78. Jahrgang.

Erscheint

Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag.

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U«-old, Freitag den 30. September

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Schwäb. Landwirt.

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Vokilische HleSerficht.

Die Einnahme der Post- nnd Telegraphen­verwaltung des Deutschen Reichs betragen vom 1. April 1904 bis Ende August 1904 192 705 034 Mark gegen 184 580131 Mark im gleichen Zeitraum des Vorjahrs, 8124 303 Mk. mehr. Bei der Retchseiseubahnverwaltuug stiegen die Einnahmen in diesem Zeitraum von 40213000 Mark auf 42 716 000 Mk. um 2 503 000 Mk.

Eine Konfereuz von Eiseubahuministern hat in Heidelberg stattgefunden, um über die ersten Schritte zur Anbahnung der beabsichtigten Eisenbahnbetriebsgemeiuschaft zu beraten.

Die Ansiedlnngskommifsio« für Pose» «nd

Westpreußen beschloß, für die Provinzen Hannover, West­falen und Hessen-Nassau Geschäftsstellen zu errichten, die eine rege Propaganda entfalten sollen.

Die Errichtung einer Zentralstelle für Aus­kunft über in- und ausländische Zollpraxis wird durch die Zentralstelle für Vorbereitung von Handelsverträgen er­wogen. Eine derartige Zentralstelle besteht auch bereits als Abteilung des Verkehrsbureaus des Berliner Kollegiums der Aeltesten der Kaufmannschaft.

Zu antiklerikale» Kundgebungen ist es in Linz, der Hauptstadt von Oberösterreich, gekommen. Eine von sämtlichen nichtklerikalen Parteien veranstaltete Versammlung hat dort gegen die geplante Errichtung einer klerikalen Lehrerbildungsanstalt protestiert. Die Versammlung, welche von vielen Tausenden besucht war, verlief ohne Störung. Einmütig wurde eine Resolution mit der Forderung der Trennung der Kirche vom Staat angenommen. Nach der Versammlung fanden große antiklerikale Stratzenkund- gebungen statt.

Der italienische Ministerpräsident Giolitti

hat in Homburg v. d. Höhe dem Reichskanzler einen Besuch abgestattet. Die Unterredung dauerte bis zum Mittagessen, das Giolitti bet dem Grafen Bülow einnahm. Die Natio- nalztg. schreibt über die Unterredung: Der Besuch, den der italienische Konseilpräsident Giolitti dem Reichskanzler in Homburg abstattet, ist durchaus auf die Initiative des leitenden italienischen Staatsmanns zurückzuführen. Sobald dieser dem Grasen Bülow seine Absicht angekündigt, fand diese sogleich bereitwillige Zustimmung. Als unzweifelhaft darf gelten, daß die beiden Staatsmänner in allen großen Fragen der hohen Politik engere Fühlung nehmen werden, ohne daß auf brennende aktuelle Fragen eiugegangen wird.

Der Krieg zwischen Rußland und Japan.

London, 29. Sept. Das Reutersche Bureau meldet aus Tokio: In Regieruugskreisen wird erklärt, die neue« Anshebuugsbestrmmungeu ermöglichte», die Anzahl der in der Front stehenden Truppen um ungefähr 200000 Mann zu erhöhen.

Die Lage in der Mandschurei.

Petersburg, 28. Sept. Wie General Kuropatkin dem Kaiser unter dem gestrigen Datum meldet, hielten im Osten der Eisenbahn die Abteilungen der japanischen Vor­hut die bisherigen Stellungen besetzt. Kleinere Abteilungen derselben unternahmen dazwischen Vorstöße, zogen sich aber dann vor der russischen Kavallerie zurück. Eine Feldwach­abteilung unter General Ssamssonow erbeutete eine Viehherde; dabei wurde ein japanischer Kavallerist verwundet. In der Nacht zum 26. September unternahm ein Kosakenoffizier, mit einer Abteilung Uralkosaken einen Ueberfall auf das japanische Biwak bei Huandi und rief dort große Be­stürzung hervor. An demselben Tage legte eine Kosa- keupatrouille einer halbe« japanische» Eskadron eine» Hinterhalt. Diese wurde plötzlich vom Feuer der Kosaken empfangen und erlitt bedeutende Verluste. Sie zog sich alsbald eiligst zurück, wobei sie mehrere Tote zurückließ. Die Kosaken erbeuteten mehrere japanische Pferde.

