V». Jahrgang.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

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Aevnspvecher: Wv. SS.

Aernfprecher Mr. LS.

Nagold, Dienstag den Juli

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Mit dem Plauderstübchen und

Schrväb. Landwirt.

--D

UoMifche KeSevsicht.

Wieviel «ache» die freiwillige« Beisteuer»

der Arbeitgeber für Arbeiterwohlfahrt im Deutschen Reiche aus? Gs ließ sich vermuten, daß mit den auf Grund der Arbeiterversicherungsgesetze geleisteten Beiträgen der Arbeit­geber für Arbeiterwohlsahrt ihre Fürsorge-Betätigung für die Lage der unteren Volks!lassen nicht erschöpft sei, daß vielmehr im Deutschen Reiche außerdem verschiedene Millio­nen jährlich diesem Zweck freiwillig zugewandt werden. Es fehlte aber bisher an Unterlagen für eine genauere Schätzung. Bibliothekar Peter Schmid in Dresden, Redakteur der Ehrentafel", hat nun diesen Versuch gemacht. Er durch­musterte zu diesem Zweck große Tazesblätter, Berichte, Ge­schäftsabschlüsse, Fachorgane u. s. w. und richtete daneben eine Aufforderung an Arbeitgeber und bekannte Wohltäter um Mitteilungen zwecks Ergänzung seiner Statistik. Diese Aufforderung war aber ein nahezu völliger Fehlschlag. Ge­rade die als Menschenfreunde bekannten Inhaber großer Betriebe lehnten es ab, mit der Höhe ihrer Zuwendungen vor die Oeffmtlichkelt zu trete«. Trotz der hienach bestehen­den Lückenhaftigkeit der Unterlagen war aber das Ergebnis der Statistik ein überraschend hohes. Es wurde feftgestellt, daß in den letzten vier Jahren 308332664 also inner­halb dieses Zeitraums alljährlich im Deutschen Reiche zum Besten der Angestellten, Arbeiter und unbemittelte» Volks- Haffen durchschnittlich über 77 Millionen Mark freiwillig gespendet wurden Ln Wirklichkeit dürfte dieser Betrag 100 Millionen erreichen. Es sind z. B. alle Wohlsahrts- zuwendungen von Behörden in ihrer Eigenschaft als Arbeit­geber, alle Aufwendungen gemeinnütziger Vereine und städti­scher oder sonstiger Stiftungen hier nicht einbezogerr; auch wäre wohl eine Heranziehung der Provinzialpreffe für Er­mittlung von Zuwendungen höchst ergiebig gewesen. Von jenem jährlichen Gesamtbetrag entfallen beiläufig pro 1904 aus Berlin 10, auf Württemberg 25, auf Hamburg 26 Millionen; ferner 16,6 Millionen auf Pension- und Unter- stützungskaffen und Fonds für Angestellte und Arbeiter, 10,2 Millionen auf allgemein gemeinnützige Zwecke, 6,3 auf Wohmmgsfürsorge, 5,1 auf Armenunterstützuugen, 5 auf Prämien, Gratifikation und Gewinnbeteiligung au An­gestellte und Arbeiter, 4,1 auf Kiuderfürsorge, 3,9 auf Er- ziehungs- und Uaterrich'szwccke, 3,8 auf Krankenpflege, Ge- uesenenfürsorge, 3,7 cmf Altenheime und Stifte, 3,4 auf Bildnngszwecke, 1,3 aus Gesundheitspflege, Bäder u. s. w. Obige Notizen find der Nr. 23 der «Blätter für das Arrnen- wesen" entnommen.

I« de« uugarifcheu Kowitate» Barauya,

Tolna, Somogy und Veßprem ist ein großer Schuitterstreik ausgebrochen. Bereits Zehntausende haben den Streik pro­klamiert. Der Ackerbavminister sandte nach einer Buda- psster Meldung der Frkf. Ztg. etwa 1500 Nushilfsurbetter, zumeist Slowaken und Rumänen, die aber nur unter mili­tärischer Bewachung arbeiten können. Bisher kam es an drei Orten zu blutigen Zusammenstößen, wobei die Gendar­merie die Waffen gebrauchte und etwa 25 Personen tötete

und viele verletzte. 900 Arbeiter wurden wegen Vertrags­bruchs vom Stuhlrichter zu Geld- und Freiheitsstrafen ver­urteilt. In einzelnen Gemeinden sehen die Arbeiterfamilien einer Hungersnot entgegen. Die Pächter wollen nicht uach- geben. Mehrere Regimenter Infanterie und Kavallerie wurden requiriert. Nach einer weiteren Meldung soll der Streik wenigstens im Somogyer Kowitat bereits wieder in der Abnahme begriffen sein.

