77. Jahrgang.

Erscheint

Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag.

Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger­lohn 1.10 im BezirkS- und 10 Lm-Verkehr 1.20 X. im übrigen Württemberg 1.80 Monatsabonnements nach Verhältnis.

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Fernsprecher Nr. 29.

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Uagsld, Freitag den 4. Dezember

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Lchwäd. Landwirt.

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Noch immer werden bei allen Postämtern, Landpost­boten, unfern Austrägerinnen und der Expedition d. Bl. Bestellungen für den Monat Dezember auf unser Blatt entgegengenommen und die fehlenden Nummern bereitwilligst nach geliefert.

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Amtliches.

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betr. die Abhaltung eines Molkerei­lehrkurses in Gerabronn.

Mit Genehmigung des K. Ministeriums des Innern wird an der Molkereischule in Gerabronn demnächst wiederum ein vierwöchentlicher Unterrichtskurs über Molkerei­wesen abgehalten werden.

In diesem Kurs werden die Teilnehmer nicht allein in den praktischen Betrieb der Molkerei eingeleitet, sondern sie erhalten auch einen dem Zweck und der Dauer des Kurses entsprechend bemessenen theoretischen Unterricht.

Der Unterricht ist unentgeltlich, dagegen sind die Teil­nehmer an demselben verpflichtet, die vorkommenden Arbeiten nach Anweisung des Leiters des Kurses zu verrichten, auch haben sie für Wohnung und Kost selbst zu sorgen und die für den Unterricht etwa notwendigen Bücher und Schreib­materialien selbst anzuschaffen. Unbemittelten Teilnehmern kann ein Staatsbeitrag in Aussicht gestellt werden.

Bedingungen der Znlasjung sind : zurückgelegtes sechs­zehntes Lebensjahr, Besitz der für das Verständnis des Unterrichts notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse und guter Leumund. Vorkenntniffe im Molkereiwesen begründen eine vorzugsweise Berücksichtigung bei der Aufnahme.

Der Beginn des Kurses ist auf Montag den 4. Jan. 1SV4 festgesetzt.

Gesuche um Zulassung zu dem Kurs sind bis läng­stens IT. Dez. d. I. an dasSekretariat -er K. Zentralstelle für die Landwirtschaft in Stuttgart^

emzusenden. Den Aufnahmegesuchen sind beizulegen:

1) ein Geburtsschein;

2) ein Schulzeugnis sowie etwaige Zeugnisse über Vor­kenntniffe im Molkereiwesen;

3) wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Einwillig­ungserklärung des Vaters oder Vormunds, in welcher zugleich die Verbindlichkeit zur Tragung der durch den Besuch des Kurses erwachsenden Kosten, insoweit solche nicht auf andere Weise gedeckt werden, übernommen wird;

4) ein von der Gemeindebehörde des Wohnsitzes des Bewerbers ausgestelltes Leumundszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß der Bewerber bezw. diejenige Persönlichkeit, welche die Verbindlich-

Htm GHr' und KoLd.

Roman von E. von Linden.

2) Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Mittlerweile saß Traugott Weber, ein kräftiger, hüb­scher Jüngling von sechszehn Jahren, wirklich in einer Gartenwirtschaft vor dem Tore mit einem Glase Bier vor sich. Doch nippte er nur daran und sah sonst sehr nach-' deutlich vor sich hin, den halblauten Worten eines hochauf­geschossenen jungen Menschen, der vielleicht zwei Jahre älter sein mochte als er, aufmerksam folgend.

Hast Du alles kapiert?" fragte dieser endlich, sein Glas auf einen , Zug leerend.Trink aus, Traugott wann wirst Du Dir das Nippen abgewöhnen? In Eurem Hause wird wohl nur Milch oder Tee getrunken, wie?"

Das gerade nicht," erwiderte Traugott errötend, mein Vater trinkt, natürlich sehr mäßig, Bier, .ich kann noch keinen rechten Geschmack daran finden. Doch'das bei Seite. Selbstverständlich Hab« ich Deine Rede kapiert, Du vergissest nur eins, daß nämlich mein Vater das letzte Wort dabei zu sprechen hat. Was mich anbetrifft, so würde ich Deinen Vorschlag mit tausend Freuden annehmen, mein lieber Leo!"

Dieser riß seine kleinen Augen, die einen sehr ver­schmitzten Ausdruck besaßen, so wett als möglich auf und sah ihn erstaunt an.

Na, hör' mal," sagte er dann kopfschüttelnd,das nennst Du kapieren? Nimm's mir nicht übel, alter

keit zur Tragung der durch den Besuch des Kurses erwachsenden Kosten für den Bewerber übernommen hat, in der Lage ist, dieser Verpflichtung nachzu­kommen;

5) wenn ein Staatsbeitrag erbeten wird, was zu­treffendenfalls immer gleichzeitig mit Vor­lage des Anfnahmegesnchs z« geschehe« hat, ein gemetnderätliches Zeugnis über die Vermögens­und Familtenverhältnisse des Bewerbers und seiner Eltern, sowie ein Nachweis darüber, ob die Gemeinde, der landw. Bezirksverein, eine Molkereigenossenschaft oder eine andere Korporation dessen Aufnahme be­fürwortet und ob dieselben ihm zu diesem Zweck einen Beitrag und in welcher Höhe zugesagt oder in Aus­sicht gestellt haben.

