78. Jahrgang.
Erscheint
Montag, Mittwoch. Donnerstag, Freitag und Samstag.
Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger- lvhnl.io^.tm BezirkS- und 10 Lm-Berkehr 1.20 ^e, im übrigen Württemberg 1.86 Monatsabonnements nach Verhältnis.
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VrattSbeilagen: DaS Plaudcrstübchrn und
Schwab. Landwirt.
Nagold, Freitag den 30. Dezember
1-SL
. .
Zur gefl. Beachtung!
Zu Neujahr wird im Plauderstuöcheu folgender Roman erscheinen:
Die Spottdrossel von E. Vely.
Schauplatz der Begebenheiten ist Nagold und Emmingen.
Amtliches.
Die Herren Ortsvorsteher wollen die Gportelrechmrug pro ult. Dezember d. I.
rechtzeitig abschließen und spätestens bis 10. k. M. anher einsenven, bezw. Fehlanzeige erstatten.
Nagold, den 29. Dezember 1904.
K. Oberamt. Ritter.
Die Gemeindebehörde»
werden beauftragt, die Nachweisungen über Regiehochbanarbeiten und Regietiefbauarbeiten vom abge- laufeuen Q -artal, bezw. Fehlnrknude, bis 1». k. Mts. als portopflichtige Dienstsache hieher vorzulegen.
Nagold, den 29. Dez. 1904.
__ K. Oberamt. Ritter.
An die Ortsbehörden für die Arbeiterverfichernng.
Die auf Anordnung des Vorstandes der Versicherungsanstalt Württemberg nach Ablaut des Kalenderjahres für statistische Zwecke vorzulegeuden Verzeichnisse der ansgestellte« Qnittnugskarten « (für SelbstverstÄerung mit grauer Farbe § 14 Abs. 1 Jnv.-Vers.-Ges. und § 42 der Volli.-Vrrf. zum Jnvalidenvers.-Ges. Reg.-Bl. S. 1037) stad bis spätestens S. Januar LSVS hieher einzuscnde».
Eventuell sind Fehlanzeigen zu erstatten (Vgl. auch Erlaß vom 20. Dez. 1902 Gesellschafter Nr. 811).
Nagold, den 29. Dez. 1904.
K. Oberamt. Ritter.
Die Ortspolizeibehördeu
werden beauftragt in der Renjahrsnacht und am Neujahr di.: OrLspolizei besonders strenge zu handhaben und dem vielfach in früheren Jahren wahraenommenen ungebührliche», ruhestörendrn Lärmen und' insbesondere dem sinnlosen Schießen energisch entgegenzutreten.
Zur Unterstützung der Poltzeidtener ist das erforderliche Hilfspersonal aufzustellen. Gesuche um Verlängerung der Polizeistunde sollten nur ganz ausnahmsweise berücksichtigt werden.
Etwaige Übertretungen sind unnachstchtlich strenge zu bestrafen, bezw. dem Oberamt anzuzeigen.
Nagold, den 29. Dezember 1904.
K. Oberamt. Ritter.
Die Prüfung im Hufbeschlag hat u. a. mit Erfolg bestanden und dadurch den im Art. 1 des Gesetzes vom 28. April 1885, betr. das Hufbeschlaggewerbe, (Reg -Blatt S. 79) vorgeschriebenen Nachweis ver Befähigung zum Betrieb des Husbeschlaggewerbes erbracht: Karl Wörner von Sulz OA. Nagold.
UoMflche Hleberficht.
