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Standes-
Kagold.
d. Julius Habers einer fiärz.
78. Jahrgang.
Erscheint
Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag.
Preis vierteljährlich hier 1 <^t, mit Träger- ohn1.1C,«,im Bezirks- und 10 Km-Verkehr 1.20 im übrigen Württemberg 1.30 ^ Monatsabonnements nach Verhältnis.
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Gratisbeilagen: Das Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
50
Nagold, Freitag, den 11. Marz
1904.
politische Webersicht.
Zu der Aufhebung des tz S des Jesuiteuge-
setzes ourch den Bundesrat schreibt ver Schw. Merkur: Das fehlte gerade noch, um die Befürchtungen vom wachsenden Einfluß des Ultramontanismus in Deutschland von neuem zu rechtfertigen'. In Preußen hat der Kultusminister die marianifchen Kongregationen zugelassen, im Reich ist nunmehr der § 2 des Jesuitengesetzes aufgehoben worden. (Er bestimmt, um Bekanntes zu wiederholen, daß die Mitglieder des Ordens der Gesellschaft Jesu, wenn sie Ausländer sind, ausgewiesen werden können, und ihnen, wenn sie Inländer sind, der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten verboten oder angewiesen werden kann.) Als im Februar vorigen Jahres der Reichskanzler Graf Bülow verkündigte, er werde dahin wirken, daß die preußischen Stimmen im Bundesrat zu gunsten der Aushebung des § 2 abgegeben werden, da ging ein Sturm der Entrüstung durch das evangelische Deutschland. So stark hatte man sich damals wohl in Berlin die Stimmung gegen jede Abbröckelung des Jefuitengesetzes nicht gedacht, und eine zeitlang schien es auch, als ob Preußen im Bundcsrat keine Mehrheit für seine Nachgiebigkeit gegenüber dem Zentrum erhalten werde. Es waren insbesondere Baden und Württemberg und dann die protestantischen Staaten des Nordens einschließlich der Hanfastädte, die auf ihrem Protest gegen die Aufhebung des 8 2 beharrten. Die 30 Stimmen, die im Bundesrat nötig sind, um eine Aenderung des Gesetzes in die Wege zu leiten, schienen damals nicht aufgebracht werden zu können. Unterdessen scheint man jedoch durch diplomatische Einwirkungen verschiedene Bundesstaaten zu einer entgegenkommenden Haltung bekehrt zu haben. Zu den 17 Stimmen Preußens und den 6 Stimmen Bayerns müssen noch mindestens 7 hinzugekommen sein, die sich ans den Standpunkt Preußens gestellt haben. Bis jetzt ist man natürlich nur auf Vermutungen über diesen Punkt angewiesen. Es werden wohl einige norddeutsche Kleinstaaten, die unter preußischem Einfluß stehen, ihr Votum mit Ja abgegeben haben. Für nicht ganz ausgeschloffen halten wir es, daß auch Baden sich auf die Seite des Grafen Bülow geschlagen hat. Man Hai öfters gehört, daß Baden von Berlin aus bearbeitet worden ist im Sinn des Entgegenkommens gegen den Klerikalismus. Württemberg ist jedenfalls seiner von Anfang an ablehnenden Haltung getreu geblieben.
In Erkenntnis der trostlosen Geschäftslage
des Reichstags, die sich nicht verbessert, sondern verschlechtert hat und die Fertigstellung des Etats vor dem Beginn des Finanzjahres bereits als ganz aussichtslos erscheinen läßt, finden erneut Beratungen des Seniorenkonvents statt. Solange der Reichstag beschlußunfähig bleibt, ist nichts zu ändern. Die Beschlußunfähigkeit ist der Hauptfehler und ihr entgegenzuwirken ist die Hauptaufgabe. Die Kreuzztg. regt wieder eine Aenderung der Geschäftsordnung an, ohne zu sagen, wie dieselbe aussehen soll.
