7S. Jahrgang.
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Mit dem Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
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Seine Königliche Majestät haben am 17. Juli ds. Js allergnädigst geruht, den OberamtSarzc Dr. Bilfinger in Horb seinem Ansuchen entsprechend auf die Oberamtsarztsstelle in Neckarsulm zu versetzen.
VoMifche Hleöerficht.
Z« de« Wirre« i« Marokko wird a«s Tanger
Berichtet, der Prätendent sei nunmehr von de» meisten seiner Anhänger verlassen worden; er verfüge nur noch über wenig Reiterei und einige Fußtruppen und befinde sich auf der Flucht in der Richtung aus Stdi Melluk. — Von fanatische» mohammedanischen Geistlichen wurden in Tanger antifran- zöstsche Kundgebungen veranstaltet. Den Vorwand hierzu boten dre von mehreren Häfen gegen Provenienzen aus Tanger beschlossenen sanitären Maßnahmen, die übrigens bereits wieder zurückgezogen wurden. Die Kundgebungen waren aber in Wirklichkeit gegen den anscheinend wieder- erwachrndcn Einfluß Frankreichs gerichtet.
I» den ungarischen Regiernngskreise« herrscht
große Aufregung, da viele Stadtverwattungen sich um die Drohung der Regierung, die Beamten eventuell ihrer Stellen za entheben, nicht kümmern und erklärten, sie würden weiter gehen, als die Koalition bisher verlangte, indem sie die Einberufung der Reservisten zu den d'esjährtgen Waffen- Sbmrgeu verweigern. Der leitende Ausschuß der koalierte« Partei htt beschlossen, sen passiven Widerstand fortzuktzeu; er betraute auch, nach einer Meldung der „Frank-. Zig.", ein engeres Komitee mit der Abfassung einer Kundgebung gegen die jüngste Regierungsverordmrntz. Ein zweites Sub- koRites wird über die einheitliche Organisation des passiven Widerstands und das SchadloShsUen der die Regierungsverordnung nicht beachtenden Beamten Vorschläge machen.
DaS Borhabe» der esglische« Negierung, die Wahlkreise um einzutktlrn, ist vorläufig ünsgegebeu worden. Im Unterhaus erklärte am Montag der Premierminister Balfour, daß er die betreffenden Anträge znrvckziehen werde. Anlaß dazu hat ihm eine Anordnung des Sprechers des Hauses über das Verfahren, das bei Beratung der Anträge Angeschlagen werden sollte, gegeben. Die Erklärung des Ministerpräsidenten wurde von der Opposition mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Balfour deutete jedoch an, daß er in der nächsten Session ein Gesetz über eine Neueinteilung der Wahlkreise einbrtngen werde.
China will sich kultiviere«. Nach einer Meldung aus Schanghai wird sich aus Befehl des Kaisers Prinz Tsai-tsu mit sechs Vizep ästdentcu der verschiedenen Behörden ins Ausland begeben, um „fremde politische Systeme" zu studieren.
Der Gouverneur vo» Samoa hat die Ein-
geborenen-Rrgiernng aufgelöst. Weiter wird hierzu gemeldet, Mataafa gewähre dem Gonoemeur die größte Unterstützung, die Steuern gingeri prompt etn, und es sei anzumhWw, daß die Mißstimmung der Eingeborenen vorbei sei.
Nagold, Samstag den 22. Juli
Der Krieg zwischen Rußland Md Japan.
Petersburg, 21. Juli. General Lkuewitsch telegraphiert unter dem 20. dS.: Die Front der Armee ist unverändert. Ei« japanisches Geschwader ist am 17. Jnli a« der Küste von Korea a« der Mündung des Tumeuflufses bei Kap Linde« erschiene«. 2 japanische Torpedoboote liefe« iu die Haschkewitsch-Bucht ei», eröffne«« das Feuer ans das Dorf Onght und versuchten, das Biwak einer unserer Abteilungen zu beschießen. Zu derselben Zeit liefen 4 Torpedoboote iu die Kormloff- bucht ein und landeten 20 japanische Matrosen, die unsere Telegrapheulinien beschädigten. Südlich von Onght beschossen 4 japanische Kreuzer unsere Posten nahe der Anna- bncht. Um 4 Uhr nachmittag- vereinigten sich die japanischen Schiffe und fuhren in die hohe See hinaus.
