77. Jahrgang.

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<8rattSbeilageu: Da» Plauderstübcherr und

Schwab. Landwirt.

N 176

Fernsprecher Nr. 29.

Seine Kgl. Majestät haben vermöge allerhöchster Entschließung vom 8. Aug. d. I. gnädigst zu verfügen geruht, daß die bei dem Ministerium des Kirchen- und Schulwesens bestehende Abteilung für Gelehrten- und Realschulen künftig die Bezeichnung:K. Ministerial- abteilung für die höheren Schulen" zu führen hat.

Nach einer Bekanntmachung des Justizministeriums vom 15. Aug. d. I. wurde zum Vorsitzenden des photographischen Sachver­ständigenvereins für Württemberg, Baden und Hessen Professor Igler an der Akademie der bildenden Künste, zumstell vertretenden Vorsitzenden der literarischen Sachverständigenkammer Professor Dr. Hermann von Fischer an der philosophischen Fakultät der Univer­sität in Tübingen ernannt.

In dem Prüfungsjahr 1902/03 ist von dem K. Ministerium des Innern u. a. den Kandidaten Oskar Bauer von Stuttgart, Hermann Bert scher von Horb, Hermann Dölker von Calw auf Grund erstandener Prüfung die Approbation als Apotheker er­teilt worden.

Im Prüfungsjahr 1902,03 ist vom K. Ministerium des Innern u. a. dem Kandidaten Emil Dietrich von Eutingen, OA. Horb, auf Grund erstandener Prüfung die Approbation als Tierarzt erteilt worden.

Auf Grund der mit Erfolg erstandenen Prüfung und ihrer sonstigen Eigenschaften sind u. a. die Kandidaten der Theologie Ju­lius Graf, Dr. pbil., von Mühlen, OA. Horb, Gustav Stein von Horb ins Priesterseminar zu Rottenburg ausgenommen worden.

Die Zrrrückdräiigrmg der mittleren Beamten und Lehrer durch höhergeprüfte.

Aus Lehrerkreisen wird derDeutschen Reichspost" ge­schrieben:

Wenn der Andrang zum akademischen Studium als Maßstab für den Bildungsstand und das Bildungsstreben eines Zeitalters gelten könnte, so müßte der Gegenwart im Vergleich zu früheren Zeiten unbedingt die Palme gereich: werden. Niemals war die ZaPMer die gelehrten Mittel­und Hochschulen besuchenden Schüler größer, als gerade jetzt.

Für einen größeren Teil der Studierenden ist ange­borener Wissensdrang, Neigung und Talent für die Wahl der Geleinten- und Beamtenlaufbahn maßgebend gewesen; auf den Hochschulen aus dem reichlich fließenden Born der Erkenntnis schöpfend, werden sie später selbst hochgeachtete Träger und Förderer der Wissenschaft und Vertreter der für höhere Beamtcnstellung unbedingt notwendigen Allgemein­bildung.

Andere dagegen haben sich nur mit Rücksicht auf eine standesgemäße Versorgung ohne Fre-de am Studium, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb den Ver­setzungsprüfungen unterzogen, sich dann durch flottes Burschen­leben für die harte Gymnasialzeit zu entschädigen gesucht und in der nicht dem Verbindungsleben gewidmeten Zeit sich soviele Kenntnisse angeeignet, als gerade zur Erstehung einer Staatsprüfung unerläßlich waren. Auch sie liefern, srflern sie sich einen offenen nicht durch Standesvorurteil getrübten Blick und geistige Frische bewahrt haben, noch ein ganz brauchbares Beamtenmaterial.

Anders aber, wenn an Stelle der Allgemeinbildung die Einbildung, an Stelle solider Kenntnisse und Leistungs­fähigkeit ein Pochen auf die Bildungslaufbahn, an Stelle gemeinnützigen Zusammenarbeitens und Lebens eine vornehme Abgeschlossenheit treten. Vertreter dieser Richtung bilden nicht nur in allen Teilen der Gesellschaft ein mißliebiges,

Fernsprecher Nr. 29.

