Aro. 124.
63. Jahrgang
Amts- unä Intekkigenzökatt süv äen Aezir^.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
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8am«tag, äen 20. Oktober 1888.
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KoMische Wachvichtsn.
Deutsches Reich.
Berlin, 16. Okt. Unter dem Vorsitze der Kaiserin Friedrich fand heute im Fesisaale des Rathauses eine Sitzung des Komite's zur Unterstützung der Ue bersch w? irr inten statt. Nachdem Oberpräsident v. Achenbach der Kaiserin für ihr Erscheinen gedankt, erstatteten die Referenten des geschäfts. führenden Ausschusses Bericht, woraus hervorgeht, daß ein Notstand nicht mehr vorhanden. Rickert berichtete über die zur Abwehr weiterer Ueber- schwemmungen getroffenen Vorkehrungen. Oberpräsident v. Achenbach dankte namens der Kaiserin dem Komite für seine Mühewaltung.
Berlin, 18. Okt. Die Kaiserin Friedrich, umgeben von den Prinzessinnen Töchtern und dem Kronprinzen von Griechenland, empfing um 11'/z Uhr die Deputation des Magistrats und der Stadtverordneten Berlins unter Führung des Oberbürgermeisters v. Forckenbeck behufs der Ueberreichung der Adresse bezüglich einer Stiftung und eines Denkmals zum Gedächtnis für Kaiser Friedrich. Die Kaiserin sprach nach Verlesung der Adresse der Deputation ihren tiefgefühltesten Dank aus und beauftragte den Oberbürgermeister mit der Uebermittlung derselben an die Stadtvertretung.
Berlin, 18. Okt. In seiner Broschüre hat bekanntlich Mackenzie die nichtswücdige Behauptung aufgestellt, Pros. v. Bergmann habe am 12. d. I. durch sein energisches Eingreifen einen sogenannten „falschen Weg" durch die Luftröhre gemacht und dadurch den Tod des Kaisers Friedrich - beschleunigt. Da Mackenzie sich zum Beweise dieser Behauptung auf. den Sektionsbefund beruft, so haben die Professoren Virchow und Wald eyer, welche die Sektion vorgenommen haben, folgende gemeinsame Erklärung erlassen:
Berlin, 16. Oktober 1888. Die Unterzeichneten erklären:
1) Daß in dem Sektionsprotokoll, welches zu Schloß Friedrichskron am 16. Juli 1888 ausgenommen wurde, von einer Absceßhöhle gar keine Rede ist;
2) daß die, Seite 101 des Berichts der deutschen Aerzte erwähnte große, mit mortifizierten Fetzen bedeckte Fläche von 9 Centimeter Länge, derselben einzigen Vorgefundenen Höhle angehört, von welcher auch zu Anfang des Protokolls die Rede ist, nämlich der, durch die bei der Einbalsamierung eingeführte Watte ausgedehnten Höhle des Kehlkopfes und oberen Tracheal- abschnittes, welche durch Zerfall und Geschwürsbildung innerlich zerstört waren ;
3) daß aus dem Obduktionsprotokoll nicht gefolgert werden kann, es habe jemals eine Absceßhöhle bestanden;
4) daß dasjenige Gewebe, in welchem nach Sir Morell Mackenzie's Bericht und Figur auf Seite 80 seiner Broschüre die Kanüle auf falschem Wege liegen und der fragliche Absceß vorhanden gewesen sein soll, bei der Sektion als normal und ohne narbige Veränderungen vorgefunden wurde (vergleiche Seite 102 des Berichts der deutschen Aerzte Alinea 3);
5) daß die Luftröhre in ihrer ganzen Ausdehnung bis zu den Bronchien eröffnet worden ist (vergleiche Seite 102 Alinea 9 des Berichts der deutschen Aerzte). Rudolph Virchow. Wilhelm Waldeyer.
— Die Professoren Bergmann und Gerhardt haben auf die Aufforderung der Berliner Staatsanwaltschafft, einen Strafantrag gegen Mackenzie, sowie gegen den Verleger und den Drucker der Broschüre zu erheben, ablehnend geantwortet, da sie überzeugt seien, daß die Beleidigungen Mackenzie's auf ihn selbst zurück- fallen würden, sie wünschten im Gegenteil eine möglichst weite Verbreitung der Broschüre.
— Amerikanische und englische Blätter brechen jetzt über Mackenzie den Stab. Der Londoner Observer sagt offen: „Wir sind der Meinung, daß Sir Mackenzie sich vorbereiten muß, zu finden, daß in technischer Hinsicht das Urteil der Außenwelt, soweit es nicht durch internationale Eifersüchteleien beeinflußt ist, gegen ihn ausgefallen ist." Die „Kreuzztg." meldet aus London: Die öffentliche Meinung wendet sich gegen Mackenzie und zeiht ihn der Lüge in Betreff der Anklage gegen Bergmann, da nach dem Hinscheiden des Kaisers Friedrich das Gegenteil bewiesen ist. — In ärztlichen Kreisen Londons verlautet, daß die „Britische medizinische Association" sich mit der Absicht trage, das ärztliche Vorgehen Mackenzies in den Bereich fachmännischer Kritik zu ziehen. — Der „New-Aork-Herald" sagt: Mackenzie habe sich aus seiner ärztlichen Behandlung des deutschen Kronprinzen und Kaisers eine ungeheure Geschäftsreklame gemacht und an ärztlichen und schriftstellerischen Honoraren, Abdruck, und Uebersetzungsrecht. Ordensbändern, Berühmtheit u. s. w. her
ausgeschlagen, was überhaupt möglich war. Bergmanns Antwort, dieser Tage erschienen, widerlegt Mackenzie ganz und gar. Bergmann spricht wie ein würdiger Gelehrter, der weiß, was er seinem Berufe schuldig ist; Mackenzie beutet den Kaiser und die Kaiserin Friedrich zu Reklamezwecken aus. Aus Mackenzies Buch müßte man den Eindruck gewinnen, als ob Kaiser Wilhelm I., Bismarck, die deutschen Aerzte, die Presse und das Volk sich zu einer Verschwörung zusammengetüan hätten, um den Kronprinzen des Leben» und' des Thrones zu berauben. Der „Herald" schließt damit, daß Mackenzie von allen verurteilt werden müsse, welche den heiligen Beruf des Arztes achten, während Bergmanns offne Antwort eine Rechtfertigung der deutschen ärztlichen Kunst sei, welche nicht nur den Deutschen, deren nationale Ehre auf dem Spiel stehe, sondern allen, welche die ärztliche Wissenschaft ehren und an Gerechtigkeit, Vernunft und Wahrheit glauben, willkommen sein werden.