Stuttgart, den 25. Nov. 1903.

v. Ow.

Seine Kgl. Majestät haben am 9. Nov. ds. Js. allergnädizst geruht, die erledigte zweite evangelische Stadtpfarrstelle in Nürtingen dem vierten Stadtpfarrer Höckh (früher in Nagold) an der Hospi­talkirche in Stuttgart zu übertragen.

Von der Kath. Oberschulbehörde wurde am 1. Dez. d. I. die erledigte Lehrstelle an der kath. Volksschule in Unterschwandorf, OA. Nagold, dem Stellvertreter Eduard Naumann in Sulgau über­tragen. .

UoMifche Hleverstcht.

Im ungarischen Abgeordnetenhaus verläuft fast keine Sitzung mehr ohne stürmische Szenen, auch am Sonnabend ng es wieder sehr lebhaft zu. Das ganze Bestreben der bstruktion war darauf gerichtet, die zweite Sitzung zu ver­eiteln, was ihr auch gelang. Die am Vormittag eröffnete Sitzung wurde erst abends 8 Uhr geschlossen. Im Verlauf der Sitzung ergriff auch Khuen-Hedervary das Wort, um zu erzählen, wie die Opposition das ihm gegebene Verspre­chen nicht eingehalten habe. Man habe ihn wohl gewarnt, mit Polonyi ohne Zeugen zu verhandeln, doch glaubte er, es mit Ungarn zu tun zu haben. Mit diesem Parlament könne man mit friedlichen Mitteln nichts ausrichten und deshalb unterstütze er Tisza, der andere Mittel anwenden will, mit ganzer Seele. Die Sitzung wurde in größter Er­regung auf Montag vertagt.

Das neue italienische Ministerium hat sich gestern der Kammer vorgestellt und zwar mit einem reichhaltigen, vom Ministerpräsidenten Giolitti vorgetragenen wirtschaftlichen und sozialen Programm, das ziemlich starken Beifall fand, von Ferrt jedoch als eine versprechensreiche populäre Enzi- klopädie verspottet wurde. Unter anderem enthält das Pro­gramm: Steuerreform, Erleichterungen für Süditalten, Vorbereitung der großen Konversion und eine Vorlage für den Staatsbetrieb der Eisenbahnen für den Fall, daß die Verhandlungen über die Erneuerungkonvcntionen scheitern sollten, damit der Staat nicht waffenlos dastehe. Aus Gio- littis Programmrede ist nach der Frkf. Z. außerdem noch eine Stelle über die Handelsverträge bemerkenswert; die Regierung verspricht darin, alles zu tun, um die Ausfuhr der Landesprodukte zu erleichtern und erklärt sich bereit,

Sohn, aber das zeugt denn doch von wenig Faffungsver- vermögen. Wer denkt daran, Deinen Vater in unfern Plan einzuweihen? Das ginge ja noch über die Lalenbürger hinaus."

Traugott machte ein so verdutztes Gesicht, daß der lange Freund laut auflachte.

Du bist doch noch ein größerer Kindskopf, als ich mir gedacht," fuhr er lachend fort;wenn Dein ehrsamer Vater nur ein Wörtlein davon erführe, würde er sein Söhnchen ohne Säumen hinter Schloß und Riegel bringen, und es so rasch als möglich an den Schraubstock spannen. Traugott Weber, nimm's mir nicht übel, aber ich fürchte, daß Du für das Kontor meines Onkels in New-Aork nichts taugst, in Amerika ist das Baby schon entschlossener und selbständiger als Du es bist. Glaubst Du, Dein Vater würde Dich mit mir reifen lassen, wenn ich auch dieUeber- fahrt für Dich bezahlen wollte?"

Nein, nein, davon könnte keine Rede sein," stimmte Traugott seufzend bei.

Siehst Du also, daß Du vorhin gar nicht zugehört hast, mein Junge? Ich machte Dir, kurz gesagt, den Vor­schlag, mit mir durchzubrennen, indem ich mich für die Ueberfahrtskosten verpflichtete, die Du mir später gegen einen regelrechten Schuldschein zurückzahlen solltest. DaS Durcybrennen bezöge sich natürlich nur auf Dich, da mein Onkel Lorenz Lawrence nennt er sich drüben mich erwartet, und mir eine hübsche Summe als Reisegeld ge­schickt hat. Ich bin ein guter Kerl, Du mußt es mir bezeugen, und Dein aufrichtiger Freund; weshalb sollte ich

dafür die industriellen Schutzzölle so weit wie möglich zu mildern.