Nagsld, Donnerstag Len 10. September

störendes Element, sondern .sie treten auch mit den mittleren Beamten in einen Konkurrenzkampf, der um so schärfer sich gestaltet, je mehr mit dem Schlagwortakademische Bil­dung" Mißbrauch getrieben wird.

Eine Verdrängung tüchtiger mittlerer Beamten durch höher geprüfte" ungeeignetere ist jedoch im Interesse des Volks ebenso zu beklagen, wie das Verschwinden des Mittel­standes auf wirtschaftlichem Gebiete überhaupt.

Was die gesellschaftlichen Verhältnisse betrifft, so ist die Tatsache nicht zu leugnen, daß das Bestreben vieler Akademiker darauf ausgeht, sowohl während des Studiums durch Absonderng in den Korpshäusern, als auch später in ihrer dienstlichen Stellung in Titel und Rang sich kasten­artig nach unten abzuschließen und eine Kluft zwischen sich und andern Ständenzum Schaden des gegenseitigen Ver­stehens" zu befestigen. Dies ist jedoch wie Landgerichts­rat Dr. Rupp in seiner Abhandlung über Assessorismus und Militarismus ausführt, für den Richterstand sowohl als für alle andern Stände mit Rücksicht auf die notwen­dige Zufuhr allgemeiner Lebenserfahrung in hohem Grade verfehlt.

Soweit die Behörden Fühlung mit diesen Bestrebungen haben, müssen auch sie mehr oder weniger davon beeinflußt werden. Es ist ein eigentümliches Zusammentreffen ganz entgegengesetzter Strömungen: Je mehr der doktrinäre Li­beralismus auf politischem Gebiet unter Führung des Pro- fessorentums und der Geldaristokratie abwtrtschaftet und den extremsten auf soziale Gleichheit gerichteten Strömungen weichen muß, umso mehr nimmt auf fast allen Verwaltungs­gebieten der Formalismus, die einseitigste Wertung der Prüfungen, der Prüfungsnoten und die Schablone überhand. Nach mehrjähriger Dienstzeit sollte die von vielen Zufällig­keiten abhängige Prüfungsuote nicht mehr so ausschließlich, sondern die praktische Tüchtigkeit bei Stellenbesetzungen ent­scheidend sein.

Bezüglich der Zurückdrängung der mittleren Beamten durch höhere bemerkte Staatsminister v. Pischek im Landtag am 22. März 1901 ganz zutreffend:

Richtig ist, daß wir in Württemberg an dem Mangel laborieren, daß eine Reihe von Stellen, die von nieder ge­prüften Beamten versehen werden könnten, tatsächlich von höher geprüften versehen werden."

Hiefür einige Beispiele. Bei der Post und Eisenbahn werden nach der Verkehrsztg. immer mehr Stellen, die seit­her die mittleren Beamten inne hatten, mit höher geprüften besetzt, und doch sind gewiß viele unsrer mittleren Berkehrs- beauuen an praktischem Geschick und beruflichem Wissen den höher geprüften gewachsen. Ueber die gleiche Zurücksetzung beklagen sich die mittleren Finanzbeamten, obwohl hier noch zum Verdruß mancher Akademiker höhere und mittlere Beamte mit demselben Titel undTeiler" (Geschäftsauftrag) friedlich Zusammenarbeiten.

