7». Jahrgang.
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Mit dem Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
81 Uazold, Donnerstag -rn 6. April 199L
Amtliches.
Bekanntmachung
betr. die Kennzeichnung der als znchttauglich erkannte« Farren.
Da bei der demnächst staitfindendeu ordentlichen Farren- schau sämtliche Farren, für welche Loa der Schaubehörde des Oberamtsbezirks Zulaffungsscheine erteil wcr'sen, erstmals mit einer im rechten Ohr anzubringenden Ohrmarke gekennzeichnet werden, wird nachstehende MiWerialverfügung hiemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht.
Nagold, den 4. April 1905.
K. Oberamt. Ritter.
Verfügung des K. Ministeriums des Innern, betreffend die
Kennzeichnung der als zuchttauglich erkannten Farren.
Vom 5. September 1904. Nr. 5558.
Auf Grund des Art. 14 des Gesetzes über die Farren- haltuug in der Fassung vom 1. Juni 1897 (Reg.Bl. S. 46) werden über die Kennzeichnung der als zuchttauglich erkannten Farren nachstehende Vorschriften erlassen:
1) Die von der Schanbehörde als znchttauglich erkannten Farren (Art. 6 Abs. 1 und 3 des Gesetzes über die Farrenhaltung) find mit einer am rechten Ohr anzu- brtngenden Ohrmarke zu kennzeichnen.
Die Ohrmarke hat auf der eine« Seite ein Hirschhorn und darunter die Bezeichnung des Oberamtsbe- zirks (nötigenfalls in abgekürzter Form, zum Beispiel Hetlbr.), sowie das Jahr, in welchem die Kennzeichnung erfolgt ist, auf der anderen Seite aber die fortlaufende Nummer zu enthalten.
2) Die in einem Oberamtsbezirk mit Ohrmarken versehenen Farren behalten die erste Ohrmarke solange, als für sie von der Schanbehörde des betreffenden Bezirks ein Zulaffungsschein erteilt wird.
Wird ein von der Schanbehörde erteilter Zulafs- mgsschetn zurückgezogen oder freiwillia zurückgegeben (Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Farrenhaltung;
Z 12 der Vollziehungs Verfügung vom 1. Dezember 1897, Reg.Blatt S. 241), oder wird für einen Farren nach Ablauf der Gültigkeit des ZulaflungsscheinS kein neuer Schein mehr erteilt, so ist d'e Ohrmarke zu entfernen.
3) Im Falle der Beräußerung eines in einem Oberamts- bezirt gekennzeichneten Farren kann die Ohrmarke belassen werden, auch wenn der,Farren außerhalb dieses Bezirks verbracht wird.
Wenn jedoch für ciaen solchen Farren von der Schaubehörde ein:8 andern Bezirks ein Zulaffungsschein erteilt wird, so ist die in dem ersten Bezirk angebrachte Ohrmarke zu entfernen und dafür eine Ohrmarke mit der Bezeichnung des neuen Bezirks einzusetzen.
4) Die Kennzeichnung der Farren nach der Vorschrift in Ziff. 1 hat sich jeweils auf sämtliche Farren zu er-
strecken, für welche in dem betreffenden Bezirk zu« erstenmal Zulaffungsscheine erteilt werden; erstmals hat sie bei der ordentlichen Farrenschau im Jahr 1905 zu erfolgen.
Stuttgart, den 5. September 1904.
K. Ministerium des Innern. Pischek.
Der norwegische Etorthing erhöhte den Zoll
für Kakaobohnen und Kakaoschalen von 5 auf 10 Oere, aus Kakaomasse in Kuchen, Blöcken oder dergleichen (Schokolade) von 40 auf 45 Oere für das Kilogramm; der Zoll auf ungezuckertes Kakaomehl (Pulver) wurde von 40 aus 35 Oere herabgesetzt; der Zoll auf Früchte und Fruchtschales von Orangen von 10 auf 35 Oere für daS Kilogramm erhöht. Ferner wurde beschlossen, den Zolltarif für alle übrigen Ansätze unverändert über de» 1. Sprit hinaus gelten zu lassen, bis die?gauze Tarifrevifion durchgeführt ist.
WoMische HleSersicht.
