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nicht. Ausländer, welche sich nicht im Besitz eines regelmäßigen Passes bebefinden, sind an der Weiterreise zu hindern und nötigenfalls über die Grenze zu führen. Reichsangehörige, welche über die französische Grenze zureisen, bedürfen eines Paffes nicht. Ausgenommen von der Paßpflicht sind die Bewohner der französischen Grenzgemeinden, sofern sie sich zu geschäftlichen Zwecken in eine benachbarte deutsche Grenzgemeinde begeben und sich vor dem Grenzpolizeibeamten entsprechend ausweisen. — Der Statthalter Fürst Hohenlohe ist auf einige Tage nach Berlin gereist.
— Der Kaiser von Brasilien hat in Mailand neuerlich einen heftigen Gehirnschlag erlitten und wurde mit den Sterbsakramenten versehen. Später besserte sich der Zustand des Kaisers wieder.
Amerika.
Porto Alegre, 15. April. Fortdauernd füllen die Tagesblätter lange Spalten mit Namhaftmachung der Herren, welche ihre Sklaven frei geben. Gleichzeitig werden lange Verzeichnisse von Grundbesitzern veröffentlicht, die von der Regierung die Rückerstattung der Passage für eingewanderte Familien, welche sie als Arbeiter auf ihren Fazenden ansiedeln, zugesichert erhalten. Diese Familien stammen zum größten Teil aus Italien und von den Azoren. Klug handeln die Herren, welche bei Zeiten sich nach Ersatz ihrer freigelassenen Sklaven Umsehen, denn es ist wenig Verlaß darauf, daß die Freigelassenen in der Arbeit gegen Lohn ausharren. Von den ca. 723,000 Sklaven, die in den am 30. März v. I. geschloffenen Matrikeln gebucht waren, existieren heute kaum noch 600,000. Von den sklavenreichsten Provinzen — Minos, Rio de Janeiro, S. Paulo, Bahia, Pernambuco und Maranhäo — ist nur die letzte von der Bewegung fast unberührt geblieben. Viele Fazenden stehen verlassen und der Kaffe kann nicht geerntet werden. Mancher Gutsbesitzer, der auf die Arbeit seiner früheren Sklaven gerechnet hat und nicht die Mittel besitzt, sofort freie Arbeiter anzuwerben, ist vor den Ruin gestellt. (Mittlerweile ist bekanntlich die sofortige Freilaffnng aller Sklaven beschlossen worden.)
Hcrges-Weuigkeiten.
Weil im Schönbuch, 23. Mai. Auf bis jetzt nicht aufgeklärte Weise entstand in einer V? Stunde von hier entfernten Forchenkultur des Gemeindewalds heute in der Mittagsstunde ein Waldbrand. Durch die herbeigeeilten Dorfbewohner wurde das Feuer rasch unterdrückt, so daß nur eine ca. 1 Hect. große Fläche durch das Feuer zerstört wurde.
— In Cannstatt brach am Freitag vormittag an dem Neubau des Hauses hinter den 4 Jahreszeiten beim Aufziehen eines schweren Steines das Gerüst, infolgedessen 3 Arbeiter erhebliche Verwundungen davontrugen. — Auf dem grünen Felsen bei Mezingen ist eine Kaiserlinde gesetzt worden. — Der auf der Kgl. Domäne Apfelhof vom landw. Bezirksverein Mergentheim errichtete Fohlengarten ist am 15. d. von dem Vorstand des Vereins, Oslo« nomierat Spieß, feierlich eröffnet worden. Der Eröffnung wohnten u. a. die Fürsten Albert und Johannes zu Hohenlohe-Jagstberg an. 30 Fohlen fanden sofort Aufnahme in den Garten. — Die Birgelhöhe im Walde zwischen Heidenheim und Nattheim wurde dieser Tage von 3 jungen Leuten näher untersucht. Von der äußeren großen Halle mußten sie eine gute Strecke auf Händen und Füßen kriechen und kamen dann in eine zweite Halle, welche sich durch großartige Tropfsteinbildungen auszeichnen soll. Wieder gings durch eine Verengerung, durch welche die Knaben stellenweise auf dem Bauche kriechen mußten. Sie kamen in eine dritte Erweiterung, die noch schöner sein soll, als die zweite Halle. Hier soll sich ein senkrechtes Loch befinden, wie wenn es einst ein Brunen gewesen wäre. An den Felsen sollen Spuren von menschlicher Bearbeitung sein. Die Höhle setzte sich durch einen engen Gang noch weiter fort, doch traten die jungen Leute nun den Rückweg an. Nach diesem Befund zeigte die Birkelhöhle ganz dieselbe Gestalt wie der bekannte Hohle Stein bei Bissingen in Lonthal.
