63 . Jahrgang

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8am8tag, äea 14. Juki 1888

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Mol'rtiscHe WacHvrcHten.

Deutsches Reich.

Berlin, l!. Juli. Der Kaiser besichtigte vormittags auf dem BornsteMer Felde dos dritte Garde. Ulanen-Regiment und ernannte nach Schluß des Exerzierens den Herzog Friedrich Ferdinand von Schleswig-Holstein zum Rittmeister des 2. hessischen Husaren-Regiments Nr. 14. Nach der Rückkehr nahm der Kaiser Vorträge entgegen, arbeitete mit dem Zimlkabinet und erteilte Audienzen.

Berlin, 11. Juli. Kaiserbegegnuna. Kaiser Wilhelm wird in Kiel eme Flottenrevue abhalten. Die aus drei verschiedenen Ge­schwadern bestehende Flotte, die größte, welche bisher unter deutscher Flagge vereinigt war, wird srch nach ihrer allgemeinen Besichtigung durch den Kaiser in ihre einzelnen Bestandteile auslösen und dann jedes Geschwader für sich je nach seinem Charakter Hebungen vor dem obersten Kriegsherrn aut der Ostsee ausiühren. Infolge dessen wird auch die Fahrt der kaiserlichen Dacht Hohenzollern" nach der russischen Küste keine direkte sein, und das Zusammen­treffen des Kaisers Wilhelm mtt dem Kaiser Alexander IN. von Ruß­land wiid hiernach auch erst am 19. Juli erfolgen, während die Reise sonst in zwei bis drei Tagen gemacht werden könnte.

Ueber die bevorstehende Reise des Kaisers wird bekannt: Der Kaiser wird nicht über Hamburg, sondern über Schwarzenbeck und Oldesloe direkt nach Kiel sich begeben. In Kiel wird der Kaiser am Bahnhof von den Spitzen der Behörden und dem O'fizierkorps begrüßt, fährt im Wagen zur Balvalossa-Biücke und begiebt sich an Bord der kaiserlichen Dacht Hohenzollern", indem er dabei an allen im Hafen liegenden Kriegsschiffen vorbei »ährt. Sämtliche Schiffe der ersten und zweiten Division der Manöver­flotte w-rden an der kaiserlichen Dacht in Parade und in Kiellinie vorbei- defilieren. Dann kommt die bis dahin in der Wyker Bucht unter Dampf liegende Terpedoboolsfloitille an die Dacht Hexan, eskortiert sie in See, defiliert vor ihr außerhalb Bulk, um nach Kiel zurückzukehren. Der Kaiser wird sich dann in See mit der Dachl an die Spitze der Manöverflotte setzen und mit ihr während der nächsten vier Tage eine Reihe von Uedungen vornehmen. BiS nach Petersburg werden rndeß nur einige Schiffe die kais. Dacht be­gleiten, die dort voraussichtlich am 18. Juli landen wird. Auf derselben wird nur em kleiner Test des kaiserlichen Gefolges, darunter auch der Staats­minister Giaf Bismarck mir einem der Vortragenden Räte des Auswärtigen Amtes, Platz haben; der größere Teil kehrt von Kiel nach Berlin zurück und wird am 15. Juli aus rem Landweg nach Petersburg fahren, wo er jeden­

falls vor dem Kaiser eintreffen wird. Der Aufenthalt des Kaisers in Peter­hof ist auf mindestens vier Tage berechnet. Die Rückkehr wird wiederum auf dem Seewege, jedoch in beschleunigter Fahrt nach Kiel genommen werden; soweit man hört, wird der Kaiser sich dann in erster Linie den Truppen- besichtigungen widmen, die Kaisermanöver des Gardekorps und des dritten Armeekorps abhalten und im Herbst sich nach dem Elsaß, Ende September oder Anfangs Oktober zum Besuch des Kaisers von Oesterreich nach Wien begeben. Der Besuch des Königs von Italien soll erst im Frühjahr des nächsten Jahres erfolgen.

Straßburg, 11. Juli. Die Geschichte von der in Avricourt zurückgewiesenen Dienstmagd Karoline Staub aus Hagenau nebst sämmtlichen melodramatischen Ausschmückungen ist nach dem Frkf. I. erlogen. Eine Familie dieses Namens besteht dort überhaupt nicht, noch haben Familien annähernden Namens eine Tochter Karoline oder beklagen den kürzlichen Tod eines weiblichen Mitgliedes.

Der Zar wird auf seinem von zwei russischen Kriegsschiffen be­gleiteten Dampfer Derschawa dem deutschen Kaiser bis auf hohe See ent­gegenfahren, und hier wird der deutsche Kaiser schon die Gastfreundschaft seines russischen Verwandten in Anspruch nehmen und an Bord der Derschawa gehen. Beide Geschwader dampfen dann nach Kronstadt, wo der offizielle Empfang stattfindet. Von Kronstadt fahren dann die Herrschaften nach Peter­hof. Da sich in der Umgebung des deutschen Kaisers der Staatsminister und Staatssekretär des Auswärtigen Graf Herbert Bismarck befindet, so wird wie die offizielle Begründung lautet in der Begleitung des Zaren sich auch der Minister des Auswärtigen Herr v. Giers befinden. DieKöln. Ztg." sagt: Wenn man auch sich hüten muß, an die Reise des Kaisers Wilhelm irgendwelche Vermutungen auf einen Umschwung in der russischen Politik oder ein Aufgeben von Rußlands Orientplänen zu knüpfen, so wird man doch gleichwohl die Gewißheit hegen können, daß seit Jahren die Wahrscheinlichkeit, die Orientfrage ohne großen Krieg entwirrt zu sehen, nicht so groß war, als sie jetzt geworden ist. Es ist von unberechenbarem Wert für die Erhaltung des Friedens, daß eine Bahn geschaffen wird, auf welcher vertrauensvolle Vermittlungen bei etwa auftauchenden Schwierigkeiten keiten zwischen Rußland und unserem Verbündeten Oesterreich-Ungarn mög­lich sein werden, ohne daß eine der beteiligten Großmächte dadurch von ihrem Ansehen vergäbe.

