Auflage »ISO

77. Jahrgang.

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SratiSbeilageur Da« Plauderstübchrn und

Schwöb. Landwirt.

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Amtliches.

An die Schultheitzenäruter und die Ortsbehörden für die Arbeiterversichernng.

Nach den Wahrnehmungen der Versicherungsanstalt Württemberg werden auch jetzt noch von zahlreichen Arbeit­gebern die ihnen gemäß § 49 und § 2 Abs. 2 des Kranken­versicherungsgesetzes, nach Art. 11 des Krankenpflegeversiche- rmigsgesetzes und nach Z 4 der K. Verordnung betreffend das polizeiliche Meldewesen vom 25. Mai 1901 obliegenden Verpflichtungen zur An- und Abmeldung ver- ficherungspflichtiger Personen einschließlich der Angaben über Lohnverhältnisie und deren Veränderung nicht erfüllt, wodurch zum Nachteil der Versicherten, der Krankenkassen und der Versicherungsanstalt erhebliche Ausfälle an Bei­trägen entstehen.

Die Herren Ortsvorsteher werden veranlaßt, gegen die Unterlassungen der Meldungen durch Strafen gemäß 8 81 des Krankenversicherungsgesetzes, Art. 11 Abs. 2 des Krankenvsiegeversicherungsgesetzes (zu vergl. Art. 17 des letzteren Gesetzes) und Art. 15 zu 2 des Pslizeistrafgesetzes ««nachsichtlich einzuschreiten.

Von Vorstehendem ist Vermerk im Schultheißenamts- protokoll zu machen.

Nagold, den 4. Septbr. 1903.

K. Oberamt. Ritter.

An die Ortsarmenbehörden des Schwarzwild^ kreises.

Teilweise Uebernahme der Kosten der Fürsorge für ortsarme Geisteskranke, Geistesschwache oder an Epilepsie oder ähnlichen Krankheiten leidende Personen, Taubstumme und Blinde auf den Land­armenverband vom I. April ISO» an betreffend.

Im Interesse einer geordneten Verwaltung stelle ich an diejenigen Ortsarmenbehörden des Kreises, welche Auf­wand auf die in Artikel 21 des Gesetzes vom 17. April 1873 genannten Kategorien ortsarmer Hilfsbedürftiger zu machen und Gesuche um Uebernahme von drei Vierteln dieses Aufwands bis jetzt nicht eingereicht haben, das Er­suchen, ihre Ansprüche demnächst, jedenfalls aber in tun­lichster Bälde, bei der Landarmenbehörde geltend zu machen.

Formulare hiezu können von der Landarmenpflege un­entgeltlich bezogen werden.

Im Uebrigen mache ich auf das in sämtlichen Bezirks­amtsblättern des Kreises ansgenommene Ausschreiben vom 21. Avril 1903 aufmerksam.

Reutlingen, den 1. September 1903.

Vorsitzender der Landarmenbehörde für den Schwarzwaldkreis: Oberregierungsrat Kuhn.

Die Herren Ortsvorsteher

werden auf vorstehende Bekanntmachung zur sofortigen Be­sorgung des Erforderlichen hiemit besonders aufmerksam gemacht.

Nagold, den 4. Septbr. 1903.

K. Oberamt. Ritter.

Dev WcrLbsteig.

Von Ad. Stifter.

(Fortsetzung.)

Man konnte wohl in diese Entfernung und Wildnis keine Mittagsglocke hören, aber die Zeit in welcher sie alle auf den Türmen und Türmlein des Landes tönen müssen, kannte Tiburius sehr wohl; denn er hatte die Uhr in der Hand; und als diese Zeit gekommen war, sah er auch schon Maria in der Waldesdämmerung, genau so wie gestern gekleidet, auf sich zugehen.

Aber wie weißt du denn, daß es jetzt gerade Mittag ist, da man nicht läuten hört, u. da ich keine Uhr bei dir sehe?" sagte Tiburius, als das Mädchen bei ihm ange­kommen war und stehen blieb.

Habt Ihr vorgestern nicht die Uhr mit den langen Schnüren in unserer Stube hängen gesehen," antwortete sie, diese geht sehr gut, und wenn st: auf elf zeigt, gehen wir zum Mittagessen, dann richte ich mich zum Erdbeeren­sammeln zusammen, und wenn ich auf den Zeiger schaue, ehe ich fortgehe, weiß ich genau, wann ich hier eintreffen werde."

Heute bist du ganz zu der versprochenen Zeit gekommen," sagte er.

«Ihr auch," antwortete fle,das ist gut; nun aber kommt, ich werde Euch führen

Tiburius stand von dem Steine auf. Er hatte wieder

Nagold, Samstag den 5. September

WoMische Hiebsrsicht.

