77. Jahrgang.

Auflage L1SÜ

Erscheint

Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag.

Preis vierteljährlich hier 1 >-6, mit Träger- <r>hn 1.10^,imBezirkS- und 10 Lm-Verkehr 1.20 im übrigen Württemberg 1.30 Monatsabonnemerits nach Verhältnis.

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Fernsprecher Nr. 29. Fernsprecher Nr. 29.

Nagold, Freitag den 11. September

Auzeigen-Sebühr s. d. Ispalt. Zeile auS gewöhn!. Schrift oder deren Ran«: bei Imal. Eiurückvv, 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt,

Bratisbeilagen:

Das Planderstübche» und

Schwab. Landwirt.

1903.

Amtliches.

Bekanntmachung der Kgl. Zentralstelle für Ge­werbe und Handel, betreffend de» Beginn neuer Unterrichtskurse an der höheren Webschnle in Heidenheim.

An der unter der Oberaufsicht der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel stehenden höheren Webschule in Herdenüeim beginnen anfangs Oktober d. Js. wieder neue Unterrtchtskurse.

Der in dieser Schule erteilte theoretische und praktische Unterricht erstreckt sich auf alle Zweige der gesamten Hand- Jaquard- und mechanischen Weberei, auf Materiallehre und Warenkunde, Kalkulation, Musterzeichnen und Entwerfen, Maschinenzeichner! u. s. w.

Den Webschülern ist zugleich Gelegenheit zum Besuch der in Heidenheim bestehenden kaufmännischen und gewerb­lichen Fortbildungsschule geboten.

Anmeldungen find zu richten an den Schul­vorstand Inspektor C. Leopold in Heidenheim.

Stuttgart, ben 2. September 1903.

K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel:

Für den Präsidenten:

Schmidt.

Am 15. Sept. werden in den nachstehenden Orten Telegraphen­anstalten (mit Fernsprechbetrieb) mit beschränktem Tagesdienst für den öffentlichen Verkehr in Betrieb genommen: Garrweiler, Ober­schwandorf, Pfrondorf, Schönbronn, Unterthalheim und Walddorf, OA. Nagold.

Von diesen Telegraphenanstalten führen die folgenden neben dem Ortsnamen die beigesetzte nähere Bezeichnung: Oberschwandorf, Württ., Pfrondorf, OA. Nagold, Schönbronn, ÖA. Nagold, Wald­dorf, OA. Nagold.

Die Bestcllbezirke der zur Eröffnung kommenden Telegraphen­anstalten bestehen aus folgenden Wohnplätzen: bei Garrweiler aus Garrweiler und Kvhlsägmühle, bei Oberschwandorf aus Beihingen, OA. Nagold, Oberschwandorf und Unterschwandorf, bei Pfrondorf, OA. Nagold, aus Pfrondorf; bei Schönbronn, OA. Nagold, aus Schvnbgonn; bei Unterthalheim aus Unterthalheim; bei Walddorf, OA. Pagold, aus Chausfeehaus, Gde. Walddorf, und Walddorf.

Die Zrrrückdräiigrmg der mittleren Beamten und Lehrer durch höhergeprüfte.

(Schluß.)

Daß sich gerade solche Schulen, wo von unten bis oben methodisch .gebildete Lehrer arbeiten, wie z. B. die Bürgerschule in Stuttgart, eines besonders guten Rufes erfreuten, ist auch nicht mehr in Erinnerung. An den höhe­ren Töchterschulen unterrichteten akademisch und seminaristisch gebildete Lehrkräfte bis zu den oberen Klassen hinauf bisher in bestem Einvernehmen zum Wohle der Jugend. Nun wird im StuttgarterNeuen Tagblatt" die Forderung er­hoben, daß künftigan die Ausbildung der Lehrer an die­sen Schulen dieselben Anforderungen gestellt werden sollen, wie an den Realschulen, wo von Klasse 3 an die Erstehung einer höheren Prüfung und der Besuch einer Hochschule Voraussetzung ist." Der Unterricht in der Geschichte, in Deutsch u. s. w. verlange an einer höheren Anstalt auch eine

M Wklltllllkk bei" 7 ' .

(Von dem Spezialberichterstattcr des Berl. L.-A.)

