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schüttelt, aber er gab die Antwort, welche er nur geben konnte:Mein Sohn ist 56 Jahre alt; die letzte Entscheidung über seine ärztliche Behandlung kann ihm nicht entzogen werden." Gleichwohl machte der Kaiser einen Versuch, den damaligen Kronprinzen während der Reise von England nach Toblach wenigstens für einen Tag nach Berlin zu berufen. Aber die infolge dessen schon beschlossene Fahrt von Frankfurt a. M. wurde im letzten Augenblicke aufgegeben; statt des Kronprinzen erschien sein Adjutant bei dem Kaiser." Auf den von den deutschen Aerzten erschienenen und von allen größeren Blättern reproducierten Bericht wird Sir Morell Mackenzie's einseitige Hand« lungsweise geradezu als eine mehr wiegewöhnliche" hingestellt.Mackenzie's Verbrechen war", so fährt dieN.-Ztg." fort,daß er im schroffsten Gegen­sätze zu der Handlungsweise, welche jedem Arzt in einem solchen Falle als seine Pflicht gegolten hätte, von dem Kronprinzen jeden unabhängigen ärzt­lichen Beirat fern hielt, daß er, um diesen Patienten in Händen zu behalten, ihn vollständig in die Mackenzie'sche Darstellung der Krankheit hinein bannte.

Der neuesten Nummer derMetzer Z t g." entnehmen wir: Es vergeht keine Woche, ohne daß Elsaß-Lothringer oder sonstige Deutsche, welche von allen Mitteln entblößt aus Frankreich zurückkehren, durch unsere Stadt kommen. Die Mehrzahl dieser bedauernswerten Leute besteht aus Kaufleuten, Handwerksgehilfcn, Dienstmädchen, Gouvernanten und Lehrerinnen, welche teils in Folge der gegenwärtigen ungünstigen Lage von Handel und Industrie in Frankreich, noch mehr aber durch die fortwährenden Hetzereien eines Teils der französischen Presse stellenlos geworden find. Nach vielen vergeblichen Versuchen, wieder eine Stelle zu erlangen, bleibt ihnen nichts übrig, als mit Unterstützung des deutschen Hilfsvereins die Rückreise in die Heimat an­zutreten. Nicht wenige bleiben jedoch, indem sie auf bessere Zeiten hoffen, und sinken dabei häufig von Stufe zu Stufe, bis sie schließlich, in Not und Schande verkommen, per Schub über die deutsche Grenze geschafft werden. Seit Jahren warnt der genannte Hilfsverein vor der unbesonnenen Reise nach Frankreich, und auch die deutsche Presse läßt es nicht an Warnungen fehlen. Wenn trotzdem immer noch sich keine merkliche Abnahme des Zu­zuges nach Frankreich, namentlich nach Paris, bemerklich macht, so zeugt dies von dem geradezu bodenlosen Leichtsinn der betreffenden Kreise. Auch Tou­risten und Geschäftsreisenden aller Art kann man auf Grund selbstgemachter Erfahrungen nur den dringenden Rat geben, sich vom französischen Boden fern zu halten, zumal neuerdings in der Gehässigkeit gegen Alles, was deutsch heißt, in Folge der bekannten Paßmaßregeln noch eine wesentliche Ver­schärfung eingetreten ist.

Herges-Weirigkeiterr.

Rottweil, 11. Juli. Ueber eine gestern abend in der hiesigen Pulverfabrik vorgekommene Explosion ist nachträglich zu berichten: Auf dem Platze getötet wurden die 44 Jahre alte, ledige Johanna Mager von Zimmern ob Rottweil und der 28 Jahre alte, verheiratete Johannes Raible von Hausen ob Rottweil. In der vergangenen Nacht starb an den erlittenen schweren Verletzungen der 17 Jahre alte Nikolaus Grimm von Göllsdorf. Schwerverwundet sind noch der 28 Jahre alte, ledige Amandus Laggai von Altstadt, welchem der linke Arm abgerissen wurde, sowie Engelberg Moriz, 19 Jahre alt von Laufen, und Fridolin Maier, 17 Jahre alt von Jrslingen. Die letzteren 3 befinden sich im hiesigen Kranken­hause. Leicht verwundet sind 12 Personen. Es explodierte ein Trocken­schrank im Trockenhaus, wodurch dieses und das daneben befindliche Maschinen­haus zerstört wurden. Die Explosion ereignete sich genau 5 Minuten vor 7 Uhr. Um 7 Uhr wird der Tagesbetrieb geschloffen. Die Ursache der Explosion wird kaum zu ermitteln sein. Eine Fahrlässigkeit, welche An­gestellten und Aufsichtspersonen der Fabrik zur Last siele, ließ sich bisher nicht feststellen.