— (Wird sich Kaiser Wilhelm II. krönen lassen?) Diese Frage, die bereits vor einigen Monaten für erledigt gehalten wurde, wird jetzt von der „Königsbecger Allg. Ztg.", welche behauptet, daß die Angelegenheit neuerdings wiederum in Erwägung gezogen worden rst, von Neuem aufgefrischt. Das genannte Blatt schreibt: „Von einer Seite, die wir als durchaus gut unterrichtet bezeichnen dürfen, geht uns die Mitteilung zu, daß König Wilhelm eine definitive Entscheidung bisher noch nicht getroffen habe, dieselbe soll vielmehr erst nach seiner Rückkehr aus Rom erfolgen. Unser Gewährsmann teilt uns überdies noch mit. daß die Möglichkeit der Krönung keineswegs ausgeschlossen sei, gehe aus verschied-nen Fragen hervor, welche das Hofmcnschallamt kürzlich hierher (nach Königsberg) habe gelangen lassen. Wir unserseits geben diese Mitteilungen selbstverständlich unter allem Vorbehalt wieder und bemerken, daß wir eine Verantwortung für deren Richtigkeit nicht übernehmen können. Nur auf eines wollen wir aufmerksam machen: bekanntlich trat die Nachricht von der Krönung des Königs unmittelbar nach dessen Regierungsantritt mit größter Bestimmtheit aus; dieselbe wurde dann vielfach in Zweifel gezogen; offiziell demenlie.t ist sie dagegen bis jetzt noch nicht. Als eventueller Termin für die Krönung wird uns der 18. Januar 1889 bezeichnet."
— Aus Hanau geht den „Franks. Blättern" die Nachricht zu, daß beiin Landgräflichen Hofmarschallamt in Phil-ppsruh gestern abend ein Telegramm aus Singapore eingelaufen sei, nach welchem der Landgraf Friedrich Wilhelm von Hessen auf der Reise von B rlavia nach Singapore verunglückt ist. Gerüchlw Oe verlautet, die ganze Dienerschaft sei ertrunken. Der Landgraf ist am 15 Oktober 1854 geboren, also 34 Jahre alt geworden. — Ern Telegkamm des den Lanografen auf seiner Weltreise begleitenden Majors im Generalslabe v Hugo meldete das traurige Ereignis. Landgraf Friedrich Wilhelm war der Sohn des 1884 verstorbenen Landgrafen Friedrich und war unvermählt. Er war Major s Is suite der Kgl. Preuß. Armee und L I» suite des russ. Dragonerregiments Nr. 12 „Mariupol". Die Leiche ist bis jetzt noch nicht gefunden. Nachfolger ist Prinz Alexander geb. 1863. Die Mutter Landgräfin Anna ist die Schwester des -ß Prinzen Friedrich Karl.
Italien.
Castellamare, 17. Okt. Die Stadt ist festlich beflaggt und geschmückt, das Wetter ist schön. Eine ungeheure Menschenmenge ist aus Neapel und Umgebung herbeigeströmt. Der Kaiser uno der König samt Gefolge, die Minister und die Gäste, welche um 10 Uhr vormittags Neapel verlassen hatten, trafen um 11 Uhr unter den jubelnden Kundgebungen der Menge ein und begaben sich, während die Schiffe des Hafens salutierten, um mittag auf die Werft. Der Kaiser war in Admiralsuniform. Das Geschwader war in höchstem Flaggenschmuck. Das Meer war ruhig. Als die Monarchen und die Prinzen auf reich geschmückten Tribünen Platz genommen, segnete der Diözesanbischof von Neapel das Schiff „Umberto" em. Die Tochter des Admirals Acton zerschellte am Bug oes Schiffes eine Flasche Asti-Wein. Unter lautloser Stille und atemloser Spannung vollzog sich der Stapellauf. Als der „Umberto" um 12 Uhr 5 Min. in» Meer hrnabglitt, gaben der Kaiser und der König lebhaften Beifall kund, unv die Menge brach in den lauten und anhaltenden Ruf aus: „Es lebe der König!" Der „Umberto" ist fast so groß wie die „Jtalia"; er hat eine Maschine von 19500 Pferde- kcäften und eine Geschwindigkeit von 19 Knoten. Nich dem Stapellauf begaben sich die Monarchen, Prinzen, Staats- uno Hofwürdentläger an Bord der Königs-Nacht „Savoya", von deren Großmaste die deutsche Flagge wehte. Die „Savoya" dampfte, vom ganzen Geschwader gefolgt, nach Neapel zur Flottenrevue. Nach der Revue werden die Monarchen Capri und Jschia besuchen.