Roßbach, 8. September.

Kaiser Wilhelm pflegt alljährlich bei den großen Manö­vern einmal sein Oberschicdsrichteramt mederzulcgen und das Kommando über ein Kavalleriekorps zu übernehmen. An diesen Tagen stellt sich eine allgemeine Spannung ein, denn es ist bekannt, daß der Kaiser unabhängig von der den Divisionen zu Aufklärungszwecken verbliebenen Kavallerie sich große Aufgaben sucht, die zur Verwendung der Reiterei als Schlachtenreiterei führen. Daß diese Kavalleriemanöver größten Stils nebenbei ein grandioses mtlitärischesBild bieten, weil sie die dem echten Soldaten heilige Offensive in ihrer vollkommensten Form repräsentieren, daß das Stampfen vieler tausend Pferde in Karriere selbst aus den Zuschauer einen gewaltigen Eindruck macht, Verbünde» mit dem reiz­vollen Anblick der dahinstürmenden Neiterscharersi ist für die Anlage so großer Attacken völlig einflußlos.

Es liegen ernstere Gründe dazu vor. Wer die Ver­wendung der Kavallerie als Schlachtenreiterei im Zukunfts­kriege für unmöglich erklärt, vergißt, daß gerade der Krieg so unendlich verschiedene theoretisch gar. nicht erfindbare Situationen bringt, daß gar nichts unmöglich ist. Gerade das Schlachtfeld von Roßbach, auf dem heute Kaiser Wil­helm sein Reiterkorps gegen die Sachsen zur Attacke führte, beweist dies in unvergleichlicher Art. Der Flankenmarsch

entsprechende Vorbildung und eingehendere Kenntnisse in diesen Fächern, als sie der Seminarunterricht verbürge. Diese Behauptung widerspricht der Tatsache, daß die semi­naristisch und deshalb streng methodisch gebildeten Lehrer in all diesen Fächern unter allsettiger Anerkennung ihrer Leistungen unterrichtet haben und muß als ein Faustschlag ins Gesicht besonders vieler alten, verdienten Lehrer empfun­den werden. Ist es nicht ein grasser Widerspruch, daß, während einerseits die Seminarbildung durch Berechtigung zum Einjährigen immer mehr Anerkennung findet und die Volksschullehrer ohne Ablegung einer anderen Prüfung als der zweiten Dienstprüfung zu Schulinspektoren ernannt werden können, andererseits der Kreis der Wirksamkeit die­ser Lehrer an den höheren Schulen immer mehr einge­schränkt wird?

Am ungünstigsten liegen die Verhältnisse für die Prä­zeptoren und Reallehrer. Was zwar die pekuniäre Stellung betrifft, so muß rühmend anerkannt werden, daß der jetzige Kultminister auch für sie das zu erreichen bestrebt war, was unter den gegebenen Umständen möglich war. Allein mit der Entfernung des fremdsprachlichen Unterrichts aus den unteren Klassen größerer Lehranstalten steht ihnen nur noch eine Klasse mit fremdsprachlichem Unterricht offen, und das Vorrücken von einer kleineren Anstalt an eine größere bedeutet eine Zurückversetzung im Lehrauftrag. Weder in Titel noch Rang ist ein Vorrücken möglich. Zwei Verdienst- kreuze des Friedrichsordens am Geburtstag des Königs bildeten seit einigen Jahren die einzige Auszeichnung, die dem Stand zu teil wurde. Doch das ist nicht von Be­lang.Die Vorenthaltung der 2. Klaffe aber bedeutet" wie ihre Vereinsmitteilungen schreibenfür den Stand der württembergischen Präzeptoren und Reallehrer eine Not­lage der ernstesten Art. Entweder sprechen sachliche Gründe, daß für den Unterricht an den Unterklaffen zwar weni­ger wissenschaftliches Beiwerk, aber umso mehr Erfahrung, Lehrgeschick, Vertiefung in die Kindesnatur, Sicherheit und Klarheit in Verfolgung der eigentlichen Lehrziele und 'vor allem Stabilität gehöre, gebieterisch für die Beibehaltung des Standes, und dann müssen die aus der Ungunst der Verhältnisse hervorgehenden, wenn auch noch so berechtigten persönlichen Wünsche dex höher Geprüften zurücktreten; oder es sind sachliche Gründe nicht vorhanden, dann hat die oberste Schulleittmg die Pflicht, den Stand von der Bild­fläche verschwinden zu lassen. Er dürfte zu gut dazu sein, bloß als Lückenbüßer verwendet zu werden."

