7 6. Jahrgang.

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Nagold, vertag -e« 89. Juli

Auflage SSSO.

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DaS Plauderstübchen und

Schwäb. Landwirt.

1904

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Expedition üs. Bl. gemacht werden.

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Der neue deutsch-russische Handelsvertrag unterzeichnet.

Berlin, 28. Juli. Das Wölfische Bureau meldet: Der neue deutsch-russische Handelsvertrag wurde heute hier durch den Reichskanzler Gras v. Bülow und den Prä­sidenten des russischen Ministerkomitees, v. Witte, unter­zeichnet.

Komische Weöerficht.

Die Russifizierung Finnlands hat wieder eine«

Schritt vorwärts gemacht. Ftnland Gaseta meldet amtlich: Die Maßnahmen zur Vereinheitlichung des Münzsystems des Reichs und Finnlands haben am 9. Juni die Bestät­igung des Kaisers erhalten. Die russische Goldmünze in Rubeln bildet neben der ftnnländischen Goldmünze in Mark das gesetzmäßige Zahlungsmittel in Finnland, das bei Zahlungen in unbeschränkter Höhe entgegcnzunehmen ist, während Zahlungen in russischem Silber nur bis zu 3 Ru­beln 75 Kopeken angenommen zu werden brauchen. Bei Zahlungen an Eisenbahnen, Zollämter u., s. w. sind auch russische Kreditbilletts und Kupfermünzen zulässig. Der russische Rubel wird zwei finnländischen Mark 66«/, Perms gleichgestellt sein.

Präsident Roosevelt wurde formell davon in

Kenntnis gesetzt, daß die republikanische Nationalkonvention ihn zum Präsidentschaftskandidaten ernannt habe. Als der Sprecher des Repräsentantenhauses, Cor.non, ihm im Auf­trag des Komitees davon Mitteilung gemacht hatte, nahm Roosevelt die Nomination an und erklärte seine freudige Zustimmung zu den Erklärungen und Grundsätzen der Kon­vention.

In England macht die Echutzzollbewegnug

andauernd Fortschritte. Die aus Anregung Chamberlains Ende vorigen Jahres zusammengetretene nicht offizielle, aus Vertretern des Handels und der Industrie zusammengesetzte Kommission, die sich mit Vorschlägen für etwaige zweck­mäßige Aenderungen des Zolltarife? befassen sollte, hat nun ihren ersten Bericht, erscheinen laßen, der sich mit der Eisen- und Stahlindustrie befaßt. Die Kommission schlägt vor: 1. einen allgemeinen Tarif mit niedrigen Zollsätzen für dasjenige Ausland, welches britische Waren zu billigen

Bedingungen zuläßt; 2. einen Vorzugstarif, welcher niedriger als der allgemeine Tarif ist, für diejenigen Kolonien, welche Großbritannien einen angemessenen Vorzug gewähren; 3. einen Maximaltaris mit verhältnismäßig höheren Zöllen für solche Länder, welche britische Waren durch Tarife ausschließen, die Prohibitivzöllen gleichksmmen; doch soll hierbei die Möglichkeit gegeben werden, die Zölle auf dem Weg der Verhandlungen auf die Stufe des allgemeinen Tarifes herabzusetzen.

Der französische Ministerpräsident Combes

hat in Carcassonne eine politisch bedeutsame Rede gehalten, worin er seine gegen die kirchlichen Kongregationen gerich­tete Politik verteidigte und an der Hand des Resultats der letzten Gemeindewahlen nachwies, daß diese Politik im Land immer neuen Anhang gewinne. In 9107 Gemeinden seien Ordensschulen geschlossen worden. 608 dieser Gemein­den wurden von den Republikanern gewonnen und nur 216 verloren. Frankreich stelle vor alles und über alles den Sieg der weltlichen Gesellschaft übrr den klerikalen Geist. Auch die Trennung von Staat und Kirche sei ein Teil dieses Kampfes u. dieser Politik. Was die äußere Politik Frankreichs anbetreffe, so wage er zu sagen, daß sie vou der gesamten Welt beneidet und bewundert werde.Wir träumen", so führte der Ministerpräsident aus,allerdings nicht von Schlachtenruhm und kolonialen Eroberungen, wir wollen bescheiden und klug diejenigen Territorien ausnützen, die wir bereits erobert haben, und unsere patriotische Ge­nugtuung besteht darin, Frankreichs Ansehen so gewachsen zu wissen, daß seine Freundschaft niemals höher etngeschätzt und niemals gesuchter war." Combes hob dann das per­sönliche Verdienst Delcastös um die neue Politik der Schieds- gertchtsverträge hervor, welche in Rußland, England und Italien freudig begrüßt worden sei.Der Friede", so schloß der Redner,bleibt unser erstes Bedürfnis u. unser fester Entschluß."

Der Krieg zwischen Rußland Md Japan.