Heilbronn, 24. Mai. Ledermarkt. Unser diesjähriger, unmittelbar an die Pfingstfeiertage sich anschließender Maimarkt nahm hinsichtlich des Abganges der zugeführten Waare einen verhältnismäßig befriedigenderen Verlauf, als das ruhige Vorgeschäft erwarten ließ. Die Zufuhren, namentlich diejenigen aus der Umgegend, blieben etwas hinter dem vorjährigen zurück, während die Anzahl der Käufer, von denen ein Teil erst am Markttage selbst hie eintraf, keinen großen Ausfall zeigte. Er wurde im Laufe des Vormittags fast Alles verkauft, allerdings zu den seitherigen, der gedrückten Marktlage entsprechenden Preisen. Bessere Sortimente Wildoberleder waren knapp, schwere Ware, wie immer in dieser Jahreszeit, weniger gefragt, Schmalleder unverändert. Sohlleder nur schwach zugeführt. Kalbleder recht offeriert bei trägem Geschäft. Das wenige am Markte befindliche Zeugleder räumte sich zu gedrückten Preisen. Belangreich waren die Umsätze in Schafleder, doch konnten sich die Preise nicht über den seitherigen Stand heben. Es wurden verkauft und amtlich gewogen: 152,363 Pfd. mit einem Gesamtumsätze von ca. 229,000 Der nächste Ledermarkt findet Mittwoch den 29. August d. I. hier statt.
Vom Jpf, 21. Mai. In Nördlingen wurde ein Oekonom und Müller durch schweres Unglück heimgesucht. Es verendeten ihm innerhalb zweier Wochen feine sämtlichen acht schönen Pferde, desgleichen ein neuntes, das er entlehnte, sowie ein Rind. Seitens der Tierärzte konnte die Sache noch nicht eruiert werden. Während man anfangs glaubte, Pilsver« gistung durch Spreuer annehmen zu, müssen, ist man jetzt des Glaubens, es sei ein Racheakt vorgenommen worden, einfältige Leute glauben an Hexerei.
Litlerrcwisches.
Schwarzwaldkarte, i Der württembergische Schwarzwaldverein hat die Herausgabe einer Karte unternommen, welche in sechs Blättern nicht nur den Württembergischen Schwarzwald darstellt, sondern weit nach Baden hinübergreift und z. B. in dem l. Blatt bis an den Rhein reicht. Die Karte (Verlag von W. Kohlhammer in Stuttgart) ist im Maßstab 1: 70,000 gearbeitet und zeichnet sich durch ihre Klarheit vorteilhaft aus. Die Höhen- Verhältnisse sind durch braune Horizontalkurven von 50 zu 50 m und durch Farbentönung zur Darstellung gebracht; die Wälder sind grün, die Gewässer blau, die Felder, Wiesen rc. weiß bezeichnet; von diesen Farben heben sich die schwarzen Wegzeichnungen deutlich ab. Erschienen sind die Blätter I mit der Gegend Baden-Baden, Forbach, Gernsbach, Loffenau, Herrenalb rc., H. Wildbad, Neuenbürg, Pforzheim, Liebenzell, Hirsau, Calw, Teinach rc., III. Freudenstadt, Schönmünzach. Allerheiligen, Oppenau rc., IV. Wildberg, Nagold, Horb, Dornstetten rc. Preis des Blattes, auf Leinwand, Taschenformat 1 50, unaufgezogen 1 ^ Wir können diese Karten allen Schwarzwald
bewohnern, wie allen Touristen in den Schwarzwald, insbesondere auch den vielen im Sommer zur Erholung dort befindlichen Kurgästen warm empfehlen.
Standesamt Kakw.
Getraute:
19. Mai. Johann Georg Jung, Kaufmann hier, mit Katharine Margarethe geb.
Eberle, von Deufringen, Oberamts Böblingen.
Gestorbene:
20. Mai. Johannes Köhler, Stricker, 49 Jahre alt.
21. „ Johann Georg Thndium, gew. Besitzer des badischen Hofs, 61 Jahre alt.
22. „ Ludwig Friedrich Gehring, 3 Wochen alt, Sohn des Friedrich Gehring,
Steinhauers.
24. „ Ludwig Friedrich Lodholz, Messerschmiedmeister, 72 Jahre alt.
Gottesdienst am Fest Trinitatis, den 27. Mai.
Vom Turme: Nro. 37. Vormittagspredigt: Hr. Dekan Braun. Nachmittagspredigt um 2 Uhr: Hr. Helfer Eytel.
