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'UotitiscHe WercHvichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 22. Juni. Kaiser Wilhelm und Kaiserin Au gusta werden sich, wie dieNational-Ztg," meldet, im Herbst als König und Königin in Königsberg krönen lassen.

Berlin, 23. Juni. Es sind alle Vorbereitungen getroffen, um die Eröffnung des Reichstages durch den Kaiser zu einer möglichst feierlichen zu machen. Schon zu dem vorausgehenden Gottesdienste in der Schloßkapelle werden sämtliche hier anwesenden Mitglieder der königlichen Familie, sonstige Fürstlichkeiten, der ganze Hofstaat, die Staatsminister und die Wirkl. Geh. Räte und Staatssekretäre, die höheren Verwaltungsbeamten, die Generalität u. s. f. erscheinen. Auch an dem feierlichen Akte im Weißen Saale des königl. Schlosses werden alle eben genannten Kategorien von Eingeladenen teilnehmen. Der Kaiser begiebt sich nach dem Weißen Saale unter großem Vortritt wie folgt: Schloßgarde-Kompagnie, Hoffouriere, königliche Pagen, Oberzeremonienmeister, Hof-, Vizeoberhof- uud Oberhof­chargen paarweise, Oberstmarschall mit großem Stabe, an der Spitze der obersten Hofchargen General v. Hül kessem mit aufrecht getragenem, ent­blößtem Reichsschwert. General v. Strubberg mit Reichsapfel auf vrsp ä'sr^ent-Kiffen, General v. Stiehle mit Szepter aus Drap ä'or- Kiffen, Oberstkämmerer Graf Stolberg mit Krone auf vrsp ä'or-Kiffen, Generalfeldmarschall Gras Blumenthal mit dem Reichspanier, begleitet von den Generalen v. Schlichting und v. Alten. Sämtliche Insig­nien werden zu beiden Seiten von Gardes du Corps-Offizieren begleitet, so­dann folgt der Kaiser, umgeben von denanwesenden regier­enden deutschen Fürsten, gefolgt von den Prinzen des königlichen Hauses, den Mitgliedern der regierenden deutschen Fürstenhäuser, sowie den Erbprinzen. Der Kaiser nimmt auf dem Throne Platz, die regierenden Fürsten treten auf einen Usut-pss rechts vom Throne vor der Tribüne, die Kaiserin, dann die königlichen Prinzen und andere deutsche Prinzen auf einen Ilaut-pss links. Auch der Kaiser wird vorher dem Gottesdienst in der Schloßkapelle beiwohnen, ebenso die Kaiserin. Auch für die Diplo­matie soll eine eigene Tribüne errichtet werden.

An der Eröffnung des Reichstags werden teilnehmen: der König von Sachsen, Prinz Wilhelm von Württemberg und die Großherzöge von Baden und Hessen.

Berlin, 24. Juni. Der Prinz-Regent von Bayern ist in Begleitung der Minister von Lutz und von Crailsheim um ll'/s Uhr hier eingetroffen. Empfangen wurde derselbe am Bahnhofe von Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Heinrich. Nachdem der Prinz-Regent die von den Garde-Füsilieren gebildete Ehrenwache abgeschritten hatte, begab sich derselbe mit dem Prinzen Heinrich zu den bereitstehenden Wagen unv fuhren die Herrschaften darauf nach dem königlichen Schlöffe. Am Nachmittag statteten der Prinz-Regent von Bayern dem Fürsten Bismarck einen Besuch ab.

DieKöln. Ztg." schreibt in einem Leitartikel:Die Geschichte werde vielleicht sinnend vor dem Rätsel stehen, wie es gekommen, daß die kurze Regierung eines Fürsten, dessen auszeichnender Charakterzug eine un­endliche Güte und Milde gewesen, so viel Hader entfesselte, so viele trübe Stunden mit sich brachte. Glücklicherweise habe sich dasjenige nicht ereignet, was eine Partei angestrebt, die während dieser Zeit den terroristischen Grund­zug ihres Wesens geoffenbart habe und die Not des Vaterlandes in einen Parteigewinnst haben umwandeln wollen. Wäre es nach ihrem Willen ge­gangen, so müßte die Geschichte einst über die Regierung der 99 Tage sagen: Alsdann kam sterbend Kaiser Friedrich M. auf den Thron, er entließ den Fürsten Bismarck, stürzte dadurch das kaum gegründete deutsche Reich in eine Reihe von schweren innern und äußern Krisen und verschied!" Zum Glück sei dieser Anschlag auf den geschichtlichen Nachruhm eines der edelsten deutschen^Herrscher mißlungen.

Italien.