So zeigt sich auch auf dem Gebiet des Beamtenstandes ein Klassen- und Existenzkampf, der dadurch nicht aus der Welt geschafft wird, daß man ihn totschweigt. Die Universität Heidelberg hat dieser Tage einen Mann, der, wie er selbst schreibt, nie eine Schule regelmäßig besuchen konnte, der auch nicht offiziell ein Examen abzulegen in der Lage war, der das in der Jugend Versäumte nicht mehr nachzuholen vermochte, der aber die harte Prüfung in der Schule des Lebens bestanden hat, den berühmten Schriftsteller Ro­segger zum Doktor der Philosophie ernannt.

Möchte doch auch in Württemberg ein kräftiger, volks­tümlicher Luftzug das Kartenhaus veralteter Standesvor­

der Franzosen, den Friedrich der Große, weil er allzu harm­los ausgeführt wurde, für ein Abziehen des Gegners hielt, sein eigenes Abschwenken, als er aus der Dachluke des Herrenhauses von Roßbach die wahre Absicht des Feindes erkannte, das ungesehene Einschwenken der preußischen Truppen, die so den Franzosen in die Flanken geführt wur­den, die Attacke des kühnen Seidlitz, das völlige Versagen der französischen Kavallerie und wie schließlich Seidlitz, nachdem er die erste Attacke siegreich durchgeritten hatte, wie auf dem Exerzierplätze Kehrt schwenkte und nochmals mit vollem Erfolge anritt, das sind Situationen, die der phan­tasievollste Stratege nicht auszudenken vermag. Solche Schlacht kommt nur einmal vor in der Weltgeschichte. Aber Variationen ebenso unberechenbarer Natur wird der Krieg immer zeitigen. Deshalb muß auch jede Truppengattung allen Situationen gewachsen sein, alle Möglichkeiten müssen geübt werden, und je schwieriger sie sind, um so mehr muß man der Truppe Gelegenheit geben, sie kennen zu lernen, damit sie ihnen gewachsen ist.

Die Anlage und Ausführung so großer Attacken ist sehr schwierig. Es ist schon ein Kunststück, daß die einzel­nen Kavalleriekörper sich nicht gegenseitig,' behindern, nicht ineinanderreiten, ihren Eingriffspunkt nicht verfehlen und viele andere Dinge. Auch die Ansicht eines alten Militärs scheint mir wertvoll: die Kavallerie muß daran gewöhnt werden, große Verluste zu ertragen, sie ist keine kostbarere Waffe als jede andere. Bei jeder Attacke hört man mit wichtigen Mienen sagen: die haben ja kolossale Verluste, sie wären nie herangekommen. Naturgemäß wird solche

urteile und kleinlichen Titelwesens über den Haufen blasen' Möchten die mittleren Beamten in starkem Verein, in offenem, fröhlichem Kampf für ihre Rechte eintreten, anstatt ihrem Unmut bei Wahlen in völlig zweckloser Weise Aus­druck zu geben.

YoMischs Htebsrficht.

Dem Reichstag wird eine Novelle zur Maß- und Ge- Wichtsordnung zugehen, die verschiedene Abänderungen der­selben bezweckt. Es wird beabsichtigt, den Begriff derEich- Verpflichtung anders und weiter zu fassen. Es sollen mehr Meß- und Gewichtswerkzeuge als bisher der Verpflichtung zur Eichung unterworfen werden. So beispielsweise auch Wafsermesser rc. Dem Bundesrat soll das Recht zustehen, die Reihe der einer Eichungsverpflichtung unterliegenden Gegenstände zu erlveitern. Dem vielfach zum Ausdruck ge­brachten Wunsch, die bestehende Maß- und Gewichtsordnung auch dahin abzuändern, daß Brennmaterial lediglich nach Gewicht verkauft werde, dürfte schwerlich Rechnung getragen werden. Bei Erörterung dieser Frage haben sich so große technische Schwierigkeiten ergeben, namentlich wegen der die Feuchtigkeit der lustanziehenden Eigenschaften des Brenn­materials, daß, wie schon einmal vom Bundesratstisch be­merkt wurde, auch der preußische Handelsminister, der früher auch sehr geneigt war, einen Verkauf nach Gewicht zu befürworten, davon zurückgekommen ist.

