Aro. 57.
63. Jahrgang.
Amts- uaä Inteffigenzbkatt für äe» ö!ezir!r.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äea 13. Mai 1888.
Abonnementspreis halbjährlich 1 ^ 80 durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Anrlkiche Wekcrnntnrachirngen.
Aekannlmachung.
Von der K. Regierung des Schwarzwaldkreises ist der JahreSarbeits- Verdienst der land. und forstwirtschaftlichen Arbeiter des Oberamtsbezirks Calw gleichheitlich festgesetzt worden und zwar bei s. erwachsenen männlichen Arbeitern auf 340 -/kk,
d. „ weiblichen „ „ 200 „
o. jugendlichen männlichen „ „ 200 „
ri. „ weiblichen „ „ 140 „
was in Gemäßheit des Absatz 9 des Erlasses des K. Ministeriums des Innern vom 16. Febr. 1888, Minist.-Amtsbl. S. 57 ff, hiedurch bekannt gegeben wird.
Calw, 11. Mai 1888. K. Oberamt.
Supper.
An die Hrtsvorjteher.
Die nach dem hohen Ministerialerlaß vom 27. April d. I., betreffend statistische Erhebungen über die Nachbarschaftsstraßen des Landes, — Min.- Amtsbl. S. 147 — von den Ortsvorstehern anzufertigenden Verzeichnisse find längstens bis 8 . Juni d. I. hieher vorzulegen. Die auf diesen Tag nicht einkommenden Verzeichnisse müßten durch Wartboten abgeholt werden.
Calw, 12. Mai 1888. K. Oberamt.
Supper.
Mkannlmachung.
In die orthopädischen Anstalten Paulinenhilfe und Olgaheilanstalt in Stuttgart und Werner'sche Kinderheilanstalt in Ludwigsburg werden an Verkrümmungen des Körpers leidende mittellose oder minder bemittelte Personen mit teilweiser, in besonders dringenden Fällen vollständiger Uebernahme der Kosten auf die Staatskasse unter den in der Ministerialverfügung vom 23. Mai 1834 (Reg.-Bl. S. 391) enthaltenen Bestimmungen ausgenommen. Gesuche um Aufnahme sind, mit den vorgeschriebenen Zeugnissen belegt, bei der Unterzeichneten Stelle einzureichen.
Calw, 12. Mai 1888.
K. Oberamt. K. Oberamtsphysikat.
Supper. vr. Müller.
Die Hrlsvorsteher
werden unter Hinweisung auf den Ministerialerlaß vom 22. Mai 1875, betreffend die Aufstellung von Verzeichnissen derjenigen Mannschaften des aktiven
Heeres, deren häusliche Verhältnisse eine Beurlaubung zur Disposition angezeigt erscheinen lassen, (Min.-Amtsbl. S. 125) und die oberamtliche Bekanntmachung vom 9. Mai 1884 (Wochenblatt Nr. 55) aufgefordert, die auf Grund genannten Ministerialerlasses anzufertigenden Verzeichnisse spätestens bis 15. Juni d. I. hieher einzusenden.
Vor Anlegung der Verzeichnisse sind die diesbezüglichen Bestimmungen in den Gemeinden in ortsüblicher Weise zur allgemeinen Kenntnis zu bringen.
Calw, 14. Mai 1888. K. Oberamt.
Supper.
Die Aushebung der Militärpflichtigen in Kakv
findet am S. Juli 1888 statt, was gemäß ß 68 , Z. 6 der Ersatzordnung hiemit bekannt gegeben wird.
Calw, 14. Mai 1888. K. Oberamt.
Supper.
KokitifcHe WcrchvicHten.
Deutsches Reich.
Berlin, 10. Mai. Der Kaiser hatte einen guten Tag, nahm reichliche Nahrung zu sich und war bei guter Stimmung. Die Zeit von Vormittags 11 bis Abends 8 V 2 Uhr brachte der Kaiser in seinem Arbeitszimmer auf dem Sopha zu. Im Laufe des Nachmittags stattete die Erb- prinzessin von Meiningen einen längeren Besuch im Schlosse ab und waren die Staatsminister Dr. v. Lucius und v. Friedberg kurze Zeit beim Kaiser. — Die Kaiserin machte um 4 Uhr eine einstündige Ausfahrt nach dem Grunewald.