Nach derNat.-Ztg." hat einer der bei der Behandlung Kaiser Friedrich beteiligten Aerzte in der kritischen Zeit, als Mackenzie den Krebs wachsen ließ, eine Audienz bei Kaiser Wilhelm l. nachgesucht und stellte demselben die Sachlage unverhüllt vor. Der Kaiser war tief er«

JeuiUeton. «-4»^

Lieben und Leiden.

Roman aus der Pariser Gesellschaft von A. du IZoisgoSer,.

(Autorisierte deutsche Uebersetzung.)

I.

Der kleine Salon, in welchen wir eintreten, ist ganz mit Seide tapeziert, be­haglich brennt das Feuer im Kamin; dichte Vorhänge verbergen die Fenster.

Die Schneeflocken werden vom Winde gegen die Scheiben gepeitscht, doch die Kälte vermag nicht in das wohnliche Heim einzudringen, welches für Liebende ge­schaffen zu sein scheint und in dem es sich zu Zweien gar traut leben lasten muß.

Vor dem Kamin saß, in der üppigen Polsterung eines Plüschfauteuils fast verschwindend, eine Dame, welche nachlässig mit einem kleinen, japanischen Fächer spielte. Sie war allein; bei dem matten Schein einer verhängten Lampe von feinstem Ssvres-Porzellan war kaum ihr Antlitz deutlich zu erkennen, das durch eine nach spanischer Art auf dem Kopfe drapierte, schwarze Spitze geisterhaft bleich erschien.

Regungslos saß sie da und starrte in die lustig tanzenden Flammen; offenbar schweiften die Gedanken weit ab von ihrem derzeitigen Aufenthaft. Woran mochte sie denken, wovon mochte sie träumen? Harrte sie des Mannes, welchen sie liebte, oder litt sie unter dem Vorgefühl nahenden Unglücks? Zeitwillig warf sie einen Blick auf die Uhr und bettachtete den langsam sich vorwärts schiebenden Zeiger; dann nahm sie wieder ihre frühere, Trostlosigkeit bekundende Haltung an.

Sie machte den Eindruck, als sei sie das Modell zu einerStatute der Ver­zweiflung;" in ihren Zügen drückte sich der Schmerz einer Llatsr ckoiorosa aus, welche, zu den Füßen des Kreuzes kniend, die Meister des sechzehnten Jahrhunderts so oft dargestellt haben.

Und doch war diese Frau schön, war sie reich, betete sie ihren Gatten an.

Sie hatte ihn geheiratet, weil sie ihn liebte, hatte seinetwegen dem Theater­entsagt, auf welchem sie ein Stern erster Größe gewesen war.

Seit fünf Jahren nun genoß das gräfliche Ehepaar ein wolkenloses Glück und diese fünf Jahre waren dön Beiden wie ein schöner Traum vergangen.

Als Tochter eines armen, italienischen Musikers war Bianka Monti doch in der besten Gesellschaft eingeführt und spielte in derselben eine ausgezeichnete Figur. Ihr Geist und ihr Wesen mehr noch denn ihre Schönheit sicherten ihr eine bevorzugte Stellung unter den Frauen, welche die Aristokratie der Pariser Salons bildeten.

Georges von Listrac hatte als junger Gatte dem tollen Leben vollständig entsagt, welches er vor seiner Vermählung geführt. Die schöne Welt fing an, ihn zu vergessen; man sah ihn nur selten im Klubb; er gab es auf, hoch zu spielen; nur die Pferde liebte er noch und an der Börse wagte er zuweilen eine Spekulation, aber all seine übrige Zeit widmete er seiner Frau.

Er sprach niemals zu ihr weder von seinen financiellen Operationen, noch von seinen Pferdewetten, und sie vertraute blindlings seiner Ehrenhaftigkeit und seinem Verstände; sie forderte nichts anders von ihm, als daß er niemals aufhöre, sie zu lieben.

Seü sechs Monaten jedoch glaubte Bianka zu bemerken, daß seine Stirn zuweilen sorgenvoll gefurcht sei. Sie mühte sich vergeblich, die Ursache zu er­forschen, ohne daß bei ihrem feinen Frauentakte dies möglich gewesen wäre. Georges versicherte sie, daß sie sich täusche, doch von Tag zu Tag schien er verstimmter und mehr von düsteren Gedanken eingenommen; ja, es ereignete sich, daß er einen ganzen Abend über kein. Wort sprach, und wenn ihn Bianka diesbezüglich befragte, antwor­tete er wie etwa ein Mann zu antworten pflegt, welchen man unversehens aus einem peinlichen Traum aufschreckt.

Wenn Bianka über die möglichen Ursachen seiner zeitweiligen Verstimmung nachsann, so kam sie, durch versteckte Andeutungen darauf geleitet, auf die Annahme von Möglichkeiten, unter denen sie qualvoll litt.

Heute erst wieder hatte sie den Besuch einer Verwandten ihres Gemahls empfangen, einer verwittweten Dame, welche zu den unduldsamsten und indiskretesten