London, 21. Sept. Dem Daily Chronicle wird aus Tokio vom. 28. d. M. gemeldet, daß die Bahn nördlich von Port Arthur bis Haitschöng zur Schmalspurbahn umge- wandelt worden sei. Sie werde mit 60 Lokomotiven und 1000 Wagen befahren. Die Bahn wird bald die einzige Verbindungsstrecke sein, da der Hafen von Niutschwang Mitte Oktober zufrtert.

Paris, 29. Sept. General Kuroki läßt wider Kuro- patktns Erwarten die zerstörte Taitsehobrücke bei Liaujang nicht wieder Herstellen, obschon sie für den japanischen Truppentransport wichtig ist. Man schließt daraus, daß Kuroki immer noch einen Offenfivmarsch Kuropatkins gegen Liaujang erwartet, deu brückeulosen Fluß als natürliches Schutzmittel betrachtet und in Liaujang auf alle Fälle eine sehr starke Garnison zurückließ.

Port Arthur.

London, 28. Septbr. Eine russische Dame, welche Port Arthur am letzten Montag um Mitternacht verlassen hat, traf in Tschifu ein; dieselbe berichtete, daß der am 20. Sept. wieder aufgenommene erbitterte Kampf seit dem un­unterbrochen fortdauert. Die Verteidiger hatten große Ver­luste an Toten und Verwundeten. Der fürchterliche Gra- nateuhagel, mit dem die Japaner die Festung überschütten, läßt die Russen überhaupt nicht zur Besinnung kommen.

London, 29. Sept. Nach einer Meldung aus Tokio haben am Mittwoch die Russen die Japaner ersucht, die Einfuhr von Medikamenten nach Port Arthur zu ge­statten. Die Japaner verweigerten dies, da es nach den Blockade-Bedingungen nicht zulässig sei.

Tschifu, 28. Sept. Nach Mitteilungen aus russischer Quelle solle« die Japaner beim letzten Etnrm ans Port Arthur 70VV Manu verloren habe». Ein Chinese, der Port Arthur vorgestern verließ, schätzt die russische« Verluste auf S0V bis «00 Man». Die Japaner hätten drei von ihnen besetzte Ergänzungsforts nicht halten können und sich am Nachmittag des 26. von dort zurückgezogen, nachdem sie mehrere Tage lang eine hef­

tige Beschießung durch die inneren Forts hätten aushalteu müssen.

Paris, 29. Sept. Nach einer Meldung aus Peters­burg bestätigt eine Depesche deS Statthalters Nlexejew an den Zaren, daß die aus Frankreich bezogenen schweren Ge­schütze in Port Arthur unbrauchbar geworden find. Die Besatzung, die besonders bei den Ausfällen am 24. und 25. September scharf mitgenommen wurde, besteht noch auS IS vvtt Man« kampffähige» Trnppe«. Das Fort k. ist im Lefitz der Japaner, dagegen gilt das auf einem steilen Abhang errichtete, weit wichtigere Kreuzfort als uneinnehmbar.

Wladiwostok, 29. Sept. Nach einem in den letzte» Tagen aus Port Arthur etngetroffencu Berichte sind zwei japanische Torpedoboote «nd ei« japanischer Dampfer auf Mine« gestoßen «nd gesunken. Ferner wurde ei« Kreuzer schwer beschädigt. Andererseits gelang es 2 russischen Schiffen nach heftigem Kampf sich zweier japanischer Torpedoboote z« bemächtige«, welche damit beschäftigt waren, am Eingang, des HafenS Minen zu legen. Die russischen Schiffe ii-Hort Arthur sollen sobald als möglich einen Ausfall -ersuchen. Die Torpedoboote unternehmen täglich Ausfahrten aus Port Arthur. In Daluy und Talienwan sind die Spitäler mit japanischen Verwundeten angefüllt.

