7S. Jahrgang.

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Mit dem Plauderstübchen und

Echwäb. Landwirt.

Nagold, Montag Le« 27. Februar

1SV5

UoMische Hlebevsichl.

Ueber die Grundsätze bei Ausschreibung vo«

Submissionen hat die Kommission für Handel und Gewerbe des pieutzischm Abgeordnetenhauses weiter beraten. Für »Streitigkeiten, welche zwischen den Lieferanten und den Be­hörden über Lieferungen entstehen, find Schiedsgerichte be­schlossen worden. Die Submittenten sollen in der Regel Kautionen nicht über 5 Prozent der Anschlagsumme hinter- legen. Die Schlußabrechnung über gelieferte Arbeiten und Leistungen, welche bisher sich außerordentlich lange hinzog, soll für die Folge in einer festgesetzten Frist erfolgen, und zwar in derjenigen Zeit, welche den Lieferanten zur Einreich­ung der Schlußrechnung gesetzt wird. Von sozialpolitischer Bedeutung ist der Antrag Oeser-Rosenow, wonach bei Be­stimmung der Fristen für die zu liefernden Arbeiten tunlichst darauf geachtet ^werden soll, daß die Arbeiten ganz oder teilweise in der geschästsstillcn Zeit ausgssührt werden können. Es soll dadurch erreicht werden, daß die Arbeiter gerade um diese Zeit beschäftigt werden znm eigenen Nutzen sowohl wie zum Nutzen der Arbeitgeber. Hiermit war die Beratung der Grundsätze, welche bet Submissionen anzn- wendm sind, beendet. Eine Kommission soll dieselben noch­mals formulieren und in einer nächsten Sitzung sollen Sie endgültig festgcstellt werden. In dieser Sitzung wird auch beraten werden über einen Antrag Trimborn, dessen Tendenz dahin geht, die Bedingungen, unter denen an Korporationen der Handwerker und Genossenschaften staatliche Arbrits- und Lreftrnngaufträge übertragen werden können, festzustellen und sie der Staatsregierung zur Erwägung zu unterbreiten.

Im Reichstag soll vo» der sozialdemokratische« Frakttou folgende Resolution zum Etat des Reichskanzlers Angebracht werden: Der Reichstag wolle beschließen: Den R ichskanzler zu ersuchen, bei den Regierungen von Preußen und Bayern dagin zu wirken, daß die Änsliefirungsverrräge, welche die genannten Regierungen am 13 /1. Januar be- zlrhunaswetse 1. Oktober/19. September 1885 mit der russi­sche« Regierung abgeschlossen haben, sofort gekündigt werden. Bebel und Wollmar werden die Resolution begründen.

Der russisch« Verkehrsminister soll die Bahn- Verwaltungen angewiesen haben, die Forderungen der ans- stäiid-gen Angestellten zu bewilligen, damit der Kahnverkehr nicht dauernd unterbrochen werde.

Die irische« Unionisten» die Gegner der Na-

ttonattren, fühlten sich durch Reformprojckte der jetzigen Regierung bedroht. Im Unterhaus griff der Abgeordnete W Vam Moore, irischer Uniorrist, die Regier-trrgspolitik heftig an und beklagte sich über die unbillige Behandlung der Urionisten in Irland; ebenso griff er die Haltung Wyrd- hams dem sogenannten Resorwprvjekt gegenüber an; er er­klärte, die irischen Uaronisteri glaubten, daß sie durch die Regierung verraten seren und könnten daher bas Vertrauens­votum nicht unte:stützen. Der Staatssekretär für Irland, Wy idham, erklärte, er habe immer den Hauptpunkt des Resormprojekts, nämlich Urberweisung legislativer Befug­nisse an irgend einen irischen Rat. beanstandet. Im Lauf

der Debatte wurde Wyudham über den Nutet! befragt, den Lord Dudley, der Generalgouverneur von Irland, an der Ausarbeitung des Reformprojektes für Irland gehübt habe. Das Projekt war von der Regierung ab gelehnt worden und wegen desselben hatte Sir Anthony Macdonnel, der per­manente Unterstaatssekretär für Irland eine Rüge erhalten. Wyudham erwiderte, daß die Regierung, als sie Macdonnel tadelte, nicht gewußt habe, daß Lord Dudley das Verhalten Macdonnels gebilligt hatte.

