78. Jahrgang
Auflage Ä2"«,
Erscheint
Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und SamStag.
Preis vierteljährlich hier 1»«, mit Trägerrohn 1.10^,im Bezirksund 10 Lm-Bertehr 1.20 im übrigen Württemberg 1.30 ^ Monatsabonnenients nach Verhältnis.
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Gratisbeilagen: DaS Plauderstübche« und
Lchwäb. Landwirt.
^ 188
Amtliches.
Bekanntmachung
betr. die Gebühre« der Kaminfeger des Oberamtsbezirks Nagold.
In Gemäßheit des § 77 der Reichsgewerbeordmmg und des § 17 der Min. Verf. vom 3. Oktober 1876 betr. die Kaminfegerordnung werden die Gebühren der Kaminfeger nach Vernehmung der Amtsversammlung mit Wirkung vom I. Oktober 1SV4 ab, folgendermaßen «en festgesetzt.
Die Kaminfeger haben die Küchenkamine im Jahr 4mal, die Ofenkamine 3mal, die Wasch- und Backküchenkamine für den Privatgebrauch 2mal, die Kamine der Gemeinde-Backküchen und der Gewerbetreibenden wie Bäcker, Metzger, Wirte, Brauereien u. s. f. alle 6 Wochen oder 8mal im Jahr zu reinigen. Kamine, welche nicht benutzt werden, sind Imal sorgfältig zu untersuchen bezw. zu streifen.
Der ordentliche Lohn für die Reinigung der besteigbaren und unbesteigbaren Kamine beträgt:
1. für jedes Kamin eine Grundtaxe von 20 -H, worin der Dachstock ohne Rücksicht auf dessen Höhe inbegriffen ist;
2. für jedes Stockwerk, Entresol, Souterrain eine Gebühr von 5 -H, für jedes Kaminschoß und Vorkamin 5
Bei besteigbaren Kaminen darf für Abnahme, Reinigung und Wiederanbringen der Kaminabschlußklappen eine besondere Gebühr nicht erhoben werden. Dachwohnungen werden nicht als Stockwerke berechnet, sondern es kommt für diejenigen Kamine, welche erst in der Dachstockwohnung beginnen, nur die Grundtaxe von 20 ^ in Anrechnung, worunter die Reinigung eines Kaminschoßes, Vorkamins oder einer Kaminabschlußklappe mit einer Röhre inbegriffen ist.
Bei Gebäuden mit flachen Dächern, Plattformen, darf das oberste Stockwerk nicht als Stock mit 5 berechnet werden, sondern es ist dieses oberste Stockwerk samt der Kaminhöhe über der Plattform in der Grundtaxe von 20 begriffen.
3. Wird der Rauch in eisernen Röhren von einen: unteren Einheizwinkel in einen oberen, oder von einem unteren Kaminschoß in einen oberen geführt, sog. gegliederte Kamine, so ist für jeden Stock ein Reinigungslohn von 5 -g neben der Gebühr von 5 für jeden Einheizwinkel oder Kaminschoß, und der Lohn für das Kamin im Dachraum nach dem Ansatz Ziff. 1 und 2 zu entrichten. Sind mehrere Kamine ineinander geschleift, so ist der Lohn des Kaminfegers nur bei demjenigen Kamin, welches den Ranch des geschleiften ganz ausnimmt, für seine ganze Höhe bis zum Dach hinaus, bei den andern aber nur auf ihre Länge bis zur Einmündung in das Hauptkamin, somit nur für
Ein Buch des Gastwirtes Weitzer über die Prinzessin Luise von Koburg.
Der Rathauskellerwirt in Floridsdorf, Herr Joseph Weitzer, der bekanntlich an der Entführung der Prinzessin Luise von Koburg aus Bad Elster werktätigen Anteil genommen hat, ist nun daran gegangen, die Geschichte dieser Entführung für alle Zukunft sestzulegen, und so ist jetzt im Verlage der Buch- und Kunsthandlung Alois B. Lehar in Fiorisdorf ein Büchlein erschienen, das mit den Bildern der Prinzessin und des Herrn Weitzer geschmückt ist und in dem der letztere mit sichtlichem Behagen u. mit viel Selbstzufriedenheit die Geschichte seiner Bekanntschaft mit Mat- tachich und der Entführung der Prinzessin aus Bad Elster erzählt. Er verwahrt sich dagegen, eine „Art Lehrbuch für Prinzesstnnenentführer" schreiben zu wollen, denn „das Rezept werde in jedem ähnlichen Falle sicher ein anderes sein müssen." „Aber", sagt er, „nicht alle Tage wird eine Prinzessin entführt und nicht jeder kann dabet gewesen sein."
