Nordhausen, 27. Jan. Fürst Wolffgang befahl heute -früh 9 Uhr seinen Wagen, um nach Stolberg zu fahren und dort die letzten Bestimmungen zu der am Donnerstag -stattfindenden Leichenfeier für den verstorbenen fürstlichen Vater zu treffen. Kurz vor der Abfahrt bemerkte Fürst Wolffgang in unmittelbarer Nähe des Schlosses einen Raub­vogel, den er, seiner Leidenschaft als Jäger folgend, noch abschießen wollte; im Jagdeifer mochte der Fürst nicht ge­nügend auf den Weg geachtet haben, er strauchelte über einen Baumstumpf, das Gewehr entlud sich, und ehe der in kurzer Entfernung folgende Diener helfen konnte, war das Unglück geschehen. Die Beisetzung beider Fürsten soll zu­sammen erfolgen.

Hauseinsturz in Kiel. Heute vormittag stürzte in der Baseler Allee zu Kiel ein vierstöckiger Neubau in sich zu­sammen. Vier Dachdecker wurden unter den Trümmern begraben. Einer der Verunglückten namens Ströh wurde tot unter dem Mauerwerk hervorgezogen, die anderen gelang es bisher nicht aufzufinden; Ströh hinterläßt eine große Familie. Vor der Katastrophe hatte der Maurerpolier die Gefahr des Einsturzes bemerkt und seine Arbeiter gewarnt, die sich auch bis auf die vier Verschütteten in Sicherheit bringen konnten.

Magdeburg, 26. Jan. Der Konditor Otto Wein­hövel, der sich gegen den Willen seiner Eltern mit der Kellnerin Streithoff verlobt hatte, wurde mit seiner Ge­liebten auf einer Parkbank tot aufgefunden. Die Beiden hatten sich erschossen.

Hamburg, 27. Januar. Die beiden Schoner John und Smaragd mit je 5 Mann Besatzung sind während eines Sturmes in der Nordsee untergegangen.

* q-

Der bisherige Reichstagspräsident Graf Balle st rem ist zum erblichen Mitglieds des Herrenhauses ernannt worden.

In Dresden fand gestern in Sachen der Ehetrennung des sächsischen Kronprinzenpaares die Verhandlung vor dem von König Georg eingesetzten Sondergerichtshof statt. Die Eröffnung der Sitzung war öffentlich, danach wurde die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. Die Verhandlung wurde nach mehrstündiger Dauer und nach Erhebung von Beweisen in­folge Antrags der Prozeßbevollmächtigten auf Mittwoch den 11. Februar, vormittags 10 Uhr, vertagt.

Das Todesurteil gegen das frühere britische Unterhaus­mitglied Lynch ist in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt worden.

Ausland.

Basel, 26. Jan. In Neu-Allschwil, unweit Basel, brannte in der Nacht von Sonntag auf den Montag die Passavant'sche Thonwarenfabrik vollständig nieder. Der Materialschaden wird auf 400,000 Franken geschätzt; 250 Arbeiter sind brotlos.

Graz, 28. Jan. Der sächsische Hof mietete die Villa Imperial in Obermais bei Meran für längere Zeit.

Wien, 27. Jan. In hohen Kreisen ruft eine Mel­dung aus Mentone, daß die Kronprinzessin von Sach­sen ihren Uebertritt von der katholischen zur evan­gelischen Kirche vorbereite, peinliches Aufsehen hervor; auch Giron vollzieht den Glaubenswechsel, der raschestens durchgeführt werden soll, um die geplante Heirat zu be­schleunigen. Es verlautet, nach der gerichtlichen Scheidung werde die Kronprinzessin aus der Liste der österreichischen Erzherzoginnen gestrichen werden.

Wien, 27. Jan. Die Wiener Zeitung schreibt in -ihrem nichtamtlichen Teile: Wie wir hören, hat Se. K. u. K. apostolische Majestät kraft der Allerhöchstdemselben als dem Haupte des allerdurchlauchtigsten Erzhauses zustehenden Machtvollkommenheit Allerhöchst sich bestimmt gefunden zu verfügen, daß alle jene Rechte, Ehren und Vorzüge, welche der Gemahlin S. K. Hoheit des Kronprinzen von Sachsen als geborene Erzherzogin von Oestreich bisher gebührten, suspendiert werden und diese Sus­pension auch für den Fall fortzubestehen habe, daß der be­vorstehende Scheidungsprozeß zu der in § 577 des B.G. für das deutsche Reich normierten Konsequenz führen sollte, daß die Prinzessin ihren ursprünglichen Familiennamen wieder erhält. Es ist ihr demnach auf Grund dieser aller­höchsten Verfügung untersagt, sich von nun an des Titels einer kaiserlichen Prinzessin und Erzherzogin, königliche Prinzessin von Ungarn u. s. w. zu bedienen und das ihr angestammte erzherzogliche Wappen mit den erzherzoglichen Emblemen weiterzuführen. Auch gebührt ihr nicht mehr der Titel K. und K. Hoheit und es fallen alle mit der Eigenschaft einer solchen verbundenen Ehrenrechte künftighin für sie weg.