Der Krieg zwischey Rußland und Jüpaü.

Die Lage i« der Msndfchnr-i.

Petersburg, 25. FM. General Ssackaroff meldet dem Generalstab: Heute nahm der Feind bei Tagesanbruch seinen Angriff wieder ans und ging mit außerordentlicher Tapferkeit gegen die rechte russische Flanke vor. Gegen 1 Uhr nachmittags wurde der Hügel Beres«eff«ach eivem Bajonettkampf unter dem Angriff überlegener feindlicher Ttreitkräfte vo« de« Russen geräumt. Der Angriff auf den Paß bei Jsngtisyttng wurde dagegen heute zum zweitenmale abgeschlagen. Beim Angriff auf den Hügel schritten die Japaner über Vre Leichen ihrer eigenen Leute, die durch explodierte Flatterminen umge- kommen waren. Ueberall erlitt der Feind bedeutende Verluste.

Tclges-Weuigkeiten.

Aus Stadt md LmL.

Nagold, 27, Februar.

Königs Gebnrtsfest. Ein klarer schöner Morgen stieg am Samstag heraus und brachte für den ganzen festlichen Tag ein KönigM-stter. Tagwacht kündete dm Einwohnern das Fest au. Man gedachte des im fernen Süden weilenden iu Ehrfurcht gelfibün^Königs, der seinen Geburtstag erstmals seit seinem Regierungsantritt Licht inmitten seines Landes und Volkes begeht. Möge der Monarch neu gekrästigt znrückkehreu: dies ist der herz­liche Wunsch seiner LanScskinder.

Am Vormittag um 8 Uhr fanden sich die Vertreter der staatl. ».kommunalen Seh-röenmit OberaMtmsnn Ritter an der Spitze im Rathaussaal ein, um der Verleihung von Ehrenzeichen für langjährige, treugekistete Dienste in der Feuerw.hr anzu­wohnen. Unter erhebenden Ansprachen wurde Maurer Wohlleber das Ehrenzeichen für 2bjahrige Dienstzeit durch Obemmtmann Ritter, Gerdermeister Kemps, Houptmarm und den Feuerwehrmännern G. Bechtsld, Holzhauer und B. Lutz, Straßenwärter das Diplom für 20jährige Dienstzeit über­reicht. Hauptmann Löwenwirt Gutckunst hat in diesem Jahre eine 35jähr. Dienstzeit erreicht und wurde-aus diesem Anlaß vom Feuerwehrkorps beglückwünscht und zum Königsessen geladen. Vor dem Rathaus hatte sich unterdessen der Fest zug z«m Kirchgang geordnet.

Um 10V» Uhr bewegte sich dieser mit Musikbegleitung zur Kirche. Es beteiligten sich daran dis gesamte Schul­

jugend, die Lehranstalten und Vereine, zahlreiche Beamte und Bürger. Die Festpredigt über de« vom König gewählte» Text: »Verlasset euch auf den Herrn ewiglich, denn der Herr ist ein Fels ewiglich" (Jesaja 26, 4) hielt Dekan Römer. Der Geistliche erinnerte die Zuhörer an die Pflichten gegen König und Vaterland, aber auch gegen den ewigen Gott. In unserer Zeit, wo die politischen und Interessengegen­sätze selbst in der kleinsten Gemeinde spürbar find, iu einer Zeit der Gärung iu der man an das Dichterwort erinnert wird: »Das Alte bricht, es ändern sich die Zeiten" gibt nur der eine Gedanke Trost und Mut: der Herr steht über den Zeiten und über den Völkern, vertrauet ihmt

