356

eine Denkschrift ausarbeiten, um die politische Thätigkeit der Königin Natalie nachzuweisen. Die Dokumente sollen im Original mehreren Souveränen persönlich durch spezielle Abgesandte überreicht werden. Der König protestiere energisch gegen die Zumutung, daß er eine neue Ehe anstrebe. Sein Haupt­zweck sei erreicht, indem der Kronprinz verderblichen Einflüssen entzogen sei.

Rußland.

Petersburg, 19. Juli. Das deutsche Kaiser-Geschwader hat gestern abend Reval passiert. Die Kaiser-Zusammenkunft findet heute nachmittag 3 Uhr in Kronstadt statt.

Kronstadt, 19. Juli. Um 1 Uhr 12 Minuten Nachmittags wurde der Dampf des deutschen Geschwaders hier sichtbar. Die hier befindlichen Kriegsschiffe erwarten dasselbe in Paradestellung, alle Schiffe im Hafen prangen im Flaggenschmuck; eine große Anzahl von Privatdampfern, überfüllt von Menschen, harrt auf der Außenrhede und von Petersburg ist zahlreiches Publikum eingetroffen, um der Ankunft de« deutschen Kaisers beizuwohnen.

Kronstadt, 19. Juli. Die kaiserliche DachtH o h e n z o l l e r n" traf heute nachmittag 4'/? Uhr unter den Salutschüssen aller Forts und Kriegsschiffe auf der kleinen Rhede ein, woselbst alsbald die Begrüßung des Kaisers Wilhelm durch Kaiser Alexander erfolgte. Nach der Begrüßung fuhren beide Kaiser auf der russischen DachtAlexandria" unter Salutschüßen der Geschütze an Kronstadt vorüber nach der hiesigen Landungsbrücke. Kaiser Wilhelm trug die Uniform des Petersburger Grenadierregiments, der russische Kaiser die Uniform des preußischen Alexander­regiments. Kaiser Wilhelm verließ dieAlexandria" zuerst und eilte auf die auf der Landungsbrücke stehende russische Kaiserin zu, welcher er die Hand küßte. An der Landungsbrücke, woselbst das glänzende Gefolge des russischen Kaiserpaares und eine Ehrenkompagnie der Marinegarde aufgestellt war, welche die deutsche Nationalhymne und einen Präsentiermarsch spielte, wurde der Kaiser mit dem russischen Willkommruf begrüßt. Nachdem beide Kaiser die Front abgeschritten, bestiegen sie den Wagen und begaben sich in das Schloß. Im ersten Wagen fuhren beide Kaiser, im zweiten Prinz Heinrich und der Großfürst Thronfolger. Bei der Landung und bei der Fahrt wurden die Majestäten von einer großen Menschenmenge auf das lebhafteste begrüßt.

Hcrges-Werrigkerlen.

Ludwigsburg, 17. Juli. II. KK. HH. der Prinz und die Prinzessin Wilhelm mit Gefolge begaben sich gestern morgen um 10 Uhr mit Extrazug nach Wildbad und wurden am Bahnhofe daselbst von den Vorständen der städtischen und Bezirksbehörden empfangen. Die hohen Herr­schaften besuchten zunächst die Trinkhalle und die Kuranlagen, sowie die K. Badanstalten, worauf das Diner, zu dem eine größere Anzahl von Einladungen ergangen war, im Hotel Klumpp eingenommen worden wurde. Nach be­endeter Tafel besichtigten II. KK. HH. auf das eingehendste das Katha- rinenstift und die Herrnhilfe und verließen Wildbad um 4.Uhr nachmittags, um sich über Calw nach Leonberg zu kurzem Aufenthalte zu begeben. Dort hatten gleichfalls die Behörden und Vereine zur Begrüßung Auf­stellung genommen. II. KK. HH. besuchten in erster Linie den Engelberg, besichtigten alsdann die Sehenswürdigkeiten der Stadt, darunter die Hunde­parks der Herren Essig und Burger und setzten die Rückreise nach Ludwigs, bürg um 7>/s Uhr fort.

Cannstatt. Beim Umbau des Hotel Herrmann wurden nach dem Neckarboten" beim Abräumen des alten Holzes von den Kellerbeschlägen in einem Zapfenloch von einem Maurer 24 Stück Ve'Guldenstücke gefunden. Sämtliche Münzen, aus den 40er Jahren stammend, sind noch wie neu.