Hottesäienst« ia äer Metsioäistenßapekke am Sonntag, den 27. Mai 1888, morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.
abgeschlossen find und man die Schlüffe! entfernte. In diesem Falle poche kühn und begehre Einlaß. Hanna oder Frau Smith werden Deine Stimme erkennen und Dir denselben gewähren. Dann locke sie in das nächste Zimmer und schließe die Thür hinter ihnen ab. Inzwischen werde ich Gelegenheit haben, unbemerkt zu entfliehen und Du wirst mir rasch folgen. Alles hängt von Dir ab, Hugo! Verlasse nicht Deine gepeinigte Mary."
Kaum hatte sie diesen Zettel beendigt, als Frau Smith eintrat.
„Haben Sie etwas nötig, gnädiges Fräulein? Sie hätten nicht so lange allein bleiben sollen, aber Hanna fühlte sich nicht wohl, und ich sagte ihr daher, sie möge eine kleine Weile der Ruhe pflegen."
„Ich brauche Nichts, Frau Smith," entgegnete das junge Mädchen, dem es Mühe bereitete, ihre Selbstbeherrschung aufrecht zu halten.
„Nun, dann kommen Sie wohl zum Nachtessen hinab, gnädiges Fräulein," meinte Frau Smith, angenehm berührt durch die scheinbare Ruhe Mary's, und diese stimmte bei.
„Das ist recht, Fräulein, lassen Sie uns hinabgehen. Hanna wird bei dem Nachtmahl wieder zu Ihrem Dienste bereit sein."
„Das arme Mädchen soll sich lieber zur Ruhe begeben und ausschlafen," sprach Mary und es gelang ihr mit einer geschickten Bewegung, das Billett für Hugo von dem Buche in die Tasche ihres Kleides zu prakticieren.
Graf Hugo Westland machte sich inzwischen als Gärtner Hans Sanders im Gesinderaum beliebt. Wollte er sich doch um jeden Preis einschmeicheln, um zu erreichen, daß Hanna auch am folgenden Tage Lust verspüre, in den Garten zu gehen und Marv mit sich zu nehmen.
„Sie müssen versprechen, wenigstens auf zehn Minuten zu kommen; ich bringe Ihnen sonst die Rosen nicht. Ein Mädchen gleich Ihnen braucht doch seine Zeit nicht durch lange Toilettenherrichtung zu vertändeln. Sie sehen immer reizend aus!"
Hanna gab denn auch das gewünschte Versprechen und Hans Sanders kehrte leichteren Herzens nach der einfachen Behausung des Gärtner Fuchs zurück, doch
war seltsamerweise von des Letzteren rheumatischen Leiden gar nicht die Rede und der Gärtner bediente vielmehr in ehrerbietigster Weise seinen Gehilfen. Hatte er doch eine bedeutende Summe Geldes dafür erhalten, um denselben ein paar Tage lang diese Rolle spielen zu lassen. Der alte Mann kannte den wirklichen Rang seines Gastes nicht, aber er mutmaßte, daß derselbe ein vornehmer Herr sei, und that gern, was Jener von ihm begehrte.
Und so vergingen die Stunden und der Moment rückte immer näher heran, in welchem die unglückliche Mary einen Fluchtversuch machen solle. Zum ersten Mal seit der ganzen Zeit ihrer Gefangenschaft empfand sie einen Hoffnungsfuicken, zu dem sich jedoch ein nicht unbedeutender Teil von Furcht gesellte. In vierundzwanzig Stunden, wo würde sie dann sein?
Auch Hugo hatte inzwischen an Mary geschrieben. Er hatte sich dabei der Vorsicht bedient, die französische Sprache zu benützen, um die wenigen Zeilen, deren es bedurfte, zu Papier zu bringen. Er wickelte den Streifen dann um die Stiele einiger Rosen, welche er im Garten Mary überreichen wollte. Die wenigen Worte, welche das Billet trug, lauteten:
„Du findest mich um elf Uhr Nachts in der Nähe des Hauses; komme um jeden Preis, laß Dich durch Nichts zurückhalten, meine Schwester erwartet Dich. Wagen und Pferde sollen bereit sein. Dein H. W."
Die ganze Nacht hindurch lag Mary schlaflos und wagte es doch nicht, sich zu rühren. Stundenlaug sollte sie noch diese grausamme Ungewißheit ertragen; woher sollte sie die Kraft dazu nehmen?
Endlich begann es zu tagen. Ein grauer, trüber Novembermorgen brach an.
„Mein Gott, Fräulein, ich habe Sie noch gar nie so frisch dreinblicken sehen, wie heute!" meinte Hanna. „Fühlen sie sich anders als sonst?"
„Ich kann mir kaum vorstellen, wie ich es zu Stande brächte, frisch drein zu sehen. Giebt es doch in meinem Leben auch nicht einen einzigen lichten Punkt," entgegnete Mary so sanft wie möglich.
(Fortsetzung folgt.)