Nach dem Festgottesdienst fand die Feier im Seminar statt. Nach einem einleitende» Semtuaristcnchor von A. Loff:Gott sei des Königs Schutz" hielt P of-ssor Häcker die Festrede über das Thema:W«'s verdankte Schiller seiner Schulzeit?" von dem wir die Hauptgedanken wieder- gi Len. Des fromm angelegten Knaben sehnlichster Wunsch war, einst aus der Kanzel zu stehen und Gottes Wort zu verkündigen. Aber es kam anders. Herzog Karl, der auto- kralisch angelegte Herrscher, hatte vergeblich versucht, die verfassungsmäßigen Freiheiten deS Volkes zu beschränke«; mit echt schwäbischer Zähigkeit und Starrköpfigkeit wider- fitzten sich die Lrrndstände solchemDegehrev und ihr Wort­führer I. I. Moser ließ sich lieber Jahre lang auf de« Hohentwiel einsperreu, alS daß er um ein Jota vom Recht gewichen wäre. So wollte sich des« Karl als Ersatz wenig­stens ein nicht bloß tüchtiges sondern auch ihm blind er­gebenes Bcawtentzeer schaffen, durch das er seinen Zweck auf anderem Wege nahe zu kommen suchte. Er schuf die Hohe Karlsschulr auf der Solitüde (später nach Stuttgart ver­legt.) Da bot er denn auch dem Hauptmann Schiller in Ludwigsbmg die Rufuahme seines Sohnes in diese» J -stitut an, da er einen Juristen a«s ihm mache« wollte. Das gnädige Anerdieten mußte für den Hauptmann und s. Sohn Befehl sein, und so wmde Friedrich Schiller Karlsschüler. AlS solcher mußte er sich in eine harte, uu- erbittliche Zucht und äußere Ordnung fügen lernen. Aber dabei gewann er neben dem Spezialftudium in der Rechts­gei ehrsamkeit, später in Medizin, eine umfassende, tiefgründ­ige Bildung und lernte namentlich selbständig arbeiten. Aber freilich noch ein anderes von Herzog Karl nicht be­absichtigtes Ergebnis zeitigte der harte Druck bei Schiller. Während viele andre sich drein fügen konnten und tüchtige, gewissenhafte und dem Herzorg ergebene Beamte wurde», empörte sich seine Feuerseele gegen den ihm unerträglichen Zwang, und sein unbändiger Freiheitsdrang entlud sich zu­nächst in seinem revolutionären Erstlingswerkdie Räuber." Und als der Herzog ihm daraufhin das Dichte» verbot und ihn lediglich aus seinen Berufskreis als RegimentSarzt be­schränken wollte, da schüttelte der Fcuergeist daS unerträgliche Joch ab und floh nach Mannheim. Dies in kurzen Züge» der Hauptinhalt dcS fistelnde« Vortrags. Den Beschluß der ansprechenden Feier machte der Männerchor auS Kre«- sersNiederländische Volkslieder"Wir treten mit Beten."

Der Nachmittag brachte noch eine besondere Art von Schillerfeier. Die Zöglinge deS II. Kurses, die

Dev Kcrusievev.

Bon Otto Ruppius.

104 (Fortsetzung)

Das Haus mochte einmal wohnlich gewesen sein, die Wände wiesen noch Sparen von angeworfinem Kalke; jetzt aber sahen überall die nackten Baumstämme, aus denen das Gebäude erbaut worden, hervor, der Fußboden war aus­getreten und voll klaffender Spalten, und eine zerbrochene Stiege führte nach einem voa außen angebauten, obern Raume, an welchem sich nur noch eine halb abgerissene Tür- bekletdung zeigte, daß er einmal verschließbar gewesen war. Auf einem schmutzigen Tische lagen neben einem großen blinkenden Messer die Ueberreste eines groben Mittagsmahles ein schwarzes Mädchen kniete am Kamine, demühl eine» Haufen nasser Reiser zum Brennen zu bringen, und von einem Bett im Hintergründe erhob sich langsam eine männ­liche Gestalt mit wirrem Haar, nur mit einem schmutzigen Paar Beinkleider» und einem dunklen Hemd, welches die behaarte Brust sehen ließ, bekleidet.

