77. Jahrgang.

Auflage 218V

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Schwab. Landwirt.

Fernsprecher Nr. 29.

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Nagold, Samstag den 31. Januar

1S03.

Amtliches.

Bekanntmachung.

Am 14. Februar 1903 vormittags 10 Uhr findet im Dienstgebäude des Bezirkskommandos Calw die ärztliche Untersuchung derjenigen Bolkssch »Hehrer und Kandidaten des Volksschullehramts, welche sich tm militärpflichtigen Alter befinden und am 1. April 1903 zur Ableistung ihrer einjährigen Dienstzeit eintreteten wollen, statt.

Noch nicht militärpflichtige, taugliche Volksschullehrer u. s. w. dürfen sich zum Diensteintritt freiwillig bereit er­klären.

Der Ausstellung eines Meldescheins bedarf es in diesem Falle nicht.

Ein Recht auf die Wahl des Truppenteils haben die einzustellendcn Lehrer u. s. w. nicht, doch wird etwaigen Wünschen möglichst Rechnung getragen werden.

Schriftliche Gesuche um Einstellung sind bis späte­stens 5. Februar 1903 an das Bezirkskommando einzu­reichen.

Calw, den 2. Januar 1903.

König!. Bezirkskommando.

Tarif in Kraft, so wie er ist, im letzteren Falle unter den darin vorgesehenen Vorbehalten, doch gebe es noch Möglich­keiten, die dazu nötigen würden, das Inkrafttreten des Zolltarifs vor Ablauf der Verträge erfolgen zu lassen, beispielsweise rein fiskalische Erwägungen oder die Not­wendigkeit des Schutzes besonderer Industriezweige oder Maßregeln, die bezüglich der russischen Einfuhr von seiten des Auslandes getroffen werden.

Das Bombardement des Forts San Carlos durch die deutschen Kriegsschiffe ist in seiner Ursache jetzt klarge­stellt und das Auswärtige Amt Hst den betreffenden Be­richt des Kommodore Scheder unverzüglich zur Kenntnis der Washingtoner Regierung gelangen lassen. Das Bom­bardement ist danach als völlig gerechtfertigt zu betrachten; die deutschen Schiffe haben nicht angegriffen, sondern sind provoziert worden dadurch, daß vom Fort aus auf den Panther gefeuert wurde, der sich in rechtmäßiger Ausübung des Blokadedienstes befand. Vermutlich hat Präsident Castro den Befehl erteilt, auf die deutschen Schiffe bei Jnstchtkommen zu feuern. Das kann bei ihm nicht über­raschen und hat auch wenig zu sagen. Höchst bezeichnend aber ist der Lärm, der sich in der amerikanischen und eng­lischen Presse erhob wegen angeblicher Ueberschreitung der Blokade-Befugnisfe durch den Kapitän des Panther. Man

Explvstonsgefahr möglichst ist, denjenigen Zündholzfabrikanten, die

bisher mit Phosphor gearbeitet haben, zur Verfügung stellen.

Endemann (ntl.) beantragt Ueberweisung an eine Kom­mission.

Abg. Müller- Meiningen (frs. Vp.) empfahl, die Fabrikanten und Arbeiter zu entschädigen. Redner sprach sich gleichfalls für Kommisstonsüberweisung aus, ebenso Abg. Zehnter (Ztr.)

Abg. Wurm (Soz.) sprach sich gegen direkte Entschädigung des Arbeitgebers und Arbeiters aus.

Abg. Münch-Ferber (natl.) begrüßte das Gesetz als einen großen Fortschritt der inneren sozialpolitischen Gesetzgebung. Schließ­lich wurde dem Antrag Endemann entsprechend der Entwurf einer 21gliedrigen Kommission überwiesen.

Zu dem nunmehr beratenen Gesetzentwurf betr. Kinder- arbeit in gewerblichen Betrieben lag ein sozialdemo­kratischer Antrag vor, der das Verbot auch auf die Landwirtschaft und den Gesindedienst ausdehnen und den Unterschied zwischen eigenen und fremden Kindern grundsätzlich beseitigen will.

Abg. Wurm empfahl den sozialdemokratischen Antrag und bemerkte, die Ausbeutung der Kinder in der Landwirtschaft dürfe nicht länger geduldet werden.