Zwischen Spanien and Venezuela ist ein Konflikt aus­gebrochen. Spanien hat den ersten Schritt getan, um die Beziehungen zu Venezuela abzubrechen. Dem Staatsdepar­tement in Washington ging eine amtliche Meldung zu, daß Spanien das Exequatur sämtlicher venezolanischen Konsuln in Spanien zurückzog. Der Schritt wird auf die dem spa­nischen Gesandten in Venezuela zu teil gewordene gering­schätzige Behandlung und den Mangel an Achtung zurück­geführt, womit man dem spanischen Gesandten in La Guaira begegnete.

Wie lebhaft Persien von England umschmeichelt wird, um dort den russischen Einfluß zu verdrängen, zeigt sich jetzt wieder gelegentlich der Reise des Vizekönigs von In­dien, Lord Curzon, der kürzlich Basstdur aus der Insel Kischm am Eingang des Golfes besuchte. An diesem Ort, der im Anfang des vorigen Jahrhunderts England zufiel, weht noch die englische Flagge. Von dort aus begab sich Lord Curzon nach Lingeh, wo er zu Ehren des Gouverneurs ein Essen gab. In einem Trinkspruch auf den Schah er­innerte der Vizekönig an die alten Bande der Freundschaft, die England mit Persien verbänden, und an die engen Handelsbeziehungen, die stets zwischen beiden Ländern herr­schen müßten. Der Gouverneur erwiderte mit einem Trink­spruch auf König Eduard, in welchem er betonte, daß der Schah, wie überhaupt jeder Perser von Herzen die große Ehre zu schätzen wüßte, die Persien durch den Besuch des Vizekönigs erwiesen werde. Der Besuch werde nicht ver­fehlen, die freundschaftlichen Beziehungen und die Handels­beziehungen zu kräftigen und zu mehren, die seit Jahrhun­derten beständen, und werde von allen freudig begrüßt als Zeichen des dauernden Interesses, das England an Persien und seiner Wohlfahrt nehme.

Aus Port Arthur schreibt ein chinesisches Blatt, Tibet, das bisher zu China in Lrhensverhältnis stand, könne mm der Schauplatz großer Wirren werden. Um dem vorzubeu­gen, schlägt das Blatt vor, Tibet entweder China einzuver­leiben oder unabhängig zu erklären oder für den internatio­nalen Handel zu eröffnen. Aus Tasahitschao wird ein Zusammenstoß zwischen Russen und Chunchusen gemeldet. Dabei sind 4 Russen gefallen, 9 Gemeine und ein Offizier schwer verwundet.

Parlamentarische Nachrichten.

Berlin, 3. Dez. Der Reichstag ist soeben eröffnet worden. Die Thronrede verlas im Auftrag des Kaisers der Reichskanzler: Der Kaiser wünscht mit seinen hohen Verbündeten eine gedeihliche Lösung der vielen Ausgaben, die des Reichstags harren, und dankt für die Teilnahme an seinem Leiden und dessen Heilung. Die Finanzen deS Reichs sind noch immer ungünstig beeinflußt durch den noch nicht überwundenen allgemeinen wirtschaftlichen Druck, die Herstellung des Budgetgleichgewichts ist nur mit Hilfe von Matrikularbeiträgen der Bundesstaaten und einer Anleihe möglich gewesen. Die erstrebte durchgreifende organische Reichsfinanzreform ist sofort nicht durchführbar, aber eS

mein Geld wegwersen? Ich tät's für keinen andern und Du sollst auf unserm ganzen Planeten noch einen Menschen suchen, der's für Dich täte. Ich bin nun einmal so, wenn ich einen in mein Herz geschloffen habe, dann teile ich mein letztes Stück Brot mit ihm. Aber ich sehe schon, daß Du keine Courage hast, drum bleib' nur hier und werde Schlosser, ich will Dich nicht überreden, weshalb auch? Dann behalt' ich mein Geld und habe keinen solchen Ballast am Halse, denn Wetter wärst Du «ir doch nichts

Er schlug an sein Glas und bezahlte für sich und den Freund. Der junge Herr Günther war stets bei Kaffe und hier Stammgast. Nun stand er auf, nahm seinen Stock vom Tisch und wollte gehen.

Hast Du's so eilig, Leo?" fxagte Traugott Weber stotternd.

Na, amüsant ist'- hier grad' nicht, mein Junge! Ich möchte noch eine Partie Billard spielen, wir können ja unterwegs Wetter plaudern."

Sie verließen-den Garten und schritten die Chaussee entlang der Stadt wieder zu.

Du brauchst ja nicht gleich so grob und heftig zu werden," begann Lraugott nach einer Wette.Meine Ver­hältnisse liegen doch auch ganz anders als die Deinigen. Du bist ein glücklicher Mensch, Deine Eltern hast Du kaum gekannt, waS man ja gerade kein Glück nennen kann, aber Du weißt es auch nicht, was eS heißt, gute Eltern zu haben u. ihnen ein so schweres Herzeleid bereiten zu wollen, ein Herze­leid, woran meine Mutter am Ende gar sterben müßte. (F. f.)