63. Jahrgang
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Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äen 26. Inni 1888.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Amtliche Bekanntmachung.
Calw.
Ausheöung 1888.
Vor der K. Oberersatz-Kommission haben sich auf dem Rathaus in Calw zu stellen:
1) am Samstag, den 7. Juli 1888, Morgens /e8 Uhr,
diejenigen Militärpflichtigen, welche besonders hiezu vorgeladen werden, ferner alle Diejenigen, welche bei der Musterung zur Ersatzreserve und zum Landsturm I vorgeschlagen oder als dauernd untauglich bezeichnet worden sind, ausgenommen die als augenscheinlich untauglich bezeichnet«».
2) am Montag, den 9. Juli 1888, Morgens V-8 Uhr, sämtliche Militärpflichtige der Jahrgänge 1866, 1867, 1868, welche bei der diesjährigen Musterung für tauglich erklärt, oder Heuer an keinem Ort gemustert worden sind, sowie Angehörige früherer Jahrgänge, über welche eine definitive Entscheidung noch nicht getroffen wurde.
Diejenigen Pflichtigen, für welche um Zurückstellung wegen häuslicher Verhältnisse nachgesucht worden ist, oder nachgesucht werden will, was nicht ausschließlich mündlich geschehen kann, haben sich mit ihren die Reklamation veranlassenden Angehörigen, Eltern, Großeltern, Geschwistern rc. rc. am Samstag, den 7. Juli 1888, Morgens 8 /2 Uhr, auf dem hiesigen Rathaus einzufinden. Bemerkt wird, daß Anträge auf Zurückstellung oder Befreiung von der Aushebung spätestens am Aushebungstermin zu stellen sind. Reklamationen, welche deshalb gemacht werden, weil vorausgesetzt wurde, der Reklamant werde als nicht einstellungsfähig erfunden, sind aussichtslos.
Die Ortsvorsteher werden beauftragt, die Pflichtigen je auf die genannte Zeit unter Belehrung über die Folgen des Ungehorsams (Ersatzordnung § 24), sowie unter Hinweis darauf, daß Pflichtige, welche ohne Entschuldigung zu spät erscheinen, unnachsichtlich Strafe zu gewärtigen haben, vorzuladen und hierüber unfehlbar bis 30. Juli d. I. Eröffnungsurkunden einzusenden.
Bei der Vorladung sind die Pflichtigen zur Reinlichkeit in Wäsche und am Körper anzuweisen, und insbesondere Diejenigen, welche an Schwerhörigkeit leiden wollen, zur gründlichen Reinigung der Ohren und Entfernung des sog. Pfropfs im Ohr anzuhalten.
Die Pflichtigen sind ferner anzuweisen, ihre Losungsscheiue Mitzubringen, auch sind sie darauf aufmerksam zu machen, daß die Aushebung
nicht nach der Reihenfolge der einzelnen Gemeinden stattfindet, daß daher jeder einzelne sich vom Anfang an bereit zu halten hat, wiedrigenfalls ihn neben der gesetzlichen Strafe der Nachteil treffen kann, ohne Rücksicht auf seine Losnummer eingereiht zu werden.
Außerdem sind die Pflichtigen auf die Bestimmung des § 64 Ziffer 3 der Ersatzordnung, wonach Jeder Versuch zur Täuschung gerichtlich bestraft wird, sowie auf § 70, Ziff. 6 der Ersatzordnung aufmerksam zu machen, wonach die Entscheinungen der Oberersatz-Kommission endM^ sind und jeder daher etwaige Wünsche nach 8 71, Ziffer 2 der Ersatzocdnung spätestens am Aushebungstage vorzutragen hat.
Die Stammrollen sind nochmals mit den Strafregistern zu vergleichen und sind von Vorstrafen, die noch nicht angezeigt sein sollten, vor der Aushebung Anzeigen zu erstatten. Die Stammrollen von 1886, 1887, 1888, sind spätestens bis 6 . Juli d. I. hieher einzusenden.
Da es vorgekommen ist, daß körperliche Gebrechen, epileptische Anfälle rc. rc. von Militärpflichtigen absichtlich verschwiegen wurden, um eingereiht zu werden, so sind von der Oberersatz-Kommission die Ortsvorsteher dafür verantwortlich erklärt, daß von dem letzteren alles diesbezügliche (auch geistige Beschränktheit) dem Unterzeichneten vor dem Aushebungstermin zur Anzeige gebracht werde.
Im Uebrigen ist jeder in den Grundlisten des Aushebungsbezirks enthaltene Militärpflichtige berechtigt, im Aushebungstermin zu erscheinen und der Oberersatz-Kommission etwaige Anliegen vorzutragen.
Da mit Rücksicht auf Familienverhältnisse niemals ein Pflichtiger zum Train designiert werden wird, so hat die Oberersatz-Kommission die bestimmte Erwartung ausgesprochen, daß sie bei dem Aushebungsgeschäft-mit Gesuchen um Zuteilung zum Train mit kurzer Ausbildung verschont werde.
Junge Leute im Alter von 15—16 Jahren, welche in eine Unteroffiziersvorschule und solche im Alter von 17—20 Jahren, welche in eine Unter- osfiziersschule einzutreten wünschen, haben sich alsbald beim Bezirksfeldwebel in Calw zu melden.