Die neue Einkommensteuer. De« Berechnungen des mutmaßlichen Ertrages der neuen württ. Einkommensteuer, der für das Etatsjahr 1905 zu 14,8 Mill. und für 1906 zu 15,2 Millionen Mark veranschlagt ist, wurden, wie dies schon bei der erstmaligen Einbringung der Steuerreformentwürfe und während der ständischen Verhandlungen wiederholt geschah, die Veranlagungsergebnisse der badischen Einkommensteuer zu Grunde gelegt. Mit Rücksicht auf die Bedenken gegen die Annahme gleichgünsttger Etnkommensberhältniffe in Württemberg wie in Baden wurden diesmal auch noch auf Gl und der hessischen Veranlagungsergebnisse die mutmaßlichen Erträgnisse der württ. Einkommensteuer für das Jahr 1905 berechnet, und es ergab sich hierbei annähernd derselbe Ertrag, nämlich 14,930,000 gegenüber 14,918,000 unter Zugrundelegung der badischen Verhältnisse. Zu annähernd derselben, wenn auch um ein wenig niedrigeren Summe gelangt mau, wie in einer dem neuen Steueretat beigegebenen Denkschrift dargelegt wird, wenn man an der Hand ver württ. Steuer- kataster unter Zuschlag der in ihnen nicht enthaltenen Ein- kommensbeLräge dasnmtmaßliche steuerbare Gesamteinkommen in Württemberg für das Jahr 1905 berechnet. Auf Grund dieser letzteren Berechnungen und in der Annahme, daß in Württemberg die Einkommensverhältnisse vielleicht doch nicht ganz so günstig liegen wie in Baden oder in Hessen, wurde in den neuen Etat für 1905 ein Einkommensfteuerertrag von 14,8 Millionen angenommen. Für die einzelnen Etnkom- mensstufen würden sich unter Zugrundelegung der den württ. Verhältnissen wohl am nächsten kommenden badischen Einkommensteuersätze folgende Leistungen ergeben:
Einkommensstufe:
500—2000 ^ 2000—3200 ^ 3200-5000 ^ 5000—10,000 ^ 10,000-15,000 15,000-30,000 ^ 30,000-100,000 ^ 100,000 u. mehr Mark
Zahl der Steuerpflichtigen: 500,333 49,021 19,910 12,179 2,500 1,952 835
Steuerertrag :
2,880,874 ^ 1,526.655 „ 1,546,143 „ 2,370,909 „ 1,079,265 „ 1,529,417 „ 1,742,611 „ 2,169,753 „
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EineUeberficht der Etatsüberschreitungeu und
außeretatsmäßigen Ausgaben für die deutschen Schutzgebiete im Jahr 1902, welche dem Reichstag zugegangcn ist, ergibt u. a. folgendes: Etatsüberschreitungen wurden auch erforderlich infolge der Kosten für die Gegengeschenke an Häuptlinge, die durch die Erschließung des weiteren Hinterlandes (Adamaua) gerade im Jahr 1902 im politischen Interesse für besonders geboten erachtet wurden. Zur Erläuterung wird bemerkt, daß diese Gegengeschenke nur eine kleine Ausgabe bilden im Vergleich zu den Einnahmen, welche aus dem Erlös des als Tribut und Geschenk gelieferten Elfenbeins einkommen. Für das im Jahr 1902 einge- gangene Elfenbein sind im folgenden Jahr etwa 80 000 Mark gelöst worden. Im Interesse der Auffrischung des Blutes ist für Kamerun die Neuanschaffung einer Anzahl
von europäischen Zuchttieren für erforderlich gehalten worden, wodurch eine einmalige Ausgabe von über 5000 ^ entstanden ist. Der Ankauf und Transport von Futtermitteln für diese Tiere nach Buea hat etwa 10 000 Mark Kosten verursacht. Eine Mehrausgabe von 71432 Mark ist zum Teil entstanden durch einen außergewöhnlich starken Verbrauch von Ausrüstungsgegenständen. Bei den militärischen Expeditionen mußten allein für Beschaffung von Schuhwerk 23 000 Mark verausgabt werden. Der Wert der in Kamerun vorhandenen amtlichen Gebäude belief sich im Jahr 1902 auf rund vier Millionen Mark. In Samoa ist für die Entwaffnung der Samoaner eine Ausgabe von 28 400 ^ entstanden.