Der Krieg zwischen Rußland und Japan.

Die Wiederaufnahme der Offensive.

Shanghai, 3. Juli. Die Japaner rücke» anf

Wladiwastok vvr. Mau glaubt, daß cS in der Nähe von Tjumen zu einer Schlacht kommen wird.

Petersburg» 3. Juli. General Linewitsch telegra­phierte unter dem 2. Juli: Der Feind nah« die Offensive in der Nähe van Haitnngche» wieder anf, zog sich aber, nachdem er Widerstand von unseren Vorposten gefunden hatte, zurück.

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Petersburg» 3. Juli. General Baliopow wurde zum Befehlshaber der ersten russischen Armee ernannt, an Stelle Kuropatkius, der sich nach Kiri« begeben hat.

Die Frieden-Verhandlungen.

Land»«, 3. Juli. Der japanische Ftnanzageut Taka- hashi, der sich zur Zeit in England befindet, erklärte einem Velreter des Reuterschen Bureaus, es sei unmöglich, das Ergebnis oder die Dauer der im Gange befindlichen Friedens­unterhandlungen vorauszusehen. Japan habe mit seiner zukünftigen finanziellen Lage zu rechnen. Es habe jetzt 50 Millionen Dollars in Newyork und 800 000 Pfund Sterling in London, die noch von der letzten Anleihe übrig seien, außerdem habe es die letzten Ratenzahlungen der An­leihe zu erwarten, die noch nicht fällig seien, aber selbst, wenn der Friede zustandekomme.' werde Japan noch mehr Geld gebrauchen zur Tilgung der inneren Anleihe«, zur Zurückbeförderung der Truppen und für die allgemeine indu­strielle Entwickelung. Japan schlage daher vor, alsbald eine neue Anleihe im Auslands zu machen, die 30 Millionen Pfund betragen und in London, Newyork und auf dem europäischen Festlande emittiert werden solle. Die Anleihe solle durch die Einnahmen aus dem Tabakmonopol garantiert werde».

Parlamentarische Nachrichten. Württerrrbergischer Landtag.

Gtnttgart» 2. Juli. Die Abgeordnetenkammer hat gestern zunächst die 16gliedrige Kommisfiou zur weiteren Behandluvg der Versaffungsrevtsiou gewählt. Die Wahl hatte insofern etwas bemerkenswertes, als von der Ritter- bank die Abg. Graf v. Uxkall und Frhr. v. Seckendorf, die nächst dem Frhr. v. Breitschwert die konservativste Nuance der Ritterschaft darstelleu, in die Kommission dele­giert wurden. Nach der ans ein Entgegenkommen hin­