Aus Reutlingen schreibt man unterm 17. Juli. Ein schweres

Unwetter, wie wir es in diesem an Gewittern so reichen Jahrgange noch nicht hatten, ging heute Nacht über das Neckarthal nieder und hat über die davon betroffenen Orte und deren Gemarkungen große Verwüstung und bedeu» tenden Schaden gebracht. Das Unwetter kam gegen 11 Uhr zum vollen ver­heerenden Ausbruch. Ein orkanartiger Sturm erhob sich zu dieser Zeit unter hellleuchtenden Blitzen und vernichtete 2/4 des Obstbaumstandes und fast deffen reichliche Frucht, soweit wir heute die Ausdehnung des Schadens feststellen konnten, der Gemeinden Dußlingen, Gomaringen, Bronnweiler, Tübingen, Kirchentellinsfurth, Altenburg und Opferdingen. Die stärksten Bäume wurden entwurzelt oder abgeknickt und liegen nun mit den zahlreichen unreifen Früchten am Boden. Die Straße von Opferdingen nach Altenburg war heute früh für Fuhrwerke kaum passierbar. Die Kornfrüchte, Gerste, Korn und Haber liegen von der Wucht des Sturmes und vom Regen zu­sammengeschlagen , wie gewalzt am Boden, doch glaubt man, daß sie sich wieder erheben, da nur wenig Hagel bei dem Wetter war. Der Boden ist teilweise stark von Sand überflötzt, und wo das Wasser an abschüssigen Stellen seine Gewalt entwickeln konnte, findet man ganze Massen des unreifen Obstes zusammengetrieben. Auch an den Dächern, Schornsteinen rc. ist der Schaden nicht gering. Zum Glück scheint die Ausdehnung des Wetters nicht allzugroß, denn die Gemeinden Mittelstadt, Pliezhausen, Sickenhausen wurden wenig betroffen, Sondelfingen und auch unsere Stadt blieben ganz verschont, wenngleich das Gewitter sich in heftigen Regenströmen und unheimlichem Donnern und Blitzen als ein sehr schweres bis über Mitternacht bemerkbar machte.

Geislingen, 18. Juli. Vor etwa 14 Tagen mußten in Wiesen­steig die Schulen geschloffen werden, da Halsbräune und Scharlach aufgetreten waren, welchen Krankheiten zwei Kinder gleich anfangs erlagen. Den an­gewandten Mitteln und den getroffenen Vorkehrungen gelang es jedoch, ein weiteres Umsichgreifen der Krankheiten zn verhindern.

Karlsruhe, 16. Juli. Ueber ein entsetzliches Unglück auf dem Turnfeste im nahen Beiertheim wird berichtet: Dasselbe ereignete sich Sonntag abend kurz nach 5 Uhr in dem Garten des von Karlsruhe aus vielbesuchten Stephanienbad. Schon war man bis zur Preisverteilung gelangt, als plötzlich die Veranda, von welcher herab die Preisverteilung verkündet wurde, mit einem donnernden Geräusch zusammenbrach, die darunter Stehenden unter ihren Trümmern begrabend. Mehrere Schwerverletzte wurden hervorgezogen, von denen ein vierzehnjähriger Knabe namens Hust bald darauf seinen Geist aufgab. Derselbe war in demselben Augenblick, als die Veranda zusammenbrach, unter derselben zum Bierbuffet gelaufen, um Bier zu holen, und mußte diesen Gang mit dem Tode büßen. Unter der Veranda selbst befand sich während des Einsturzes niemand, da ein jeder vor derselben auf die Verkündigung der Preise hörte, die von der Veranda erfolgte. Bei den Worten:Den vierten Preis hat" geschah das Ent­setzliche. Von den auf der Veranda Befindlichen hat niemand Schaden ge­nommen, weil der Blechfußbooen ganz blieb und die darauf Befindlichen nicht durchbrachen, sondern nur herunterrutschten. Eine Frau und ein Turner aus Pforzheim erhielten nicht unerhebliche Verletzungen.

Standesamt Kal«.

Geboren:

15. Juli. Wilhelm Friedrich, Sohn des Georg Grob, Messerschmieds.

16. Georg Ludwig, Sohn des Georg Pfau, Bäckers.

17. Paul Ludwig, Sohn des Louis Talmon l'armee, Strumpfwebers.

Gestorben:

12. Juli. Karl Friedrich Bühler, 6 Wochen alt, Sohn der Johannes Bühler, Fabrikarbeiters Witwe.

Gottesdienste am Sonntag, den 22. Juli 1888.

Vom Turme: Nro. 412. Vormittagspredigt: Hr. Helfer Ehtel. 1 Uhr Christen­lehre mit den Töchtern. 2 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Herr Dekan Braun.

Gotteräieaste ia äer Metlwckifteakapokke am Sonntag, den 22. Juli 1888, morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.

Vom Sehen, ja; man hat ihn mir gezeigt, seit ich wieder in Paris bin, was erst seit drei Tage der Fall ist. Doch was kann Ihr Gatte mit Ihrem Hiersein zu thun haben?"