Berlin, 11. Mai. Bei dem Kaiser betrug die Temperatur gestern abend 37,8 Grad, heute früh nur 37,4 Grad. Derselbe fühlte sich ziemlich wohl, obgleich der Auswurf noch reichlich ist, und nimmt eine genügende Menge Nahrung zu sich. Seit 10V« Uhr verweilte der Kaiser auf dem Sopha in seinem Arbeitszimmer, in welchem er auch Gehversuche machte und das Zimmer zweimal ohne Stütze durchschritt, ohne sich ermüdet zu fühlen. — Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Das Befinden des Kaisers hat sich in den letzten Tagen verhältnismäßig günstig gestaltet, insofern die Krankheitserscheinungen insgesamt an Intensität nachließen, das Fieber ist fast gänzlich geschwunden, der Puls ruhiger und gleichmäßiger. Die Nächte bringen tieferen und stärkeren, wenn auch durch noch immer reichlichen Auswurf unterbrochenen Schlaf. Die auf Stärkung und Kräftigung berechnete Ernährung wird gut ertragen, wenn auch der Appetit noch zu wünschen übrig läßt. Trotz der Zunahme der Kräfte sind letztere aber noch nicht ausreichend, um
Feuilleton.
«Nachdruck »erboten.»
Die Aande des Mutes.
Roman aus dem Englischen von War v. Weisenthurn.
(Fortsetzung.)
Mary fühlte sich bestürzt. Worin bestand die geheimnisvolle Gewalt, welche Onkel John auf sie alle auszuüben schien? Wie konnte er ihren Schwestern, ja, ihrem eigenen Vater den Eintritt zu ihr verweigern? Oder war das nur eine erneute List? Jedenfalls stand das Eine fest, daß man sie hier als Gefangene zurückhielt und ihre Familie in dem Wahne lebte, sie sei wahnsinnig.
Ein Schauder durchlief ihre Gestalt. Im Geiste sah sie das glückliche Heim ihrer Kinderjahre vor sich, entsann sie sich Richard's Zuneigung und dann — der Liebe des Mannes, der ihrem Herzen so unendlich nahe getreten war.
Traumversunken saß sie da, ohne zu bemerken, daß Hanna, welche das Gemach verlassen, dasselbe wieder betreten habe.
„Fräulein," sprach das Mädchen mitleidsvoll, „wollen Sie nicht Hinabkommen und eine Tasse Thee trinken?"
Mary wandte wortlos das Gesicht ab.
„Sie waren den ganzen Tag nicht aus dem Hause, Fräulein, und der Arzt begehrt, Sie sollen viel an der freien Luft sein. Ich habe Ihren Mantel mitgebracht. Wollen Sie nicht ein wenig im Garten spazieren gehen?"
Mary war zu traurig, um Widerstand bieten zu können; sie ließ sich den Mantel umlegen und verließ an der Seite des Mädchens das Zimmer und das Haus.
Gerade vor den Fenstern des Speisezimmers war ein junger Gärtner damit beschäftigt, sein Handwerkszeug zusammenzusuchen.
„Herr Fuchs, der Gärtner, hat das rheumatische Fieber bekommen," sprach Hanna zu ihrer schweigenden Genossin, um nur überhaupt Etwas zu sprechen, „deshalb hat er diesen jungen Menschen gesandt, um hier das Gras zu mähen und etwas Ordnung zu machen. Sie haben ihn wohl gar nicht beachtet, Fräulein?"
„Nein," entgegnete Mary völlig teilnahmslos.
Hanna machte noch verschiedene Versuche, ihre junge Herrin zu einem Gespräch zu veranlassen, aber es erwiesen sich alle ihre Anstrengungen als fruchtlos.
Während sie in dem breiten Wege längs des Ras ens hin- und herschritten, war es auffällig, wie der junge Gärtner, der, wie Hanna berichtet, für den alten Mann, der sonst hier die Arbeit versah, heute eingetreten war, die Gestalten der Auf- und Abwandelnden, besonders wenn dieselben ihm den Rücken zuwendeten, nicht aus den Augen ließ. Man) gewahrte Nichts davon; Hanna aber, die mit kaum weniger Eifer den jungen Gesellen verstohlen beobachtete, entging es nicht und deutete die Entdeckung natürlich in ihrem Sinne.
„Ich denke, wir kehren jetzt in das Haus zurück," sprach sie nach einer Welle. Beide mußten an dem jungen Gärtner Vorbeigehen; er lüftete vor Mary den Hut da sie aber nicht auffah, bemerkte sie diese seine Aufmerksamkeit nicht. Hanna hingegen lächelte und bot vem jungen Manne einen freundlichen Gruß.
„Auf ein paar Worte," hielt er sie zurück, „ich glaube, ich kenne Ihren Verlobten, schönes Kind!"
„Bill Darby?" fragte Hanna, stehen bleibend, während eine Helle Freudenröte in ihre Wange stieg. „Wirklich?"
„Ja," erwiederte der junge Mann, der statt des alten Gärtners dessen Obliegenheit hier verrichtete, „Herr Fuchs, bei dem, wie Sie wissen, ich wohne, machte mich mit ihm bekannt. Doch damit Sie auch wissen, wer ich bin, — ich heiße Hans Sanders und Sie, — ja, Ihren Namen vergaß ich nun schon wieder!"
„Hanna Carter!"