77. Jahrgang.

Erscheint

Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und SamSlag.

Preis vierteljährlich ^ier 1 mit Träger, 'xchn t. 10 im BezirkS- und 10 Irin-Verkehr 1.20 X, im übrigen Württeuiberg 1.80 MonatSabonnementS nach Verhältnis.

Fernsprecher Nr. 29.

k« Attmts-Snird AWÜ.

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Lnzeigen-BeLnhr i. d. lipalt. Zeile anr -ewöhnl. Schrift oder Seren Rau«! bei 1«r. Einrückung 10 ch, bei «ehrmattzcr entsprechend Rabo r.

SratiSbeilagen: DaS Plauderftübchttl und

Schwab. Landwirt.

^ 852

Nagold, Montag den 28. Dezember

1903

Amtliches.

Den Gemeindebehörde«

wird unter Hinweis auf den Minift.-Erlaß vom 4. Nov. d. Js. Min.-Amtsbl. Nr. 23 S. 524 empfohlen, die neuen Bestimmungen über die Vergebung von Arbeiten «nd Lieferungen geeigneten Falls (Reg.-BLatt von 1903 Nr. 4 S. 13) zur Richtschnur zu nehmen.

Nagold, den 23. Dezember 1903.

K. Oberamt. Ritter.

Die Ortsbehörden

werden auf den Erlaß des Kg!. Oberrekrutierungsrats vom 31. Okt. d. I., Min.-Amtsbl. Nr. 23, S. 525, hingewiesen mit dem Auftrag, bei jeder Abmeldung eines Militär­pflichtigen auf dem Losungsschei« hievon Vermerkung zu machen unter Angabe des Orteswohin" und von der Abmeldung sofort dem Oberamt Anzeige zu erstatten. Nagold, den 23. Dez. 1903.

K. Oberamt. Ritter.

Bekanntmachung.

Laut Mitteilung des Herrn Vorsitzenden des Vorstands der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für den Schwarzwaldkreis vom 12. ds. Mts. sind als Vertrauensmann der Bernssgenossenschaft für die Gemeinde Gültlingen Landwirt und Gemeinderat Karl Buhler daselbst und als Stellvertreter des Vertrauens­manns Darlehenskasster Ernst Hang daselbst aus den Rest der Wahlperiode (1903/1906) bestellt worden.

Nagold, den 24. Dezember 1903.

K. Oberamt. Ritter.

Die K. Ortsschul.nspektorate

werden ersucht, Namen und Gehalt der Arbeitslehrerinnen binnen 8 Tagen hieher mitzuteilen.

Altensteig-Dorf, 24. Dez. 1903.

Bezirksschülinspekior

Schott.

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung eines vierzehntägigen Kurses über Obst- und Beeren­weinbereitung au der Weinbauversuchsanstalt zu Weinsberg.

Gemäß § 3 Ziff. 5 lit. e der Verfügung des Kgl. Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens, betreffend die Weiubauversuchsanftalt in Weinsberg, vom 30. Juli 1901 <Reg.-Bl. S. 213), wird in dem mikroskopischen und chemi­schen Laboratorium der Weinbauversuchsanstalt vom 1. bis 13. Februar k. Js. ein Kurs über Obst- und Beerenwein­bereitung abgchalten.

In diesem Kurse, zu dessen Teilnahme besondere Vor- kenntniffe nicht erforderlich sind, werden durch tägliche theoretische Vorträge und sich daran anschließende praktische Hebungen behandelt werden:

1. im theoretischen Teil: Chemische Zusammensetzung der

verschiedenen Obst- und Beerensäfte. Grundsätze für die Bemessung der Wasser- und Zuckerzusätze. Sonstige Zusätze. Bereitung von Obstmost als Haustrunk. Wesen, Verlauf und Kontrolle der Gärungsvorgänge der Obst- und Beerensäfte. Die wichtigsten der in den betreffenden Säften und Weinen auftretenden Lebewesen; ihre Entwickelung, Tätigkeit und ihr Ein­fluß auf die Eigenschaften der Gärprodukte. Die verschiedenen Arten der Weinhefen, vie Wirkung ver­schiedener Weinhefen auf die Obst- und Beerensäfte. Die praktische Verwendung retngezüchtetcr Weinhefen für die Obst- und Beerenweinbereitung. Die chemischen Veränderungen der betreffenden Säfte bei der Gärung. Die Abstiche der Obst- und Beerenweine. Die prak­tische Verwendung der Reinhefe bei der Umgärung fehlerhafter und kranker Obst- und Beerenweine. Die chemischen und physiologischen Grundlagen der Keller­behandlung der Obstmoste; deren Klärung. Krank­heiten der Obstmoste (Umschlagen, Essigstich, Kahmig­werden, Zäyewerden, Milchsäurcstich, Schwarzwerden, Braunwerdeu rc.). Gesetzliche Bestimmungen über den Verkehr mit Obstweinen;

2. im praktischen Teil: Anstellung von Gärversuchen. Anwendung der Oechsle'schen Mostwage. Quantita­tive Bestimmung der Gesamtsäure im Obst- und Beerensaft. Praktische Berechnung der Wasser- und Zuckerzusätze auf Grund der beiden letztgenannten Untersuchungen. Vermehrung der reingezüchteten Wein­hefe in Obstsaft und Obstwein. Mikroskopische Untii- suchung der wichtigsten in den Obst- und Beerensäften vorkommenden Lebewesen. Ausführung von Schöo- ungsversuchen im Kleinen. Vorprüfung der Weine hinsichtlich ihrer Ftltrierfähigkeit. Anwendung der Kohlensäure zur geschmacklichen Verbesserung der Obst­weine. Vergleichende Kostproben gesunder und fehler­hafter Obst- und Beerenweine.

Von Württembergs wird ein Honorar für den Be­such des Kurses nicht erhoben. Für Nichtwürttemberger beträgt das Honorar 25 Im übrigen hat jeder Kurs­teilnehmer 10 ^ Ersatzgeld für Materialverbrauch n. s. w. und 1 ^ für Bedienung zu bezahlen. Das Honorar und die sonstigen Gebühren sind vor Eröffnung des Kurses an das Kassenamt der K. Weinbauschule Weinsberg zu ent­richten.

Gesuche um Zulassung zu dem Kurs sind spätestens bis zum 5. Januar k. I. an das Borsteheramt der Weinbauversuchsanftalt zu Weinsberg zu

richten, das sie mit seinen Anträgen der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft zur Entscheidung vorlegen wird. Stuttgart, den 15. Dezember 1903.

v. Ow.

politische WeSersicht.

Aus die Anarchistcnbeweguug in Berlin richtet die Po­lizei fortgesetzt ein scharfes Auge. Seit dem Attentat auf den König Humbert hält das Berliner Polizeipräsidium mit

vollem Recht daran fest, öffentliche Anarchistenversammlungen, welche als solche angekündigt werden, nicht mehr zu gestatten. So hat es auch die zweite öffentliche Anarchistenversamm­lung verboten; trotzdem haben die Anarchisten wiederum für den 3. Januar eine öffentliche Anarchistenversammlung angeküudigt, dieselbe wird das gleiche Schicksal erleben. Der Anarchistensührer Weber Frauböse, einst in Görlitz, jetzt in Berlin, veröffentlicht wegen dieser Verbote einen sehr frechen Aufruf:Ob und wie lange die Polizei dieses Ver­fahren beibehält, müssen wir abwarten. Soviel steht aber fest, daß wir die wenigen Rechte, welche uns noch zur Ver­fügung stehen, benützen werden, um unsre Ideen weiter zu verbreiten." Unausgesetzt gehen den Anarchisten von allen Seiten, darunter namentlich aus dem Ausland, speziell der Schweiz, Beiträge für den Jnhaftierten-Fonds zu. Zwei­fellos muß also die anarchistische Propaganda in diesem Land trotz der in der letzten Zeit erfolgten Ausweisung der anarchistischen russischen Rädelsführer eine sehr rege sein.