Ueber die Stellung der Semiuarlehrer in Preußen wird geschrieben, daß aus den Kreisen der Lehrer
bildner dem Abgeordnetenhaus nicht weniger als 143 Petitionen mit etwa 800 Unterschriften eingereicht worden sind. In diesen Petitionen haben die Lehrerbildner folgende Wünsche ausgesprochen: 1. Grundsätzliche Anerkennung der Seminare, als höhere Unterrichtsanstalten; 2. Gleichstellung der Seminardirektoren mit den Direktoren der höheren Lehranstalten in Rang und Gehalt; 3. Erhöhung des Gehaltes der Seminarlehrer; 4. Verleihung von Titel und Rang eines Seminaroberlehrers an die dienstältere Hälfte der Seminarlehrer u. der Präparandenanstaltsvorsteher. Diese Wünsche sind bereits im vergangenen Jahr vom Vorstand der preußischen Lehrerbildner dem Kultusminister in einer Denkschrift überreicht worden. Wie aber alle Wünsche — so schreiben die Berliner Neuest. Nachr. — zurückzuführen sind auf bestimmte Gefühle, die erwachsen an der Wahrnehmung ganz bestimmter Verhältnisse, so sind auch die Wünsche und Bestrebungen der Lehrerbildner aus Gefühlen hervorgegangen, die aus ihrer besonderen Lage resultieren. Es find Gefühle der Unzufriedenheit, die sich immer mehr in Lehrerbildnerkreisen geltend machen und diesem Stand den für die Erfüllung seines Berufes so notwendigen Idealismus trüben. Die Anforderungen an die Lehrerbildner haben sich im hohe» Grad gesteigert, namentlich auch durch die neuen Lehrpläne, so daß jeder Seminarlehrer seine ganze Kraft einsetzen muß, um den Forderungen der Neuzeit gerecht zu werden. Hierzu bemerkt das bewährte Blatt: „Wenn man erwägt, daß die Finanzlage des Staates eine erfreuliche ist und daß für die Erfüllung der Wünsche der Seminarlehrer nur 250,000 ^ erforderlich sind, so darf man wohl der Hoffnung leben, daß der Staat alles tun wird, um einem für die Volksbildung so bedeutungsvollen Stand die rechte Berufsfreudtgkeit, den echten Idealismus zu erhalten. Nur der Idealismus hält noch manchen Seminarlehrer im Seminardienst fest." Uebrigens sei noch hinzugefügt, daß das, was die preußischen Seminarlehrer wünschen und erstreben, im Königreich Sachsen schon längst zum Segen der Lehrerbildung besteht.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 8. März. (Schluß.) Militäretat. Sattler (ntl.) bedauert, daß es noch nicht gelungen sei, eine Vermehrung der Unteroffiziere in der Budgetkommisston durchzusetzen. Die Aeußerung Bebels, daß die Sozialdemokraten das Vaterland bis zum letzten Atemzug zu verteidigen bereit seien, sei sehr erfreulich. Er glaube aber, daß Bebel sich und seinen Freunden die Entscheidung Vorbehalten werde, ob es auch ein gerechter Verteidigungskrieg sei.
Ledebour (Soz.): Durch die abgöttische Verehrung der Disziplin in der Armee sei dem Vorgesetzten eine Machtvollkommenheit gegeben, die niemals sonst in irgend welchen Bevölkerungsklassen vorkomme. Daher rühre es, daß so viele Mißhandlungen in der Armee Vorkommen. Sehr viele Beschwerden gelangen gar nicht in die Oeffentlichkeit. Ledebour spricht dann vom Patriotismus der Sozialdemokraten. Die Liebe zum Volk, die der wahre Patriotismus sei, hätten die Sozialdemokraten stets hervorragend bewiesen.
Müller-Meiningen (fr. Bp.) findet es sehr bedauerlich, daß nicht eine Beschwerdepflicht, sondern nur ein Beschwerderecht bestehe.
Kriegsminister v. Einem erkärt gegenüber mehreren Vorrednern: Die Bemerkung, der Erbprinz von Sachsen-Meiningen sei
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wegen Bekämpfung von Soldatenmißhandlungen verabschiedet worden, bedeute eine Insinuation gegen den Kaiser, als ob er nichts gegen die Mißhandlungen getan wiffen wollte. Wenn ein bayrischer Staatsanwalt zu einem wegen Beleidigung angeklagten Soldaten gesagt habe, er habe diesen Geist wohl aus dem Garde-Füstlier-Re- giment ,mitgebracht, so sei dies eine Beleidigung der preußischen Armer gegen die er energisch protestiere. Im Generalstab und rm Kriegsnnnisterium seien viele tüchtige Offiziere. Wenn sie wegen ihrer Verdienste geadelt würden, so sei es nicht Sache der Abgeordneten, dies hier zu kritisieren. Der Minister tritt dann der Aeußerung des Vorredners entgegen, daß die Gardekavallerieregimenter sich nur aus adeligen Offizieren zusammensetzen. Der Kriegsminister hält dann die Ausführungen über eine zu große Macht des Militärkabinetts für unrichtig.