Die dentsche 'Regierung hat eine« Erfolg
erzielt: der in Marokko verübte Mord an dem deutschen Berichterstatter Genthe ist nun endlich, nach drei Jahren, gesühnt worden. Rach einer Meldung aus Langer ist die Angelegenheit dahin geregelt, daß die zwei an dem Mord beteiligten Marokkaner zn lebenslänglicher Gefängnisstrafe verurreilt worden sind. Die Regierung wird für die Errichtung eines würdigen Denkmals über dem Grab Dr. GentheS sorgen und der Familie des Ermordeten eine Buße von 40000 Frank zahlen. Dazu bemerkt das Leipz. Lgbl.: „Wir können nicht behaupten, daß wir geneigt wären, diese Regelung als sehr befriedigend z» betrachten. Die Buße, die an die Familie gezahlt wird, ist gering. Sie entspricht wahrscheinlich ungefähr einem zweijährigen Einkommen des Ermordeten. In Anbetracht des Umstands, daß es drei Jahre gedauert hatte, ehe unsere Regierung dieses Zugeständnis zu extrahieren vermochte, konnte man wenigstens hoffen, daß sich das Sprichwort „Was lange währt, wird gut" bestätigen würde. Allein das kann man angesichts des Resultats wirklich nicht behaupten. In halbbarbarischen Staaten pflegt die Justiz sonst sehr summarisch zu sein, und wenn der Kaiserbesuch in Tanger nicht erfolgt wäre, so chatten wir vermutlich nicht einmal dieses Ergebnis zu verzeichnen. So bleibt nur die Frage übrig, die wir allen Sachverständigen unterbreiten: Wozu haben wir eigentlich unsere Diplomatie?"
Delcasses Marokko-Politik findet bei eine«
großen Teil seiner Landsleute wenig Beifall. Der nationalistische Deputierte Archdeacon hat an Delcafsö geschrieben, daß er seine Interpellation über Marokko aufrechterhalte und eine möglichst baldige Antwort verlange. In parlamentarischen Kreisen verlautet, daß Delcafsö entschlossen sei, die Beantwortung abzulehnen mit Berufung auf die Geschäftsordnung, nach der eS gestattet sei, Interpellationen über die äußere Politik auf unbestimmte Zeit zu vertagen, doch sei die Zahl der Abgeordneten, denen die Politik Delcassös in der letzten Zeit ernste Besorgnis eingcflößt habe, inzwischen so groß geworden, daß seine ablehnende Haltung jedenfalls scharfen Widerspruch finden werde. Clemenceau beschäftigt sich in der Anrore mit der Nachricht, daß auch die Vereinigten Staaten von dem britisch-franzöfischen Abkommen nicht unterrichtet gewesen seien. Es unterliege keinem Zweifel, daß die Diplomatie Delcafsös in allen Teilen der Welt sich als mangelhaft erweise.
Der Krieg zwischen Rußland und Japan.
Die Lage in der Mandschnrei.
Tokio, 5. April. Gin Teil der japanischen Besatzung von Tschantschnu hat die Russen, die Tsuluschu, 2 Meilm nördlich von Tschautschus, und Sumieutscheng, 6 Meile« westlich von Tsuluschu, besetzt hielten, vertrieben und beide Orte am Montag besetzt. Nachdem die Japaner dann den Feind aus der Nachbarschaft von Sumiaotsu, 6 Meilen südöstlich von Tsuluschu, vertrieben hatten, kamen sie Dienstag nachmittag in die Nähe von Sautaoku. Sie »öffneten ein heftiges Feuer gegen ungefähr 500 russische Kavalleristen, die sich nach Norden, die Eisenbahn entlang, zurückzogeu und schließlich zersprengt wurden.
Petersburg, 5. April. General Linie witsch telegraphierte dem KrtegSmiutster: Souchkoff erstattete mir soeben davon Meldung, daß er tu Mukde« General Gauneufeld, 36 Offiziere, 1 Arzt und 1649 Soldaten verwundet zurückgelaffen habe; bei der Räumung von Mukden habe« wir in de« Spitälern des Roten Kreuzes 460 Soldaten krank oder verwundet zurückgelaffen, außerdem 406 kranke oder verwundete Japaner. Unsere anderen Verwundeten, der General Gannenfeld, 36 Offiziere und 1189 Soldaten kamen nach der Räumung von Mukde» in die dortige» Hospitäler. Gouchkoff berichtet, daß die Japaner unsere -verwundeten, sowie unsere Aerzte und Krankenschwestern gut behandeln.
Parlamentarische Nachrichten. Württembergischer Landtag.
Stuttgart, 5. April. Die Abgeordnetenkammer setzte gestern in einer mehr als 4 Stunden dauernden Sitzung die Generaldebatte zum Etat fort, ohne damit zu Ende zu kommen. Da die Regieruugsvertreter gestern tu ergiebiger Weise zum Wort kamen, so gewannen die Verhandlungen ein besonderes Jutereffe. Gleich zu Beginn der Sitzung gab Ministerpräsident Dr. v. Breitling, veranlaßt durch eine von Abg. Dambacher (Ztr.) gemachte Bemerkung, dem württ. Volk sei die BerfaffuugSresorm gleichgültig, eS habe ein viel größeres Interesse an den Steuergesetzen, die Erklärung ab, daß die von den Abgg. Lteschtng und Hieb» ausgesprochene Hoffnung auf baldige Vorlegung deS BerfaffungSentwurfes
Unser Schuster.*)
Von Luise Koppen. (Nachdr. verb.)
„Schusters Gottfried will sich setzen" rief Fips schon in der Tür der Wohnstube.