weisenden Erklärung, welche Graf v. Uxkull selbst in der Freitagssttzung abgab, darf mau aber wohl hoffen, daß die Vertreter der Ritterschaft in der Kommisfiou zu einer Ver­ständigung die Hand bieten werden. Außer den Genannten wurden iu die Kommisfiou gewählt: Von der Volkspartei Haußmauu-Balingeu, Haußmanu-Gerabroan, Käß, Reihling, Lieschtng; von der Deutschen Partei: Dr. Hieber, Schuekeuburger; vom Zentrum: Domkapi­tular Berg, Gröber, v. Kiene, Rembold-Gmöud; von der Sozialdemokratie:^ Keil; von der Freien Vereinigung: Kraut, Saudberger.Der StaatsvrrtragmitBayer« bezüglich einer Reihe von Bahnverbindungen wurde ohne erhebliche Debatte geuehmigt, nachdem Dr. Hieber best« Bahnprojekt Weikersheim-Röttiuge« die Fortsetzung der Bahn nach Creglingeu und der bayerischen Grenze hin und der Abgeordnete für Wangen, Speth, in seiner Jungfernrede die baldige Ausführung des Projekts Jsntz-Seltmauns be­fürwortet hatte. Sodann ging mau noch über zu der Be­ratung des neuen Eisenbahnbaukreditgesetzes. Die allge­meine Debatte, mit welcher dieselbe eiugeleitet wurde, fiel, kürzer auS, als mau» erwartet hatte. Von verschiedenen Setten wurde anerkannt, daß die Regierung bei der Ver­teilung der neuen Nebenbahnen auf die verschiedenen Landes­teile gleichmäßig verfahren sei und daß fie mit ihrem Entwurf das früher gegebene Versprechen, daß mit dem weitere« Ausbau des Nebenbahuuetzes fortgefahreu werden soll, eiu- löste, wenn sie auch von der Vorlegung eines besondere« Bauprogramms, daS der Landtag bei der letzten EtatS- beratung verlangt hatte, abgesehen habe. Dagegen forderten die Abgg. v. Kiene und Gröber einen planmäßigen Ausbau des Nebenbahnnetzes und zu diesem Zweck die Aufnahme einer entsprechenden Exigeuz in jede der zu erwartende« größeren Forderungen für die Erweiterung und den Umbau bereits bestehender Bahnanlagen; mit anderen Worten: eS soll aus diese Weise Borkehr getroffen werde«, daß der Ausban des Nebenbahuuetzes nicht durch die Millionen- forderuugen für die Bahuhosumbauten in Stuttgart, Cann­statt, Ulm u. s. w. und den zweigleisigen Ausbau verschiedener Hauptlinieu beeinträchtigt werde. Bon bauernbündlerischer Seite wurde verlangt, daß die Regierung den Privatbahu- gesellschafteu mehr Entgegenkommen zeige und sie nicht so behandle, daß ihnen der Bau neuer Linien oder die Ver­längerung bereits bestehender verleidet werde, denn darunter hätte lediglich die auf Erfüllung ihrer Eisenbahnwüusche wartende Landbevölkerung zu leiden. Der Abg. Hilden­brand riet der Regierung dagegen weitgehendste Vorsicht iu der Kouzesfiouierung neuer Privatbahue« an, da man mit den­selben schlechte.Trsahruugen gemacht habe. In seiner Erwider­ung schien Minister v. Soden mehr der letzteren Anschauung zuzunetgeu; er erklärte aber, daß das Privatkapktal auch fernerhin unter annehmbaren Bedingungen zum Bahnbäu zugelaffen sein soll. Trotz der geringen Rentabilität der Nebenbahnen und der großen Aufwendungen für de« Umbau und die Erweiterung bestehender Bahnanlagen werde die Regierung mit dem weitere» Ausbau des Nebenbahuuetzes fortfahren. Die von verschiedenen Abgeordneten vorge­brachten Einzelwünsche bezüglich der von ihnen zu vertretev-

Die Sängerfahrt des Nagolder Lieder­kranzes in die Schweiz

in dev Pfmgsttagen 1905.

O Wandern, o Wandern, du freie Burschenlust.'

Da weht GotteS Odem so frisch in die Brust,

Da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt: Wie bist du so schön o du weite, weite Welt!"

Im Sommer des Vorjahrs tauchte unter den Sanges­brüdern des Nagolder Liederkranzes der Plan einer Sänger- sahrt in die Schweiz auf. Aber gut Ding will Weile haben! Wochen und Monate verstrichen, bis nach langem Für und Wider in der lieblichen Pfingstzeit dieses Jahres der holde Traum zur Wirklichkeit wurde. Das Hauptverdienst am Zustandekommen des Ausfluas gebührt zweifellos dem Fi- uauzgenie unseres rührigen VergnüzungSkasfiers, der mit Witz und Humor den Bereinsmitgltedern tropfenweise die nötigen Reichspfenntge auS der Tasche lockte, um fie bei Antritt der Reise mit einer Gesamtausgabe vonBergs ge­sammelten Werken" (im Wert von 30, 30, 40 und mehr Franken) zu erfreuen. Der langersehnte Nachmittag deS 10. Juni war erschienen. Geschäftige Frauen verließen den häuslichen Herd, und unermüdliche Männer lösten sich von ihrenHandwerks- und Gewerbesbanden", um für einige Tage in der schönen SchweizMensch" sein zu dürfen.