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Nach Telegrammen aus Petersburg soll der letzte An­griff auf Port Arthur zurückgeschlagen worden sein; die Japaner hätten ungeheure Verluste erlitten. So wider­sprechen sich die Meldungen täglich. Zur Beurteilung der Lage der Festung ist folgendes von Jutereffe:

Die Wahrheit der Petersburger Meldung in der vor­stehenden Form ist anzuzweifelu. Den Versuch, Port Arthur mit stürmender Hand zu nehmen, haben die Japaner auf­gegeben. Sie rechnen mit der Notwendigkeit einer förm­lichen und demnach langwierigen Belagerung. Ihre Offi­ziellen erinnern heute daran, daß sich Sewastopol drei Jahre gehalten habe! Gewiß gibt eS heute wirksamere Be­lagerungsgeschütze als zur Zeit des Krimkrieges, aber trotz­dem dürfte die mit Munition und Proptant anscheinend sattsam versorgte Festung sich noch auf Monate halten, wenn nicht Epidemien die Reihen ihrer Verteidiger lichten. Ihre modernen Forts liegen auf einem das Vorgeläude beherr­schenden Höhenkranz rings um Alt- und Neustadt. Selbst­verständlich ist die Kette dieser kleinen Festungen durch bom­bensichere Zwischenwerke für Infanterie vervollständigt. An­genommen, eS gelänge dem Angreifer, die Artillerie eines Forts niederzukämpfen: das Eindringen wäre auch dann uur zu versuchen, wenn der förmliche Angriff mit Laufgräben und Schutzdeckungen bis dicht an die Werke herangetragen wäre. Verhindern würde es aber das Magazingewehrfeuer aus den bombensicheren Zwischenwerken, das Explodieren von Minen und das Geschützfeuer der Nachbarforts. Zu­gestanden nun, daß es japanischer Tollkühnheit gelingm könnte, sich schließlich den Besitz eines Forts zu sichern. Dann fänden die Etndringenden demolierte Geschütze. Sie wären dem Feuer der Nachbarforts auSgesetzt, ohne selbst

vrieie aus dem fernen

Osten von 0. LO.

Aus dem Russischen von I. A. Wilcnsky.*)

Das Bombardement Port Arthurs «nd der Nachtkamps am SV. April.

Fast die ersten Kleinigkeiten, die dem in Port Arthur neu Angekommenen unwillkürlich in die Augen fallen, sind die alten Anschlagezettel. An den Winkel» den Laternen­pfählen und an den speziell zu diesem Zweck eingerichteten Kiosks begegnet man in großer Menge einladenden An­zeigen über Vorstellungen im Zirkus und Theater, über Konzerte, über Söancea der Kunftstückmacher und dergl. Alle diese Anschlagezettel beziehen sich spätestens auf Januar. Die neuesten Anzeigen sind die verschiedenen Bekanntmachungen der Obrigkeit an die Bevölkerung, und zwar über Ver­bannungen gemäß den betreffenden Artikeln der Gesetzbücher, über die Höhe der Geldstrafen u. die Zeit der Gefängnis-Haft.

Am Dienstag, 27. Januar (alten Stils 9. Febr. neuen Stils) 1904 geschah das erste Bombardement der Stadt. Seit dieser Zeit wurde das Bombardement zum zentralen allesverschlingenden Moment des Lebens in Port Arthur.

*) Die nachstehenden Schilderungen betreffen zwar eine frühere Periode des Krieges, bringen aber so anschauliche packende Bilder aus dem großen Kampfe um Port Arthur, entworfen von einem unmittelbaren Augenzeugen, daß sie auch jetzt noch auf volles In­teresse Anspruch machen können.

