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«rattsbrUagmr Da» Plauderstüdch« und

Schwöb. Landwirt.

842

Nagold, Freitag den 11. Dezember

isor.

Amtliches.

An die Schultheistenämter.

Mastnahmen gegen die «mherziehenden Handwerksbnrsche» «nd Stromer.

Das Oberamt steht sich veranlaßt, den Schnltheisten- ämtern die unermüdliche und energische Handhabung, der bestehenden Vorschriften über die Maßnahmen gegen das Stromertum wiederum zur besonderen Pflicht zu machen.

Insbesondere werden die Ortsbehörden angewiesen, alle tu ihren Gemeinden zweck- und mittellos herumziehende Stromer, sofern dieselben längere Zeit, etwa 36 Wochen je nach den Papieren und dem Aussehen des Betreffenden, außer Arbeit sind, wegen Landstreicheret festzunehmen und anher einliefern zu lassen, sowie die Polizeiorgane strenge auzuweisen, bettelnde Stromer unnachflchtlich zu verfolgen, festzunehmen und hierher vorzuführen.

Andrerseits hat man Grund, den Schultheisten­ämtern einznschärse», daß unbemittelten und arbeits­losen, sowie besonders arbeitsunfähigen Reisenden durch die Ortsarmenbehörden die notwendige Unterstützung in Ge­mäßheit des § 28 des Unterstützungswohnsitzgesetzes even­tuell bezw. womöglich gegen kleine Arbeitsleistung z. B. Steinklopfen, Straßenreinigen u. s. w. zu gewähren ist. Die Organe der öffentlichen Armenpflege« werden strenge dafür verantwortlich gemacht, daß keinem Hilfsvedürftigen die erforderliche Unterstützung vorenthalten oder vorzeitig wieder entzogen wird.

Sodann wird unter Bezugnahme auf die Min.-Erlaffe vom 28. Juni 1898 und 3. Dez. 1901 betr. die Organi­sation des Arbeitsnachweises darauf Angewiesen, daß an allen größeren Plätzen und auch in unserem Bezirk in den Städten Nagold, Altenfteig, Haiterbach und Wildberg, sowie in der Gemeinde Unterthalheim Arbeitsnachweisstellen errichtet sind, welche noch mehr als seither von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden sollten. Den Beschäftigungslosen steht in den Arbeiterkolonien ein gutes Unterkommen zur Verfügung.

Auch sollten die Ortsbehörden noch mehr als seither dafür Sorge tragen, daß alte, gebrechliche, landarme Haud- werksburschen in den Landarmenanstalten ausgenommen werden.

Endlich darf man wohl von den Bezirkseinwohner« aufs Bestimmteste erwarten, daß sie um Unterstützung nach­suchende Stromer abwetsen und unbedingt an die Ortsarmen- behördm verweisen, sowie die Polizei in der Ermittlung und Festnahme der aufdringlichen Bettler nach Kräften unterstützen.

Die Polizeidiener der Gemeinden sind Vorstehendem ge­mäß von den Herren Ortsvorstehern zu instruieren, auch ist den Gemeindeongehörigen von diesem Erlaß in geeigneter Weise Kenntnis zu geben und ist weiter derselbe den Gc- meindekollegien mitzuteilen, worüber Vollzugsvermerk im Schultheißenamtsprotokoll zu machen ist.

Nagold, den 8. Dez. 1903.

K. Oberamt. Ritter.

Bekanntmachung.

Durch Erlaß der K. Kreisregierung Reutlingen vom 8. ds. Mts. Nr. 12678 wurden die durchschnittlichen Tage- löhue der Mitglieder der vezirkskraukenkasse Nagold in nachstehender Weise festgesetzt:

Für männliche erwachsene Arbeiter auf 2 ^ 50 --Z weibliche 1 60 -Z

männliche jugendliche 1 ^ 30 H

weibliche 1 ^

Die durchschnittlichen Tagelöhne der Mitglieder der Bezirkskrankenkasse Altensteig wurden bet den durch Re­gierungserlaß vom 16. Juli 1901 Nr. 8520 bestimmten Sätzen belasten, wonach also auch fernerhin nachstehende Festsetzungen Geltung haben:

In der Gemeinde Enzthal:

Für männliche erwachsene Arbeiter 2 ^ 40 iL weibliche 1 50 ^

männliche jugendliche 1 ^ 60 ^

weibliche 1 10 -4;

in den übrigen Gemeinden des Kassenbezirks Altensteig:

Für männliche erwachsene Arbeiter 2 ^

weibliche 1 ^ 40

männliche jugendliche 1 30 ^

weibliche 1 ^

Die neuen Festsetzungen treten am 1. Januar

1S04 in Kraft.

Nagold, den 10. Dezember 1903.

K. Oberamt. Ritter.

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für Ge­werbe und Handel, betr. die Sammlungen des Kgl. Landes-Gewerbemnsenms.