Ein einziger Rundblick hatte der Eingrtreteuen alle diese Einzelheiten gezeigt, und es überkam sie eia unheim­liches Gefühl, als sie den frech-neugierigen Blick der Schwarzen und das wüste Auge des Mannes auf sich gerichtet sah. »Sie sind Herr Barileit, wenn ich mich nicht irre?" fragte sie.

Das bin ich," erwiderte dieser, sich langsam auf die Beine stellend und die unerwartete Erscheinung von Kops bis zu Fuß musternd.

Ich hoffe, Sie werden Frsu Mo> ion noch kennen, Herr! Las Gewitter Hai unser Pferd schm gemacht, und mein Mädchen hat einen schweren Fall getan. Sie liegt jetzt in dem zerbrochenen Wagen nicht weit von hier auf der Straße, und ich wünsche, daß Sie sogleich ein Fuhr­werk hinausschicken, um sie hierher bringen zu lassen,

Der Aufseher betrachtete sie noch immer mit einem Ausdrucke von dreister Unverschämtheit Dann wandte er den Kopf langsam nach der Sette.Geh, Jane, du hast gehört, Bob soll den kleinen Wage» ansp-rrmen. Noch eins!" rief er, als das Mädchen eben das Haus verließ, und folgte ihr vor die Tür.

Pauline konnte nichts von seinen weitern Worten ver­nehmen. und nur ein plötzlich rohes Gelächter, tu welches die Schwarze ausbrach, drang zu ihren Ohren. Einen Augenblick kam eine ungewisse Furcht über sie, und sie fragte sich, ob es nicht trotz des noch immer strömenden Regens bester sei, das Haus zu verlassen schon im nächsten aber schalt sie sich selbst eine Törin und trat schaudernd vor Nässe a« das eben entzündete prasselnde Kaminfeuer.

Bald erschien der Aufseher wieder und schloß die aus schwerem Eichenholze gefertigte Tür.

Lasten Sie offen!" gebot Pauline, sich nach ihm wendend.

Der Regen schlägt herein, Madam!" war die Antwort, mit welcher er sich langsam auf sein Bett setzte, die Arme ineinander schlug und seinen Gast von neuem anzustarren begann.

Der jungen Frau begann eS unheimlicher als zuvor zu werden; fie fühlte, daß sic diesem Zustande ein Ende wachen müßte.Haben Sie nicht einen andern Raum, wo etwas Feuer gemacht werde» könnte, um meine Kleider zu trock­nen?" fragte sie und suchte die möglichste Festigkeit iu ihre Stimme zu legen.

»Keinen «IS diesen wir leben hier nicht so fein, Madam!" erwiderte der Aufseher ohne sich zu rühren, aber Paultne glaubte einen unverhohlenen Spott iu seinem Tone zu höre«.

Dann verlassen Sie wenigstens auf einige Minuten das Haus, Herr l" rief sie, und die aufsteigeude Entrüstung ließ sie ihre Furcht vergessen.

Ich gehe nicht gern tm Regen spazieren, Madam," erwiderte er trocken;hören Sie nur, wie es gießt."

So zwingen Sie mich, selbst zu gehen!" Mit drei Schritten war sie am Ausgange, aber die Tür wich ihrer Bemühung nicht, und dem angestrengten Rütteln antwortete nur eia kurzgestoßenes Lochen des Mannes hinter ihr.

Oeffnen Sie augenblicklich, Herr - ich will hinaus!" rief sie, und cs schien, als sei erst mit der bestimmtes Vermutung von einer ihr drohenden Gefahr ihr Mut erwacht.

Jetzt nicht," erwiderte der Aufseher kalt; »ich habe zuerst etwas mit Ihnen zu reden."

In dieser Weise kein Wort!" erwiderte fie nach­drücklich;öffnen Sie die Tür, und dann reden Sie."

»Sie werden cs doch wohl auhören müssen, Madam!"