77. Jahrgang.
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Der fünfmal Wöchentlich erscheinende Gesellschafter bringt schnell vnd in knapper Form: Originalartikel, politische jleberjicht, lokale Nachrichten, Nereins-Aach- richte«, die wichtigsten Nachrichten vom In- u. Ausland, wichtige Fälle aus dem Gerichts saal, alle wichtigen Vorkommnisse des öffentliche« Lebens. Neichg- nnd Landtagsberichte, kaudwirtsch., Handels-, Nrrkehrs- und Gewerbe-Nachrichten, Kursberichte, vermischtes. Interessante Romane, Volks- n. Jugend-Erzählungen, Feuilleton.
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Amtliches. Am 30. Jan. d. Js. hat die evangelische Ober- schulbehürde den Schullehrer Reichert in Gönningen, der ihm übertragenen ersten Schulstelle in Hochdors, Bez. Ältensteig-Dorf (Nagold), auf Ansuchen wieder enthoben.
UoMrsche HLebevsicht.
Eine neue von der österreichischen Regierung eingesetzte Körperschaft, der Industrierat zur Beratung von Jndustrie- fragen, hat einstimmig eine Resolution angenommen, die besagt der Jndustrierat erachte den Abschluß des wirtschaftlichen Ausgleichs mit Ungarn als einen für den Volkswohlstand beider Reichshälften förderlichen Staatsakt, da er denselben die wichtigsten Absatzgebiete sichert und die Gesamtmonarchie als geeintes, gegenüber dem Ausland durch seine politische und wirtschaftliche Bedeutung maßgebendes Wirtschaftsgebiet erhält. Der Jndustrierat spricht nach Durchsicht der Ausgleichsvorlagen, insbesondere des Zolltarifs
Nagold, Montag den 8. Februar
1903 .
und des Zollgesetzes, welche für die österreichische Industrie
von ausschlaggebender Bedeutung sind, sich dahin aus, daß er die Ausgleichvorlagen für annehmbar erachtet und den baldigen Abschluß deS Ausgleichs für geboten erklärt. Der Referent betonte, das Ministerium Körber habe mit dem Ausgleich ein Stück ernstester, gewissenhaftester Arbeit geleistet und Oesterreichs Interessen so gut vertreten, wie es bisher leider nie der Fall gewesen sei.
Von der französischen Deputiertenkammer wurde gestern ein durch den Abg. Sembat gestellter Antrag auf Aufhebung der Botschaft beim Vatikan verhandelt. Der Minister des Aeußern bekämpfte den Antrag. Die Aufrechterhaltung der Botschaft sei selbstverständlich, nachdem die Kammer das Kultusbudget bewilligt habe. Der radikale Mennier beantragte, von dem Kapital 62,000 Frank abzustreichen, unter Umwandlung der Botschaft in eine Gesandtschaft. Der Redner schlug zugleich eine Resolution vor, die den Minister des Aeußern auffordert, die mit dem Vatikan ausgetauschten Schriftstücke, die sich auf das Vereinsgesetz und die Kongregationen beziehen, in einem Gelbbuch zu veröffentlichen. Der Minister des Aeußern hatte im Prinzip nichts gegen die Aufforderung einzuwenden, machte jedoch den Vorbehalt, daß er den Zeitpunkt der Veröffentlichung wähle und daß der Vatikan keinen Widerspruch gegen die Veröffentlichung gewisser Dokumente erheben werde. Die Resolution wurde darauf mit 303 gegen 6 Stimmen angenommen. — Das von dem Minister des Aeußern herausgegebene Gelbbuch über Mazedonien enthält 52 Dokumente, welche sich auf die Verhandlungen vom 28. Februar 1902 bis zum 3. Januar 1903 erstrecken. Delcassö schildert darin die Schritte, die er zur Verbesserung der Lage der christlichen Bevölkerung in Mazedonien unternommen hat. Die diplomatischen Vertreter Frankreichs machten seit Anfang 1902 auf die Anzeichen des drohenden Aufruhrs aufmerksam. Die russische und die französische Regierung beeilten sich, Ermahnungen zur Vorsicht nach Konstantinopel und Sofia gelangen zu lassen. Delcassö schlug Rußland vor, energische Proteste an die Pforte zu richten. Zugleich protestierte der Botschafter Constans gegen die Verwendung von Baschibozuks in Mazedonien. Er verlangte von der türkischen Regierung die Zusage, daß nur regelmäßige Truppen zur Verwendung kommen sollen. Auf die übrigen Beschwerden wegen der Reformen antwortete der Sultan jedoch nur mit der Einsetzung einer Kommission.