Eine stattliche aktive Schlachtflotte wird im Herbst d. I. in der deutschen Marine gebildet. Dem Admiral von Koester sind in seiner neuen Eigenschaft als Chef der Schlachtflotte fünf Admiralitätsoffiziere und ein Flaggleutnant beigegeben. Das erste Geschwader dieser aktiven Schlachtflotte wird sich überall sehen lasten können; es besteht aus den acht großen Linienschiffen Kaiser Wilhelm der II. (Kommandant Kapi­tän z. S. Coerper, früher Marineattache in London), Kaiser Friedrich III. (Kapitän z. S. Emsmann), Kaiser Wilhelm der Große (Kapitän z. S. Schönfelder, Victor), Kaiser Barbarossa (Kapitän z. S. Franz), Kaiser Karl der Große (Kapitän z. S. Ehrlich), WittelSbach (Kapitän z. S. Stein), Zährtngen (Kapitän z. S. Brussatis), Wettin (Kapitän z. S. v. Müller). Das II. Geschwader der Schlachtflotte setzt sich vorläufig zusammen aus den Küstenpanzern Hildebrand, Beowulf, Frithjof und Odin. Die Anfklärungsschiffe bilden die großen Kreuzer Prinz Heinrich, Victoria Luise, Prinz Adelbert (von Anfang Januar 1904), die kleinen Kreuzer Amazone, Ariadne, Medusa, Frauenlob, Arcona und Niobe. Als Tender ist im Dienst der kleine Kreuzer Blitz. Be­fehlshaber der Aufklärungsschiffe ist Kontreadmiral Schmidt; der bisherige Befehlshaber Kontreadmiral Brockenhagen ist an Stelle des Kontreadmirals Frhr. v. Maltzahn Direktor der Marineakademie geworden.

Die türkische Regierung hat den diplomatischen Ver­tretungen mitgeteilt, daß Anschläge auf die Gebäude der fremden Missionen und Konsuln zu befürchten seien, weshalb eine schärfere Ueberwachung notwendig sei. Eine solche wurde durch die Polizei und die Gendarmerie, sowie die Mann­schaft der eigenen Stationsschiffe und anderer Kräfte aus- gesührt. Es verlautet, das macedonische Komitee habe seine Forderungen selbst an die allerhöchste türkische Stelle gerichtet. Die Ueberwachung des Mdiz-Palais und des Zentraldepartements wurde deshalb neuerdings verschärft. Auch die russische Botschaft soll Drohbriefe erhalten haben. Das Komitee will zweifellos allgemeine Beunruhigung Her­vorrufen. Nachrichten aus Adrianopel zufolge ist der Kommandant von Kirkiliffe, Wehbi Pascha, abgesetzt und durch den Generalstabsoberst Jsmai Bey, der zum Generalmajor befördert worden ist, ersetzt. Ein Dorf im Bezirk Dibre im Wilajet Monastir ist angezündet worden. Es wird fort­fahren, die Dörfer in der Gegend von Kaza und Sischewo einzuäschern.

In englischen Negierungskreiseu ist man der Meinung, es könne kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß die Bal- kankrifis der Gegenstand sehr ernster Beratung zwischen König Eduard und Kaiser Franz Joseph bilden wird. Europa wird es mit einiger Befriedigung betrachten, daß die Lage von zwei Monarchen erörtert werden wird, die in erster Linie den Frieden Europas wollen. Standard schreibt: Oesterreich-Ungarn hat die Verpflichtung, den «tutns guo auf dem Balkan aufrecht zu erhalten, und den vollständigen Zusammenbruch des ottomanischen Reiches abzuwenden. Wenn eine zwsngslose Unterredung über politische Dinge zwischen dem Kaiser Franz Joseph und König Eduard in

seinen grauen Rock an, und so gingen sie, das Mädchen in der oben beschriebenen Kleidung, er in seinem grauen Rocke, durch den Wald dahin.

Sie hatte wieder das flache Körbchen mit dem weißen Tuche darum, aber da es leer war, hing eS los an ihrem Arme. Sie führte Herrn Tiburius eine gute Strecke auf dem Waldpfade fort, den er kannte, der ihm einmal so Angst etngejagt hatte und der jetzt so schön war. Als sie in das hohe Tannicht gekommen waren, wo die Pflöcke über den Weg liegen, beugte Maria von dem Pfade ab und ging in das Gestein und in die Farnkräuter hinein, Tiburius hinter ihr her. Sie führte ihn ohne Weg, aber sie führte ihn so, daß sie auf trockenen Steinen gingen und das Naß, welches in dem Moose und auf dem Pfade war, vermieden. Später kamen sie auf trockenen Grund. Zuweilen war es, wie ein schwach erkennbarer Weg, worauf sie gingen, zuweilen war es nur das rauschende Gestrüpp, die Steine und das Geröll eines dünn bestandenen Waldes, durch den sie gingen.

Rach mehr als einer Stunde WandelnS kamen sie auf einen Abhang, der weithin von Wald entblößt war und durch die unzähligen noch deutlichen Stöcke zeigte, daß die Bäume erst vor wenig Jahren umgeschnitten worden waren. Der Abhang blickte gegen Miltag, war von warmer Herbst­sonne beschienen und von Bergen und Felsen so umstanden, daß keine rauhe Lust hereinwehen konnte. Es wuchs allerlei Gebüsche und Geblümt auf ihm, und man konnte vielfach das Kraut der Erdbeeren um die Stöcke geschart erblicken.