Stöcker (wirtsch. Vg.) meint, was solle dir Regierung mit mehrstündigen Reden von Leuten, die nicht gedient haben oder von den Dingen nichts verstehen? (Widerspruch.) Wenn die Armee so schlecht gemacht wird, macht das nach außen keinen guten Eindruck, indem man dem Ausland die notwendige Scheu vor unsrer Armee nimmt. Als Redner der Sozialdemokratie vorwirft, daß sie mit den Juden durch dick und dünn gehe, ruft ihm Hofsmann (Soz.) zu: „Ihr Heiland war Jude."
Präsident Graf Ballestrem (sehr erregt): Die Zurufe fangen an, Blasphemien zu werden. Sind aber Sie in Ihrer großen Mehrzahl Christen, gläubige Christen, so werde ich nicht dulden, daß solche Blasphemien hier fallen (brausend. Beifall.)
Stöcker fährt fort: Es bestänoen aber im Offizierkorps mancherlei Mißstände, die beseitigt werden mühten. Wo ein Wille sei, sei auch ein Weg. Möge man diesen Weg bald finden zum Heile des Vaterlandes und der glorreichen Armee (lebh. Beifall.)
Berlin, 9. März. Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. Am Bundesratstisch: Preuß. Kriegsminister v. Einem.
Das Haus setzt die Beratung des Militäretats fort.
Braun (Soz.) bezeichnet die i. I. 1902 dem Reichstag zuge- gangene Denkschrift über die Arbeitsverhältnisse in den Militärwerkstätten und Fabriken als unzureichend und rügt die sozialpolitische Rückständigkeit der Militärverwaltung gegenüber den Arbeitern. Am meisten sei bedauerlich, daß die Verwaltung die Arbeiten an Unternehmer vergebe. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Beschäftigungszeit der Frauen werden fortgesetzt umgangen. Die Löhne in der Spandauer Militärwerkstätte seien skandalös niedrig. Durch die Heimarbeit werde eine Schmutz-Konkurrenz für die Arbeiter geschaffen.
v. Kröcher (kons.) verteidigt das Offizierkorps gegen den Vorwurf des Gigerltums. Zwar gebe es dort auch sog. „Fatzke", aber man wisse auch aus Erfahrung, daß diese mit Anstand zu sterben verstehen. Das sei auch eine schätzenswerte Eigenschaft. Es sei nicht möglich, die Sozialdemokraten durch schöne Worte und Entgegenkommen zu bekämpfen.
r. Stuttgart, 8. März. Die Kommission für die Gemeinde- und Bezirksordnuug nahm heute nach weiterer Debatte die am Samstag vertagte Beschlußfassung zu Art. 97 Abs. 1 der Gemeindeordnung vor. Hierzu ein Antrag des Frhr. v. Ow, dem auch der Berichterstatter darauf beisttmmte, nachdem Uebereinstimmung dahin hergestellt worden war, daß die Aussetzung der Entschädigung für die bürgerlichen Mitglieder des Stadtrats in einer festen Jahressumme, übrigens innerhalb mäßiger Grenzen, nicht ausgeschloffen sein soll. Ein ebenfalls zu Abs. 1 gestellter Antrag Lteschtng wurde mit 10 gegen 4 Stimmen abgelehnt und der Antrag v.Ow für angenommen erklärt. Dem Abs. 2 (Gebührenbezug der bürgerlichen Mitglieder des Stadtrats) wurde auf Antrag des Abg. Nieder der Zusatz beigesügt: „Im Falle der Gewährung einer Entschädigung für Zeitversäumnis können viele Gebühren durch Gemeindesatzung der Gemeindekaffe zugewiesen werden. Art.
Hlrn KHr' und AoLd.
Roman von E. von Liuden.
65) Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
Der Detektiv hielt ihn jedoch mit eisernem Griffe fest, wobei sein Blick immer ungeduldiger nach der offenen Haustür flog.
„Na, ich sehne mich doch darnach, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Weber!" sagte er mit großer Gemütlichkeit, „weshalb wollten Sie so hinterrücks davongehen?"