Ucber die Verteilung der von Venezuela zu zahlenden Summen an die Mächte ist noch nichts entschieden. Wahrscheinlich erfolgt dies je nach dem Verhältnis des Betrags, den jede Macht für sich beansprucht. Die Forderungen von Mächten, die an der Blockade nicht beteiligt sind, bleiben in dem Abkommen unberücksichtigt. Das von Venezuela mit Frankreich getroffene Abkommen, nach dem letzteres 13°/° der Zolleinnahmen erhält bleibt natürlich in Kraft. Der Zeitpunkt der Aufhebung der Blockade hängt davon ab, ob Venezuela die Forderungen der Mächte annimmt. Wenn Bowen gegenwärtig einen Gegenvorschlag machte, um die gleiche Behandlungen aller Forderungen, ohne Rücksicht auf die Vorrechte der drei Mächte, zu erzielen, so werde dies
dazu dienen, die Zurückziehung der Schiffe zu verzögern. Man versichert, daß die deutschen Schiffe in die Lagune von Maracaibo nicht eindringen würden mit Rücksicht aus die, durch ihren Versuch, die Einfahrt auszuführen, hervorgerufene gespannte Stimmung in den Vereinigten Staaten.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Berti«, 30. Jan. Am Bundesratstisch: Graf Posadowsky, Minister v. Goßler, Staatssekretär o. Kraetke. Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung 1 Uhr 20 Min. v. Dziembowski- Pomian (Pole) begründet die Interpellation betr. die ungleichmäßige Behandlung der polnischen Bevölkerung innerhalb des deutschen Reichs. Redner betont zunächst, der Reichstag sei für die Interpellation vollkommen zuständig. Die Regierung bezeichne jetzt die Polengefahr als nationale Gefahr, als slavische Gefahr: sie scheine die Reichsgrenzen bedroht zu glauben. Der polnischen Bevölkerung sei die polnische Sprache in Amt und Schule, sowie freie Religionsübung gewährleistet worden. Typisch sei der Fall des Geh.Rats Löhning, der nur wegen seiner Stellung zur Polenfrage entlassen worden sei. Der Redner bringt zahlreiche Einzelfällc vor, besonders solche, in denen er eine systematische Zurückdrängung der polnischen Sprache erblickt. Die Ansiedelungskommission betreibe lediglich Germanisation und Protestantisation. Die polnischen Redakteure werden in den Gefängnissen besonders schlecht behandelt. Den Wreschener Gymnasisten, die heimlich polnische Geschichte und Literatur getrieben haben, sei gesetzwidrig die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst entzogen worden. Auch das Boykottieren polnischer Firmen durch die Militärbehörden sei gesetzwidrig. Der Kampf, der auf die Ausrottung der polnischen Nationalität gerichtet sei, sei aussichtslos. Die antipolnische Politik der Regierung habe Fiasko gemacht und stehe vor dem Bankerott.
Staatssekretär Graf Posadowsky erklärte, daß es eine polnische Frage im internationalen Sinne nicht gebe. Die ehemals polnischen Landesteile seien auf immer mit Preußen verbunden. Die vom Vorredner vorgebrachten Fälle seien mit wenigen Ausnahmen innerpreußische Angelegenheiten, die nicht Gegenstand der Erörterung im Reichstage sein könnten. Das Reich beträfe nur die gegen die Militärverwaltung gerichteten Beschwerden, auf die der Kriegsminister antworten werde.
Kriegsminister v. Goßler rechtfertigt die Entziehung der Berechtigungsscheine zum Einjährigendienst gegenüber einigen im Thorner Geheimbund-Prozeß verurteilten Polen. Die Entziehung sei durchaus gesetzlich, man sei bei der Auswahl der vom Einjährigendienst Ausgeschlossenen außerordentlich milde vorgegangen. Die Boykottierung polnischer Gewerbetreibender durch die Militärbehörde sei aus disziplinären Gründen erfolgt.
Abg. Graß mann (natl.) weist die Beschwerde der Polen zurück.
Abg. Fürst Radziwill (Pole): Es komme nicht auf einzelne Fälle an, sondern auf die Gesamtpolitik in Preußen.
Abg. Rören (Zlr.) kritisiert die Polenpolitik der preußischen Regierung, namentlich das Verfahren der Behörden in dem Thorner Geheimbundprozeß. Durch die Mittel, die die preußische Regierung jetzt anwende, werde es ja doch nicht gelingen, die Polen zu naturalisieren.
Abg. Tiedemann (Rp.) bestreitet, daß die Absicht bestände, die Polen zu entnationalisieren. Diese Behauptung des Vorredners beweise, daß er von der ganzen Frage nichts verstehe.
Abg. Lenzmann (frs. Vp.) bringt den Fall Löhning zur Sprache.
Kriegsminister v. Goßler stellt fest, daß der kommandierende General in Posen sich in die Angelegenheit nicht eingemischt, sondern nur privatim geäußert habe, es werde Löhning schwer fallen, seine Frau in die Gesellschaft einzuführen, weil er nirgends seine Verlobung angezeigt habe.
Staatssekretär Posadowsky bestreitet die Kompetenz des
venezolanisches Leben.
(Schluß.)
Aus diesen Mischungen besteht nun das venezolanische Volk und naturgemäß kann ein solches Mischvolk nicht viel Eigenart besitzen. Die einzige ausgeprägte Eigenart, die ich gefunden habe, kommt in der Musik der Venezolaner zum Ausdruck, und zwar im Nationaltanz des Landes, in der sogenannten vansa.