FriedeuSansfichte«.
Tokio, 20. Juli. Nach einer Meldung des „Daily Telegraph" vou hier ist der P c k i n g e r r u s s i s ch e G e s a u d t e, der an den Fetedensverhandlungen in Washington teilnimmr, in Nagasaki aus dem Wege noch Amerika eingctroffen.
Paris, 20. Juli. In hiesigen wohtinfolmrerteu Kreisen wird bestätigt, daß Witte mit den weitgehendsten Vollmachten zum Abschluß des Friedens amgestattet ist. Infolgedessen werde sein Aufenthalt iu Limerika auch nur 8 Tage dauern. Seine Frau erwartet seine Rückkehr in Paris
Parlamentarische Nachrichten.
Die Jerfassungsrevlfion.
Stuttgart, 21. Juli. Die Verfassungskommission hat in ihrer gestrigen Sstündigen Sitzung die zweite Lesung des Verfassungsentwurfes durchgeführr und fich zum Schluß dahin verständigt, daß im Gegensatz zu dem ursprünglichen Beschluß ein schriftlicher Bericht an das Plenum erstattet, saß ferner, ehe die VerfaffungSvorlage ans Plenum kommt, auch das Laudtagswahlgesetz von der Kommission durchberaten werden soll, was man im Angeu- otlck für unmöglich hält. Daraus ergibt stch die Folge, daß sich das Plenum der zweiten Kammer in dieser Tagung mit der Verfassungsreform nicht mehr beschäftigen, sondern nach einer Erklärung des Ministerpräsidenten v. Breitling, wie schon kurz gemeldet, zu Beginn der nächsten Woche (Montag) bis zum Herbst vertagt wird. Die Verfaffungskommisfion hat ihren erneuten Zusammentritt auf Mitte Sept., spätestens 1. Okt. in Aussicht genommen, zum Zweck der Feststellung des Berichts über die seitherigen Beratungen und der Beratung des Landtagswahlgesetzes.
Die gestrige zweite Lesung begann mit der Beratung über den Art. 26 des Entwurfes betr. das Budgetrecht. Hierbei wiederholten die Vertreter der Ritterschaft ihre bekannten in erster Lesung gestellten Anträge, die aber mit 12 gegen 3 Stimmen (Domkapitular Berg, Graf Uxkull, v. Seckendorfs) abgelehnt wurden. Hierauf beriet man die
1905.