Weitzer erzählt, er habe die Bekanntschaft Mattachichs durch Vermittlung eines seiner Gäste gemacht. Der Eindruck der Schicksale und der Persönlichkeit Mattachichs so- wie ein merkwürdiger Traum bewogen ihn, mit Mattachich sich zu verbinden. Die Geldmittel zur Realisierung seiner Pläne seien Mattachich von einem reichen, vornehm gesinnten Oesterreicher zur Verfügung gestellt worden, der nicht nur die Mittel für die Bewerkstelligung der Befreiung, sondern auch für ein standesgemäßes Leben nach der gelungenen Flucht der Prinzessin und Mattachich vorstreckte.
In Elster simulierte Weitzer zunächst ein geschwollenes Kuie, um unauffällig bleiben und einen Vorwand sürKur-
NsSold, Montag drn 86. September
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soviele Stockwerke, als sie vor ihrer Vereinigung mit dem Hauptkamin durchlaufen, zu berechnen.
4. Für jedes Kamin, welches mehr als 60 em im Gevierte hat, beträgt der Lohn im ganzen 5 ^ mehr.
5. Für jedes Kamin in den nachstehend verzeichnten abgelegenen Gehöften: Genesungsheim Rötenbach und Waldeck, Luftkurhaus Waldeck, Reichert'sche Oel- mühle, v. Münch'sches Schafhaus, Gründelhof, Bruderhaus, Hof Roßrücken, Neumühle, Beihinger und Bösinger Sägmühle, Bösinger Pumpstation, Trölles- hof, Haselstaller Hof, Baiersägmühle, Aisbach, Kohl- fägmühle, Kaisersägmühle, Schiltmühle, Hofmühle, Lenzensägmühle, Wolfsmühle, obere Sägmühle, Gröm- bacher Pumpstation, Käppele a. Hochsträß, Rotfelder Mühle und Ziegelhütte, Spielberger und Altensteiger Ziegelhütte, Brunner'sche Sägmühle, Elektrizitätswerk am Bettenberg, Frey'sche Welschkornmühle, sowie in sämtlichen Bahnwarthäusern beträgt die Gebühr 5 -g mehr.
6. Bei bloßen Untersuchungen auf die Notwendigkeit der Reinigung darf nur die Hälfte der Gebühren in Ziff. 1—5 erhoben werden.
7. Bei gemeinschaftlichen Kaminen ist der Lohn auf die verschiedenen Hausbewohner verhältnismäßig zu verteilen. Ergeben sich hiebei Bruchpfennige, so dürfen solche unter > ^ nicht berechnet werden, während
-4 und über V- --Z auf einen ganzen Pfennig aufgerundet werden dürfen.
8. Für das Reinigen einschl. etwaigen Ausbrennens und Wiedereinsetzens von Ofen- und Herd röhren beträgt der Lohn bis zu 1 m Länge 0, von 1—4 m Länge 5 iZ, von 4—7 w, Länge weitere 5 iZ u. s. f.
9. Für das Aus brennen der unbesteigbaren Kamine incl. der unmittelbar nachher vorzunehmenden Reinigung derselben ist der 2^2 fache Betrag des unter Ziff. 1 und 2 festgesetzten Lohnes zu entrichten, wenn das zum Ausbrennen nötige Material nicht vom Hausbewohner, sondern von dem Kaminfeger gestellt wird. Liefert der Hausbewohner selbst das Material, so gebührt dem Kaminfeger nur der 2fache Betrag des ordentlichen Lohns.