Berlin, 28. Juli. Aus Tientsin meldet der Lokal­anzeiger: Die russische Mandschurei-Armee ist im Rückzug ans Lianjang. Die Japaner rüsten sich jetzt zu einem allgemeine« Sturm auf Port Arthur, der mit 80,000 Mann unternommen werden soll. Sie hoffen, die Festung in den nächsten Tagen einnehmen zu können. Fremdländische Offiziere glauben aber, daß Port Arthur nicht vor Ablauf eines Monat? fallen werde.

Petersburg, 28. Juli. Aus Mukden wird depe­schiert: Gerüchten zufolge wurde eine russische Sotnie, die im Südostcn der Stadt bei einem Dorfe Feldwachdienste verrichtete, am 25. Juli von einer japanischen Kompanie angegriffen. In der Richtung auf Mukden zurückgehend, traf die Sotnie eine japanische Reiterpatrouille von 5 Pferden.

Tfchif«, 28. Juli. Hierher geflüchtete Chinesen be­richteten, daß in der Nacht vom 25. die Japaner den rus­sischen Torpedojäger Leutnant Bnrakoff, sowie 2 Torpedoboote in den Grund gebohrt haben. Aus

Port Arthur kommende Chinesen erzählen, daß vorgestern ein heftiger Kamps zu Wasser und zu Laude stattgesuuden habe. Die Japaner hätten im Nordwesten der Stadt große Belagerungsgeschütze ausgestellt.

Suez, 27. Juli. Nach allgemeiner Anweisung stad die nach Osten bestimmten deutschen Dampfer vom hiesigen russischen Konsul mit Freipässen für das Rote Meer ver­sehen worden, für den Fall, daß sie mit russischen Kreuzern zusammentreffeu.

Berlin, 28. Juli. Aus Konstantinopel meldet das Berl. Tagebl.: Der Kampf zwischen der englischen und ruf- Achen Botschaft über das Passieren der russischen Schrsfe durch die Dardanellen dauert fort. Noch ist keine Entscheidung gefallen. Der britische Botschafter gibt aber zu erkennen, daß vor dm Dardanellen englische Schiffe liegen werden, falls Schiffe der russischen Freiwilligen-Floue die Erlaubnis zur Psffage durch den Bosporus erhalten.

Gages-Weuigkeiten.

Aus Stadt md Land.

Nagold, 29. Juli

Zur Protestbewegung. DaSDeutsche Volksblatt" Nr. 168 vom Mittwoch den 27. d. Mts. beschäftigt sich i« einemSeht, wie ste's treiben!" überschriebmen Artikel mit unserem Bericht über die Protestoersammlung. DasLolkS- blatt" sagt, es sei demGesellschafter" sehr dankbar für seinen umfassenden klaren Bericht. Und doch können wir demVolksblatt" Mitteilen, daß unser Bericht Sei weitem nicht umfassend war, da ja wie wir im Bericht erwähnten, Herr Dr. Fctzer eine volle Stunde sprach; das hätte ja eine Seite unseres Blattes ausgefüllt. Merkwürdig ist ferner daß das Volksblatt sich trotz der Dankbarkeit nicht ersparen kann, dm Amtsblättern eins auszuwischen, vielleicht weil sie die Wahrheit rein berichten, nicht wie die politischen Parteiblätter sozusagenretouchirt". Wmn daS Deutsche Volksblatt" unseren Bericht einenumfassenden" nennt, so ist dies auch insofern ein Irrtum seinerseits, als wir auch über die «/«stündtge Rede des LandtagSabg. Rechtsan« Walt Liesching berichteten, der wahrlich kein Blatt vor de« Mund nahm und dem Ültramontanismus nichts weniger als eine Lobrede widmete. Wie kommt es denn nun, daß dasDeutsche Vollsblatt" in seinemSeht, wie ste's trei­ben"-Artikel gar nichts von dieser Rede erwähnt? Ge­hört das zu jener Reserve, die von Parteiorganen aus guten Gründen und im löblichen (??) Gegensatz zu den Amts­blättern gezeigt wird, wie dasVolksblatt" meint? Da der Bolksblatt-Artikel im übrigen die Rede des Sekretärs der Deutschen Partei auch in einzelne» Punkten zu wider­legen und als Hetze gegen die Katholiken hinzustellen sucht, so überlassen wir die Antwort darauf de« Herrn Dr. Fetzer selbst.

Von Buenos-Aires (Hauptstadt Argentiniens) über Chile nach Lima (Hauptstadt Perus).

Von Karl Günther.