Am merkwürdigsten ist die in der Entwicklung des höheren Schulwesens eingetretene Schwenkung. Ob diese im Wesen des nach Prof. Th. Ziegleraristokratischen" Neuhumanismus und dereinseitigen, bildungshochmütigen Philologie" oder in dem Ueberfluß an höher aeprüften Kan-

1903.

didaten begründet ist, lassen wir dahingestellt. Tatsächlich find dietheologischen und seminaristischen Eierschalen auf dem Rücken des philologischen Küchleins" den Scharfmachern längst ein Dorn im Auge und die Züchtung des philologi­schen Reinbazillus macht riesige Fortschritte seit Gründung des humanistischen Lehrervereins. Man hat vergessen, daß unsre einflußreichsten Schulmänner, deren Namen weit über Württembergs Grenzen hinaus bekannt und berühmt gewor­den sind, meik frühereStiftler" waren, Me durch ihre umfassende Allgemeinbildung sich für leitende Stellungen an größeren Schulanstalten besonders eigneten. Auch das ist vergessen, daß die aus den Seminarien für Volksschul­lehrer hervorgegangenen methodisch geschulten Lehrer in allen Stellungen vorzügliche Leistungen aufzuweisen hatten. Die Ansichten und Erfahrungen von Männern wie Direktor von Dorn und Rektor Bender in Ulm, die mit aller Wärme für den früheren Stand der Kollaboratoren eintraten, sind eben ein überwundener Standpunkt.

(Schluß folgt.)

Entwurf einer Gewerbeordauugsnovellezur Bekämpfung des übertriebenen Alloholgenusses".

Gemäß den Beschlüssen des Preuß. Landtags vom Juni 1902 zu den auf Bekämpfung deS Alkoholgenuffes ge­richteten Anträgen des Abg. Graf Douglas wurden zwischen Kommilsionen der preuß. Ministerien und Vertretern des ReickDMizamts und des Reichsamts des Innern Vorschläge aufMbänderung der Gewerbeordnung vereinbart, die nun­mehr von der preuß. Regierung in Form einer Novelle zur Gewerbeordnung der Reichsleitung vorgelegt wurden. Die Deutsche Weinzeitung" veröffentlicht diesen Entwurf. Er enthält folgende neue, durch Sperrschrift gekennzeichnete Be­stimmungen:

Vorschläge betr. Abänderung der Reichs­gewerbeordnung.

Zu 8 33.

Wer Gastwirtschaft, Schankwirschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus betreiben will, bedarf dazu der Erlaubnis. Unter welchen Voraussetzungen der Handel mit Branntwein oder Spiritus als Klein­handel anzusehen ist, bestimmen die Landes- regie rungen.

Die Erlaubnis ist nur dann zu versagen:

1. wenn gegen den Nachsuchenden Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß er das Gewerbe zur Förderung der Völlerei, des verbotenen Spiels, der Hehlerei, der Unsittlichkeu, der Nahrungsmittelfälschung oder zum Vertriebe verfälschter oder verdorbener Nahr­ung?- oder Genußmittel mißbrauchen werde:

2. wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Lokal wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügt. Die Landeszcntralbe- hörden oder die höheren Verwaltungsbehörden für ihren Bezirk können diese Anforderungen fest­stellen.

Dev WclLbsterg.

Bon Ad. Stifter.

(Fortsetzung und Schluß.)

Er ließ daher am andern Tage früh morgens an­spannen und fuhr so weit auf der Straße hinaus, als es ohne Aufsehen möglich war, worauf er dann auf dem Fuß­wege durch das Gestrüppe über den Hügel zu dem Häus­chen hinaufwanderte.

Er hatte die Badeordnung, die er überhaupt schon ver­nachlässigte, auf die Seite gesetzt.

Da sich Vater und Tochter verwunderten, warum er denn heute so früh komme, konnte er eigentlich keinen Grund angeben.

Maria blieb gerade darum, weil er da war, immer in der Stube. Als sie aber einmal doch, um irgend ein häusliches Geschäft zu besorgen, hinausging, trug er dem Vater sein Anliegen vor. Da sie wieder hereingekommen war, sagte dieser zu ihr:Maria, unser Freund da, der uns in diesem Sommer so oft und so nachbarlich besucht hat, begehrt dich zu seinem Weibe wenn du nämlich selber, wie er sagt, recht gern einwilligst, sonst nicht."