Budapest, 27. Jan. Im Magnatenhause publizierte gestern der Präsident offiziell die Enthebung des Erz­herzogs Leopold Ferdinand von Rang und Stellung und infolge dessen die Streichung aus der Liste des Magnatenhauses.

Salzburg, 24. Jan. Prinzregent Luitpold von Bayern ist gestern einer ernsten Lebensgefahr glücklich entronnen. An einer Stelle des Königtzsees, die der Prinzregent kurz vorher mit seinem Gefolge passiert hatte, brach einer seiner Gepäckmeister mit dem Schlitten ein; er wurde jedoch durch seine Begleiter gerettet. Das Eis war infolge einer warmen Quelle nicht tragfähig genug.

ZumFall Krupp", der durch das Vorgehen der Sozialdemokratie auch eine politische Färbung bekommen hat, wird aus Italien berichtet:

Rom, 26. Jan. Das Blatt Corriere della Sera richtet die offene Frage an das Justizministerium, ob der vom

Untersuchungsrichter in Neapel verfolgte deutsche Maler Allers sich eigentlich in Haft befindet oder nicht und ob man durch Erhebung des Prozesses gegen diesen die Wahrheit zu Ehren zu bringen gedenkt. Nur dann würde die unselige Affäre Krupp für immer zur Ruhe kommen, und die Stimme eines italienischen Tribunals würde den deutschen Sozialisten sicherere Schranken auferlegen als die Glocke des Präsidenten Ballestrem.

Seinerzeit wurde mitgeteilt, daß Allers sich einer Ver­folgung seitens der italienischen Gerichte durch die Flucht entzogen habe.

Bologna, 27. Jan. Professor Tizzoni, welcher ein Serum gegen die Lungenschwindsucht entdeckt hat, er­klärt die Entdeckung habe bisher nur einen rein wissenschaft­lichen Charakter und erstrecke sich auf Tiere, wobei er gün­stige Resultate erhalten habe. Die Pferde, die er zu den Experimenten verwandte, seien ihm vom König zur Ver­fügung gestellt.

Rom, 28. Jan. Prof. Tizzoni in Bologna bestätigt den Wert seines Heilserums gegen Lungenschwindsucht. In römischen Krankenhäusern wurden bereits vortreffliche Er­folge damit erzielt. Zur Heilung eines Menschen soll eine Dosis von 30 Kubikzentimetern in drei Einspritzungen ge­nügen. Der König schenkte zur Gewinnung des Serums zwei Pferde. Tizzoni ist ein Schüler Mrchows.

Paris, 26. Jan. Die Schanghaier Zeitung Echo de Chine meldet, daß der französische Oberst Desino mit allen französischen Offizieren beim Abmarsch des deutschen Kon­tingents aus Schanghai zur kameradschaftlichen Abschieds­feier erschienen sei, während die englischen Offiziere ab­wesend waren, die in Schanghai zurückgebliebenen deutschen Offiziere fehlten ihrerseits beim Abschiedsfeste der Engländer, das einige Tage später stattfand.

Paris, 27. Jan. Von der Insel Martinique wird ge­meldet 400 Passagiere des englischen Schiffes Esk wollten die Ruinen von Saint Pierre besichtigen. 200 Personen waren eben ans Land gebracht worden, als mit furchtbarem Krachen und Donner der neugebildete, 25« Meter hohe Kegel des Mont Pel« umstürzte. Minuten­lage Finsternis folgte. Man hielt anfangs die Gelandeten für verloren. Erst zwei Stunden später waren alle wieder an Bord vereint, aber der Schrecken wirkte noch lange fort. Schwefeldunst erfüllte die Luft und hüllte den Dampfer ein, solange Martinique in Sicht war. Man ist in großer Besorgnis wegen der vom Pariser Gelehrten Lacroix geleiteten Pelö-Station und ihrer Bewohner. Lac- roix wollte, obschon er den Umsturz des Kegels für un­mittelbar bevorstehend erklärte, seinen Posten nicht ver­lassen.

Paris, 28. Januar. Der Vorstand der Senatsgruppe für die Kolonien beschloß, sich zum Minister Delcassö zu begeben, und ihn zu befragen, welche Maßnahmen die Re­gierung zu ergreifen gedenke, M angesichts der marokkani­schen Wirren die Interessen Frankreichs zu schützen.