Die Anwesenheit der Ortsvorsteher beim Aushebungsgeschäft ist nicht erforderlich, wofern nicht besondere Verhältnisse einzelner Pflichtiger dies wünschenswert machen sollten, worüber mit Vorlegung der Eröffnungsurkunden zu berichten wäre.
Calw, 23. Juni 1888.
Der Zivilvorsitzende der Ersatzkommission:
Supper,
Oberamtmann.
Feuilleton. iN-chdruck
Dev LehLe Kvuß!
Eine Erzählung aus dem Cirkus von Eric d'Oskar.
„Hopp hopp" schrie der Clown und schwangseinen, weißen Filz-Cylinder, „hopp, hopp — hslas," und schlug dazu seine drolligen Purzelbäume, daß das ganze Publikum lachen mußte. Unten, im Parquette, in den Logen, auf den Gallerten applaudierte man, die Musik spielte einen Tusch auf, — es war ein recht lustiger Abend dies!
Und nochmals schwang sich der Clown aufs Trapez, als wollte er seine Geschicklichkeit zeigen, nochmals verzerrte er sein weißgepudertes Gesicht, aus dem die Nase grellrot hervorleuchtete, zu einem breiten Grinsen, nochmals stieß er seine un- articulierten Laute hervor, die so komisch waren und so viel Lachen hervorriefen, — und perdautz! lag er richtig schon unten im Sande am Bauche und zappelte mit den Beinen. Mühsam richtete er sich auf und wollte wie verschämt unter dem Gejohle der oberen Gallerie davonhinken, als ihn sein „College" beim Zipfel seiner breiten, bunten Hose erreichte und ihn zurückhielt. Und jetzt begannen sich die zwei „Collegen" zum Gaudium des Publikums zu begrüßen, indem sie sich in toller Schnelligkeit mit schallenden Ohrfeigen bedachten . . .
Nun war aber die Bahn schon frei. Alle sind sie bereits hinter dem Vorhänge, der die Manege von der Arena trennt, verschwunden, — nur unser lustiger Clown lehnt noch an einem hohen Pfeiler und blickt jetzt teilnahmlos in's Publikum ohne sich um die weiteren Vorgänge zu kümmern. Mehrere Male hat ihm schon der Stallmeister von rückwärts gewinkt, er möge doch abtreten, auch hört er schon das ungeduldige Wiehern des gezäumten Berbers „Ali" der den Star der Manege, die
waghalsige, kühne Miß Leona auf seinem Rücken trägt,-er will sich um all'
dies nicht kümmern. Als aber zum zweiten Male der schrille, Helle Ton der Regieglocke den weiten Raum durchzittert, als die Musik schon das erwartungsvolle, viel
verheißende Adagio anstimmt, ermannt er sich endlich aus seinen Gedanken, mach einige Schritte nach vorne, — bleibt aber plötzlich wie vom Donner gerührt stehen.
Einen Augenblick nur! Er bricht dann in einen gellenden, verzweifelten Schrei aus und in kühnem Bogen setzt er in einem herrlichen Doppelsaltomortale über die mannhohe Barriere.
Wilder, frenetischer Beifall lohnte ihn für dieses Kunststück, das ihm leicht das Leben hätte kosten können. Aber hinter dem grellroten Vorhänge der Manege erschien nicht sein weißgepudertes, dummes Gesicht, um sich zu bedanken, erschien nicht die verzerrte Fratze, die so belacht wurde . . .
Wem hat dieser Schrei gegolten, aus dem einige den Namen „Maria" hervorklingen hörten? Warum bebte der Clown zusammen, als er plötzlich eine Loge mit seinem Auge streifte und dort eine elegante, vornehme Dame erblickte? Aber jetzt ist nicht die Zeit dazu, über derlei nachzudenken; Miß Leona reitet in die Bahn!
Von allen Seiten fliegen ihr Blumen zu, von allen Seiten begeistertes Klatschen, — sie verneigt sich und wirft Kußhändchen aus, — das Publikum, besonders die Männerwett, die sehr stark vertreten ist, ist geradezu enthusiasmiert, . . man hat den Clown, seinen Schrei, sein fürchterliches Doppelsaltomortale bereits vergessen.
Aber die Loge, in der jene Dame gesessen, die also den Armen erschütterte, ist jetzt leer. Vor kaum einigen Minuten verließ sie in Gesellschaft eines geschniegelten Herrchens den Zirkus, um in das luxuriöse Heim am Boulevard de Straßburg zu fahren, wo ein glänzendes Souper die Berühmtheiten des Boulevard-Pflasters ver einigte; alle jene glänzenden Nichtsthuer und Lumpen, deren ganzer Witz in einem ererbten Vermögen besteht, deren zerbrochene Moral hinter einem hochklingenden Namen, einer mehrzackigen Krone sich versteckt.
Derweil saß der gefeierte Clown „Little Johnny" in der Manege, traumverloren, in einem Winkel, in tiefes Nachdenken verloren.
Um ihn herum all' der Zirkustand in buntem Durcheinander, übergoldeter Flitter, Pferdedecken, Sattelzeug, ein verworrenes Gemisch von halsbrecherischem Ernst und zwerchfellerschütternder Komik!