„Wer sind Sie denn eigentlich? Wie können Sie sich unterstehen, Hand an einen freien Bürger zu legen. Zum Donner noch einmal, Mr. Ward —"
Er verstummte plötzlich u. wurde aschgrau vor Schreck, als er in ein bekanntes Gesicht blickte. Der kleine Rother alig.8 Hansen war geräuschlos t»'s Haus getreten u. hatte die letzte Unterhaltung angehört.
„Sie, Mr. Günther,"' sagte er überrascht, „das ist ja ein merkwürdiges Wiedersehen."
Der Wirt zog sich mit einem leisen Fluch zurück. „Der fehlt wirklich noch," dachte er ingrimmig, „der Henker hole diese Dutchmen samt und sonders."
„Ich denke, dieser Gentleman nennt sich Mr. Weber?" fragte der Detektiv mit einem listigen Lächeln.
„Da haben Sie sich jedenfalls verhört," erwiderte Rs- ther anscheinend harmlos, „es ist in der Tat Mr. Leo Günther, der Neffe des Mr. Lawrence —"
„Ah, des Inhabers der Firma Lawrence," sagte Fow- ler, „dann kommen Sie nur ruhig mit mir, junger Gentleman, Ihr Verwandter wird sich freuen, Sie zu sehen. Mr. Lawrence hat mich beauftragt, Sie aufzusuchen. Ich glaube, Sie sollen sein Stellvertreter werden, er liegt doch, wie Sie wissen werden, schwer krank darnieder und das große Geschäft ist in fremden Händen. Kalkuliere, daß Sie dort notwendiger sind, als hier bei Ihrem Freunde Mr. Ward."
Leo Günther sah scheu und zweifelnd von dem Detektiv auf den kleinen Rother, der eine sehr harmlose Miene machte, während der Wirt ganz verdutzt dreinschaute und die Geschichte nicht recht zu begreifen schien.
„Was meinen Sie dazu, Mr. Ward?" fragte Leo plötzlich, sich trotzig aufrichtend, mit entschlossenem Gesicht. „Kennen Sie diesen Mann, der sich für einen beauftragten Boten meines Onkels ausgtbt? Können Sie mir für seine Ehrlichkeit bürgen?"
„Ich bürge für keinen Menschen," erwiderte der Wirt grob. „Uebrigens kann ich Ihnen nur raten, diesen Gentleman, der sich Mr. Fowler nennt, nicht länger zu reizen, er versteht keinen Spaß und hat das Recht, sich mit Ihnen zu unterhalten. Seien Sie nur hübsch artig zu ihm, Mr. Günther!"
„Das war ein vernünftiges Wort, Mr. Ward!" sagte der Detektiv, im selben Augenblick ein Blatt Papier von Rother entgegennehmend, das dieser soeben mit einigen Bleistift-Zeilen versehen ihm überreichte. Er warf einen Blick darauf und nickte, worauf jener sich rasch entfernte.
„Sie Derben jetzt die Güte haben, Mr. Günther," begann Fowler aufs neue, „mich auf Ihr Zimmer zu begleiten, wo wir gemütlich plaudern können. Und Sie, Mr. Ward, sorgen, daß wir nicht gestört werden. Ausgenommen davon ist der Gentleman von vorhin und allenfalls sein Begleiter. Beide lassen Sie unverzüglich zu mir kommen."
„Kalkuliere, daß Sie mit mir zufrieden sein werden, Mr. Fowler!" gab der Wirt ziemlich unterwürfig zurück.
Leo Günther schritt dem Detektiv voran die Treppe hinauf. Wie ein Autom t betrat er sein Zimmer, von Angst und Zweifel niedergedrückt. Er hatte es noch nicht ganz begriffen, welche Stellung dieser Mann ihm gegenüber etnnahm, doch sagte ihm eine innere Stimme, daß er seinem Schicksal verfallen war. Wird doch meistens die eigene Schuld mit diesem Begriff, der so viel im Leben verhüllen muß, in der Regel zu decken gesucht. Wenn die große Mehrheit aller Unglücklichen die Selbsterkenntnis besäße, dann würde das beschönigende Wort „Schicksal" bald seine Bedeutung im Leben der Menschheit verlieren.
Leo Günther aber nahm es in diesem Augenblick ganz bedeutend für fich in Anspruch, und versuchte es noch einmal, als er dem Detektiv in seinem Zimmer gegenüber saß, fich als den beleidigten Gentleman aufzuspteleu, ein Versuch, der recht kläglich verlief.
(Fortsetzung folgt.)