10. Für jedes Kamin, welches die Reinigung zu einer außer den gewöhnlichen Arbeitsstunden liegenden Zeit (im Winter morgens vor 7 Uhr, im Sommer vor 6 Uhr und je abends nach 7 Uhr) erforderlich macht, wie bei Metzgern, Gasthäusern,. Brauereien und dergl., dürfen im ganzen 30 ^ mehr berechnet werden.
11. Die Kaminfeger sind verpflichtet, auf Verlangen von Gemeindebehörden oder Hausbewohnern eine Bescheinigung über die bezahlten Kaminfegerlöhne auszustellen.
Nagold, 19. September 1904.
K. Oberamt: Niethammer A. V.
Seine Majestät Her König haben am 23. Sept. allergnädigst geruht, den 'Postpraktikanten I. Klasse Stotz zum Postasststentrn in Altensteig zu ernennen.
Am 23. September d. I. ist von der Evangelischen Oberschulbehörde die Schulstelle in Effringen, Bez. Altensteig-Dorf (Nagold) dem Unterlehrer Gottlieb Grieb in Wildberg, die erste Schulstelle in Gechingen, Bez. Calw, dem Unterlehrer Adolf Hofmann in Crailsheim übertragen worden.
km neuer üerievl aus Port Urlvur.
London, 22. Septbr. Der Korrespondent des Daily Telegraph in Tschisu telegraphiert die Beschreibung des Lebens und Treibens in Port Arthur, die ihm ein einflußreicher Kaufmann aus der belagerten Festung gegeben hat. Der Name dieses Kaufmanns ist Kratz, er erreichte soeben mit seiner Familie Tschtfu, nachdem er unterwegs auf hoher See von einem japanischen Torpedoboot aufgegriffen, an Bord eines japanischen Dampfers gebracht und dort nach allem möglichen ausgefragt worden war. Trotzdem er nur ausweichende Antworten gab, wurde er doch wieder losgelassen, „durch die Gnade des Admirals Togo", wie ihm gesagt wurde. Den Admiral selbst sah er nicht, wohl aber einen anderen japanischen Admiral an Bord eines Schlachtschiffes, auf welches er von dem Kreuzer aus gebracht wurde. Die Japaner erklärten ihm, er könne von Glück sagen, daß er noch aus der Festung herausgekommen sei, die in den nächsten Lagen fallen werde.
Aus den interessanten Darstellungen von der Lage in Port Arthur, die Herr Kratz dem Korrespondenten gab, mag das folgende erwähnt werden. General Stöffel sagte, er sei der starke Mann, der einzig und allein die Situation bisher gerettet habe uud ste weiter retten könne. Man verehre ihn allgemein, aber gesellschaftlich sei er nicht sehr beliebt. Täglich sehe man ihn in den Straßen herumgehen, gewöhnlich in der prächtigen Generalsuniform. Nur wenn er die Forts besuche, habe er eine gewöhnliche graue Uniform an, sodaß man ihn kaum von einem gewöhnlichen Soldaten unterscheiden könne. Man könnte ihn den russischen Lord Kttchener nennen, denn er sei ein Mann von wenig Worten aber dafür ein außerordentlicher Arbeiter. Die ganze Nacht hindurch sehe man das Licht in seinem Quartier. Häufig gehe er in de« Forts herum und lege sich dann in irgend einem Graben nieder. Am folgenden Tage sehe man ihn daun wieder mit seiner Gemahlin, einer kleinen in schwarz gekleideten Dame, in den Hospitälern umhergehen und den Kranken Trost zusprechen. (Wie schon gemeldet, ist die Gattin des Generals Stöffel bei dem letzten Angriff der Japaner, als ste sich an der Spitze der auS Offiziersfraueu und -Töchtern bestehenden Pflegerinnenabteilung dem feindlichen Feuer aussetzte, an der Schulter verwundet worden. D. Red.) General Stöffel selbst verlange von seinen Offizieren, daß ste ihre Pflicht von Grund aus tun, alle Klubs seien geschloffen worden. Die Soldaten liebten ihn sehr, aber die Offiziere weniger.