Abg. Zwick (frs. Ber.) erklärte sich mit der Tendenz der An­träge einverstanden. Falls diese abgelehnt werden, stimme er für die Kommisstonsüberweisung.

Abg. Rösicke-Dessau(wild) war gleichfalls für die Tendenz der sozialdemokratischen Anträge, für die er aber nicht stimmen werde, um nicht die Annahme des Gesetzes zu gefährden. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr: Poleninterpellation.

Württembergischer Landtag.

H'olitilchs HleSersicht.

Die Gesetzessammlung veröffentlicht den neuen russischen Zolltarif. Als Hauptgrund für die Ausarbeitung des neueu Tarifes wird das Herannahen des Zeitpunktes der Revision der Handelsverträge bezeichnet, da auch das Ausland aus diesem Anlasse seine Tarife zwecks erhöhten Schutzes der nationalen Arbeit revidierte. Wenn die Auslandsstaaten entschlossen seien, bei den Vertragsverhandlungen den jetzi­gen Bedürfnissen ihrer Industrie augepaßte Tarife ihren Zugeständnissen zu Grunde zu legen, so nimmt Rußland einen gleichen Standpunkt ein. Der Tarif verfolgt nicht Zollerhöhungen um jeden Preis, um bei den Vertragsver­handlungen Konzessionen zu erzwingen. Ein zu hoher Ta­rif würde im Falle des Scheitern? der Verhandlungen dem Jnlande selbst am meisten schaden. Der Tarif behalte für eine ganze Anzahl Artikel die gegenwärtigen Sätze unerhöht bei. Eine Besonderheit des Gesetzes sei das Fehlen der Bestimmung des Inkrafttretens. Der Finanzministcr werde mit Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse wegen des Zeitpunktes des Inkrafttretens und der Modalität der An­wendung noch die Entscheidung des Kaisers cinholen. Ruß­land habe einen Generaltarif und einen Konventionaltarif. Letzterer enthalte alle Artikel des Generaltarifes, wofür Zollsätze festgestellt sind, und zwar zum Teil herabgesetzte. Der neue Tarif könne erst mit Ablauf der jetzigen Handels­verträge in Kraft treten, also keinesfalls vor dem 29. Nov. 1904, da kein Land außer Bulgarien die Handelsverträge am 31. Dez. 1902 kündigte. In den übrigen Teilen könne der Tarif schon früher in Kraft treten. Das beste wäre bei Ablauf der Handelsverträge der gleichzeitige Abschluß von neuen Verträgen. Im ersteren Falle trete der neue

hielt nicht einmal für nötig, den Bericht des deutschen Kommodore abzuwarten, die lügenhafte Darstellung von venezolanischer Seite genügte diesen Kritikern. Eine klär­ende Wirkung hat die Venezuela-Affäre, über die ja die Akten bald geschlossen werden dürften: sie zeigt, daß Deutsch­landdraußen" gründlicher Unbeliebtheit sich erfreut, daß keinFall" zu unbedeutend ist, um nicht Deutschland da­raus einen Strick zu drehen. Die schwarz-weiß-rote Flagge ist aus sich allein gestellt. Sie wird dabei nicht schlecht fahren, wenn denFreunden" Deutschlands auch von Amts­wegen begegnet wird, wie sie es verdienen höflich, aber kalt. Die erste Besprechung zwischen den Vertretern Englands, Deutschlands und Italiens und dem Vertreter Venezuelas hat in Washington stattgefunden. Es wurde die Frage gestellt, ob die monatlichen Zahlungen an die Verbündeten der Höhe ihrer Forderungen entsprechend ver­teilt werden, oder ob jeder die gleiche Summe monatlich erhalten soll bis zur vollständigen Zahlung der Entschädigungs­summen. Bowen erwiderte, daß er die Regelung dieser Frage den Verbündeten überlassen werde. Jede Verein­barung, die sie in dieser Hinsicht treffen würden, werde Venezuela recht sein.

r. Stuttgart, 30. Jan. Die Kammer der Abgeordneten nahm heute die Beratung der Bolksschulnovelle bei Art. 4 wieder auf: Dieser Artikel lautet nach dem Beschluß der Kommission folgen­dermaßen :