Vorlage in ihrem ursprünglichen Aufbau. Bei der Frage der Zusammensetzung der ersten Kammer wiederholten die rttterschastlicheu Vertreter im wesentlichen ihre iu der ersten Lesung gestellten Anträge. Es wurden indeffeu sowohl der Antrag, 8 Ritter statt 7 bezw. 6 in die erste Kammer aufzunehmen, als auch derjenige, die 3 Oberbürgermeister in die erste Kammer zu verpflanzen, und der weitere, die Lerussständische Vertretung zu verstärken, abgelehnt. Es bleibt also bet den Beschlüssen der ersten Lesung, wonach die Regierungsvorlage in der Weise erweitert wird, daß fich die Zahl der ritterschaftlichen Vertreter von 6 auf 7 erhöht und die berufsstäudische Vertretung aus 2 Vertretern für Handel und Industrie, 2 für Landwirtschaft und 1 für das Handwerk besteht. Bei der vetteren Beratung erklärten alle Parteien, daß ste ihre iu erster Lesung abgelehnten Anträge nicht wiederholen würden, da ein anderes Ergebnis der Abstimmung nicht zu erwarten sei. Eine Ausnahme hiervon wurde jedoch iu 2 Punkten gemacht. Zu der Frage der Znsatzvertreter, die an Stelle der Privilegierten treten sollen, stellte der Bbg. Hieber den Antrag: Anstatt des KretSproporzes den LandeSproporz eiuzusührerr. Der Abg. Keil beantragte, für den Fall deS Festhaltcns am Beschluß erster Lesung, wonach 17 Vertreter durch den KreiSproporz zu wählen find, die Verteilung der 17 Vertreter auf die einzelnen Kreise nicht in der Verfassung, sondern im Wahlgesetze zu regeln. Dieser Antrag wurde mit 14 gegen 2 Stimmen angenomnen, erledigte sich aber später wieder durch die Annahme des Antrages Hiebers mit 9 gegen 7 Stimmen. In der ersten Lesung war bekanntlich der Antrag Hieber abgelehut worden. Dadurch, daß fich der Abg. Kraut der Volks- und der Deutschen Partei und dem sozialdemokratischen Vertreter anschloß, wurde iu der zweiten Lesung die Mehrheit für dev Antrag Hieber erzielt. Der Beschluß zweiter Lesung geht also dahin, daß zu den Vertretern der guten Städte, der Oberämter und der weiteren Abgeordneten der Stadt Stuttgart noch 17 Abgeordnete mittels Proporzes durch das ganze Land gewählt werden. Die Gesamtzahl der Mitglieder der zweiten Kammer beträgt also 92.
Ein auf Antrag des Abg. F. Haußmann iu erster Lesung gefaßter Beschluß, wonach iu dem Fall, daß die staatsbürgerlichen Rechte wegen politischer Verbrechen oder Vergehen entzogen find, die Berechtigung zum Wählen wieder eintritt, wenn die Strafe vollstreckt oder der Bestrafte begnadigt ist, wurde in zweiter Lesung wieder fallen gelassen, da vo« der Regierung und von den Kommisstonsmitgliedern die Auffassung vertreten wurde, er stehe im Widerspruch mit dem modernen Strafrecht. Weiter wurde iu den Debatten noch einmal auf das Verfahren bei der Wahl der Abgeordneten der Oberämter und der guten Städte zurück- gegriffen. Von den ritterschaftlichen Vertretern wurde die Wiederherstellung des RegierungSeutwurfes (romanische» Wahlvcrfahreu) beantragt. Gegen den iu erster Lesung zum Beschluß erhobenen Antrag Kiene, wonach nur ein Wahlgang stattfinden und iu diesem die relative Mehrheit entscheiden soll unter der Bedingung, daß der Gewählte mindestens den dritten Teil der abgegebenen Stimmen er-
Dcrs WuttevnraL
Roman von Pouson du Terrail.
(Fortsetzung.)
Der österreichische Rückzug ging auf Venedig zu; die Gesangeueu wurden mit der Eisenbahn nach Wien, nach Prag und nach verschiedenen ungarischen Festungen geschickt. Dreißig oder vierzig derselben wurden in einer Festung an der Donau untergedracht. Ohne Nachrichten vom Kriegsschauplatz, ohne Ahnung von dem nahen Ende des Krieges, hatten zwei von den Gefangenen stch entschlossen, zu fliehen. Angesichts der starken Besatzung schien die Sache unmöglich; wenn man aber in Betracht zog, daß die Wälle unmutel- bar bis an die Donau führten, so war das Unternehmen keineswegs hoffnungslos und in einer dunklen Nacht hatten sie es wirklich ausgeführt. Der Strom war tief und reißend an jener Stelle, aber es gelang ihnen, schwimmend daS andere Ufer und damit das serbische Gebiet zu erreichen. Die Frende über die wiedererlangte Freiheit machte ihnen die nun folgende mühselige Reise leicht. Sie wollte«, dem Lauf der Donau folgend, das Schwarze Meer erreichen. Bei Nacht blieben ste unter freiem Himmel; Geld hatten ste nicht; für ihren Unterhalt waren ste also genötigt, das Mitleid der Einwohner in Anspruch zu nehmen. Endlich erreichten ste Galatz. Der dortige französische Konsul nahm sich ihrer bereitwilligst an und versprach, sie mit dem nächsten Schiffe, welches nach einem französischen Hafen segeln werde, nach Hause zu schicken.