Tula (Rußland), 28. Januar. Gestern entgleiste auf einer Brücke in der Nähe der Station Ponomarcwo Dan- kowo auf der Smolenskischen Linie der Ryansan-Ural-Bahn ein Güterzug. Der ganze Bestand stürzte von der Brücke herunter. Von dem Zugpersonal wurden drei Personen verletzt. Der Zugführer wird vermißt. Auf derselben Bahn stießen außerdem, einer Meldung aus Moskau zufolge, bei der Station Sakina zwei Güterzüge, die hintereinander abgelassen waren, mit solcher Wucht aufeinander, daß 20 Waggons vollständig zertrümmert wurden. Der Maschinist des Hinteren Zuges wurde hiebei schwer, mehrere Schaffner leicht verletzt, ein Heizer getötet.

London, 26. Jan. Kaid Sir Hary Maclean, der Oberstkommandierende der marokkanischen Armee, ehemals englischer Unterleutnant, hat seine militärischen Kenntnisse und Fähigkeiten in sehr lukrativer Weise zu verwenden ge­wußt. Die regulären unter seinem Kommando befindlichen Truppen zählen gegenwärtig etwa 20,000 Mann, wozu noch ein irregulärer Landsturm von etwa 80,000 Mann kommt. Sir Maclean bezieht ein Gehalt von 140,000 Mark in deutscher Währung, jedenfalls braucht er unter diesen Umständen weniger mit dem Gelde zu rechnen, als wenn er Leutnant in der englischen Armee geblieben wäre, in welcher Stellung er nur 2400 Mark bezog. Selbst wenn er es in der britischen Armee zu der Würde gebracht hätte, die er zur Zeit in Marokko inne hat, hätte er nur 90,000 Mark bezogen. Er dürfte demnach kaum den Wunsch hegen, mit Lord Roberts zu tauschen. Seit er Oberstkomman­dierender ist, hat Sir Maclean mehrere ruhmreiche Feld­züge in die Sahara geleitet, und er ist wohl der einzige Christ, der offen den Giania-Paß überschritten und das heilige Grab Mulai Ali Shereef besucht hat.

London, 27. Jan. Heute früh 5.30 brach in der Irrenanstalt von Colney Hatsch nördlich von London Feuer aus. Es brennt der ganz isolierte Flügel für die jüdischen Irren. Um 9.30 wurde die zahlreiche Feuer­wehr des Feuers Herr. Anfangs hieß es, die Irren seien alle gerettet, gegenwärtig verweigert man aber eine offi­zielle Auskunft. Die Feuerwehrleute sagen aber, es seien schon viele Leichen unter den Trümmern entdeckt. Bei der Rettung der Irren soll es sehr erregte Szenen ge­geben haben. Verschiedene sollen so von Panik erfüllt ge­wesen sein, daß kein Versuch gemacht werden konnte sie zu retten.

London, 27. Jan. Bis zum Mittag waren 5 0 Leichen in den abgebrannten Gebäuden der Irren-Anstalt von Colney Hatch gefunden. Das Unglück ist mithin weit größer als man glaubte.

London, 27. Jan. Ungefähr 52 weibliche Irrsinnige werden in Colney Hatch vermißt. Es find keine Krankenpflegerinnen umgekommen. Die meisten Patienten begriffen die Gefahr nicht und verbrannten in ihren Betten. Manche liefen fast unbekleidet in das Freie. Einige stürzten brennend hinaus und wurden dann von den Pflegern er­griffen und auf der Erde gerollt.

London, 28. Jan. Daily Telegraph meldet aus Chi­cago, Rockefeller erklärt, er beabsichtige 7 Mill. Doll, für die Entdeckung eines Heilmittels gegen die Schwindsucht zu stiften.

Plymouth, 26. Jan. Gestern abend brach in den Great Western Railway-Docks Feuer aus und zwar in Keckles Maschinenwerkstätte. Das Feuer breitete sich rasch auf die benachbarte Dampfsägemühle aus, die große Massen Bau­holz enthielt. Drei der Gebäude waren im Augenblick in Flammen gehüllt und binnen kurzem ein Trümmerhaufen. Die Matrosen der Kriegsschiffe unterstützten die Feuerwehr von Plymouth bei den Löscharbeiten, so daß der Brand lokalisiert werden konnte. Der Schaden ist beträchtlich.