Der Reichstagsabgeorduete von Oldenburg-
Januschau läßt gegenüber der offiziösen Auslassung der „Nordd. Allg. Ztg." erklären, daß die von ihm gehörte Aeußerung eines hohen Staatsmannes: „Wenn ich nicht die schädlichen Handelsverträge unterschreibe, so tut es ein anderer", lediglich eine Reminiszenz von 1893 gewesen sei. Der betreffende Staatsmann stehe nicht mehr im öffentlichen Leben. Der Danziger Berichterstatter hält demgegenüber seine Wiedergabe aufrecht, wonach es sich bei der Bemerkung des Abgeordneten um die jetzt abzuschließenden Handelsverträge gehandelt habe.
Eine deutsch-böhmische Waisenpflege große«
Stils wird neuerdings geplant. Alle deutschen Gemeinden, Waisevvereine und dergleichen sollen zu Mitarbeitern gewonnen und die Arbeit aller Einzelnen soll nach einem großen einheitlichen Plan organisiert werden. Die Waisen zollen nicht scharenweise in Waisenhäusern, sondern einzeln in Familien untcrgebracht werden. Die Sache hat, so schreiben die „Mitteilungen des Allg. Deutschen Schulvereins", ihre große nationale Bedeutung. Die Tschechen nämlich nützen seit langem ihre Waiseupflege für ihren nationalen Kampf gegen das Deutschtum aus, indem sie ihre Waisenkinder massenhaft an der Sprachgrenze unter- brtngen, um dort ihre MlnorilitSschule« zu füllen.
Der österreichische Ministerpräsident von Ko- erber wird demissionieren, und zwar wird die Demission in den nächsten Tagen formell überreicht werden, nachdem der Kaiser bereit- mündlich von dem Entschluß des Ministerpräsidenten unterrichtet worden ist, unter allen Umständen zurückzutreten. Das Rücktrittsgesuch wird mit Gesundheitsrücksichten begründet, und in der Tat soll Koerber sehr leidend sein. Nachfolger Koerbers wird voraussichtlich der gegenwärtige Eisenbahnminister Dr. von Witte! werden.
England soll eine Annexio« der Tougainsel» beabsichtigen. Aus Sidney find zwei kleinere Kriegsschiffe nach den Tongainseln abgegaugen. Sie sollen Befehl erhalten haben, dort die britische Flagge zu hissen. Di« Tongainseln gelten für ziemlich wertlos, weshalb bisher noch keine Macht auf ihren Besitz Anspruch erhoben hat.
Vom Sultan von Marokko ist nunmehr in offizieller Form augeküudigt worden, daß er sämtliche an seinem Hof befindlichen fremden Offiziere zu entlassen beabsichtige. Unter den betreffenden Militärs befinden sich französische, englische, deutsche und italienische Offiziere. Der
Der: Kausierer.
Bon Otto Ruppius.
62) (Fortsetzung)
„Erstens Ihnen sagen, daß ich Sie samt Ihrem letzten Ausfluge kenne, erwiderte der Rechtsanwalt in voller Ruhe, aber augenscheinlich für irgend eine Bewegung vorbereitet, „und daß ich auch weiß, daß wohl niemand in Vicksburg Ihr Fahrgeld bezahlen wird, wenn ich es nicht tue, Herr Seifert."
„Noch einmal — mein Name ist Wells, Herr! Aber angenommen, ich wäre der Mann, von dem Sie sprechen! so fließt doch der Mississippi, auf dem wir uns jetzt befinden, wohl nicht in Alabama, und den Richter von dort werden Sie wahrscheinlich auch nicht bei sich haben, um den Mann, von welchem Sie sprechen, verhaften zu lassen. Warum soll ich also durchaus dieser Mann sein, mit dem ich vielleicht einige Ähnlichkeit haben mag?"