Der Art. 76 des Volksschulgesetzes vom 29. September 1836 erhält folgende Fassung: Der Ortsschulaufseher und die Ortsschul­behörde sind teils dem Oberamt, teils dem Brzirksschulaufseher, teils dem gemeinschaftlichen Oberamt in Schulsachen untergeordnet. Als Bezirksschulausseher im Hauptamt werden in der Regel Schul­männer oder Geistliche, welche der Konfession der ihnen untergebenen Schullehrer angehören, angestellt. Sie bilden mit dem Oberamt­mann desjenigen^ Oberamts, in welchem die ihnen unterstellten Schulen sich befinden, das gemeinschaftliche Oberamt in Schulsachen. Zum Bezirksschulaufseher kann von der Oberschulbehörde auch ein Geistlicher derjenigen christlichen Konfession, welcher die ihm unter­gebenen Schullehrer angehören, in widerruflicher Eigenschaft bestellt werden. Der Umfang des dem Bezirksschulaufseher unterstellten Bezirks wird von der Oberschulbehörde bestimmt. Der Bezirksschul­aufseher im Hauptamt ist, wofern er nicht als Ortsschulausseher bestellt wird, an seinem Wohnort Mitglied der Ortsschulbehörde seiner Konfession und hat in dieser Behörde an Stelle des Orts­schulaufsehers den Vorsitz nach Maßgabe der Art. 6 und 7 des Ge­setzes vom 13. Juni 1891, betr. die Ortsschulbehörden, mit zu über­nehmen.

r. Stuttgart, 29. Jan. Die Finanzkommission der zweiten Kammer hat von den Rechnungsergebniffen für 1899 und 1900 heute noch die Restverwaltung und die Krundstocksverwaltung, über welche beide Abg. Kloß refe­rierte, erledigt, sowie den Gesamtbericht des Vorsitzenden Liesching zu beiden Jahren entgegengenommen und den Schlußantrag, den Nachweis der verabschiedungsgemäßen Verwendung der verwilligten Steuern für erbracht zu er­kennen, mit dem aus den Erörterungen bei den Salinen sich ergebenden, seinerzeit berichteten Vorbehalt zugestimmt. In die Einzelberatung des neuen Etats wird die Kom­mission vorläufig und vielleicht bis etwa Mitte März nicht eintreten.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 29. Jan. (Fortsetzung des Berichts der Donnerstag­sitzung.) Bei der Beratung des Gesetzesentwurfs, betreffend Phos­phorzündwaren erklärt Graf Posadowsky : Um zu verhindern, daß in der Hausindustrie Phosphor verwendet werde, müßte ein aus­nahmsloses Verbot der Verwendung von weißem und gelbem Phos­phor bei der Herstellung der Zündhölzer erlassen werden. Die Regierung werde ein von ihr erworbenes Patent auf eine Zünd- maffe, die keinen Phosphor enthält und deren Fabrikation ohne

WenezoLccnisches Leben.

(Fortsetzung.)

Die Beamten der Zollhäuser stehlen in geradezu un­glaublicher Weise. Speziell Kleiderstoffe, Untcrzeuge, Hem­den etc. finden schon im Zollhause einen reißenden, jedoch sehr unwillkommenen Absatz. Es ist den Herren ja auch sehr leicht gemacht, denn sie besitzen ja auch die Zolldekla­rationen und haben Zeit genug, alle die Ballen und Kisten, in denen gute und wünschenswerte Sachen sind, in aller Ruhe zu untersuchen. Beschwerden nützen nichts, sondern verschlimmern die Diebstähle nnd wirken verzögernd auf die Abwickelung der Zollgeschäfte ein.

Guzman Blanco war wohl der beste Präsident, den Venezuela bis jetzt gehabt hat, aber auch er war sehr auf seinen Vorteil bedacht. 30 Millionen Pesos Privatvermögen war das Resultat seiner Regierung.