Die technologischen und kunstgewerblichen Sammlungen, die Bibliothek mit Lesesaal, Zeichensaal und Zeitschriften­lesezimmer, sowie die Sammlung der Gipsabgüße deS Landes-Gewerbrmuseums sind das ganze Jahr hindurch mit Ausnahme der höchsten Festtage bei freiem Eintritt für jedermann geöffnet, an Sonntagen von 111, an Wochentagen im Sommer von 10 bis 5 Uhr, im Winter von 10 bis 4 Uhr, die Bibliothek an Sonntagen von 11 bis 1, an Wochentagen von 10 bis 12 und 2 bis 6 Uhr, außerdem Freitags von 8 bis 10, im Winter auch Diens­tag von 8 bis 10 Uhr abends, die Sammlungen der Gips­abgüsse das ganze Jahr an Sonntagen von 11 bis 1, an Wochentagen von 10 bis 12 Uhr.

Im Bureau der Museums-Verwaltung sind die Patent­schriften, Adreßbücher und Modezeitungen aufgelegt.

Ansgeliehe« werden innerhalb Württembergs Bücher und Vorbilder, Gipsmodelle und Patentschriften, unter Um­ständen auch einzelne Gegenstände aus den Sammlungen, vorzugsweise aus der technologischen Abteilung.

Motoren und Maschinen werden auf Wunsch in Be­trieb gesetzt.

Indem wir zur regen Benützung der Sammlungen einladen, bemerken wir, daß Arbeitsmaschiuen und Werk­zeuge, soweit sie neu oder hervorragend sind, in besonderen Fällen auch andere gewerbliche Erzeugnisse, im Landes-

Gewerbemuseum ohne Entgelt vorübergehend zur Ausstell­ung gebracht werden können; die Entscheidung über die Zulasiung sowie über den Platz und die Zeitdauer der Ausstellung behalten wir uns vor.

Beim Besuche größerer Gruppen von Personen können auf dem Bureau des Museums Führungen erbeten werden, sofern ein Beamter gerade net ist.

Stuttgart, den 2. Dez. 1903.

K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel.

Gaupp.

UoMische Keberficht.

In Bnndesratskreisen findet man das Vorgehen des Zentrums mit der Wiedereinbringung deS Jesuiten- und Toleranzantrags parteitaktisch zwar erklärlich. Man ist aber geneigt, anzunehmen, das Zentrum werde mindestens auf einer baldigen Beratung deS Jesuitenantrags nicht bestehen, da im Bundesrat derselbe in absehbarer Zeit auf eine Mehr­heit nicht zu rechnen hat, und besonders auch die Einwillig­ung des Kaisers zur Aufhebung des Jesuitengesetzes schwer­lich zu erlangen ist.

Die Türkei hat nunmehr mit den von ihr geforderten Reformen den Anfang gemacht. Entsprechend dem Artikel 1 des Mürzsteger Reformprogramms sind die christlichen Gehilfen des türkischen Generalinspekteurs von Mazedonien ernannt worden. Durch diese Berufung eines russischen und eines österreichischen Generalkonsuls wird also zunächst der erste Artikel des russisch-österreichischen ReformprogrammS ansgeführt. Die Reorganisierung der Gendarmerie in Maze­donien wird nun die nächste Ausgabe der Pforte sein.

Ueber die Vorgänge im Somaliland, die dem italie­nischen Leutnant Grabau das Leben kosteten, wird weiter gemeldet: Das britische KriegsschiffMohawk" ist nach Durbo im Somaliland gefahren, um eine Untersuchung über den Tod des italienischen Leutnants Grabau anzu- stellen. Der Kommandant des Schiffes, Grant, und 60 Mann gingen an Land. Der Sultan trat ihnen mit 400 Mann entgegen. Nach längeren Verhandlungen erklärte der Sultan, er wolle die Waffen entscheiden lasten. Grant und der Sultan begaben sich zu ihren Truppen, worauf das Feuer eröffnet wurde. Grant wurde am Oberschenkel verwundet, ein Marinesoldat getötet. Die Engländer kehrten wieder an Bord derMohawk" zurück und sind in Aden angekommen. Graut befindet sich wohl. Demnach haben die Engländer eine Schlappe erlitten.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 9. Dezember. Präsident Graf Ballestrem eröffnet dir sitzuna um 2 Uhr 20 Min. Am Bundesratstisch haben Platz ge- ommen: der Reichskanzler Graf Bülow, Staatssekretär Graf Po- adowsky. Staatssekretär v. Tirpitz. der Krieasnnmster v. Eurem, Staatssekretär v. Richthvfen und die Minister Möller und v. Rhem- aben. Schatzsekretär Frhr. v. Stengel bedauert, daß es chm icht verqönnt sei, mit einem erfreulichen Etat zu debütieren. Der

Kak* seinen

Hlm Ghr' und Ool'ö.

Roman von E. von Linden.

7) Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Na, gewiß bleibt er in Amerika," hatte Leo geant­wortet.Ich aber bin bis zu meinem 25. Jahre zurück­gesetzt, weil ich zu lang und nicht breit genug geworden bin."

Das war hinreichend gewesen und die Papiere für Traugott Weber waren beschafft worden."

Jetzt stand dieser in einem großen Torwege, der zu dem Bankhause Lawrence gehört, und bewachte das Gepäck, während Leo in's Haus eingctreten war, um sich dem Onkel vorzustellen. Schon unterwegs war dem armen Flüchtling bitterwehe um's Herz geworden, war ihm der letzte Mut gesunken; hier; wo jedem die Devise:Zeit ist Geld!" auf der Stirn geschrieben stand, war ihn das furchtbare Gefühl einer völligen Vereinsamung lähmend überkommen. Wie, wenn dieser Herr Lawrence, der sicherlich mit der Umwand­lung seines Namens auch ein ganzer Amerikaner geworden war, ihn, den fremden, überzähligen Knaben nicht auf­nehmen wollte? Traugott fühlte bei diesem Gedanken sein Blut gerinnen, seinen Herzschlag stocken. Unwillkürlich wandte er sich der Straße zu, um die Menschen zu be­trachten, die wie in einem Wettlauf dahin rannten, sich drängten und stießen, ohne auch nur mit einem flüchtigen Blick von einander Notiz zu nehmen.

Drinnen in dem Prrvat-Kontor des reichen Bankiers stand indessen Leo Günther in einer sehr demütigen Positur

vor seinem Onkel, Vesten scharfe graue Augen ihn unter buschigen Brauen prüfend fixierten. Herr Lawrence war ein Mann in der Mitte der Fünfziger mit glatt rasiertem Gesicht, markierten Zügen, in denen Gemüt und Herz an­scheinend kein Plätzchen gefunden hatten, und mit grauem schlichtem Haar. Aber klug war dieses Gesicht, und Klug­heit blitzte aus den scharfen Augen, die in dem Wettlauf um's Glück es verstanden hatten, dieses dauernd an sich zu fesseln.

Also Du bist der einzige Sohn meiner verstorbenen Schwester," sagte er zu dem Neffen;setz'Dich einen Angen­blick. Wo hast Du Dein Gepäck?"

Es steht im Torweg"

Das ist noch schöner und läßt auf die Größe Deines Gehirns schließen, Du langer Bursche. Es wird jedenfalls chon mitgenommen sein."

O nein," stotterte Leo kleinlaut,mein Freund hält dabei Wache."

So hast Du hier schon Freundschaft geschloffen?"

Leo mußte nun wohl oder übel mit der Bitte um die Placierung Traugotts herauskommen.

Der Onkel hörte schweigend zu, und drückte dann auf den Knopf der elektrischen Klingel, worauf ein grauköpfiger, aber breitschulteriger robuster Mann, der halb wie ein Ar­beiter, halb wie ein Kontordiener aussah, erschien.

John, hole das Gepäck des jungen Gentleman'S aus dem Torweg herauf," befahl sein Herr,bring' es gleich in seine Kammer, Du weißt schon ?"

John nickte majestätisch und machteKehrt".

Halt, es ist noch ein junger Mensch dabei," rief Mr.

Zawrence,bring ihn mit, aber hierher."

John nickte zum zweiten Male und ging.

Setz' Dich, Leopold!" sprach der Onkel jetzt etwas reundlicher,ich freue mich, daß Deine Mutter Dir den 7amen unsers Vaters, also Deines Großvaters beiselegt lat. aber ich kanu's nicht leiden, ihn zu verstümmeln."

Der Name ist so lang, Onkel," bemerkte der innge Kann, dessen Keckheit wieder stieg,und dann klingt Leo

uch vornehmer." . ^

Ach, was Du nicht sagst," meinte der alte Herr, chn aöttisch musternd,wer hat Dir denn diese Finessen m drin kleines Gehirn eingeblasen? Vielleicht Deine selige

stutter?" ^ ^ ,

Ach nein, Onkel," erwiderte Leo hastig,sie konnte S nicht leiden und nannte mich nie anders als Leopold.

Das konnte ich mir denken, Deine Mutter hatte keine Ursache, sich für vornehm zu halten, Gott Hab' sie selig. -ie wird eS nie vergessen haben, daß ihr Vater ein armer edlicher Flickschneider war, der die Nächte durcharbeitete, m die Seinen zu ernähren, und wenn ich nicht als Lauf- nrsche meine kaufmännische Zukunft begonnen hätte, so >Sre vielleicht ein Schneider aus mir geworden. Meines ligen Vaters Redlichkeit und unbefleckter Name, sowie leine Demut und mein Fleiß haben mich zu dem gemacht, as ich jetzt bin. Merke Dir das, Leopold! Mit vor- ehmen Schrullen kommst Du bei mir, wie überhaupt in merika nicht durch."