Rom, 20. Juni. Ueber einen aufregenden Zwischenfall wird aus Bologna vom Tage der Verteilung der Ehrendiplome berichtet. Dem König Humbert wurde während der Zeremonie plötzlich un­wohl. Als ihn die Königin blaß werden und zusammenbrechen sah, rief sie:Einen Stuhl! Einen Stuhl!" Dieser wurde gebracht und der König sank wie eine träge Masse in denselben. Graf Mafferie brachte dem König ein Glas Wasser, worauf dieser sich mit großer Willensanstrengung erhob; aber alle Anwesenden waren von seiner Bläffe betroffen. Sowie der König in seinen Palast zurückgekehrt war, erschien sein Arzt Saglione und ordnete vollständige Ruhe an. Trotzdem begaben sich der König und die Königin um alle unangenehmen Gerüchte abzuschneiden, des Abends um sechs Uhr in das Ausstellungspalais.

Gages-Weuigkeiten.

(Eingesandt.) Die Kinderfreunde in nah und fern, besonders diejenigen, welche durch freiwillige Gaben an Bauholz und Geld zu dem Bau der Kleinkinderschule in Tein ach beigetragen haben, hören es gewiß mit reuden, daß nach viel Sorge und Mühe der Bau vollendet ist. Ueber dem okal, welches die Gemeinde für ihre Feuerlöschgeräte erbauen mußte, sind die freundlichen Räume für die Kinder und die Kinderpflegerin eingerichtet, dazu einige Gelasse für auswärtige leidende Kinderschwestern, welche nun in Teinach eine lang erwünschte Erholungsstation finden dürfen. Zu der Ein­weihung, welche nächsten Freitag, den 29. Juni (Petri und Pauli) sorge- nommen werden soll, haben die Herren Regierungsrat v. Clausnizer und Oberkonsistorialrat vr. v. Burk aus Stuttgart ihr Erscheinen zugesagt, nicht zu vergessen Herr Pfarrer Christof Blumhardt aus Bad Voll, welcher das Unternehmen kräftig unterstützt hat und dem Vernehmen nach schon vormittags in Teinach predigen wird. Der Nachmittagsgottesdienst be­ginnt um 2 Uhr in der Kirche. Daran wird sich die Uebergabe durch Herrn Stadtpfarrer Hiller und eine kleine Kinderfeier in den neuen Räumen selbst anschließen. Möge dieser für die Kleinkinderpflege in Teinach so fest­liche Tag dem guten Unternehmen, welches leider mit Schulden zu kämpfen hat, noch manches Scherflein zuführen! Die Kirche in Teinach, vom Staat zunächst von außen angemessen restauriert, wird wohl bald auch von innen in würdiger Weise erneuert sein. Das Konsistorium hat auch Heuer, wie in den beiden verflossenen Jahren, über die Badezeit einen evang. Vikar in Teinach stationiert.

Sulz a. N., 20. Juni. Die Bohrversuche nach Steinkohlen werden demnächst beginnen. In den letzten Wochen wurde der Bohrturm fertigge­stellt, uud in den letzten Tagen sind die Bohrmaschinen eingetroffen. Mit der Aufstellung derselben ist bereits begonnen worden.

Laup heim, 20. Juni. Die einzige, brave Tochter eines hiesigen Bürgers, dem sie das Hauswesen seit dem Tode der Mutter in treuer Pflicht­erfüllung besorgte, hat sich diesen Morgen mittelst eines Rasiermessers den Hals abgeschnitten. Schon seit längerer Zeit bemerkte man an ihr eine große Schwermut. Der Vater wird allgemein bedauert.

Niederhofen, 18. Juni. DerAllgäuer Bote" berichtet: Letzten Freitag fuhr Oekonom Jos. Ant. Müller von hier mit einem schwergeladenen Düngerwagen aufs Feld. Als die Pferde eben anzogen, schlüpfte ein Zug­strick aus, infolge dessen das Wagscheit auf der äußeren Seite nach rückwärts schnellte und Müller einen starken Schlag von demselben auf den Unterleib erhielt. Müller ging trotzdem mit dem Fuhrwerk an den Beflimmungsplatz, wo ihn aber alsbald die heftigsten Schmerzen überfielen und ärztliche Hilfe herbeigeholt werden mußte. Er hatte innerlich schwere Verletzungen erhalten, denen er vergangenen Samstag erlag.

München, 23. Juni. Einer Polizeimeldung zufolge sind die M ün ch- ener Juwelendiebe gestern in London verhaftet und gerichtlich auf das bestimmteste rekognosziert worden.