Auch Cypriano Castro scheint gelitten zu haben, und sein Guthaben in der Bank von Frankreich, (welches über

5 Millionen Pesos betragen soll, ist ein sprechender und deutlicher Beweis für diese Behauptung.

Alle Revolutionen, die Venezuela verwüstet und rui­niert haben, find keinerlei Kämpfe für das Wohlergehen des Landes gewesen, sondern nur Kämpfe um den Präst- dentenstuhl und um Geld. Ein Parteiführer erhebt sich, tut durch Proklamationen und Reden dem Volke seine guten Absichten kund, wie er bestrebt sein werde, den Wohlstand des Landes zu heben etc., und das gutmütige dumme Volk

läßt sich immer wieder Sand in die Augen streuen und läßt sich totschießen und totstechen, und mit dem Gelde des Volkes, welches für ihn gestorben ist, führt einige Jahre später der Herr Präsident ein Herrenleben in Paris. Findet ein Regierungswechsel statt, so hat gewöhnlich der neue Präsident nichts Eiligeres zu tun. als auf Kosten des ohnehin schon ziemlich leeren Staatssäckels einige kostspielige Gebäude aufführen zu lassen, um das Volk möglichst bald von seinen guten Absichten zu überzeugen. Sehr häufig find diese Gebäude nur begonnen worden, um nie vollendet zu werden, und bilden einen Beweis mehr für die Indo­lenz, der spanischen Rasse.

Castro unterscheidet sich in dieser Beziehung vorteilhaft von seinen Vorgängern. Er ließ keinerlei Theater oder andere teure Bauten aufführen, sondern verwandte einen Teil der Staatseinkünfte auf die Verbesserung der Wege im Innern. Sein Bruder Cöllestin Castro unterstützte ihn in diesem Vorhaben, nnd tatsächlich verdienen die Wege im Tachira, dessen Gouverneur Cöllestin ist, wenigstens ihren Namen; sie sind,- vom venezolanischen Standpunkte aus be­trachtet, sogar großartig.

Präsident Castro ist Llanero, d. h., er ist im Llano geboren. Seine Bildung wird nach unseren Begriffen viel­leicht Vieles zu wünschen übrig lassen. Er ist klug, schweig­sam und besitzt ein ausgesprochenes Feldherrntalent. Er besitzt großen persönlichen Mut und eine gute Rednergabe. Er ist mittelgroß und ein wenig kahlköpfig; seine braune Hautfarbe, sowie seine Gefichtsbildung zeugen von indiani­scher Abstammung. Castro ist, wie alle Venezolaner, Höf-

uch, zuvorkommend und bescheiden. In den Adern der Familie Castro rollt indianisches Blut, obgleich er diese Tatsache sehr wahrscheinlich leugnen und versichern wird, daß erCastizo", d. h. von rein spanischer Abkunft.

Die Venezolaner find ein Mischvolk, entstanden durch die sehr innige Verschmelzung einer ganzen Anzahl ver­schiedenartiger Völker. Die Grundlage des Volkes bildet der Ureinwohner des Lande-: der Indianer. Eingewanderte Spanier, sowie andere Europäer bilden das weiße Element im Lande, welches sich nur sehr wenig erhalten, sondern sich mit dem indianischen Element verbunden hat, und zwar vorteilhaft. Ich will nur einen dieser Vorteile heraus­streichen: die wunderbar gleichmäßige Hautfarbe. Wie selten trifft man einen Weißen, speziell unter dem männ­lichen Geschlecht, an, der beneidenswerter Besitzer eines schönen Teints ist. Pickel, Eiterbläschen, Mitesser, rote Flecken u. s. w. verunzieren die Haut. Wie anders ist es dagegen bei den braunhäutigen Menschen! Von all den Unregelmäßigkeiten ist hier nichts zu merken. Gleichmäßig wie brauner Sammet spannt sich die Haut, und was bei uns Weißen leider Ausnahme ist, ist hier Regel. Eine weitere Mischung entstand durch den Neger, jedoch ist diese Vermischung nicht so häufig vor sich gegangen, wie diejenige mit dem in Venezuela nicht aussterbenden Ureinwohner. Der Neger hat sich ziemlich rein in den niedrigen Küsten­strichen erhalten; er hat sich meistens nur mit Weißen ver­mischt, mit dem Indio jedoch fast gar nicht. Der Abkömm­ling des Negers ist fast immer der Erbe der schon von vorher erwähnten Eigenschaften desselben. Der ernste Indio