Der Kamps gegen den Luxus im Offizierkorps der Armee ist keineswegs neu. Von der Königsb. Hart. Ztg. wird eine interessante, aus Potsdam, den 10. Febr. 1738 datierte Kabinettsorder Friedrich Wilhelm I an General v. Linger mitgeteilt:Hiernächst sehe Ich zwar gern, wenn die Offiziers gut leben, aber es ist mir sehr zuwider, wenn sie dabei nicht mit ihrem Beutel Rechnung machen und durch den Luxum im Essen und Trinken mehr depensieren, als sie einzunehmen haben oder bezahlen können, wodurch sie nicht allein sich in Schulden setzen und ruinieren, sondern auch viel übles dahero entsteht. Ich will demnach, daß hinfüro, wenn die Offiziers beisammen kommen, sie nicht, wie bei einigen Regimentern der Gebrauch ist, viel Gerichte und Wein prätendieren, sondern mit einander hauswirtlich fürlieb nehmen sollen, und muß es vor keinen Schimpf gerechnet werden, wenn ein Offizier dem andern ein Glas Bier vor­setzt, sondern dieses ebenso gut angenommen werden soll, als wenn Weiu vorgesetzet würde."

Vom russischen Geschäftsträger in Belgrad, Murawiew, wird jetzt im offiziösen serbischen Blatt eine Erklärung ver­öffentlicht, worin Murawiew jedwede Verbindung mit der oppositionellen serbischen Presse in Abrede stellt und mit­teilt, daß Rußland offiziell niemals die Entfernung ge­wisser Offiziere aus der serbischen Armee verlangt habe, und daß die Gefühle des Kaisers Nikolaus für König Peter unverändert seien. Schließlich erklärt Murawiew, er habe bezüglich seiner Haltung zu der Frage der Offiziere keine Weisungen erhalten.

Die Botschafter der beiden Schuymächte haben die Türkei unter Hinweis auf die bevorstehende Ankunft der beiden Zivilagenten ersucht, entsprechende Instruktionen für die Provinzbehörden der drei Wilajets auszuarbeiten, und aus die Ernennung des Kommandanten für die mace- donische Gendarmerie gedrungen; für diesen Posten haben sie nochmals nachdrücklich einen italienischen General empfohlen.

Recht kriegerisch lauten die Nachrichten aus Japan, wo man den Krieg mit Rußland für unvermeidlich hält. Rußlands Antwort traf zur selben Zeit ein, da die letzten Verstärkungen seiner Flotte ankamen und Rußland seine

Hlnr KHr' und KoLd.

Roman von E. von Linden.

16) Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Daß Leo Günther, der leibliche Neffe des reichen Handelsherrn, nicht einmal zur Familie desselben gerechnet wurde, nicht an seinem Tische speisen, sondern mit dem Laufburschen, wenn diesec auch sein Freund war, vorlieb nehmen mußte, das demütigte ihn zu sehr. Hatte er für den unbekannten Bruder seiner Mutter auch niemals eine besondere Zuneigung empfunden, so fühlte er jetzt etwas wie Haß in "sich aufsteigen, zumal er sich nicht verhehlte, daß die Pflegetochter, also ein fremdes Kind, mehr Aus­sichten auf das Erbe des reichen Kaufherrn hatte, als er, der leibliche Verwandte desselben.

Es ist ein reizender Onkel, nicht wahr, Traugott," sagte er plötzlich, als John Brennecke ihnen den Tisch ge­deckt und ein reichliches Mahl aufgetragen hatte, das sie schweigend, nachdem derHamburger Dienstmann", wie Leo den ehrlichen John endgültig getauft, die Stube ver­lassen, doch mit bedeutendem Appetit eingenommen hatten.