1903.

der Hofburg stattgefunden hat, wird der Kaiser zweifellos

die Versicherung oder vielmehr die erneute Versicherung er­halten haben, daß Großbritannien die Bemühungen Oester­reich-Ungarns mit Genugtuung betrachten muß und nur hoffen kann, daß diese Bemühungen mit dem Nachdruck be­trieben werden, welchen das Bevorstehen der Krisis zu for­dern scheint.

Tages-Weuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Nagold, 5. September.

Einst und Jetzt. (Mitgeteilt.) Bis vor 5 Jahren feierte man in Nagold am 2. Sept. das Kinderfest im Ver­ein mit dem Sedanfest. Mit gutem Bedacht hatten es die Stadtväter, welche die große Zeit der Einigung Deutschlands im glorreichen Krieg gegen Frankreich durchlebten, so geord­net, um patriotischen Sinn, unwandelbare hingebendeLiebe undTreue zu Kaiser und Reich, zu Vaterland undVolk im allgemei­nen frühe schon in die Herzen der Jugend zu pflanzen und den Erwachsenen es immer wieder aufs neue vor Augen zu stellen, wie ganz anders es in Deutsch­land wäre ohne diese Wendung durchs GotteS Fügung. Reine jubelnde Freude über die Größe, Macht und Herrlichkeit des geeinten Reiches, Dank gegen Gott und die Männer, welche er als Werkzeuge zur Einigung benützte, ernste Prüfung, ob man auch wirklich ein tüchtiges Glied am deutschen Reichs- und Volkskörper sei und in jeder Hin­sicht seine Pflicht tue: das war so im-allgemeinen die Grund­stimmung unsrer SedanSfeiern. Nagold erlangte durch diese schönen Feste geradezu eine gewisse Berühmtheit und war für manche Kreise des Landes vorbildlich. Und jetzt? Mit dem Kinderfest, dessen Trennung vom Sedanfest durch die neue Ferienordnung wenigstens sich rechtfertigen läßt, fiel auch die nationale Feier, als wäre in hiesiger Stadt nie­mals noch eine solche veranstaltet worden. Auch eine Wendung, aber keine ersprießliche und da­rum auch keine erfreuliche, im Gegenteil! Einem wahren Patrioten blutet das Herz im Blick auf diese Gleich­gültigkeit und Interesselosigkeit. Man sage nicht: Das ist Sache des Militär- und Veteranenvereins, er soll den Tag feiern. Nein! Nicht um persönli- cheErlebnisse undderenAuffrischung han­delt es sich, sondern um eine geschichtliche Großtat zum Heile von Volk u. Vaterland, und die Veteranen sind nur ehrwürdige Zeugen jener großen Zeit, welche der Feier noch eine höhere Weihe geben. Das ganze Volk muß Festteilne hmer sein, die Einladung also auf das ganze Volk sich beziehen. Die Art und Weise der Abhal­tung der Feier ist von nebensächlicher Bedeutung. Einsender würde es genügen, wenn die Einwohnerschaft, alt und jung, durch öffentliche Einladung auf den Stadtacker oder Markt­platz u. dergl. zusammengerufen, daselbst ein Choral ge­sungen, eine entspre chende Festrede gehalten und mit einem

Wir wollen nun hier in dem Urselschlage hinab- sammeln," sagte Maria, indem sid über dieses seltsame Baum­schlachtfeld hinwies,und wir werden nach einer Weile sehen, wer mehr hat."

Nach diesen Worten ging sie schnell von der Seite Tiburius' in den Holzschlag und in das sonnige Gestrüpp hinein, und in einiger Zeit konnte er schon sehen, wie sie sich hier und dort bückte und etwas auflas. Das Körbchen mußte sie irgendwo hingestellt haben, denn er sah nicht mehr, daß sie es noch am Arme habe.

Er wollte nun also auch Erdbeeren pflücken, allein er sah keine. Wo er stand, war alles grün oder braun oder anders. Nur keinen einzigen roten Punkt konnte er er­blicken, der eine Erdbeere angedeutet hätte. Er ging also weiter in den Schlag hinein. Jedoch hier sah er wieder nur dar grüne Erdbeerkraui, allerlei braune und gelbliche Blätter, herabgesallene Baumrinde und ähnliches, aber keine Erdbeere. Er nahm sich also vor, noch weiter zu gehen u. noch genauer zu schauen. Es muß ihm auch gelungen sein; denn nach einer Weile hätte man schon sehen können, wie er sich bückte und wieder bückte. Es war ein seltsamer Anblick, die zwei Wesen in dem gemischten Gestrüpp des Holzschlages zu sehen; das flinke, geschickte Mädchen, welches sich gelenk, zwischen den Zweigen bewegte, und den Mann in seinem grauen Rocke, dem man gleich ansah, daß er aus der Stadt hierher in den Wald gekommen sei.

Nach einiger Zeit sah Maria ihren Begleiter stehen, wie er einige Erdbeeren, die er gepflückt hatte, auf der flachen Hand hielt. Sie ging infolge dieser Beobachtung zu ihm