter, vornehmer und eitler Graf setueu Sitz. Zu seinem und der Gräfin großem Leide, war sein einziges Kind, Ursula, l« Volks- mundUrschel", gar stiefmütterlich von der Natur avSge- stattet worden. Von Vater und Mutter verachtet, vom Ge­sinde verspottet, wurde fie wegen ihres blöden Gesichtes die wüste Urschel* genannt. Allein, wenn auch sehr gekränkt und betrübt durch eine solche Behandlung, trug fie dies doch alles still; daneben nah« ste sich hauptsächlich der Armm und Notleidenden der Stadr au und hat in den Hütten der­selben manche Not gestillt und abgeweudet. Sonst liebte fie am meisten die Einsamkeit. Täglich ging fie in den Wald, um dort ihr Leid zu klagen.

Ihr Liebliugsgaug führte durch den oberen Schloßberg über das Härle hinab an die Nagold. Eines Tages nun fand man ste dort unten tot unter einem Felsen. War ihr Geist umnachtet, daß ste sich selbst den Tod gegeben? Mau weiß eS nicht. DaS weiß «an aber, daß die Armen und Notleidenden der Stadt lauge Zeit um ste getrauert haben. Und von Stund au hieß und heißt dieser Ort, wo man fie gefunden, diewüste Urschel" bis auf den heutigen Tag.

(Köbele.)