Wir fanden dabei nichts so ganz Außergewöhnliches and arbeiteten emsig weiter, denn in den nächsten Tagen sollte bei uns für arme kleine Kinder genäht werden, und wir hatten mit Zuschneiden und Eiarichten viel zu tun.
Fips sah uns ob unserer Teilnahmslosigkeit sehr erstaunt au.
„Ja aber — richtig setzen will er sich doch, mit eine« Laden!"
Wir ließen die Scheren finken und wurden aufmerksam. FipS hatte wirklich ein Recht, sich über uns zu wundern, denn Schuster Pettenpohl war unser aller Freund, und wir hatten die Bedeutsamkeit des Ausdrucks nur nicht gleich erkannt.
Ich habe mir manchmal einen Weg zu ihm gemacht und einen kleinen Tausch von Geranien und Fuchfienablegern zum Vorwände meines Besuches genommen. Ich war dabei immer die Gewinnerin und durchaus nicht etwa nur, weil seine Ableger schöner waren als die meinen.
') Aus: Luise Koppen, Heitere Bilder aus dem Bodenstedter Pfarrhause. Berlin, Trowitzsch L Sohn. Geh. Mk. 2.40; stilvoll geb. Mk 3.—.
Die von einem alten Pastorenhausr in und mit seiner Gemeinde gemachten Beobachtungen hat die Verfasserin mit Liebe gesammelt und mit köstlichem Humor daraeboten. 1Es ist ein Büchlein zur Erfrischung, auch für Kranke, zugleich ein Werk ungezwungener Heimatskunst.
„Schuster find nie mittelmäßig," sagte mir einmal ein Freund, „sie sind entweder sehr nett oder greulich!"
Nun, unser Meister Pettenpohl war jedenfalls sehr nett — ein „Sinnierer", wie die Schuster so oft.
„In 'neu Schuh fitzt der ganze Menschengeist in!" erklärte er mir. „Was mich allein schon die Hackens sagen, o, Fräulein Margarete — die Hackens!"
Drei Dinge konnten ihn aus seiner stillen Fassung bringen: erstens ein Zweifel an der Primagüte seines Leders, zweitens weiße Geranien und drittens das neue Gesangbuch. — Letzteres erschien ihm geradezu wie eine dunkle Macht von unten.
„Fräulein Margarete," vertraute er mir an, „Sie werden wohl selbst wissen, daß nichts in der Welt besser gegen das Böse, was in der Welt rumschwirrt, Helsen tut, als die Bibel und das Gesangbuch. Nun kann ich Ihnen dreist sagen, was daS neue Gesangbuch ist, damit möchte ich's nicht wagen, da fährt alles durch, sage ich Ihnen!"
Er hat das neue Gesangbuch auch nie benutzt. Als die Nummern deS alten nicht mehr mitgeuannt wurden, suchte er sich mühsam an jedem Sonntage die Lieder aus, und standen sie nicht darin, so schlug er sein Buch mit einem weithin hörbaren Knall zu, sang auch nicht mit, obgleich ihm die Nachbarn anfangs ihre Gesangbücher zuschobeo.
„Mein Gesangbuch sang nicht nnd mein Schlüssel schloß nicht," sagte er einmal, als sich sein Kirchenstuhl nicht öffne» ließ.
„Solche schönen Lieder gibt's jetzt gar nicht mehr!" meinte er betrübt. „Wenn ich allein an das denke:
Der Tugend Pfad ist anfangs steil,
Läßt nichts als Mühe blicken —
Allein sein Fortgang bringet Heil,
Sem Ende ist Entzücke»!
Da hat meine selige Mutter schon so viel von gehalten. — Und daun das Lied vom Landmanu! So verständlich und nutzanwendlich von der Ernte! Und so was stoßen sie denn auSl"
In seiner Werkstatt waren alle Fenster voll Blumen, und ich habe oft gedacht, ob sich nicht gerade im Gegensätze zu dem schwarzen Leder, das er verarbeitete, eine besondere Borliebe für Helle Blumen ausgebildet hatte. Weiße Geranien und Halbweiße Fuchsten, nnd im Garten die hohe«, stillen Madounenltlien, auS denen er eine Brandsalbe bereitete, die mindestens ebenso berühmt war wie seine Schuhe.
Zuweilen sanken ihm, dem fleißigen Arbeiter, die Hände, und er sah lange nach dem Fenster.
„Ich sehe die Knospen wachsen!" sagte er dann leise.
Auf zierliches Schuhwerk gab er. unsrer Meinung nach, nichts, obgleich er bei den meisten Bestellungen zu äußer« pflegte: DaS gibt was „Elechastes"! Unter elegant verstand er nämlich eine sehr dicke Sohle, starkes Oberleder und eine allerdings tadellose Naht.
Daß wir einmal gewagt hatten, für Fips ein Paar gelbe Schuhe fertig in einem Laden der Stadt zu kaufen, war ihm so schmerzlich, daß er unS beinah leid tat. Er teilte uns mit, daß nur daS Lied:
Meine Sorge«, Angst und Plagen
Laufen mit der Zeit zu End'!