Die tiefsten Spuren hinterließ das Bombardement vom 26. Februar, als die Japaner dieNeue Stadt" über die dichten Berge Ljaoteschans beschoffen hatten. Damals wur­den unter anderen im Hause des Rechtsanwalts Sidorski die Frau eines Obersten, die Baronesse Frank, ihre Freun­din Walewitsch, ein junges Mädchen, welches auf einige Tage aus Dalnj gekommen war, und StdorSki selbst ge­tötet.

Baron Frank n. Sidorski gingen am Ufer der Bucht entlang und bestiegen die Berge, um die Tätigkeit der feind­lichen Flotte bester zu sehen. Dann gingen sie zu Frank, und da sein Haus auf dem Marktplatze stand, mit der Fassade nach dem Meere zu, wo wie es ihnen schien, die Geschosse höchst wahrscheinlich fallen konnten,' so luden sie die Damen ein, zu Sidorski zu gehen. Sidorskis Haus befand sich in einer Seitenstraße. Die Baronesse Frank willigte nicht ein, aber ihr Mann überredete sie. Sie nahm ihre Tochter, ein Mädchen von zwölf Jahren, mit sich. Bei Sidorski reichte man Tee. Die Baronesse Frank saß in einem Schaukelstuhl, mit dem Rücken zum Fenster; ihre Tochter stand neben ihr am Tische; auf der andern Seite stand Sidorski, in der Mitte des Zimmers Frank selbst; Walewitsch saß auf dem Pfeiler ebenfalls am Fenster. Es war nach eins. Man Plauderte . . . Plötzlich ein schreck­liches Krachen. . . . Durch die zerschlagenen Fenster flogen Säulen von Staub, Rauch und Splittern. Der Schaukel­stuhl senkte sich, und zu Füßen des irrsinnig werdenden Barons fiel der Körper seiner Frau ohne Kopf. Sidorski blieb einen Augenblick stehen, aber er war schon tot. . . .

Es ertönte ein herzzerreißender Schrei der Walewitsch ein Splitter drang ihr in die Brust. ... Sie quälte sich noch eine Stunde, und dann starb sie. . . . Wo früher fünf waren, blieben noch zwei: ein Witwer u. eine Waise....

SidorkisHaus steht leer u. vernagelt. Die Fensterrahmen sind zerschlagen. Die äußere Fassade ist verunstaltet. Da ist die Stuckatur abgefallen, da sind tiefe Höhlungen in der Ziegel- waud. Ein Teil der steinernen Gartenmauer ist zerstört. Nicht weit davon war. das Haus der Finauzverwaltung durch ein an­deres Geschoß noch mehr beschädigt. Glücklicherweise waren dort keine Menschen. Dem Hause gegenüber auf der Straße, ist eine Vertiefung von ungefähr anderthalb Faden im Durchmesser und zwei Arschtne*) tief. Hier platzte eine zwölfzöllige Bombe. Wie Funken flogen die Splitter. Die hölzernen Pfähle der Terrasse der zweiten Etage waren zersplittert. DaS Dach war durchbrochen, die Balken hingen. Die Tür war aus den Angeln gehoben. Es waren keine Fensterscheiben mehr da. Alle in Port Arthur beginnen ihr Gespräch mit dem Fremden mit deu Mitteilungen der Eindrücke vom Bombardement. Nach einmütiger Aeußerung war dies etwas Schreckliches, Niederdrückendes. Die etwas mehr Nervösen können von nichts anderem sprechen. Wo und wie man sich verbergen soll das ist die Sorge der meisten Leute. Man behauptet, daß der Keller im Hause der Russisch-Chinesischen Bank erweitert und oben mit einer dichten Schicht von Erde bedeckt wurde. Mau fordert, daß die städtische Verwaltung derartige Zufluchtsorte überhaupt

") Ruff. Elle 0.711 Meter.