lieber die Rückkehr der Flotte sei man in Port Arthur
gebrauch zu haben. Später nahm Weitzer zu gleichem Zweck Moorbäder. Die Korrespondenz mit der Prinzessin erfolgte auf folgende Weise: Wenn der Zimmerftllner servierte und die Prinzessin Bouillon verlangte, so wußte er, daß sich in der auf einer Etagere liegenden Modezeitung ein Brief für Mattachich befinde, der sich in Elster „Heinrich" nannte. Wenn auf der Etagere ein Brief an die Prinzessin lag, fragte der Kellner ob die Prinzessin Mokka' befehle. Em Fluchtplan, bei dem Mattachich das Zimmer nachts auf- fperren wollte, blieb unausgeführt. Am Tage der Flucht wünschte die Prinzessin einen Aufschub um einen Tag, da ste noch viel einzupacken habe. Der Vorschlag wurde aber abgelehnt und die Flucht für selbe Nacht vereinbart.
Weitzer hatte inzwischen, angeblich für seine kranke Schwiegermutter, jenes Parterrezimmer mit direktem Ausgang ins Freie gemietet. Durch dieses Zimmer erfolgte die Flucht. 1 Uhr nachts traten Mattachich und der sächsische Buchhalter Thormann leise bei Weitzer ein. Um 2 Uhr erschien ein gut bezahlter Mann, der das Gepäck der Prinzessin aus dem 1. Stock abholen sollte. Der Mann war aufgeregt u. wollte Säbelklirren gehört haben. Weitzer und Mattachich glaubten wieder, der Mann habe ste verraten. Schließlich kam der Träger doch mit dem ersten Gepäck der Prinzessin. Als er ging, um den Rest zu holen, stolperte er unter großem Geräusch. Abermals glaubte sich Mattastch und seine Leute verraten. Endlich erschien der Träger mit 2 Koffern und flüsterte: „Die Prinzessin kommt gleich". Beim Schein eines Wachszündhölzchens trat gleich darauf die Prinzessin ein, die mittels eines ihr von Mattachich gesandten Nachschlüssels ihr Zimmer geöffnet hatte. In wortloser Erregung sanken sich die Prinzessin u. Matta- stich in die Arme. „Alles geht gut", sagte die Prinzessin,
„aber ste werden mich doch wieder gefangen nehmen, diese
furchtbaren Menschen."
Zuerst verließ nun Weitzer mit einem Bündel und einem schweren Stock das Zimmer. Dann kam Thormann mit zwei Koffern. Den Schluß der Expedition machte die Prinzessin am Arme Mattachichs, der ein Juwelenkästchen unter dem Arme trug. Nach einer halbstündigen Wanderung auf der Straße erreichte mau bei Mondlicht den bestellten Wagen, in dem eine Frau Stoeger wartete. Im Fond nahm neben Frau Stoeger die Prinzessin Platz, gegenüber Mattachich und Weitzer, auf dem Bock Thormann. Sodann gings eilig nach Hof, um den 5 Uhr-Zug zu erreichen. Da aber die Pferde lahmten und der Wagen ein» mal umzukippm drohte, kam mau erst um 6 Uhr in Hof an, wo im Hotel „Prinzregent" abgestiegen wurde. Ursprünglich sollte nach Paris gereist werden. Dann entdeckte Thormann, daß um halb 9 Uhr ein Zug nach Bamberg fällig sei, der benützt wurde. Am Abend kamen alle in Berlin an, wo Südekum wartete.
AlS die Prinzessin sich am nächsten Tage von Weitzer verabschiedete, sagte sie ihm: „Wie danke ich Gott für meine Befreiung und Ihnen, der Sie so schön dabei mitgeholfen haben. Besonders freut mich, daß Sie Oesterreicher find. Das werde ich Ihnen nie vergessen u. Ihrer gedenken, so bald ich vollkommen frei bin." Weitzer erwiderte, er habe nur als anständiger, ehrlich denkender Mensch gehandelt. Dann reiste er nach Wien zurück. Dort richtete er an Dr. Pierson ein Schreiben, worin er um Übersendung eines Prospektes von Liuderhof bat. Seine Nerven seien erschüttert, er wolle sich Piersons Pflege, von der er so viel gutes vernommen, anvertrauen.