Nach 23tägiger Seereise war Buenos-Aires erreicht; trotz der mannigfachen Unterhaltungen und Vergnügungen an Bord des DampfersCap-Rocca" war es mir doch sehr lieb, wieder Land zu betreten, denn das fortwährende Nichtstun wollte mir in dm letzten 8 Tagen nicht mehr behagen. Eins Hitze, wie ich sie in Europa noch nie erlebt hatte, empfing die Passagiere desCap-Rocca" bei der Landung in Buenos-Aires; zu wundern brauchte man sich zwar nicht darüber, war man doch am Ende des Sommers in Südamerika. Die Hitze hielt dann noch etwa 3 Wochen an, unbarmherzig brannte die Sonne hernieder, kein Wölk­chen war während dieser Zeit am Himmel zu sehen, auch die Nächte brachten sehr wenig Abkühlung, so daß von einer kleinen Erholung vom Abend bis zum nächsten Morgen so viel wie gar keine Rede sein konnte. Die Stadt Buenos- Aires zählt heute ca. 700 000 Einwohner, wovon, man kann sagen, mindestens die Hälfte Europäer sind, meistens Italiener, dann Franzosen, Engländer und Nordamerikaner, auch sehr viele Deutsche, sind doch die größten Import- u. Export-Geschäfte in deutschen Händen. Ungefähr wie in Hamburg findet man in der Metropole Argentiniens alle Nationen der Welt. Die Argentinier sind nach europäischer Art gekleidet, hauptsächlich die vornehmen Damen verstehen es vortrefflich, den Pariser Schick nachzuahmen. Infolge

der damals herrschenden Hitze sah man tagsüber nur solche Leute auf den Straßen, welche durch ihr Geschäft dazu ge­zwungen waren; erst abends nach eingenommener Mahlzeit gegen 8 Uhr wird es recht interessant auf den Straßen und sollte der Leser bald einmal nach Buenos-Aires kommen, so wird er in der Callee (Straße) Florida oder Calle de Mayo Läden antreffen, wie er sie nur in den ersten Groß­städten Deutschlands sieht. In Südamerika sind die Leute sehr bequem, deshalb fahren die meisten abends spazieren. Hunderte von. Kutschen folgen hintereinander, ich habe so etwas selbst in Paris nicht gesehen; so lassen sich ganze Familien für ca. 23 ^ so 2 Stunden langsam spazieren fahren und haben auf diese Weise ganz gut Gelegenheit, die in den Schaufenstern ausgestellten Neuheiten der Pariser Mode zu betrachten. So viele große und schöne Theater wie die europäischen Großstädte aufzuweisen haben, gibt eS hier nicht, die Hauptfestlichkeiten spielen sich meistens in den Familien ab, wo fast jedes bessere HauS so eingerichtet ist, daß kleine Bälle abgehalten werden können; ich finde das praktisch und vernünftig. Ein recht gutes vonZ Deut­schen gebrautes Bier bekommt man in B.-A. zu trinken, überhaupt, wenn man nicht alles doppelt so teuer bezahlen müßte wie in Europa würde man in dieser Stadt kaum wahrnehmen, daß man in einem andern Weltteil ist.

Nach ca. ^wöchentlichem Aufenthalt mußte ich meine Reise nach Chile fortsetzen u. da die Cordilleren im Monat März meistens noch ziemlich schneefrei sind, zog ich den Weg übers Gebirge, welcher viel kürzer und auch sehr in­teressant ist, dem Seeweg durch die die Magellan-Straße

vor. Zwei Reisegesellschaften vermitteln den Landverkehr zwischen Argentinien und Chile und so fuhr ich Dienstag 9 Uhr von B.-A. ab. In 3 Nächte» und 2 Tagen erreichte man per Gxpreßzug Mendoza Md geht der Weg über die Pampas; viel ist da nicht zu sehen, ab und zu einmal ein Rudel Pferde oder Schafe, welche zu irgend einer Estancta (Landgut) in der Nähe gehören. Von Mendoza aus, An­kunft dort morgens gegen 6 Uhr, gtngs mit einer elenden Eisenbahn weiter ca. 3 Stunden durch die Weingegend Ar­gentiniens, während man in den letzten 2 Stunden der Fahrt bereits die Ausläufer der Cordilleren bemerkt. Gegen 11 Ubr war das Ende der Bahn erreicht; man wurde a« der Endstation durch Kutschen, welche mit 46 Pferden bespannt waren, abgeholt und i« ein ca. eine halbe Stunde entlegenes Hotel gebracht. Die Vorbereitungen zum Ritt auf Maultieren über die hohen Berge begannen auch bereits. Ein kräftiges Essen mit einer guten Flasche Wein wurden noch eingenommen, denn in den nächsten 68 Stunden gab eS voraussichtlich nichts mehr; während des Essens wurden die Mullas (Maultiere) gesattelt und in einer weiteren hal­ben Stunde saß die ganze Reisegesellschaft, ca. 60 an der Zahl, ich war der einzige Deutsche, im Sattel. Ja es war ein interessanter Ritt über die himmelhohen Berge, dieselben find bedeutend höher als die höchsten Schweizer Berge. Wege gibt es da nicht, man verläßt sich vollständig auf daS Maultier, das einen über Stock und Stein trägt, und zwar mit einer solchen Sicherheit, daß man gar nicht daran zu denken braucht, daß einem ein Unglück durch Abstürzen widerfahren könnte. (Forts, folgt.)