Viel!" lautete die kühle Entgegnung.Mein Gatte ist mit einer Dame in dieses Lokal getreten, ich folgte ihm, man hemmte meinen Weg und nun gedenke ich, hier zu bleiben und auf ihn zu warten, bis jene Beiden das Lokal wieder verlassen."

Und dann "

Dann weiß ich noch nicht, was ich thun werde! Jedenfalls aber bin ich Ihnen, wenn Sie mir Ihren Schutz angedeihen lassen, dankbar!"

Albertd d'Artige so war der Name des Mannes, den der Zufall nach langen Jahren in dieser Stunde in Bianka's Weg geführt hatte sah die vor ihm stehende jnnge Frau ratlos an. Er hatte einst zu den eifrigsten Verehrern der schönen Bianka Monti gezahlt, aber sie hatte ihn nie begünstigt. Seitdem war er in der Diplomaten- Karriöre, die er gewählt, zum Gesandtschafts-Sekretär ernannt und besaß ein an­sehnliches Vermögen, welches ihm eine Rente von achtzigtausend Franks auswarf. Er war ein großer, schöner Mann, von eleganter Tournure und dunklem Haarwuchs, ein Mann, der den Frauen wohl gefiel und nur vor Bianka's Augen keine Gnade gefunden hatte.

Jetzt, seine Verlegenheit auf ihre erklärenden Worte wohl sehend, sprach die junge Frau nicht ohne Bitterkeit:

Es ist allerdings ein großes Opfer, das ich von Ihnen fordere, aber fürchten Sie Nichts. Ich werde Sie in keiner Weise kompromittieren. Es wird zu keinem öffentlichen Skandal kommen. Ich werde mir damit genügen lassen, meinem Manne zu folgen, wenn er sich mit seiner unbekannten Begleiterin entfernt. Dann bedarf ich Ihres Schutzes nicht weiter, und Georges braucht gar nicht einmal zu erfahren, daß Sie mit mir zusammen hier gewesen sind."

Glauben sie denn, daß ich mich vor ihm fürchte?" fragte Herr d'Artige, sich stolz aufrichtend.

Nein, aber Sie haben mit der ganzen Angelegenheit Nichts zu thun und ich will nicht, daß Sie meine Verteidigung übernehmen."

Dann werden Sie mir gestatten, mich zurückzuziehen, gnädige Frau, denn ich finde, daß ich unter solchen Umständen hier eine höchst lächerliche Rolle spiele."

Die Gräfin antwortete nicht; sie horchte auf ein Geräusch von Stimmen, welches vom Korridor hereindrang. Im nächsten Augenblick wurde von kräftiger Hand die Thür aufgestoßen und den Hut auf dem Kopfe, mit blitzenden Augen stand auf der Schwelle Bianka's Gatte, Georges von Listrac.

Minuten hindurch standen die drei Personen in dem kleinen Salon einander regungslos gegenüber. Der Graf war der Erste, der das Schweigen brach. Er trat vollends ein und schloß die Thür hinter sich. Dann fragte er in kaltem Tone:

Was thun Sie hier, Madame?"

Ich bin gekommen, um Dich zu suchen," entgegnete die Gräfin, ohne den Blick vor dem seinen zu senken,und an mir ist es, Fragen zu stellen!"

Was wagst Du auszusprechen?"

Daß Du in der Begleitung einer Unbekannten vom Clubhause hierher ge­fahren bist. Ich folgte Dir und habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie Du in ihrer Gesellschaft das Kafs Anglais bettatest."

Ah!" machte der Graf.Wohlan, ich ahnte Aehnliches und bin vollständig bereit, Dir Rede und Antwort zu stehen, wenn Du mir zuvor gefälligst erklären willst, wie es kommt, daß Du hier mit diesem Herrn allein Dich befindest? Willst Du mir etwa sagen. Du seiest ihm zufällig auf der Treppe dieses Restaurants begegnet!"

Es wäre dies die vollständige Wahrheit," mischte sich Albert d'Artige, ver­tretend, jetzt in das Gespräch,freilich steht es Ihnen vollkommen frei, diese meine Behauptung zu glauben oder nicht zu glauben, aber ich kann nur auf meine Ehre versichern, daß dem so ist, und bis jetzt hat noch Niemand es gewagt, an meinem Worte zu zweifeln."

Wer sind Sie, mein Herr?" wandte sich Herr von Listrac mit verächtlicher Miene an den Sprechenden.

Hier ist meine Karte; ich benötigte die Ihrige nicht, denn ich weiß, wer Sie sind, und sobald Sie mir Ihre Sekundanten schicken, werden Sie mich bereit finden, Ihnen mit den meinen in regelrechtem Waffengang entgegenzutteten."

(Fortsetzung folgt.)