Die Musik geht im zweiviertel Takt, im ersten Teile bietet die Musik nichts Außergewöhnliches; im zweiten Teile aber spielt die rechte Hand den alten Takt weiter, während die linke Hand fünfachtel Takt spielt; und zwar verteilt die linke Hand diese regelmäßig in die zweiviertel Takte der rechten Hand. Diese Musik richtig zu spielen ist so außerordentlich schwer, daß jahrelanges Hören und Neben kaum zur Meisterschaft führt. Sehr gute deutsche oder englische Pianisten sind kaum im Stande, die Hansa, so zu spielen, wie sie gespielt werden muß, dem Venezolaner jedoch scheint diese Kunst angeboren zu sein, wie denn auch der Venezolaner außerordentlich musikalisch veranlagt ist.
Eine beinahe kindliche Freude hat er an Feuerwerk. Kirchliche oder patriotische Feiertage sind gänzlich undenkbar ohne unmäßiges Abbrcnnen von Feuerwerk. Besonders Raketen erfreuen sich großer Beliebtheit, und zwar läßt man dieselben fast immer während des Tages auf.
Leidenschaftlich wie Musik und Feuerwerk liebt der Venezolaner den Tanz. Speziell die Bewohner der Tiefebene,
die Maracaiberos sind als gute Tänzer und Tänzerinnen bekannt und berühmt. Der bevorzugte Tanz ist der Walzer, welchen man gewöhnlich nach Mandoline- und Guitarre- Begleitung tanzt. Es ist ein wirklicher Genuß, einem venezolanischen Ball zuzusehen. Der Tanzschritt folgt genau dem Wechsel der Musik, bewegt sich die Musik schneller, so beschleunigt sich auch die Bewegung der Tänzer, und vios versa. Es liegt etwas Prickelndes, ja geradezu Aufregendes in der meisterhaft und leidenschaftlich gespielten Musik. Eine solche Musik muß auch gute Tänzer erziehen. Tanzt ein Paar besonders schön, ^cklvinamoute", also göttlich, so hören die übrigen Paare im Tanze auf und bewundern neidlos die bessern Tänzer. Leider benehmen sich die jungen Damen zuweilen recht ungezogen. Sie bringen es fertig, Jemanden, der noch nicht allzutief in die Geheimnisse Terpsi- chores eingedrungen ist, einfach mitten im Saale stehen zu lassen und davonzulaufen. Es kommt sehr häufig vor, daß ein weniger guter Tänzer die Antwort bekommt: „Ich tanze nicht mit Ihnen, Sie tanzen mir zu schlecht." Es mag sein, daß derartige Ungezogenheiten durch den Einfluß des bei Bällen in ziemlichen Mengen genossenen Alkohols Herkommen; denn der Venezolaner ist im Allgemeinen immer höflich und bescheiden.
Die Venezolanerin ist klein, sehr selten findet man stolze königliche Figuren, die so häufig sind, in der gemäßigten Zone und an denen die Vereinigten Staaten so reich sind. Auch in geistiger Beziehung steht die Venezolanerin zurück hinter den Frauen der Völker, die in kälteren Kli- maten leben. Die Venezolanerin ist jedoch nicht weniger
begabt wie andere Frauen, nur die Erziehung und Kultur fehlt. Diese geistige Unentwickeltheit wird bedingt durch den erschlaffenden Einfluß des Tropenklimas, durch die fast absolute Beschränkung der Frau auf das Haus und die Familie und den Einfluß der Religion. Die Ausübung der Religionspflichten, deren strikte Jnnehaltung durch jahrhundertelange Gewöhnung erzwungen ist, nimmt wenigstens die Hälfte ihres Tages in Anspruch. Die andere Hälfte wird durch Mahlzeiten, Besuche empfangen oder machen und durch das Ankleiden zu den Gottesdiensten verbraucht. Daß Frauen sich im Geschäftsleben hervortun, ist gänzlich unbekannt. Die Frau ist ans Haus gefesselt, dabei bekümmert sich jedoch die Venezolanerin absolut nicht um ihr Haus, es bleibt alles der Dienerschaft überlaffen. Theater, Konzerte sind im Innern unbekannt, gelesen wird recht wenig. Das Gebetbuch ist in vielen Fällen die einzige geistige Nahrung. So verträumt denn die Venezolanerin ihre Zeit mit Essen, Ankleiden, Besuchen und in der Kirche. Einmaliges Beiwohnen des Gottesdienstes genügt jedoch, um einen davon zu überzeugen, wie wenig Ernst der Religion entgegengebracht wird. Von Andacht ist sehr wenig zu merken, da wird gelacht und geflüstert, über das neueste Kleid der nicht anwesenden Freundin wird lebhaft debattiert, und mit den eventuell anwesenden Verehrern werden unverhohlene Blicke gewechselt. Mechanisch schlagen die Finger das Kreuz, und mechanisch gleiten die Perlen des Rosenkranzes durch die Finger. Die Damen sitzen mit untergeschlagenen Füßen, da das Knieen zu beschwerlich ist, und lauschen zerstreut dem Gesänge des Priesters.