Tanger, 27. Januar. Auf den Gesandtschaften ein­getroffene Nachrichten bestätigen die Meldung, daß sich der Prätendent mit einer Armee von 70,000 Mann bereits an den Ufern des Flusses Jnaguahar, drei Stunden von Fez entfernt, befinde. In Fez nimmt man an, daß dieser Vorstoß notwendig sei, weil die kaiserlichen Truppen unter dem Befehl Kaid Omars die Berge besetzt haben. Der Nachtrab der Rebellen bleibt in Riata im Lager. Der Plan des kaiserlichen Truppenchefs ist, die Rebellen zwischen zwei Feuern zu fassen: das eine die Truppen Kaid Omars, das andere die des Kriegsminifters am Flusse Sebu.

New-Uork, 27. Jan. In Washington erwartete man für gestern die Aufhebung der Blockade.

Die Firmen Seligman und Morgan erklären, daß die Londoner Berichte, wonach sie bereit wären, Venezuela Geld zu leihen, unbegründet seien.

New-Uork, 28. Jan. In der Nähe von West- field, dreißig Kilometer von hier, rannte ein Schnell­zug (100 Kilometer in der Stunde) in einen vorher abgegangenen Lokalzug. Der bei dem Zusammenstoß demolierte Lokalzug verbrannte. Manche Menschen waren in den Trümmern eingeklemmt und verbrannten bei lebendigem Leibe. Das Nettungswerk konnte erst im Ernste beginnen, nachdem die Flamme» notdürftig gelöscht waren. Manchen Verunglückten mußte man Arme oder Beine abhauen, um sie aus den Trümmern zu b e- freien und das Leben retten zu können. Mehrere baten mit jämmerlicher Stimme, daß man sie töten möge, da ihre Leiden zu schrecklich wären. Bald nach dem Zusammenstoß erschienen Diebe, welche die Toten und und Verletzten beraubten.

Caracas, 26. Jan. Der Kapitän der vor La Guayra liegenden britischen Kriegsschiffe benachrichtigte die englische Kolonie in La Guayra, daß die Blockade am 28. oder 29. ds. aufgehoben werde.

Caracas, 27. Jan. Der Matin meldet von hier: Auf den auf der Rhede von La Guayra liegenden Kriegsschiffen Tribüne, Carlo Alberto, Restaurador und Zumbador wurden die Flagen auf Halbmast gehißt, weil an Bord des Zum­bador ein Heizer durch die Explosion eines Maschinenroh­res ums Leben gekommen ist. Der venezolanische Dampfer Zamera, der die englische Flagge trägt, ist mit Vorräten für die alliirten Kreuzer eingetroffen.

* *

Auf den Philippinen soll eine aus Freiwilligen bestehende Streitmacht bet dem Versuche, die Räuber aus der Provinz Zambales zu vertreiben, geschlagen worden sein, wobei 3 Amerikaner gelötet wurden.

Briefkasten der Redaktion.

k'. v. in i». Auf Ihre Anfrage möchten wir Sie ersuchen, sich in dieser Sache selbst an die Kgl. Zentralstelle für die Landwirtschaft zu wenden. Wir bezweifeln übrigens, daß diese Behörde auf eine einzelne Anfrage hin solche Auskünfte gibt. Wollen Sie nicht beim Landw. Wochen­blatt anfragen?

Landwirtschaft, Handel und Berkehr.

r. Stuttgart, 27. Jan. (Schlachtviehmarkt.) Zugetrieben wurden: 39 Ochsen 115 Fairen 167 Kalbeln und Kühe 268 Kälber 486 Schweine. Unverkauft blieben: 2 Ochsen 44 Farren 81 Kalbeln und Kühe Kälber 69 Schweine. Erlös ans bx Schlacht- gewicht: für Ochsen 6971 ^ Farren 54 -68 -j, Kalbeln und Kühe 8564 Kälber 7084 Schweine 5665 Ver­lauf des Marktes: Verkauf mittelmäßig.

Koukurs-Cröffnungen. Böblingen: Marie Beck, geb. ohrer, Witwe des Johannes Beck, Spezereihändlerin in Deufringen, annst alt: Friedrich Keefer, Schlossermeister in Untertürk- heim. Horb: Andreas Kiefer, Schmiedmeister in Gündringcn. Maulbronn: Gottlieb Hoffmann, Baumzüchtcr von Illingen, z. Zt. mit unbekanntem Aufenthalt abwesend. Weinsberg: Nach­laß des ch Jakob Gottfried Ruß, gewes. Weingärtners in Weiler.

Auswärtige Todesfälle.

Freudenstadt: Dr. Alexander Heise. Rottcnburg: Katharina Jo Huer, geb. Vollmer, 57 I. a. Obernau: Kon- ftantina Reichert, geb. Schorp, 56 I. a.

Druck und Verlag der <S. W. Zaiser'schen Buchdruckerei (Emil Zailer) Nagold Für die Redaktion verantwortlich: K. Paur.