Maria aber stand nach diesen Worten wie eine glühende Rose da. Sie war mit Purpur übergossen und konnte nicht ein einziges Wort Hervorbringen.

Nun, nun, es wird schon gut werden," sagte der

Vater,du darfst jetzt keine Antwort geben, es wird schon alles gnt werden."

Als st; auf diese Worte hinausgegangen war, als Herr Tiburius, dem es beim Herausfahren nicht eingefallen war, daß er Belege über seine Person mitnehmen müsse, zu dem Vater' gesagt hatte, er werde ihm alles, was ihn und seine Verhältnisse angehe, bringen, insofern er es hier habe, und um das Fehlende werde er sogleich schreiben, als er sich hierauf bald entfernt hatte, und der Vater zu Maria, die auf dem hintern Gartenbänkchen saß, hinausgegangcn war, sagte diese zu ihm:Lieber Vater, ich nehme ihn recht, recht, recht gern; denn er ist so gut, wie gar kein einziger anderer ist, er ist von einer solchen rechtschaffenen Artigkeit, daß man weit und breit mit ihm in den Wäldern und in der Wildnis herumgehen könnte, auch trägt er nicht die närrischen Gewänder wie die andern in dem Badeorte, sondern ist so einfach und geradehin gekleidet wie wir selber; aber das einzige fürchte ich, ob es denn wird möglich sein, ich weiß nicht, wer er ist, ob er ein Häuschen oder sonst etwas habe, womit er ein Weib erhalten könne, und als ich in dem Badeorte war und um ihn fragte, vergaß ich gerade, um solche Dinge zu fragen."

Sei wohl über diese Sache ruhig," antwortete der Vater,er ist ja die ganze Zeit, da er uns besuchte, so eingezogen und redlich gewesen, seine Worte waren ver­ständig und einleuchtend und immer sehr höflich. Er wird daher doch nicht um ein Weib anhalten, wenn er nicht hätte, was sich ziemt. Der Mensch kann mit wenigem zu­frieden sein, sowie mit vielem."

Maria war durch diese Worte überzeugt und be­

ruhigt.

Als am anderen Tage Tiburius kam, sagte ihm der Vater gleich beim Eintritte, daß Maria eingewilligt habe. Tiburius war voll Freude darüber, er wußte gar nicht, was er tun und was er nur beginnen solle. Erst in der nächsten Woche, als ihm Maria selber, da sie auf der Kartenbank saßen, sagte, daß sie ihn mit großer, großer Freude zum Manne nehme, legte er heimlich, ehe er fort­ging, ein Geschenk auf den Tisch, das er schon mehrere Tage mit sich in der Tasche herumgetragen hatte.

Es war ein Halsband mit sechs Reihen der erlesensten Perlen, welche schon durch viele Alter her ein Schmuck der Frauen seines Hauses gewesen waren.

Er hatte, da er im Frühlinge kam, das Schmuckkäst­chen mit sich in das Bad genommen, und es lagen noch mannigfaltige andere Sachen darin, die er nur erst fassen und umändern lasten mußte, um sie dann seiner Braut als Zierde geben zu können.

Maria kannte den großen Wert dieser Perlen nicht, aber sie hatte eine weibliche Ahnung, daß sie viel wert sein müßten das einzige aber wußte sie mit Gewißheit, daß sie ihr, als sie sie einmal umgetan hatte, unsäglich schön und sanft um den Hals stünden.

Inzwischen waren die Beweise und Belege über alle seine Verhältnisse angekommen, und er legte sie dem Vater vor. Auch hatte er in der Zeit sehr schöne Stoffe in das Häuschen geschickt. Maria hatte daraus Kleider verfertigen lassen, «ber alle in der Art und dem Schnitte, wie sie die-