Bald sauste der Schnellzug durchs liebliche Neckartal, vorbei an den tannenumsäumten Ausläufern des Schwarzwalds

und den mauergletchen Höheuzügen der Schwabenalb, hi­nüber ins Stromgebiet der jangaufquellenden Donau. Von Jmmendiugen aus wurden nach kurzer Fahrt die reichge- segnetev Wtesengelände des Hegäus erreicht. Das Auge drang vor zu den burgcngekröuteu Bassltkuppen; die Ge­danken aber wunderten zurück zu den Zeiten, wo hier Ungarn und Schwaben (um 900), Protestanten und Katholiken im tränenvollen dreißigjährigen Krieg, endlich Oesterreicher und Franzosen in der uspoleonischen Zeit ihre Schwerter kreuzten. Da naht rechts der Hohentwiel. Bei diesem Denkmal vater­ländischer Erinnerungen kommen allerlei alte Geschichten angr- schwirrt. Es treten uns kirchlich fromme Gelehrte vor die Seele, die auf den verschlungensten Pfaden menschlicher Klugheit wandelte», fürstlich stolze Frauen, die sich fürs Studium der römischen Klasfiker begeisterten, ernste Keller­meister,nüchtern und nicht vieler Speisen gierig", naive Hirtenknaben und anmutige Hirtenmädchen, trotzige Heiden und gläubig gehorsame Christen, kühne Mönche, die als Heerscharen der streitenden Kirche von St. Gallen und Reichenau aus ganz Nlemanten fürs Christentum eroberten. Höher schlägt das Herz des Schwaben, wenn er sich daran erinnert, wie sich die Herzöge Ulrich und Eberhard III im Schiffbruch ihrer Regierungen mit ihren letzten Hoffnungen an dieses württ. Eiland inmitten des Badener Lands au- klammerten, wie die Wogen deS 30jähr. Kriegs dank der Wachsamkeit seines getreuen Hüters. deS wacker» Konrab Widerhold, wirkungslos an der Felsenklippe abprallten. Aber unsere Freude wird getrübt durch die Gedanken an den edlen Patrioten und Rechtsbodenmann Joh. Jak. Moser,

der während deS absolutistischen Regiments von Herzog Karl Eugen wegen seines Freimuts hier oben mehrere Jahre in Kerkerhaft schmachtete, «nd getrübt durch die feige lieber- gäbe der Feste t« Jahr 1800 au de» Franzosen Moreau.

Während dieser Betrachtungen haben wir Singen er­reicht. Ein kurzer Aufenthalt gewährt uvS Zeit zu einem Imbiß. Bald befinden wir uns auf Schweizer Boden, wo der hohe Räuden seine rebenbekränzteu Kalkrücken nach Schaffhausen hinabseudet.

In raschem Flug gehtS vorüber am Rheinfall, dessen milchweiß ansschäumende Sturzflut zu uns herüberleuchtet. Wir durchqueren die schweizerische Hochebene mit ihren Rebeu- geländen uud Obsthaiueu, Saatfeldern und Wäldern. All­mählich senkt die Nacht ihre Fittiche über die herrliche Land­schaft. Das Lichtermeer des Züricher RieseubahnhofS wird sichtbar. Nach 5stüudiger Fahrt ist Zürich, der glänzende Mittelpunkt der modernen Schweiz erreicht.

Herr Taubstummeuoberlehrer Löffelhardt hatte iu dankenswerter Weise im Stadthof für unsere Nachtquartiere gesorgt. Gegen Mitternacht lagen die Nagolder Säuger i« tiefsten Schlaf. Ein einzelnes dumpfes Krachen bewies, daß bei der Auswahl der Nachtlager die Schwere eines ge­mütlichen Schwaben nicht gebührend berücksichtigt worden war.

Zürich.

Der Pfingstsonntag brach an. Wir befanden uns i» Zürich, dem geistigen Zentrum der deutschen Schweiz. Hier wuchsen geistesgewaltige Pfingstprediger undPflanzer der