Dort, auf einer hohen Kiste sitzt Mr. Angelo, der einbeinige Reckturner, mit Miß Wanda in eifrigem Gespräche; dort steht der Löwenbändiger vor einem rot an­gestrichenen Käfig, der in seinem Innern 8 Löwen birgt, und der bald vor's Pub­likum gerollt wird; er untersucht noch einmal die eisernen Gitterstäbe, besieht sich noch einmal das ganze; in einer Ecke lehnt der Jongleur, im phantastischen Indianer- Kostüme, die grellen Federn im Haarschopfe, er übt sich im Kugelwerfen, die er einzeln mit dem Kopfe auffängt, alle aber sind sie lustig, plaudern, lachen, rauchen

ihre duftenden Cigarretten,-nur Little Johnny, der komische Clown, der in

der Ecke auf einem Sessel mit drehbarem Sitze ruht, macht jetzt ein trauriges Ge­sicht, das so sonderlich von seiner Perrücke, die in drei verschieden gefärbte Schöpfe endet, absticht; um seine Lippen zuckt es hie und da wie bitterer Schmerz, wie tief

erlittenes! Weh, und um das blaue, schöne Auge lagert sich ein Schleier--,

mehr denn einmal fährt er mit der Hand über das Gesicht, als wollte er ein Bild in seiner Erinnerung verscheuchen, und jedesmal seufzte er tief auf.

Trotz der tropischen Hitze, die hier, im Raume herrscht, schüttelt ein Fieber­frost seine Glieder; seine Gedanken schweifen weit weg von hier, ... er denkt der alten Tage, da er noch glücklich war!

Glücklich?

Er muß selbst darüber lächeln, bitter, kalt . . .

Die Regieglocke reißt ihn aus seinen Gedanken, er muß hinaus, die Pause ausfüllen.

Und der Clown, der in seinem Herzen eine ganze Welt von Liebesglück, von süßem Hoffen und Sehnen begraben trug, er trieb jetzt seine tollen Allotria, sprang herum und schlug Purzelbäume, dazwischen seinHopp, hopp, cousin, hölas" 'chreiend.

* *

Von vielen, vielen Jahren liebte Erich von Erleck mit aller verzehrenden Glut - :neö jungen, ahnungslosen Herzens ein schönes, stolzes Weib- In ihr fand er "b-s. was sein Geist ihm als Ideal vorschweben ließ; in ihren blauen Augen sein ganzes Glück gebettet, und er erschauerte vor süßem Glück, wenn ihn

der flammende Strahl ihres sanften, feucht glänzenden Auges traf. Ihr wollte er seine Jugend, sein ganzes Wesen zu Füßen legen, um Liebe bettelnd; konnte er die marmorweiße Stirn, über die das dunkle, seidenweiche Haar sich ringelte, küssen, er wollte die Hälfte seines Lebens dafür zahlen.

Sie war aber auch ein bezwingend schönes Weib, die Heldin des Boulevards de Straßbourg, Madame Marion des Hir.

Schlank wie eine Tanne, hatte sie die Taille einer Wespe; in ihrem rosigen, zarten Gesichte schimmerte die ganze, vollentfaltete Pracht des jungen Frühlings, es lag darüber all' der Reiz gebreitet, der uns so seelisch anmutet, als hätte eine gütige Fee dies Gesicht mit ihrem Kusse gestreift. Und diese Augen! Diese bodenlos tiefen und doch so Hellen Augen, über die in zartem Bogen die Brauen sich spannten, schmal in die Schläfen verlaufend; es lachte und leuchtete aus ihnen volles, warmes Leben, empfundenes Lieben! Es lag ein süßer, trauter Schelm drin, voll sprühenden Witzes, leuchtenden Geistes. Klein, stylvoll war das übermütige Näschen, das so kokett in die Welt lugte, als gehöre Alles ihm. Die, ein wenig aufgeworfenen Lippen, liebbegehrend, freudetrunken, bargen hinter ihrem tiefen Rot zwei Reihen kleiner, spitzer Zähnchen, weiß, wie aus Elfenbein geschnitzt.

Und erst die ganze, liebe Gestalt! Dieser Marmornacken mit den runden Linien, über die in langen Flechten das duftende Haar sich ergoß; der volle Arm mit dem kleinen, weichen Kinderhändchen mit den Grübchen an den Knöcheln und den rosig-bläulich durchschimmernden Nägeln an den Fingerspitzen; dieser kleine win­zige Fuß, der auf der Innenfläche einer Männerhand genügend Raum hätte,-

wer konnte die berückende Marion sehen und sie nicht lieben,-anbeten-!

Und Erich betete sie an, wie man einen Gott anbetet; er blickte zu ihr auf, wie man zu einem höheren Wesen, einem lichten Engelsbilde aufblickt, sein junges, lebenvolles Herz wußte noch nichts von den Bitternissen dieser trüben Alltagswelt, in der gemein und roh der Geist des Niedrigen die breiten Wege schreitet, sich auf­blähend und protzend dem, was er feige gestohlen dem verzweifelten Idealisten!

(Fortsetzung folgt.)