Zn einer schärferen Anwendung der die Majestätsbe­leidigung betr. Bestimmungen des Strafgesetzbuches gegen­über der sozialdemokratischen Presse soll ein Erlaß des Justizministers die Staatsanwaltschaften auffordern. Es soll danach, wie in der Frankfurter Volksstimme behauptet wird, mit rücksichtsloser Schärfe jeder Fall verfolgt werden, der nur einigermaßen Aussicht bietet, gegen das btr. Blatt den Majestätsbeleidigungsprozeß anzustrengen. Alle in den sozialistischen Tageszeitungen enthaltenen Artikel, die sich mit der Person des Kaisers oder der einzelnen Landesherren befassen, sollen einer eingehenden Prüfung nach der Richtung unterzogen werden, ob aus ihnen eine beleidigende Abficht der Form, dem Inhalt oder den begleitenden Umständen nach zu erkennen ist. Bejahendenfalls soll dann, selbst wenn es sich nur um versteckte Angriffe gegen die Person des Monarchen handelt, die Anklage wegen Majestätsbeleidigung erhoben, insbesondere auch ohne auf eine Prüfung von Fall zu Fall einzugehen, ob Fluchtverdacht begründet ist, die Untersuchungshaft gegen den Schuldigen bei dem zuständigen Richter beantragt werden. Anscheinend handelt es sich hier wieder einmal um die Veröffentlichung eines als ver­traulich bezeichneten Aktenstückes. Nach den in dem Erlaß empfohlenen Grundsätzen scheint bereits in letzter Zeit wiAer- holt von einigen Behörden verfahren zu sein.

Ein Vorkommnis im Lager der Sozialdemokraten wird von den bürgerlichen Zeitungen viel besprochen und ent­schieden über Gebühr aufgebauscht. Dem alten Führer der Partei, Bebel, hat die Redaktion des Vorwärts zwei Er­klärungen als zum Abdruck nicht geeignet zurückgegeben. Darüber ist Bebel nun empört und d roht in einer andern

Kavalleriemasie energisch beschossen wer möchte sie auf dem Halse haben daß sie aber mit noch beachtenswerter Stärke und Wucht herankommt, erschütterter Infanterie den Rest geben kann, und bei gedecktem Anritt Artillerie zu überreiten vermag, bleibt wohl zweifellos.

Wenn die Situationen im Manöver nicht immer der Attacke günstig sind, der Führer sich aber trotzdem entschließt, anzureiten, so zeigt das nur die Kriegsmäßigkeit unserer Manöver.

Auch im Kriege kann man nicht nur Attacken reiten, wenn man eine Garantie für ihr Gelingen hat; denn so gäbe es ja nicht unsere Todesritte, die schließlich doch ihren Zweck erreichten, den Gegner zum Halten zu zwingen, Zeit zu gewinnen und eine gewaltige moralische Wirkung her­vorzurufen. Der Reitergeist unserer Kavallerie muß ihr erhalten bleiben, sie soll sich nicht mit ihrer Rolle als Auge der Armee begnügen; das wird nur erreicht durch das un­weigerlicheDurch"; die alte Devise der Seidlitz und Zielen ist immer noch wert, erhalten zu bleiben.

Bei der heutigen Attacke gab es hochinteressante Mo­mente. Der Anmarsch so großer Reitermassen kann natür­lich nicht verborgen bleiben, schon die enorme Staubentwick­lung macht sie auf Meilen sichtbar. Anderseits wieder ist das überraschende Auftreten und Eingreifen äußerst wertvoll. In dieser Erkenntnis führte der Kaiser sein Kavalleriekorps unter glänzender Ausnutzung des.Geländes in scharfem Tempo heran, die mächtigen Staubwolken, die südwestlich der Höhen von Pettstädt aus den Schluchten aufstiegen, wälzten sich mit überraschender Schnelligkeit vorwärts. Der