Zur Zeit ihrer Ankunft war nur ein kleines mit Getreide beladenes Fahrzeug segelsertig. das nach Marseille bestimmt war; der Kapitän erklärte, mehr wie einen Mann könne er nicht mituehmm; einer von den beiden Freunden mußte also warten; das Los begünstigte den Unteroffizier vor dem reitenden Jäger. Der Andere aber, der Zurückgebliebene, war eben jener Feldwebel von den Jägern zu Fuß, und er sollte — Lorenz Tiercelt« geheißen haben. So hatte der Mann beim Regimente erzählt, seine Erzählung aber, dies fügte Pichet hinzu, war nicht sehr glaubhaft befunden worden; man hatte ihn vorläufig wieder eiu- qereiht, jedoch sofort amtliche Auskunft von dem Konsulat in Galatz gefordert. Erstaunlich war jedenfalls, daß Lorenz, wenn er es war, dem Kameraden keinen Brief für die Seinigen mitgegebeu hatte. Das fiel dem Schmied auf.
„Mein Kind," sagte er zu Naemi, „ich bitte dich, sage deiner Tante nichts davon. Bor Enttäuschung muß man stch wahren, und es ist noch immer Zeit stch zu freuen wenn die Sache fich bestätigt."
„Ich weiß nicht, was Ihr wollt," erwiderte Naemi, „ich zweifle keinen Augenblick daran, daß alles so ist; hier habe ich es immer gefühlt" — dabei legte sie die Hand aufs Herz — „daß Lorenz lebt."
„Bei alledem wird das ein schöner Spaß werden," sagte einer der Umstehenden; „eine verdammt verwickelte Geschichte, wenn der Lorenz wiederkommt und den Michel. .
Schmied Baudry warf dem Sprecher einen Blick von der Seite zu, daß er sogleich verstummte.
„Soll ich ein Stückchen mit dir gehen?" fragte er d«S Heimchen; das Anerbieten wurde gern angenommen, und auf Baudiy's Arm gestützt, schlug Naemi den Heimweg zur Mühle ein.
An ihren ursprünglichen Zweck, über die Pitache in FerolleS Erkundigungen eiuzuzieheu, hatte ste längst nicht mehr gedacht; aber es war nun einmal vom Himmel be- schloffen, daß ste die Wahrsagerin heute noch treffen sollte. In der Tat, kaum hatte Baudiy, der wackere Hufschmied, ste angesichts der Mühle verlassen, als sie die Pitache hinter einem Weidengebüsch mit schnellem Schritt Hervorkommen sah. Naemi schämte sich im Stillen der kleinmütigen Abficht, mit der fie des Morgens auSgegangev war, und wäre a« liebsten der Hexe ausgewichev, aber das ließ sich nicht mehr tun, denn diese kam gerade auf ste zu; übrigens war Naemi von ihrem Glücke so übervoll, daß ste eS jedem lebenden Wesen hätte zujnbeln mögen.
„Guten Tag, Mütterchen," rief fie der Alten zu, al» diese nahe kam.
Die Pttache zeigte heut große Unruhe; ste war am frühen Morgen Michel begegnet, und dieser, von Tag zu Tag übler gelaunt, hatte ihr ausweichen wollen. Sie ließ ihn nicht vorbei. „Aha! Du gehst mir aus dem Wege," rief fie ihn an, „du bist nicht imstande zu zahlen."
Grob und ärgerlich antwortete Michel: „Kann sein," schnitt ihr ein boshaftes Gesicht und ließ fie stehen.
(Fortsetzung folgt.)