„Verhaften zu lasten — wer hat von dergleichen gesprochen?" erwiderte Murphy mit einer Miene voll Verwunderung, die aber einen leichten Spott deutlich durchscheinen ließ. „Ich spiele nur nicht gern Komödie mit, ohne zu wissen warum, und liebe eS, mich gleich in klare Stellung zu jedem zu bringen. Ich beabsichtige eigentlich nur, Sie zu fragen," fuhr er fort und legte sich bequem zurück, „ob Sie nicht vielleicht die Reise nach Newyork in meiner Gesellschaft znrücklegcn und sich dabei meiner Börse bedienen Achten, da die Ihrige augenblicklich nicht bei der Hand
ist — verstehen Ste indessen recht, jder Vorschlag sollte nur dem Manne gelte», für den ich Sie hielt, und von einem Versteckspielen gegen mich kann mithin gar keine Rede sein."
Seifert sah eine Minute schweigend in das Gesicht des Mannes, der mit seinem halbspöttischen Lächeln zu ihm aufsah; aber kein Zug von Ueberraschung über den unerwarteten Vorschlag wurde bei ihm sichtbar. Dann rieb er sich die Stirne, erhob sich und schritt das Gemach auf und ab. An der Tür des Schankraumes angekommen, öffnete er diese und sah hinaus; ebenso untersuchte er wieder den Raum vor der audern Tür und ließ sich dann langsam auf seinen früheren Platz nieder.
„Nun, Herr!" begann er dann mit vorsichtig gemäßigter Stimme und setzte langsam seine Zigarre wieder in Brand, „wie ich die Sache arische, handelt es sich jedenfalls um die Ausführung eines scharfen Streiches — man macht sonst dergl. Anerbieten, wie Sie cs eben taten, nicht so ohne weiteres. Entweder soll der Mann, den Sie durchaus in mir erkennen wollen, dadurch zum Bekenntnis seiner Persönlichkeit vermocht und so in eine Falle gebracht werden — und das wäre allerdings unter Umständen ein ganz gelungener Streich —, oder cs ist irgend ein zartes Unternehmen, daS nicht jedermanns Geschmack ist, im Werke, zu welchem der Mann, den Sie in mir suchen, hilfreiche Hand leisten soll."
„Gar nicht so übel geschloffen," nickte der Rechtsanwalt, als Seifert eine Panse machte, um seine Zigarre
zum Munde zu führen; „ich freue mich über Ihre schnelle Auffassung der Verhältnisse, Herr Seifert."
„Wells, wenn ich bitten darf, Herr; Wells unter allen Umständen, diese mögen sich nun gestalten, wie ste wollen," fiel ihm Seifert mit einer kalten Verneigung deS Kopfes in die Rede. „Was den ersten Fall aubetrifft, so ist es ganz gleich, ob ich hier unter vier Augen sagen würde, ich bin der Seifert, den Sie meine», oder nicht — eS sollte Ihnen ziemlich schwer werden, zu beweisen, daß ich dies eingestanden —. halten Sie mich für wen Sie wollen, nur," fuhr er mit einem höflichen Lächeln fort, „gebrauchen Sie nicht weinen Namen, der an manchen Orten eben nicht geeignet wäre, mir meinen Weg zu ebnen."
„Also Herr Wells, wenn eS nicht anders sein soll!" erwiderte der Rechtsanwalt sich aufrecht setzend, „es scheint, wir beginnen uns mehr zu verstehen."
„Es sollte mich freuen," sagte Seifert, die Asche von seiner Zigarre schnellend; „was den zweiten Fall betrifft, so stehe ich gern bei einem anständigen Geschäfte mit meinen geringen Gaben zur Beifügung, nur müßte mir dabei volle» Vertrauen und der Blick über das ganze Unternehmen gegönnt werden. Für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen," fuhr er mit seinem früheren verbindlichen Lächeln fort, „und dann die verbrannten Finger als einzigen Lohn zu behalten, ist eine Erfahrung, die man nicht gern mehrere- male wacht."
Murphy schien eine Sekunde lang mit seinem durchdringenden Blick die innerste Falte von Seiferts Seele ergründen zu wollen; dann sprang er auf und trat ans