Nun ja, Mr. Lawrence hat auf mich den Eindruck eines strengen, doch auch guten und gerechten Herrn gemacht," erwiderte Traugott, ihn forschend anblickuid.

Na, auf Dich, den fremden Eindringling, der ihm sozusagen von mir aufgehalst worden, das ist etwas ganz anderes," höhnte Leo, der gerade keinen Ueberfluß an Zart­gefühl besaß.Du kannst Gott danken, ein Unterkommen

gefunden zu haben, aber mich seinen leiblichen Neffen ein­fach wie jeden beliebigen Lehrling in die Ecke zu stellen, das geht zu weit. Wenn ich das gewußt hätte, wär' ich nicht in dies vertrackte Land gekommen.

Du mußt die Sache nehmen, wie sie ist, Leo," suchte Traugott ihn zu trösten,wenn Du Deine Pflicht tust u. Herr Lawrence steht, daß Du guten Willen hast, Dich hier einzuleben, dann wirst Du bald genug die Dir zukommende Stellung einnehmen."

Glaubst wohl selber nicht daran, mein Junge!" meinte Leo finster.Pflicht tun, guten Willen zeigen, das sind ganz hübsche Worte, aber man weiß nur nicht, was ein Amerikaner, für den der Tag 48 Stunden zu haben scheint, darunter versteht; das ist kein Leben mehr, sondern eine Hetzjagd. Nee, die Geschichte gefällt mir nicht und vor dem Kontor habe ich ein Grauen.

Aber Du wußtest doch schon drüben in unsrer Hei­mat, daß Du hier als Lehrling eintreten solltest," rief Traugott erstaunt.

Jawohl, aber mit Dir an einem Pult zusammen, so Hab' ich's mir gedacht, und Dich ja auch nur deshalb mit­genommen."

Nun, es wäre mir natürlich auch lieber gewesen," bemerkte Traugott mit einem Seufzer, aber deshalb darfst Du doch nicht verzagen, Leo! Wir wollen H ute schon Zusammenarbeiten, wenn ich Dir als Laufbursche nicht zu schlecht dazu bin."

I wo denn, Traugöttle," versetzte Leo gähnend,heute aber Hab' ich keine Lust zu den Büchern, und ich glaube,

daß ich sie mein Lebtag langweilig und ungenießbar finden werde."

Aber, Leo," fiel Traugott entsetzt ein,was soll denn daraus werden?"

Alles andere, nur kein Handelsmensch, so viel steht fest. Ich möchte am liebsten Hinterwäldler oder so etwa? werden. Na, Du Musterknabe, mach' nur nicht so 'n entsetztes Gesicht, ich will's versuchen, meine Pflicht zu tun, will den besten Willen von der Welt zeigen, mehr kann ich nicht versprechen. Heut' aber bin ich noch ein Freiherr und will deshalb ein Stündchen schlafen."

Warte lieber damit, bis Herr Brennecke den Tisch abgeräumt hat," riet Traugott,der könnt' es am Ende Deinem Onkel stecken, und schlafen am Hellen Tage gilt hier für. ein großes Verbrechen."

Ja, der Spion kann mich so wie so nicht leiden und würde ein schönes Bild von mir machen. UebrigenS eine nette Stellung, einen solchen ordinären Kerl als Wächter um sich zu haben. Sag' mal, Traugott," setzte er nach einer Weile verbissen hinzu,wie gefällt's Dir eigentlich, daß meiner Mutter Bruder ein fremdes Kind als sein eige­nes angenommen hat, während ich von klein an bei frem­den Leuten herumgestoßen wurde?"

Darüber Hab ich kein Urteil," erwiderte Traugott nachdenklich,er hat doch auch für Dich gesorgt, und brauchte überhaupt keinem Menschen Rechenschaft zu geben."

(Fortsetzung folgt.)

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