Biberach, 11. Juli. Wir haben seit 3 Wochen jeden Tag Regen, bereits hat die Riß 3mat ihr Ufer verlassen und besonders in den Nieder­

ungen der Torfgewinnung große Hindernisse bereitet. Die Heuernte, deren Ertrag hier ein guter gewesen ist, wird dadurch sehr verzögert und verdorben. Dagegen stehen die Früchte und Kartoffeln sehr schön und versprechen einen guten Ertrag. Ganz besonders reich verspricht die Obsternte zu werden. Birnen und Aepfeln sind im schönsten Wachstum und die Bäume mit Früchten reich behängen. Zwetschgen fehlen. Wenn daher anhaltend warmes und trockenes Wetter eintritt, so dürfte das Jahr immer noch ein gutes und der Oehmdertrag ein günstiger werden, da alle Wiesen im schönsten Grün prangen.

Wevmifchtes.

Eine merkwürdige Episode aus Kaiser Fried­richs Leben hat Professor Virchow am letzten Tage in einer Gedächtnis­rede im Berliner Handwerkerverein erzählt. Als es sich um die Annexion von Schleswig-Holstein handelte, ließ der Kronprinz Herrn Virchow rufen, wie die Abstimmung des Abgeordneten-Hauses ausfallen werde. Virchow sagte ihm, daß voraussichtlich die Mehrheit für die Annexion stimmen würde; bei seinem Weggange Virchow hatte soeben die Sitzung verlassen habe Twesten gerade zu Gunsten der Annexion geredet. Der Kronprinz ward hierdurchsichtlich erschüttert". Er erinnerte daran, daß das Ab­geordnetenhaus in einer Resolution das Recht des Herzogs Friedrich von Augustenburg gewahrt habe.Ich glaube," bemerkte Virchow noch, der Stachel ist erst dann aus dem Herzen des Kronprinzen gewichen, als sein ältester Sohn der Tochter des Herzogs Friedrich die Hand reichte."

Die sieben Wunder der Tierwelt, eine dem Hagen- beck'schen Tierpark in Hamburg entstammende Sammlung monströser und mirakulöser Riesen- resp. Zwergtiere sind in Leipzig eingetroffen und werden auf kurze Zeit im Krystallpalast zu sehen sein. In der Tierschau befinden sich ein Riesenpferd aus Irland und daneben ein äußerst kleines und zier­liches Pferdchen aus Dänemark, ferner ein riesig großer Esel aus Spanien und ein Mmiatur-Langohr von der Insel Ceylon, ein Stier über 2 m hoch aus den schweizerischen Gauen und ein Zwergstier aus Indien. Außerdem weist die Sammlung einen kaum 3 Fuß hohen Zwerg-Elephanten auf, ein Nilpferd, welches das kolossale Gewicht von 50 Ztrn. besitzt, und einen Riesenstrauß, 4 Ztr. wiegend.

EtmölvirtjHaftk. Ton^urnverein Cakw.

Ab unserem Lager empfehlen wir:

Getrocknete Biertreber, anerkannt ausgezeichnetes Kraftfuttermittel, Koch-, Vieh- nnd Steinsalz, letzteres zu 95 L pr. Ztr., zum Salzen von beregnetem Heu.

Der Vorstand: Kugo Wau.

Standesamt ßakw.

Geboren:

7. Juli. Emil Robert, Sohn des Heinrich Beißer, Metzgers.

Getraute:

12. Ferdinand Engel, Bäcker hier, und Karoline geb. Wohlleber von

Merklingen.

Gestorben:

9. Rosa Maria Männer, 4 Monate alt, Kind des Ludwig Männer,

Jacquardwebers.

11. Gottlob Schwäinmle, Schuhmachermeister und Schrannenmeister, 63 I. alt.

11. Johann Evangelist Heermann, Schneidermeister, 81 Jahr alt.

Gottesdienste am Sonntag, den 15. Juli 1888.

Vom Turme: Nro. 276. Vormittagspredigt: Hr. Helfer Eytel. Abendmahlsfeier. Nachmittagspredigt um 2 Uhr in der Kirche: Herr Missionar Hesse.

Kotteräienste in äer Metßoäisteakapekke am Sonntag, den 15. Juli 1888, morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.

Persönlichkeiten der vornehmen Welt gehörte. Diese hatte ihr angedeutet, wie gut sie daran thun würde, Georges zu bewachen, da er einer Dame offenkundige Huldig­ungen entgegenbringe, welche in dem Rufe stehe, dieselben nicht ablehnend von sich zu weisen; nebenbei habe er sein Vermögen durch sinnlose Spekulationen gefährdet. An der Börse erwarte man einen nahe bevorstehenden Zusammensturz und deshalb sei sie, die Marquise von Marvejols, eigenes zu Bianka geeilt, um sie auf das zwie­fache Unglück vorzubereiten, welches ihrer harre: auf den pekuniären Ruin und auf die Entdeckung der Untreue ihres Gatten.

Bianka aber hatte mit aller Ruhe erwidert, sie sei der unwandelbaren Ge­sinnung ihres Georges gewiß und Geldverlüste berührten sie nicht.

Im Grunde genommen war sie nicht wenig beunruhigt. Georges hatte zur Mittagsstunde das Haus verlaßen und um sieben Uhr erhielt sie ein flüchtig hinge­worfenes Billet von ihm, worin er sie bat, mit dem Diner nicht auf ihn zu warten.

Nun schlug es Mitternacht und er kehrte noch immer nicht heim. Wo mochte er weilen? Bei der Frau, von welcher die Marquise von Marvejols ihr erzählt hatte und in deren Hause man, wie die Welt wißen wollte, sich mit größter Unge­zwungenheit bewegen konnte? Bianka weigerte sich, an eine solche Möglichkeit zu glauben, aber dennoch, der qualvolle Gedanke blieb: wo konnte Georges weilen?

Die Gräfin hatte dem Kammerdiener befohlen, bis zur Rückkehr des Gebieters zu wachen und sie davon in Kenntnis zu setzen, sobald er heimkehre.

Um halb ein Uhr endlich klingelte sie; der Kammerdiener erschien und meldete, ohne nach den Befehlen seiner Herrin zu fragen:

Der Graf ist nicht zurückgekehrt, doch Herr von Moulisres ist soeben gekommen und fragte an, ob die Frau Gräfin ihn empfangen würden."

Herr von Moulisres? Zu dieser Stunde?" rief die junge Frau überrascht. Was soll das bedeuten?"

Herr von Moulisres kommt von dem Herrn Grafen."

Laßen Sie ihn eintreten!" stieß Bianka aus; alle Ueberlegung hatte sie verlaßen.

Unter anderen Umständen würde sie nicht zu solch ungewöhnlicher Stunde einen Mann empfangen haben, den sie sehr wenig kannte, obwohl er mit ihrem Gatten gut bekannt zu sein schien, einen Mann, den sie außerdem Nichts weniger als sympatisch fand, aber er brachte ihr zweifelsohne Kunde irgend eines ernsten Er­eignisses und war von Herrn von Listrac gesandt; so konnte sie sich nicht weigem, ihn zu sehen.

Stehend erwartete sie seinen Eintritt, fest entschlossen, daß das Gespräch ein äußerst kurzes sein solle.

Mit einem Lächeln auf den Lippen trat er ein, ganz so unbefangen, als handle es sich um einen gewöhnlichen Besuch und nicht um eine Visite der ungewöhn­lichsten Art, zur Mitternachtsstunde.

Herr von Moulisres hatte die Vierzig jedenfalls überschritten, aber er ver­wendete viele Sorgfalt auf seine Person, um immerhin noch so jugendlich zu erscheinen, wie das nur möglich war.

Gnädige Gräfin," sprach er nach einer tiefen Verbeugung,Sie werden ent­schuldigen, daß ich mir derart den Eintritt bei ihnen erzwinge, wenn ich Ihnen Mit­teilen ließ"

Was ist es mit meinem Gemahl?" unterbrach Bianka ihn lebhaft.Ist ihm Etwas zugestoßen?"

Nein, aber"

Wie kommt es dann, daß er Sie hierher schickt, anstatt selbst zu kommen?"

Er hat mich nicht hierher geschickt, sondern ich nahm es selbst auf mich, in seinem Namen hier zu erscheinen. Es giebt Fälle, in denen es Freundespflicht ist, alle Konvenienz außer Auge zu lassen."

Ich wußte nicht, daß Sie sich zu den Freunden Herrn von Listrac's zählen," sprach in abweisendem Tone die Gräfin.Doch kommen Sie zur Sache; was führt Sie hierher?"

(Fortsetzung folgt.)